Der Bestattungsmarkt - Regulierung, Effizienz und politische Ökonomie


Diplomarbeit, 2007

89 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Kinleitung

2. Geschichtliche Entwicklung der Bestattungskultur in Deutschland
2.1 Romisches Grabrecht bei den Germanen
2.2 Ausbreitung des Christentums
2.3 Aufklarung, Kommunalisierung und das 20. Jahrhundert
2.4 Der Wandel der Bestattungskultur

3. Der Bestattungsmarkt in Deutschland
3.1 Wirtschaftliche Kennzahlen
3.2 Die Marktteilnehmer
3.2.1 Die Bestattungsunternehmen
3.2.2 Der Bundesverband Deutscher Bestatter e.V
3.2.3 Die Friedhofstrager
3.2.4 Krematorien in Deutschland
3.2.5 Die Sargindustrie
3.3 Entwicklung der Sterbezahlen in Deutschland
3.4 Die Bestattungsformen
3.4.1 Traditionelle Erd- und Feuerbestattungen
3.4.2 Formen der Urnen- und Aschenbeisetzung
3.4.3 Trends bei der Wahl der Bestattungsform
3.5 Bestattungskosten
3.6 Die neuen Bestattungsgesetze
3.7 Streichung des Sterbegelds
3.8 Der Friedhofszwang fur Urnen
3.9 Vergleich mit dem europaischen Ausland

4. Marktunvollkommenheiten im Friedhofs- und Bestattungswesen
4.1 Informationsmangel auf dem Bestattungsmarkt
4.1.1 Unkenntnis und Informationsasymmetrien
4.1.2 Guterarten und die Beurteilung ihrer Qualitat
4.1.3 Preisunkenntnis bei Bestattungsdienstleistungen
4.1.4 Marktimmanente Problemlosungsstrategien
4.2 Vollstandige Konkurrenz auf dem Bestattungsmarkt (
4.3 Raumliche und zeitliche Marktabgrenzung (
4.4 Der Bestattungsmarkt als weites Oligopol (
4.4.1 Bestimmung der Form des Bestattungsmarktes (
4.4.2 Reaktionsverbundenheit auf dem Bestattungsmarkt
4.4.3 Pisziplinierte Konkurrenz und Wahrung der Pietat
4.5 Die Privatisierung des Friedhofswesens
4.5.1 Gesetzliche Marktzugangsbarrieren
4.5.2 Argumente im Streit um privatwirtschaftliche Friedhofstrager
4.5.3 Mogliche Privatisierungsformen
4.5.4 Grenzen der Privatisierung

5. Ausblick und Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Umsatzverteilung auf dem Bestattungsmarkt

Abbildung 2: Prozentuale Umsatzverteilung auf dem Bestattungsmarkt

Abbildung 3: Prozentuale Verteilung der Friedhofstrager

Abbildung 4: Alterspyramide Deutschland 2001

Abbildung 5: Umfrage uber bevorzugte Bestattungsform

1. Einleitung

Der Themenbereich Tod und Sterben war in den letzten 50 Jahren in Deutschland eher ein Tabuthema. Zwar wurde sich mit der Trauer der Menschen beschaftigt, aber um die Gestalt des Bestattungs- und Friedhofswesens wurde offentlich kaum diskutiert. Die traditionellen Beisetzungsformen wurden als gegeben angesehen und hatten daher einen festen Platz in der Bestattungskultur.

In den letzten Jahren wandelt sich der gesellschaftliche Umgang mit diesen Themen allerdings. Es wird offentlich uber die Ermoglichung neuartiger Beisetzungsformen diskutiert. Auch grenzuberschreitend wird nach neuen Wegen Ausschau gehalten. Die Thematik der Neuordnung des Friedhofs- und Bestattungswesens ist mittlerweile auch auf der politischen Ebene angelangt und hat teilweise mehr Moglichkeiten fur die Gestaltung geschaffen.

Des Weiteren vollzieht sich auch bei vielen Burgern ein Umdenken in Bezug auf die monetare Seite der Bestattungen. Uber die Kosten einer Bestattung zu reden galt bisher meist als unschicklich. Die Suche nach gunstigeren Angeboten und niedrigeren Preisen war somit undenkbar. Ein solches Vorgehen ware negativ auf die Angehorigen zuruckgefallen und hatte zu der Vermutung gefuhrt, dass der Verstorbene ihnen nicht genug Wert gewesen ist. Heutzutage spielen die Kosten einer Bestattung durchaus fur viele Menschen eine Rolle und es darf durchaus offentlich daruber nachgedacht werden, eine gunstigere Alternative in Betracht zu ziehen, ohne dafur verurteilt zu werden. Auch von Seiten der Bestattungsunternehmen gibt es immer ofter Werbung fur preiswertere Bestattungen. Es zeigt sich also, dass dort ein Umdenken stattgefunden hat, auch wenn trotzdem noch sehr oft Beisetzungen in Auftrag gegeben werden, ohne sich der Kosten bewusst zu sein. Wie spater noch erortert wird, ist der Informationsstand vieler Menschen uber den Bestattungsmarkt unvollstandig.

Die Diskussion uber die Kosten, Preise und Regulierungen im Friedhofs- und Bestattungsgewerbe fuhrt aus okonomischer Sicht zu einem in der Offentlichkeit kaum betrachteten Aspekt in diesem Bereich: Es gibt einen Bestattungsmarkt. Diese Tatsache wird von den meisten Menschen nicht wahrgenommen. Die Bewaltigung der Trauer ruckt zumeist in den Vordergrund. Es wird vergessen, dass Bestattungen Dienstleistungen sind, die von Unternehmen angeboten werden.

Betrachtet man zuerst einmal die Bestattungsuntemehmen allein, dann handelt es sich hierbei fast generell um privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen. Sie bieten eine Dienstleistung an, sind gewinnorientiert und stehen mit anderen Bestattern in Konkurrenz. Weiterhin sind noch viele andere privatwirtschaftliche Unternehmen aus den verschiedensten Branchen auf diesem Markt tatig. Aus dieser Sichtweise ist es also keineswegs abwegig von einem Markt zu sprechen.

Betrachtet man andererseits das Friedhofswesen, so findet man einen durch Gesetze regulierten und fast ganzlich vor privater Konkurrenz geschutzten Markt vor. Diese Tatsache wird vor dem Hintergrund der sich wandelnden Bestattungskultur immer ofter hinterfragt, so dass sich eine Untersuchung des Marktes formlich aufdrangt.

