Der Zusammenhang von Moral und Geschlecht

Beeinflusst das Geschlecht die Moralorientierung?


Hausarbeit, 2013

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Thematische Einführung
2.1. Bemerkung zu den verwendeten Begriffen
2.1.1. Geschlecht
2.1.2. Moral
2.2. Kohlbergs kognitive Entwicklungstheorie des moralischen Urteilens
2.2.1. Stufen der Moral
2.2.2. Feministische Kritik an Kohlbergs Forschungsmethode

3. Gilligans Theorie zur “weiblichen” Moral
3.1 Gilligans „Theory of moral reasoning“: Fürsorge und Gerechtigkeitsethik
3.2. Ursprung und Entwicklung Moralischen Bewusstseins
3.2.1 Geschlechterspezifischer Verlauf der Wertverinnerlichung
3.2.2. Stufen der Fürsorgeethik
3.2.3. Kritik an Gilligans Forschung

4. Metaanalyse von Jaffee und Hyde
4.1. Grundlage der Metaanalyse
4.1.1. Ziel und Fragestellung
4.1.2. Primärstudien
4.2.1. Kodieren der Studie
4.2.2. Moderatorvariablen
4.3. Ergebnisse der Metaanalyse
4.3.1. Ausmaß des Geschlechterunterschieds in der Fürsorgeorientierung
4.3.2. Ausmaß des Geschlechterunterschieds in der Gerechtigkeitsorientierung
4.3.3. Geschlechterunterschied in den Stufen der Fürsorgeorientierung
4.4. Schlussfolgerungen
4.3.1 Was beeinflusst Geschlechterunterschiede in Moralorientierung?
4.3.2. Kritik und Einschränkungen

5. Fazit

6. Bibliografie

1. Einleitung

Folgende Ausführungen orientieren sich an der Metaanalyse von Jaffee und Hyde zu Geschlechterunterschieden in der Moralorientierung[1]. Im ersten Teil der Arbeit werden die verwendeten Begriffe näher erläutert und die grundlegende Forschung Kohlbergs zur Entwicklung des moralischen Bewusstseins kurz zusammengefasst. Anschließend wird näher auf die Theorie der geschlechterspezifischen Moralorientierung Carol Gilligans eingegangen, da die darauf folgenden empirischen Untersuchungen Ausganspunkt für die behandelte Metaanalyse waren. Diese wird im dritten Teil dieser Arbeit hinsichtlich ihrer Methodik, Fragestellung und Ergebnisse vorgestellt. Abschließend wird der dadurch entstandene Erkenntnis zuwachs zusammengefasst und noch offene Fragen aufgezeigt.

2. Thematische Einführung

Die stehende Frage, ob das Geschlecht Einfluss auf die Moralorientierung ausübt, entspringt der in den letzten Jahrzehnten immer wieder aufkommende Diskussion um geschlechtsspezifische Verhaltensmuster, Handlungsmotivationen und Denkweisen. Die vorliegende Arbeit betrachtet diesen fächerübergreifenden Diskurs anhand von empirischer Untersuchungen der Entwicklungspsychologie, insbesondere in Hinblick auf die Forschung zu Carol Gilligans Theorie zur geschlechterspezifischen Fürsorge- und Gerechtigkeitsethik. Bevor jedoch auf Gilligans Forschung und ihr darauf folgenden Studien, bzw. die Metastudie von Jaffee und Hyde eingegangen werden kann, sollten die grundlegenden Begriffe von Geschlecht und Moral näher definiert werden. Um einen präzisen Anhaltspunkt für die Entwicklung der Theorie zur „weiblichen“ Moral zu erhalten, wird im folgenden Kohlbergs kognitive Entwicklungstheorie des moralischen Urteilens kurz zusammengefasst und seine Forschungsmethode kritisch diskutiert.