Der Bestattungsmarkt bietet sich also durchaus als Objekt fur okonomische Uberlegungen an. Bisher wurde dieser Markt allerdings kaum beachtet und es existieren nur wenige Abhandlungen uber diesen Aspekt des Bestattungsgewerbes. Diese Arbeit soll daher dazu dienen einen Uberblick uber den Bestattungsmarkt zu geben. Es werden einige ausgewahlte, okonomische und politische Besonderheiten dieses Marktes untersucht. Da die Bestattung der Verstorbenen schon immer ein wichtiger Teil der menschlichen Kultur ist, haben sich fur diesen Markt auch besondere Regelungen entwickelt, die ihn zum Teil von anderen Markten unterscheiden. In dieser Arbeit sollen einige davon aufgezeigt und okonomisch betrachtet werden. Hierfur wird auch die historische Entwicklung aufgezeigt, die den Bestattungsmarkt in Deutschland gepragt haben. Allerdings konnen aufgrund des Rahmens dieser Arbeit und der Datenlage nicht alle Aspekte dieses Marktes untersucht werden.

Der Umgang mit dem Thema Tod und Sterben ist verbunden mit einem hohen Mafi an Pietat und Respekt vor den Verstorbenen. Gerade bei der Betrachtung okonomischer Sachverhalte auf diesem Gebiet, sollte niemals aufier Acht gelassen werden, dass es sich hierbei um die letzte Ehrerweisung handelt, die einem Mitmenschen zugedacht wird. Aus dieser Perspektive heraus ergibt sich auch eine Besonderheit des Wettbewerbs auf diesem Markt. Die Wurde des Verstorbenen sollte immer den okonomischen Interessen der Marktteilnehmer untergeordnet werden, was sich auch aus einem immer noch gultigen Gerichtsurteil ableiten lasst: ,,Die Ruhe der Toten ist heilig, der Schmerz der Hinterbliebenen ehrwurdig. Vor der Heiligkeit des Todes haben alle Wettbewerbshandlungen, mag gegen sie auch sonst im geschaftlichen Verkehr nichts einzuwenden sein, halt zu machen.‘“

Dieses Zitat macht deutlich, dass es sich um einen ganz besonderen, von Emotionen gepragten Markt handelt. Auch wenn die Angehorigen und die Verstorbenen in dieser Arbeit als Nachfrageseite definiert werden, soil dies keine Herabwurdigung der Trauer um die Dahingeschiedenen bedeuten. Vielmehr kann eine okonomische Betrachtung des Bestattungsmarktes dazu fuhren, dass gerade dieser Personenkreis nicht aufgrund ihrer Trauer ausgenutzt wird.

Eine wirtschaftlich orientierte Auseinandersetzung mit dem Friedhofs- und Bestattungswesen erweitert die Transparenz des Marktes und kann Marktunvollkommenheiten und alternative Gestaltungsmoglichkeiten aufzeigen. Somit kann eine solche Betrachtung auch zur Wahrung der Pietat genutzt werden. Durch ein grofieres MaB an Information konnen gerade auch die Nachfrager vor Irrefuhrung geschutzt und ihre Position am Markt verbessert werden. Gerade da auf diesem Markt nur wenige wirtschaftliche Untersuchungen existieren, soll diese Arbeit einen ersten Versuch darstellen, den Bestattungsmarkt aus dieser Perspektive zu beschreiben.[1]

2. Geschichtliche Entwicklung der Bestattungskultur in Deutschland

2.1 Romisches Grabrecht bei den Germanen

Die heutige Bestattungs- und Friedhofskultur ist uber die Jahrhunderte durch einige kulturelle Ereignisse gepragt worden. Zum besseren Verstandnis der aktuellen Gestalt des Marktes bietet sich ein Blick auf die geschichtliche Entwicklung an. Die Rituale zur Bestattung spiegeln gesellschaftliche Veranderungen wieder und geben Aufschluss uber das vorherrschende Verstandnis von Tod und Sterben.

So unterschiedlich die Gesellschaften sich in der Geschichte entwickelt haben, so haben sie doch gemeinsam, dass der Tod eines Menschen durch bestimmte Brauche geregelt wurde. Der Leichnam wurde an dafur festgelegte Platze gebracht und dort entweder aufgebahrt, beerdigt oder auch verbrannt.[2]

Betrachtet man die geschichtliche Entwicklung der Regulierung des Bestattungswesens in Deutschland, sollte man mit dem Auftreten des Romischen Reichs im damaligen Germanien beginnen. Dieser Vorlaufer des heutigen Deutschlands stand seit dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zum grofiten Teil unter romischer Herrschaft.[3] Die neue Regierung brachte auch ein Grabrecht mit, welches auch in den Provinzen durchgesetzt wurde und erstmals dazu fuhrte, dass es eine Regulierung des Bestattungswesens gab.

Das Grabrecht der Romer legte fest, dass Leichen nur aufierhalb der Stadte beerdigt werden durfen und das die Graber unverletzlich sein sollen. Aufierdem wurden die moglichen Bestattungsarten festgelegt: erlaubt waren die Erd- und die Feuerbestattung.[4] In der romischen Gesellschaft lag eine Praferenz hinsichtlich der Feuerbestattung vor. Des Weiteren gab es Vorschriften, die besagten, dass Bestattungen nicht zu aufwandig gestaltet werden durfen.[5] Dieser Punkt ist im Hinblick auf so manches pompose Grabmal aus dieser Zeit jedoch kritisch zu betrachten. Gerade reichere Burger, hohere Staatsdiener und Militarangehorige liefien sich aufwandigere Begrabnisse gestalten.[6] Die Organisation einer Bestattung war zu dieser Zeit Sache der Familien, da das Gesetz jedem Toten ein Anrecht auf eine Beisetzung zusicherte. Dies kam fur die Familien einer Bestattungspflicht gleich, auch wenn sie nicht explizit im Gesetz genannt wurde.[7]

Interessant ist hierbei, dass die heute in Deutschland gultigen Gesetze ahnlich formuliert sind. Es ist auch aktuell nicht festgeschrieben, wer die Bestattung durchfuhren soil, sondern es wird nur von den „Totenfursorgeberechtigten“[8] gesprochen. Gemeint sind hiermit die direkten Angehorigen des Verstorbenen, wie z.B. Ehegatten, Kinder und Eltern. Fand sich keine Person, die sich um die Bestattung gekummert hat, so sprang vermutlich auch damals ein amtlicher Trager ein, um die Verstorbenen zu bestatten.[9] Auch in diesem Punkt liegt eine Ubereinstimmung mit heutigem deutschem Recht vor, was darauf schliefien lasst, dass eine solche gesetzliche Regelung zeit- und kulturunabhangig Akzeptanz findet.