2.1. Bemerkung zu den verwendeten Begriffen

2.1.1. Geschlecht

Im deutschen Wissenschaftsdiskurs existiert kein Begriff, der dem englischen Wort gender in seiner ganzen Spannweite entsprechen würde, weshalb es auch in der deutschsprachigen Forschung häufig bevorzugt wird. Das Konzept „ gender “ ( bzw. „Geschlecht“) unterscheidet zwischen drei Ebenen: Das Biologische Geschlecht (sex), die Geschlechterrolle (expressed

gender) und die Geschlechtsidentität (gender identity) werden dabei als voneinander nicht unbedingt abhängig betrachtet. Das biologische Geschlecht bezieht sich hierbei auf rein biologische Merkmale, wie Chromosomen, Hormone und Anatomie eines Menschen. Bei der Geschlechterrolle handelt es sich nicht um die körperlichen, sondern um die sozialen Geschlechtsmerkmale. Es beschreibt das Verhalten das ein Menschen annimmt, um sich als zugehörig zu einer Geschlechtskategorie auszuweisen. Er übernimmt dafür die dazugehörige Rolle aus sozial und kulturell konstruierten Verhaltensmustern. Diese „angemessenen“ Verhaltensmuster werden in Form von Stereotypen gelernt und im Laufe der Sozialisation verinnerlicht. Man nennt diesen Prozess „ gender typing[2]. Die Geschlechtsidentität ist im Gegensatz dazu kein äußerliches Verhalten, keine „Rolle“ die man übernimmt, sondern es handelt sich um das Bewusstsein einem Geschlecht anzugehören oder nicht und meint das Selbstkonzept einer Person.

2.1.2. Moral

Unter Moral versteht man die den Handlungen zugrundeliegenden Normen und Wertvorstellungen. Die verschiedenen Konzeptionen von Moral werden in der philosophischen Disziplin der Ethik erläutert und bewertet. Die Moralpsychologie befasst sich hingegen rein deskriptiv mit moralischen Wertvorstellung der Menschen und versucht diese aufzuzeigen und zu beschreiben. In der Entwicklungspsychologie werden wiederum Theorien zur Erklärung der Genese moralischer Vorstellungen entwickelt und überprüft. Erste Theorien, zu den verschiedenen Phasen der kognitiv-moralischen Entwicklung, wurden von Jean Piaget ausgearbeitet. Laurence Kohlberg baute diese in seinem Stufenmodel zum moralischen Verhalten aus, welches im Folgenden näher erläutert wird.

2.2. Kohlbergs kognitive Entwicklungstheorie des moralischen Urteilens

Lawrence Kohlbergs Theorie der Entwicklung des Moralbewusstseins beim Menschen beruht auf seiner Dissertation (1958) und 30 jährigen Längsschnittstudie.

2.2.1. Stufen der Moral

Kohlbergs Theorie beruht auf Moral Judgement Interviews (MJI) in denen die Probanden zu moralischen Dilemmata[3] befragt wurden, in denen zwei sich wiedersprechende Normen gegeneinander abgewägt werden müssen. Es ist nicht von Bedeutung, welche Handlungsalternative gewählt wird, sondern es geht vielmehr um die dem Urteil zugrunde liegende Begründung. Diese führt zu einer Bewertung der Urteilsfähigkeit der Probenden, welche in drei Ebenen mit jeweils zwei Unterstufen unterteilt wird[4]:

2.2.2. Feministische Kritik an Kohlbergs Forschungsmethode

Jeder Mensch, unabhängig von seiner Kultur durchläuft laut Kohlberg diese Stufen in seiner Moralentwicklung. Es handelt sich hierbei um eine kognitive Theorie der Moralentwicklung, d.h. es wird hauptsächlich das logische Denken und Urteilen über moralische Problemstellungen betrachtet. Während der durchschnittliche erwachsene Mann laut Kohlberg Stufe 4 erreicht, bleibt die durchschnittliche erwachsene Frau aufgrund ihrer affektiven Denkart auf Stufe 3 stehen. Die Moral von Frauen ist somit meist nur eine unausgereifte Entwicklung des männlichen Standards.

Wissenschaftliche Forschung wurde bis vor kurzem in nahezu allen Bereichen von Männern erbracht. Dementsprechend liegen den wissenschaftlichen Methoden bereits von Männern geprägte Strukturen zugrunde. Gilligan, welche unter Lawrence Kohlberg ihre ersten arbeiten durchführte, kritisierte sowohl die Forschungsmethoden und Rückschlüsse Kohlbergs als auch Freuds, Eriksons und Piagets. Sie wirft ihnen sowohl Ethno- als auch Androzentrismus vor. Sie gibt zu bedenken, dass bisher keiner die „weiblich“, affektive Perspektive als verkaufen. Die probenden werden daraufhin befragt, z.B. Sollte Heinz das Medikament stehlen? Warum ? Auch wenn es nicht seine Frau sondern ein Haustier wäre? sollte er bestraft werden wenn er es stiehlt? gleichwertige und wichtige Perspektive bei der moralischen Entwicklung in Betracht gezogen hat.