2.2 Ausbreitung des Christentums

Die Ausbreitung des Christentums fuhrte ab dem zweiten Jahrhundert zu weiteren nachhaltigen Veranderungen im Friedhofs- und Bestattungswesen in Deutschland. Von diesem Zeitpunkt an pragten die christlichen Kirchen mit ihren religios begrundeten Wertevorstellungen die Bestattungskultur.[10]

Ein erstes Zeichen dafur war die zunehmende Verdrangung der Feuerbestattungen zugunsten der Erdbestattung. Der christliche Glauben hat damals die Verbrennungen strikt abgelehnt, weil er mit ihren Vorstellungen des Jenseits und der Auferstehung nicht in Einklang zu bringen war. Als Vorbild ihrer Bestattungen diente das Begrabnis von Jesus.[11] Die Feuerbestattung verschwand dadurch fur Jahrhunderte aus der Bestattungskultur auch auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Die kirchlichen Gebrauche hatten auch Einfluss auf die weltliche Gesetzgebung, da Karl der Grofie im Jahr 785 per Gesetz Feuerbestattungen in seinem Herrschaftsgebiet verboten hat.[12] Karl der Grofie herrschte durch seine erfolgreichen Kriege uber weite Teile des heutigen Deutschlands und trieb die Christianisierung voran. Allerdings scheint es langere Zeit gedauert zu haben, bis sich sein Feuerbestattungsverbot durchgesetzt hat, denn durch archaologische Funde ist belegt, dass auch nach diesem Gesetz noch Brandbestattungen in Norddeutschland durchgefuhrt wurden.[13] Dieser Umstand folgt wohl aus der Tatsache, dass die von Karl dem Grofien eroberten sachsischen Gebiete noch an ihrem heidnischen Glauben festgehalten haben.

Der Wandel, der durch die zunehmende Ausbreitung des Christentums eingelautet wurde, fuhrte dazu, dass die Kirche eine Monopolstellung im Friedhofswesen einnahm. Die christlichen Gemeinden begannen gemeinsame Platze in der Nahe ihrer Kirchen zu organisieren. Der Name Kirchhof verdeutlicht diesen Umstand, der daraus entstand moglichst nah an heiligen Reliquien bestattet zu werden.[14] Durch diese Praxis entwickelten sich einige Probleme, die das Erscheinungsbild des Friedhofs- und Bestattungswesens weiter pragen sollten.

Da die Kirchen zum grofiten Teil im Zentrum der damaligen Siedlungen standen war der Platz um die Kirchen herum ein knappes Gut. Hierdurch kam es dazu, dass es meist nur Reicheren moglich war in einzelnen Grabern auf dem Kirchhof bestattet zu werden. Den armeren Schichten blieb oftmals nur die Bestattung in Gemeinschaftsgrabern.[15] Diese Graber wurden fur neue Beisetzungen einfach wieder geoffnet und die Leiche zu den anderen gelegt, was aus heutiger hygienischer Sicht undenkbar ware. Die Kirchen und die entsprechenden Pfarreien hatten das Recht zu bestimmen, wer auf ihren Kirch- bzw. Friedhofen ruhen darf. Ausgeschlossen waren z.B. die Leprosen und die Siechen, fur die separate Friedhofe eingerichtet wurden, was allerdings nicht auf erste hygienische Mafinahmen schliefien lasst, sondern auf ihren Status in der christlichen Gemeinde hinweist. Aufierdem wurden Fremde, Hingerichtete, Selbstmorder, Ketzer, Andersglaubige und auch ungetauft verstorbene Kinder anders beerdigt. Diese Personen wurden aufierhalb des Friedhofs vergraben.[16]

Ein weiteres Problem, das durch die knappe Flache entstand, war die Uberbelegung der Kirchhofe. Zum Teil ergaben sich hieraus gravierende hygienische Zustande. Die Enge auf den Friedhofen und auch durch die schnellere Wiederbelegungsfrequenz durch einen Anstieg der Bestattungen, fuhrten vom 8. bis 12. Jahrhundert dazu, dass Beinhauser entstanden und Zweitbestattungen durchgefuhrt wurden. Es kam also zu Umbettungen der Uberreste, der Verstorbenen. Die Knochen bzw. das Skelett wurden ausgegraben und in den Beinhausern aufbewahrt.[17]

Zu den bisher geschilderten Schwierigkeiten kam es im Mittelalter zu einer Epidemie, die auch die Bestattungskultur einschneidend verandern sollte. Im 14. Jahrhundert, genauer im Jahr 1347, trat in Europa zum ersten Mal die Pest auf. Diese Seuche forderte bis zu ihrem Verschwinden im 18. Jahrhundert eine Vielzahl an Opfern. Allein in den ersten funf Jahren starben ungefahr 20 bis 25 Millionen Menschen in Europa.[18] Durch die grofie Zahl der Verstorbenen blieben als Losung oft nur Massengraber aufierhalb der Stadte. Hygienische Grunde kamen hierbei wiederum nicht zum Tragen, da trotzdem so lange auf dem Kirchhof bestattet wurde, bis dieser belegt war. Erst ab dem 16. Jahrhundert machte man sich Gedanken uber den Zusammenhang der Ansteckung und den schlechten hygienischen Gegebenheiten.[19] Die Pest hatte also zur Folge, dass die Menschen erstmals uber Hygiene nachdachten und dieses Wissen dann auch beim Umgang mit Verstorbenen eingesetzt wurde.

Auf kultureller bzw. religioser Ebene sorgte die Reformation, ausgelost durch Martin Luther, fur weitere Veranderungen in der Bestattungskultur. Die reformierten Christen stellten jetzt die Trauernden in den Mittelpunkt und daher war ihrer Meinung nach die Nahe zu den Reliquien der Kirche nicht zwingend notwendig. Luther stellte auch fest, dass man Friedhofe ruhig aufierorts anlegen durfe, wenn die Hygiene es verlangt.[20] Die Reformation ermoglichte es auch, dass sich die Mediziner durchsetzen konnten, die schon seit dem 16. Jahrhundert vor den Risiken der unhygienischen Zustande gewarnt haben. Aufierdem machte die demographische Situation den Ruf nach aufierstadtischen Friedhofen laut. Herzog Georg von Sachsen erliefi schon in 1536 eine Verordnung, nach der die innerstadtischen Friedhofe geschlossen werden mussten. Hierbei sollte beachtet werden, dass dieser Landesherr katholisch war und daher gezwungen war entgegen seiner Glaubensgemeinschaft zu entscheiden.[21]

2.3 Aufklarung, Kommunalisierung und das 20. Jahrhundert

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann ein neuer Abschnitt im Friedhofs- und Bestattungswesen dessen Auswirkungen wir auch heute noch feststellen konnen. Die kirchliche Monopolstellung wurde durch staatliche Verordnungen abgelost. Diese Erlasse galten in ganz Deutschland, dass damals noch ein Gebilde aus vielen Einzelstaaten war. Bestattungen auf den innerstadtischen Friedhofen und innerhalb von Kirchen wurden verboten. Die Konsequenz und auch das gewunschte Ziel dieser Gesetze war es, neue Friedhofe aufierhalb der Ortsgrenzen zu schaffen, um das Problem der Uberbelegung und der Hygiene zu beseitigen.[22] Das Ende des 18. Jahrhunderts markiert also die Schwelle an der das kirchliche Recht vom politischen bzw. staatlichen Recht abgelost wird.

Die ersten staatlichen Eingriffe wurden nach hygienischen Gesichtspunkten getroffen und diese Vorgehensweise wurde auch konstant weiterverfolgt. Neue, aufierstadtische Friedhofe wurden nach bestimmten Kriterien angelegt, wie z.B. die Lage des Friedhofs, die Bodenverhaltnisse, nur noch Beerdigungen in Einzel- und Reihengrabern und zusatzlich wurde sogar die Bepflanzung geregelt.[23] Eine weitere Neuerung war das Auftreten von Leichenhallen, die dazu dienten, die als unhygienisch angesehene Heimaufbahrung abzuschaffen. Zudem sollten diese Gebaude auch die Gefahr der Beerdigung von so genannten Scheintoten verhindern.[24]

Durch die Einfuhrung der Gewerbefreiheit am Anfang des 19. Jahrhunderts in Preufien konnten sich die ersten Bestattungsinstitute grunden. Vorher waren solche Unternehmen unbekannt, da sich die Familien, die Gemeinden oder die Zunfte um die Bestattung kummerten. Mit der Gewerbefreiheit gab es erstmals die Moglichkeit, die verschiedenen Dienstleistungen der Bestattung zu bundeln. Die damals neuen Betriebe entstanden oft aus Tischlereien oder Transportunternehmen.[25]

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es ein Wiederaufleben der Feuerbestattung in Deutschland. Als Grunde dafur kommen wie oben schon aufgefuhrt die zunehmenden hygienischen Mafinahmen, die Platzprobleme und die Folgen der Aufklarung in Frage. Gerade unter Medizinern war die Feuerbestattung als Alternative zum Erdgrab im Gesprach. Zudem war seit dem Beginn der Industrialisierung eine Sakularisierung der Bestattungskultur bzw. der Bestattungsrituale zu beobachten.[26] Unter diesem Begriff versteht man im weitesten Sinne die Verweltlichung, womit ein Wandel von einer religiosen Kultur hin zu einer durch den Humanismus und die Aufklarung gepragten Lebensart beschrieben wird.[27]

Nachdem in Gotha im Jahre 1878 das erste Krematorium Deutschlands gebaut wurde, entwickelte sich die Feuerbestattung im gesamten deutschen Raum zu einer Alternative der Erdbestattung, was sich auch bis heute nicht geandert hat. Damals wurden private Vereine fur Kremationen gegrundet und bis zum Ersten Weltkrieg war Deutschland in Europa Vorreiter, was die Anzahl der Kremationen betrifft.[28] Allerdings traf auch diese Entwicklung zum Teil auf Widerstand. Zum einen war die rechtliche Situation in den einzelnen Teilen des Deutschen Reichs unterschiedlich und auf der anderen Seite war auch die romisch-katholische Kirche gegen Feuerbestattungen. Sie untersagte 1886 die Kremation und hob dieses Verbot erst I960 wieder auf.[29]

Auch die Bestatter waren damals von der, fur sie neuen, Konkurrenzsituation mit den Feuerbestattungsvereinen betroffen. Wobei auch sie am Anfang des 20. Jahrhunderts anfingen Kremationen anzubieten. Durch die wirtschaftlichen Krisen in der Zeit der Weimarer Republik wurde die Nachfrage nach den im Vergleich gunstigeren Feuerbestattungen groBer.[30]

Der Beginn des 20. Jahrhunderts brachte auch eine Vielzahl neuer kommunaler Bestimmungen fur Bestattungen und mancherorts entstanden auch kommunale Unternehmen, die im Umfeld des Bestattungswesens tatig waren. So war z. B. in Munster der Transport von Leichen nur durch den stadtischen Leichentransporteur gestattet. In der Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg gab es eine regelrechte Debatte um die Kommunalisierung des Bestattungswesens. Ein Grund war, dass viele Kommunen ein Wirken in dieser Branche als neue Einnahmequelle angesehen haben.[31] Auch die Machtergreifung der Nationalsozialisten fuhrte zu neuen Regelungen auf dem Bestattungsmarkt. Die vorher ungleichen Landerregelungen uber die Feuerbestattungen wurden 1934 durch ein Gesetz zur Gleichstellung von Erd- und Feuerbestattungen geregelt.[32] Welchen Hintergrund diese Regelung hat, lasst sich nur vermuten. Eventuell sollte die oben erwahnte germanische Tradition der Feuerbestattung fur die Zwecke des Regimes eingesetzt werden.

Obwohl Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei Staaten aufgeteilt wurde, setzte sich die Sakularisierung trotzdem in beiden Teilen fort.[33] Allerdings erreichte die Zahl der Feuerbestattungen in der DDR eine weitaus groBere Zahl, als in der BRD. Dort wurden bis zu 85 Prozent der Beisetzungen als Feuerbestattung durchgefuhrt.[34] Diese Entwicklung lasst sich wahrscheinlich auf die Unterdruckung der kirchlichen Riten und der Ablehnung der Religionen im Allgemeinen durch die Regierung der DDR zuruckfuhren.

Viele der in diesem Kapitel aufgefuhrten Ereignisse pragen noch bis heute die Bestattungskultur in Deutschland. AuBerdem kann festgestellt werden, dass die Rituale und auch die Regelungen und Gesetze auf diesem Gebiet uber die Jahrhunderte einem steten, wenn auch langsamen Wandel unterlagen. Gerade heute ist dieser Aspekt von grofier Bedeutung fur die Bundesrepublik. Die politischen und gesellschaftlichen Diskussionen, die schon seit einigen Jahren uber eine freiere Gestaltung des Bestattungs- und Friedhofswesens gefuhrt werden, sollten auch aus dieser Perspektive betrachtet werden. Gerade das Argument Tradition zur Ableitung ewig gultiger Regelungen kann dadurch eventuell abgeschwacht werden.

2.4 Der Wandel der Bestattungskultur

Seit einiger Zeit wird auch in Deutschland wieder uber die Bestattungskultur diskutiert. Gesellschaftliche Veranderungen, wie z. B. die zunehmende Individualisierung, das Verschwinden von Traditionen, die Mobilitat und auch die unterschiedlichen Lebensweisen fuhren zu einem Umdenken in Bezug auf die Bestattung.[35] Dies aufiert sich z. B. durch eine Abkehr von den ursprunglichen Bestattungsformen hin zu einer wachsenden Zahl an Alternativen, die spater noch in Kapitel 3.4 genauer beschrieben werden. Die Varianten und die Anzahl der Urnenbestattungen wachsen an und auch die anonymen Bestattungen nehmen zu. Die Menschen sind zum Teil auch in Bezug auf die Trauer nicht mehr so ortsgebunden wie in fruheren Zeiten. Dies zeigt sich unter anderem auch durch die Entstehung von virtuellen Friedhofen im Internet.[36] Aufierdem verschwindet die Tabuisierung uber die Kosten einer Bestattung offentlich nachzudenken und eventuell Preisvergleiche anzustellen.[37]

Der Wandel der Bestattungskultur ist auch verbunden mit der zunehmenden Abkehr der Menschen von den christlichen Kirchen. Die heute ublichen traditionellen Beisetzungen wurden mafigeblich von den Kirchen mitgestaltet. Aufgrund der sinkenden Mitgliederzahlen kann davon ausgegangen werden, dass es mehr Menschen gibt, die sich auch in Bezug auf die Bestattungskultur neu orientieren.[38]

Ein weiteres Problemfeld stellt die steigende Zahl der unterschiedlichsten Religionsgemeinschaften dar, welche darauf hoffen ihre Verstorbenen in Deutschland nach ihren Vorstellungen zu bestatten.[39]

Der Ruf nach vielfaltigeren Moglichkeiten die eigene Beisetzung zu gestalten wird starker. Das Begrabnis und auch die Ruhestatte sollen individueller gestaltet werden durfen. Problematisch sind fur solche Vorhaben allerdings die oftmals sehr strikten Regulierungen, mit denen die Betroffenen auf diesem Markt konfrontiert werden. Der Markt ist in seinen gewachsenen Strukturen, durch ordnungspolitische Uberlegungen und Notwendigkeiten und durch die Interessengemeinschaften zu einem sehr gefestigten Markt geworden, der sich jetzt dem Druck der sich wandelnden Gesellschaft stellen muss.

3. Der Bestattungsmarkt in Deutschland 3.1 Wirtschaftliche Kennzahlen

Wenn man den Markt fur Bestattungen beschreibt und ihn dabei versucht in Anbieter und Nachfrager zu unterteilen, so sollte man dabei auf einen respektvollen Umgang mit der Wurde der Verstorbenen achten. Die Dahingeschiedenen als Wirtschaftsguter zu betrachten, ware rein wissenschaftlich sicherlich moglich, soll hier aber nach Moglichkeit vermieden werden. Man sollte sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass auf dem Bestattungsmarkt die Verstorbenen bzw. ihre Angehorigen die Nachfrage darstellen. Die Angebotsseite ist auf diesem Markt darauf angewiesen, dass Menschen versterben, da ihre Dienstleistungen sonst nicht anderweitig zu vermarkten sind. Ein Merkmal dieser Branche ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung gerade auch von der demographischen Entwicklung abhangig ist.[40] Weitere Einflusse auf die Branche sind durch kulturelle gesellschaftliche Entwicklungen, wie etwa sich verandernde Bestattungsrituale oder auch gesetzliche Grundlagen, gegeben.

Uber den gesamten Markt, der Leistungen im Bereich des Bestattungs- und Friedhofswesens anbietet, gibt es noch keine gesicherten wirtschaftlichen Kennzahlen. Es wurden zwar fur einzelne Teilbereiche, wie z. B. fur die Bestattungsinstitute, Erhebungen uber Umsatze und weitere Kennzahlen vom Statistischen Bundesamt durchgefuhrt, aber bislang existieren fur die gesamte Branche nur grobe Schatzungen. Ein Grund hierfur konnte darin liegen, dass die wirtschaftliche Seite der Bestattungen bzw. die Existenz eines Marktes fur Bestattungen fur weite Teile der Gesellschaft noch ein Tabuthema darstellt. Es ist naturlich ebenfalls denkbar, dass die privaten Unternehmen nicht an der Veroffentlichung ihrer Umsatze und Gewinne interessiert sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie Abbildung 1 zeigt, wurde der Gesamtumsatz fur das Jahr 2006 auf dem Bestattungsmarkt auf ca. 16 Milliarden Euro geschatzt.[41] Dieser Umsatz ergibt sich aus der Summe von 15 ausgewahlten und in diesem Wirtschaftszweig tatigen Unternehmen. Im Jahr 1996 wurde der Gesamtumsatz des Wirtschaftsraums Friedhof und Bestattung auf ungefahr 10 Milliarden Euro determiniert, wobei damals einige Branchen nicht in den Umsatz mit eingerechnet wurden, die in 2006 dabei sind.[42]

Der groBte Umsatz wurde im Jahr 2006 nach dieser Schatzung von den Gartnern bzw. Friedhofsgartnern erzielt und betragt ca. 3,8 Milliarden Euro. Den Steinmetzen wurde ein Umsatz von etwa 2,6 Milliarden Euro zugeordnet. Als drittgroBter Block ist die private Grabpflege mit einem Umsatz von 2,5 Milliarden Euro eingeordnet, wahrend die Bestatter dann den vierthochsten Umsatz mit etwa 2,3 Milliarden Euro erzielen.[43] Falls die Umsatzschatzung der Bestattungsinstitute korrekt ist, hatte sich der Umsatz von 2002 bis 2006 etwas mehr als verdoppelt, denn im Jahr 2002 wurde vom Statistischen Bundesamt ein Wert von annahernd 1,1 Milliarden Euro ermittelt.[44] Leider lieBen die vorliegenden Erhebungen nicht darauf schlieBen, worin dieser Anstieg begrundet ist. Die Zahl der Verstorbenen liegt bei beiden Quellen bei etwa 850.000 Personen und fallt daher als Grund aus. Auch die Inflation oder die Erhohung der Mehrwertsteuer in den letzten Jahren durften nicht als Anlass fur diesen Anstieg verantwortlich sein.

Als weitere Umsatzstarke Teilnehmer sind die Stadte und Gemeinden in dieser Umsatzschatzung enthalten, wobei die Stadte ca. 2,2 und die Gemeinden ca. 1,1 Milliarden Euro Umsatz gemacht haben. Dieser Umsatz wird hauptsachlich uber das Friedhofswesen erzielt.

Die Marktteilnehmer in Form von Glaubensgemeinschaften erwirtschafteten nach dieser Erhebung ca. 560[45] Millionen Euro. Davon sind ca. 319 Millionen Euro von der katholischen Kirche, etwa 230 Millionen Euro von der evangelischen Kirche und ca. 12 Millionen Euro von denjudischen Gemeinden umgesetzt worden.[46] Der restliche Umsatz wurde von den Floristen, der Sargindustrie, bei der Sargwasche, bei den privaten Bestattungen, dem Umsatz von Metall am Friedhof und der Friedwald GmbH bzw. der Ruheforst GmbH erwirtschaftet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Zagar, M., 2007, S.27

Abbildung 2: Prozentuale Umsatzverteilung auf dem Bestattungsmarkt

Der Blick auf die prozentuale Umsatzverteilung in Abbildung 2 macht deutlich, in welchem Mafie der Markt zwischen privaten Unternehmen, der offentliche Hand und den Korperschaften offentlichen Rechts aufgeteilt ist. Fur das Jahr 2006 ergibt sich somit fur den offentlichen Anted am Umsatz eine Zahl von ca. 23,97 Prozent. Dieser Wert entspricht ungefahr 3,8 Milliarden Euro.

Der privatwirtschaftliche Anteil betragt demnach ca. 76,03 Prozent, was einem monetaren Gegenwert von etwas mehr als 12 Milliarden Euro entspricht.[47] Daher wird deutlich, dass der in der freien Wirtschaft erwirtschaftete Umsatz wesentlich hoher ausfallt, obwohl dort eine gewisse Konkurrenzsituation vorhanden ist. Dies ist betrachtungswurdig, da gerade die offentlichen Umsatze grofitenteils auf den Friedhofen erzielt werden, welche durch die Landesgesetze einen gewissen Schutz besitzen. Allerdings sind die offentlichen Akteure in der Regel an den Grundsatz der Kostendeckung gebunden, was an spaterer Stelle noch genauer erortert wird. Leider gibt es noch keine Untersuchungen oder Schatzungen, wie hoch sich der Umsatz gerade bei den Friedhofen entwickeln wurde, wenn dort mehr oder ausschliefilich private Unternehmen tatig waren.

Im Hinblick auf den geringen Anteil der offentlichen Hand und den Korperschaften offentlichen Rechts am Umsatz bietet es sich auch an, einen Blick darauf zu werfen, wie sich die Zahl der Beschaftigten auf dem Bestattungsmarkt verteilt. Fur das Jahr 2006 wurde geschatzt, dass in Deutschland ca. 384.502 Arbeitskrafte im Umfeld des Friedhofs- und Bestattungswesens beschaftigt waren. Der grofite Teil von 220.000 Arbeitskraften war bei den Stadten beschaftigt, was einem Anteil von uber 57 Prozent aller Beschaftigten entsprach.[48]

Insgesamt waren von den Arbeitskraften ca. 71,73[49] Prozent bei der offentlichen Hand und den Korperschaften offentlichen Rechts beschaftigt. Daraus folgt fur die private Wirtschaft ein Anteil von 28,27 Prozent. Betrachtet man nun diese Zahlen zusammen mit der prozentualen Umsatzverteilung, so fallt auf, dass der offentlich erzielte Umsatz nur ca. 23,97 Prozent betrug, obwohl dort etwa 71,73 der Beschaftigten dieses Marktes arbeiten. Das Verhaltnis von Arbeitskraft und Umsatz ist somit fast umgekehrt. Inwiefern daraus Schlusse uber den effizienteren Einsatz von Personal gezogen werden konnen, musstejedoch noch untersucht werden.

3.2 Die Marktteilnehmer

3.2.1 Die Bestattungsunternehmen

Bestattungsuntemehmen sind in Deutschland oftmals die erste Anlaufstelle far die Angehorigen eines Verstorbenen. Sie bieten gebundelt alle Dienstleistungen zur Durchfuhrung einer Bestattung an. Diese kann, in gewissen Grenzen, nach den Wunschen des Dahingeschiedenen oder der Angehorigen gestaltet werden. Den Hinterbliebenen soll in der schwierigen Trauerzeit moglichst viel Arbeit abgenommen werden.[50]

Die Bestatter haben ein breites Aufgabenspektrum, aus welchem sich die Kunden ihr gewunschtes Bundel zusammenstellen konnen, sofern sie informiert sind und in einer solchen von Emotionen gepragten Zeit dazu in der Lage sind. Bevor an dieser Stelle die Aufgaben der Bestatter aufgezahlt werden, soll noch angemerkt werden, dass es kein Gesetz gibt, welches die Organisation der Beerdigung durch Bestatter vorschreibt. Die Angehorigen konnten ebenfalls alle organisatorischen Aufgaben erledigen.[51] Sie mussten dannjede Teilleistung einzeln zusammenstellen, was wahrscheinlich das grofite Hindernis in einer solchen Situation darstellt.

Die folgende Aufstellung beschreibt die Aufgaben eines Bestatters:

„Ein Bestatter

- berat Sie umfassend und kompetent (auf Wunsch auch zu Hause),
- betreut Sie dank eines 24-Stunden-Services im Trauerfall sofort,
- organisiert die gesamte Bestattung und Trauerfeier,
- erledigt alle Formalitaten, Behordengange und Terminabstimmungen und kontrolliert den Ablauf der Bestattung,
- uberfuhrt zujedem Bestattungsort,
- zieht Versicherungsleistungen ein,
- verauslagt bestellte Fremdleistungen
- meldet, wo notig, den Sterbefall,
- hilft bei der Festlegung des Grabes,
- hat eine umfangreiche Auswahl an Trauerartikeln zur Verfugung,
- kummert sich um eine wurdige und feierliche Aufbahrung,
- berat bei der Herstellung der Trauerkarten und -anzeigen,
- vermittelt einen Trauerredner,
- berat bei der Auswahl der Trauermusik,
- gibt sachkundigen Rat bei der Grabpflege,
- unterstutzt bei der individuellen Auswahl eines Grabmals,
- begleitet Sie - im Bedarfsfalle - bei Ihrer Trauerbewaltigung,
- erstellt eine uberschaubare Abrechnung,
- steht Ihnen auch spater noch mit seiner Erfahrung zur Verfugung.“[52]

Zu den moglichen Tatigkeiten eines Bestattungsinstitutes gehort auch die Zusammenarbeit mit Kunden, die ihre eigene Beerdigung schon fruhzeitig vor ihrem Dahinscheiden planen mochten. Die Bestatter bieten hierfur z. B. Vorsorgevertrage an, die nach den Wunschen des Kunden gestaltet werden.[53] Durch diese Vorgehensweise konnen die Bestatter versuchen einen Vorteil gegenuber ihren Konkurrenten zu erwirtschaften, indem sie die Kunden noch zu Lebzeiten an ihr Unternehmen binden.[54] Auch der Kunde kann von einer fruhen Organisation profitieren. Es ist ihm im Vorfeld besser moglich eigene Preisvergleiche durchzufuhren, als es den Angehorigen nach Eintritt des Todes aufzuburden. Die Angehorigen stehen in der Regel unter einem grofien emotionalen Einfluss und auch unter einem gewissen zeitlichen Druck, wenn es darum geht die Bestattung zu planen. Dieser Zwang schnell Handeln zu mussen kann zu einer unvollstandigen Ubersicht uber die Preise fuhren, wie spater noch genauer erlautert wird. Oftmals wird in der Praxis dann nur das ortlich nachstgelegene bzw. bekannte Bestattungsinstitut beauftragt.[55]

Wie oben schon angefuhrt konnten die ersten spezialisierten Unternehmen in diesem Bereich in Deutschland nach Einfuhrung der Gewerbefreiheit gegrundet werden. Vorher wurde ihre Tatigkeit durch die Gemeinden und Familien der Verstorbenen organisiert. Viele Bestattungsunternehmen entstanden aus Tischlereien und Transportunternehmen, die auch schon vorher Teilleistungen bei Bestattungen erbrachten.[56] Bestatter kann in Deutschland jede volljahrige und geschaftsfahige Person werden. Es muss lediglich ein Gewerbeschein beantragt werden. Der Beruf ist nicht durch ein Gesetz geschutzt, obwohl die Verbande der Bestatter schon seit uber einem halben Jahrhundert versuchen durch politische Einflussnahme eine Berufsordnung zu etablieren.[57] Da dies bisher immer gescheitert ist, haben sich die in Verbanden organisierten Bestatter eigene Grundsatze entwickelt und auch ein eigenes Zertifikat eingefuhrt, das durch eine Prufung erworben werden kann.[58] Die Anerkennung des Bestattungsberufs als vollwertiges Handwerk scheitert meist daran, dass der Beruf aufgrund des hohen Dienstleistungsanteils nur als Teilhandwerk eingeordnet wird.[59] Erst seit 2003 gibt es den Lehrberuf „Bestattungsfachkraft“, der an drei Standorten in Deutschland gelehrt wird. Die Lehre wird durch eine Abschlussprufung vor einer Handwerkskammer abgeschlossen. Vorher war diese Ausbildung freiwillig und schloss mit einer Fortbildungsprufung ab.[60] Seit 2005 gibt es in Munnerstadt ein Bundesausbildungszentrum der Bestatter. Dieses verfugt auch uber einen Ubungsfriedhof und wird vom Bundesverband als weltweit einmaliges Ausbildungszentrum bezeichnet.[61]

Fur die Bestattungsdienstleistungen gibt es seit 2006 auch eine europaische Norm, die die bisherige deutsche DIN 77300 ablost. Die neue Norm hat in Deutschland den Titel DIN EN 15017. Sie gilt als Mafistab dafur, wie Leistungen im Bestattungsgewerbe ordnungsgemafi erfullt werden sollen. Unter anderem sind die Behandlung des Leichnams, das Profil der Bestatter, die Uberfuhrung des Korpers und auch die Beratungspflicht der Bestatter in der Norm enthalten.[62]

Zum Jahresende 2006 wurden in Deutschland rund 5011 Bestattungsunternehmen gezahlt, wovon vier Unternehmen von Inhabern aus den EU-Beitrittslandern gefuhrt werden.[63] Die Zahl der Betriebe hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen. So waren 1970 nur 1371 Unternehmen tatig, wahrend 1994 schon 3777 und 2003 dann 4360 Betriebe eingetragen waren. Leider war aus dieser Statistik nicht ersichtlich, ob es sich bei der Zahl von 1970 nur um die westdeutschen oder um eine gesamtdeutsche Zahl handelt. Trotzdem ist die kontinuierliche Zunahme der Betriebe verwunderlich, da bei der Zahl der Verstorbenen im gleichen Zeitraum eine rucklaufige Entwicklung zu verzeichnen ist.[64]

Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes wurde im Jahr 2002 von 3557 Unternehmen ein Umsatz in Hohe von ca. 1,1 Milliarden Euro erwirtschaftet. Hierbei erwirtschafteten Unternehmen mit weniger als 10 Personen ungefahr 60 Prozent des Umsatzes[65] Allerdings sind diese Zahlen Hochrechnungen und es gibt bis heute noch keine Erhebungen grofieren Umfangs. Eine neuere, wiederum nur geschatzte Berechnung aus dem Jahr 2007 beziffert den Umsatz der Bestatter mit ca. 2,31 Milliarden Euro. Wodurch die Bestatter nach den Gartnern und Steinmetzen an dritter Stelle bei den grofiten Umsatzen auf dem Bestattungsmarkt rangieren.[66] Die Branche ist dadurch gekennzeichnet, dass es sehr viele Einzelunternehmen gibt. Von insgesamt 3557 Unternehmen im Jahr 2002 waren 2372 Einzelunternehmen. Dies entspricht einem Anteil von ca. 71 Prozent und ist auf die Tatsache zuruckzufuhren, dass Bestattungsinstitute oft als Familienunternehmen gefuhrt werden.[67] Der grofite Teil der Betriebe, namlich 83 Prozent, hat weniger als 10 Beschaftigte. In der Branche waren 2002 insgesamt 21929 Personen tatig, wovon 7496 weiblich waren. Dies entspricht einer Quote von 34,2 Prozent, was zum damaligen Zeitpunkt 10 Prozent weniger als der Anteil der Frauen an den gesamtwirtschaftlich Erwerbstatigen war. Aus diesen Zahlen kann geschlossen werden, dass die Frauen in dieser Branche leicht unterreprasentiert sind bzw. dass das Bestattungswesen von Mannern dominiert wird.[68] Eventuell kann man hierfur traditionelle Grunde anfuhren.

Nicht nur die privatwirtschaftlichen Bestattungsinstitute stehen einander als Konkurrenten gegenuber. Im Jahr 2001 hat die Synode des Kirchenkreises Lennep die Grundung eines Bestattungsinstitutes entschieden. Also tritt die Kirche in diesem Fall als Konkurrent zu den ortsansassigen Bestattern auf. Der Bund Deutscher Bestatter hat in dieser Entwicklung eine massive Bedrohung der Existenz seiner Mitglieder in dieser Gegend gesehen und sich kritisch in einer Presseinformation dazu geaufiert. Dem Kirchenkreis wird vorgeworfen, dass das Auftreten als Bestatter nur aus Profitaspekten geschieht. Mit Hinweis auf die immer kleiner werdende Gruppe der Menschen, die noch Kirchensteuer zahlen, wird vermutet, dass eine neue Einnahmequelle erschlossen werden soll. Zudem wird auch angezweifelt, dass der Markteintritt etwas mit Gemeinnutzigkeit zu tun hat.[69] Den Kirchen werden die Trauerbegleitung und die Beschaftigung mit dem Tod als Tatigkeitsfelder zugeordnet. Die Verbande bestehen naturlich zum Schutz ihrer Mitglieder darauf, dass es keine ausufernde Konkurrenzsituation gibt. Sie schutzen also die Marktanteile ihrer Mitglieder.

[...]


[1] Bongartz, T., 1995, S. 86

[2] Vgl. Sachenbacher, P., 2003, S.24 ff.

[3] Vgl. Sorries, R.,2003, S. 11

[4] Vgl. Fischer, N., 1996, S. 8

[5] Vgl. Sorries, R., 2003, S. 12

[6] Vgl. o.V. Stiftung Warentest, 2005, S. 14

[7] Vgl. Sorries, R. 2003,S.13

[8] Stiftung Warentest, 2005, S. 73

[9] Vgl. Sorries, 2003, S. 14

[10] Vgl. Stiftung Warentest, 2005, S.14

[11] Vgl. Stiftung Warentest, 2005, S. 15

[12] Vgl. Fischer, N., 1996, S. 9

[13] Vgl. Barenfanger, R., 1988, S. 266

[14] Vgl. Sorries, R., 2003, S. 27

[15] Vgl. Stiftung Warentest, 2005, S. 14

[16] Vgl. Fischer, N., 1996, S. 9

[17] Vgl. Sorries, R., 2003, S. 42

[18] Vgl. Sorries, R., 2003, S. 54

[19] Vgl. Fischer, N., 1996, S. 9 f.

[20] Vgl. Fischer, N., 1996, S. 10

[21] Vgl. Happe, B., 2003, S. 66

[22] Vgl. Happe, B., 2003, S. 85

[23] Vgl. Happe, B., 2003, S. 89

[24] Vgl. Fischer, N., 1996, S. 21ff.

[25] Vgl. Hanel, D., 2003, S. 44

[26] Vgl. Fischer, N., 2003, S. 145

[27] Vgl. o.V. Der Brockhaus in einem Band, 1992, S. 757

[28] Vgl. Fischer, N., 2003, S. 147

[29] Vgl. Fischer, N., 2003, S. 148

[30] Vgl. o.V. Stiftung Warentest, S. 15

[31] Vgl. Hanel, D., 2003, S. 45 ff.

[32] Vgl. Fischer, N., 2003, S. 149

[33] Vgl. Happe, B., 2003,S. 195

[34] Vgl. o.V. Herausforderungen evangelischer Bestattungskultur, 2004, S. 9

[35] Vgl. o.V. Stiftung Warentest, 2005, S. 15

[36] Vgl. o.V. Alles hat ein Ende: Der Tod im Internet, 2007, o.S.

[37] Vgl. Eltzel, B., 2002, o.S.

[38] Vgl. Die deutschen Bischofe, 2005, S. 8 ff.

[39] Vgl. Grunwaldt, K.; Hahn, U., 2004, S.7

[40] Vgl. Nischalke, S.; Tenz, B., 2006, S. 28

[41] Vgl. Zagar, M., 2007, S. 28

[42] Vgl. Zagar, M., 2007, S. 28

[43] Vgl. Zagar, M., 2007, S. 27

[44] Vgl. Nischalke, S.; Tenz, B., 2006, S. 28

[45] Eigene Berechnung

[46] Vgl. Zagar, M., 2007, S. 27

[47] Vgl. Zagar, M., 2007, S. 27

[48] Vgl. Zagar, M., 2007, S. 28

[49] Eigene Berechnung

[50] Vgl. o.V. Stiftung Warentest, 2005, S. 21

[51] Vgl. o.V. Stiftung Warentest, 2005, S. 22

[52] o.V. Stiftung Warentest, 2005, S.21

[53] Vgl. Loos, M., 2000, S. 27

[54] Vgl. Nolle, V., 1997, S. 38

[55] Vgl. Nolle, V., 1997, S. 39

[56] Vgl. o.V. Stiftung Warentest, 2005, S. 20

[57] Vgl. Nolle, V., 1997, S. 47

[58] Vgl. Hanel, D., 2003, S. 80f.

[59] Vgl. Hanel, D., 2003, S. 80

[60] Vgl. o.V. Informationen zum Ausbildungsberuf Bestattungsfachkraft, o.S.

[61] Vgl. o.V. Stiftung Warentest, 2005, S. 22

[62] Vgl. o.V. Europaische Norm DIN EN 15017 als Standard fur Bestatter, 2006, o.S.

[63] Vgl. o.V. Statistik 2006: Bestattungsbetriebe, 2007, S. 30

[64] Vgl. Nischalke, S.; Tenz, B., 2006, S. 27

[65] Vgl. o.V. Kostenstruktur bei Bestattungsinstituten 2002, 2005, S. 2

[66] Vgl. Zagar, M., 2007, S. 27

[67] Vgl. Nischalke, S.; Tenz, B., 2006, S. 27

[68] Vgl. o.V. Kostenstruktur bei Bestattungsinstituten 2002, 2005, S. 2

[69] Vgl. Lichtner, R., 2001, S. 1

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Der Bestattungsmarkt - Regulierung, Effizienz und politische Ökonomie
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Wirtschaftspolitik)
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
89
Katalognummer
V211649
ISBN (eBook)
9783656396062
ISBN (Buch)
9783656396482
Dateigröße
1238 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bestattung, Beerdigung, Bestattungsmarkt, volkswirtschaftliche Kosten, Kosten, Bestattungskultur, Friedhof, Friedhöfe
Arbeit zitieren
Daniel Wisseroth (Autor:in), 2007, Der Bestattungsmarkt - Regulierung, Effizienz und politische Ökonomie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211649

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