3. Gilligans Theorie zur “weiblichen” Moral

Im folgenden Abschnitt sollen nun die Prinzipien der neuen Perspektiven moralischen Urteilens und Handelns, stark vereinfacht und idealisiert, dargestellt werden. Anschließend werden die Modelle zur Entwicklung der individuellen moralischen Urteilsfähigkeit, auf die sich Gilligan bezieht, erläutert werden, um den Zusammenhang von geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Selbstkonzepten und die gewählte Perspektive moralischen Urteilens zu verdeutlichen.

3.1 Gilligans „Theory of moral reasoning“: Fürsorge und Gerechtigkeitsethik

Die amerikanische Entwicklungspsychologin Carol Gilligan plädiert in ihrem 1982 erschienenen Aufsatz „ In a different Voice “ [5] dafür eine alternative Perspektive, zum an Prinzipien orientierten und kantisch geprägten Stufenmodell Kohlbergs zuzulassen. Diese neue, „weibliche“ Perspektive ist dabei als gleichwertig anzusehen.

Die als moralischer Standard einer individualistischen, androzentrischen Gesellschaft betrachteten „Gerechtigkeitsethik“ (justice voice) wird durch die sogenannte „Ethik der Fürsorge“ (care voice) ergänzt. Affektive Argumente, d.h. die emotionale und relationale Dimension für ein Verständnis konkreter moralischer Konflikte, welche vorwiegen von Frauen zur Begründung moralischer Entscheidungen vorgebracht werden, sind in diesem Ansatz aufgewertet. Gilligan möchte beweisen, dass es sich bei der Fürsorgeethik um eine der Gerechtigkeitsmoral vollkommen gleichwertige aber andere Perspektive handelt, die zur moralischen Beurteilung von Handlungen als auch zur theoretischen Ausbildung moralischen Verhaltens ebenso geeignet ist. Die Fürsorgeethik kennzeichnet sich dadurch, dass bei Entscheidungsprozessen vor allem spezifische Kontexte bedeutsam sind, wobei das Augenmerk auf den Partikularitäten eines Individuums gelegt wird. Das "Ich" versteht sich als eingebunden in Beziehungsgeflechte, moralische Urteile werden somit stets in einem Kontext von Bindung und Verantwortung getroffen. Hauptmerkmale sind dabei Anteilnahme, Fürsorge und die Übernahme von Verantwortung für Andere. Die Besonderheiten der Gerechtigkeitsethik werden dabei eher Frauen zugeschrieben.

[...]


[1] Jaffe S. / Hyde J.S.: Gender Differences in Moral Orientation: A Meta-Analysis. In: Psychological Bulletin, 5/2000, S. 703-726.

[2] Parke, R.D. / Clarke-Stewart, A.: Social Development. In: Hoboken, NJ: Wiley, 2012, S. 326.

[3] Das Bekannteste ist das Heinz-Dilemma, welches von einem Mann handelt dessen Frau sterbenskrank ist. Das einzige lebensrettende Medikament wird viel teurer als seine Produktionskosten von seinem Erfinder, dem Apotheker, verkauft. Weder gelingt es Heinz, das Geld aufzutreiben, noch möchte der Apotheker es günstiger

[4] Kohlberg, Lawrence: Die Psychologie der Moralentwicklung. Frankfurt am Main, 1996, S. 128-132.

[5] Gilligan, Carol: In a different voice. Psychological Theory and Women’s Development. In: Harvard Education Review, 47/ 1982, S.481-517.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Zusammenhang von Moral und Geschlecht
Untertitel
Beeinflusst das Geschlecht die Moralorientierung?
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
17
Katalognummer
V211603
ISBN (eBook)
9783656397151
ISBN (Buch)
9783656397823
Dateigröße
996 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
beeinflusst, geschlecht, moralorientierung
Arbeit zitieren
Cina Bousselmi (Autor:in), 2013, Der Zusammenhang von Moral und Geschlecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211603

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Zusammenhang von Moral und Geschlecht



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden