Die Kaiserliche Schutztruppe in Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika

Ordnungsmacht oder koloniales Herrschaftsinstrument 1884 - 1914


Hausarbeit, 2012

39 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Entstehungsgeschichte und Aufbau der Kaiserlichen Schutztruppe
2.1.1 Anfangsjahre
2.1.2 Deutsch-Ostafrika
2.1.3 Deutsch-Südwestafrika
2.1.4 Organisatorische und rechtliche Grundlagen für die Schutztruppe
2.2 Lokale Herrschaftsausübung und Kolonialkriege
2.2.1 Das „System Leutwein“ in Deutsch-Südwestafrika
2.2.2 Aufstand der Herero und Nama in Deutsch - Südwest 1904 – 1907
2.2.3 Der Maji-Maji Aufstand in Deutsch-Ostafrika 1905 – 1907
2.3 Politische und militärische Schlussfolgerungen aus den Kolonialkriegen
2.3.1 Bildung des Reichskolonialamtes unter Dernburg
2.3.2 Reformen für die Schutztruppe

3 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

"Es ist nicht wahr, dass es gute Kolonialherren gäbe und andere,

die böse sind - es gibt Kolonialherren, das ist alles."

Jean Paul Sartre[1]

Mit dieser Arbeit kann zwar die Entwicklungsgeschichte der deutschen Kolonien nicht nachgezeichnet werden, wohl aber ein Teilaspekt ihrer inneren Ordnung, die „Kaiserliche Schutztruppe“.

Der Zeitraum 1884 – 1914 wurde gewählt, da durch die Anweisung Bismarcks vom 24. April 1884 die erste überseeische Besitzung, und zwar die Besitzungen des Bremer Tabakwarenhändler Adolf Lüderitz in Südwestafrika unter den Schutz des Reiches gestellt worden sind. Dieser Schutz musste letztlich ab da, in welcher Form auch immer, durch das Reich gewährleistet werden. [2]

Die mit dem Kriegsausbruch 1914 verbundene weitere Entwicklung der Schutztruppe und die damit verbundenen Auseinandersetzungen mit den Feindmächten sind nicht Gegenstand der Untersuchung.

Ich möchte daher versuchen zu klären, ob es sich bei der kaiserlichen Schutztruppe um einen Ordnungsfaktor, vergleichbar etwa mit der preußischen Schutzmannschaft oder Schutzpolizei, oder vielmehr um ein Herrschaftsinstrument zur Durchsetzung europäischer, hier deutscher Machtinteressen auf dem Schwarzen Kontinent gehandelt hat. Daher möchte ich mit dieser Arbeit zunächst, und zwar unter Vernachlässigung der anderen ehemaligen deutschen Kolonien, auf die Entstehungsgeschichte und auf den unterschiedlichen Aufbau der Schutztruppe in Deutsch – Südwest - Afrika (DSWA) und in Deutsch – Ostafrika (DOA) eingehen. Ferner soll der durch die zunehmende Verbindung mit der militärischen Führung in der Heimat und Verstärkung durch Soldaten aus dem Reich eingeleitete schleichende Übergang von einer Polizeitruppe zu einer nach militärischen Gesichtspunkten organisierten Kolonialtruppe aufgezeigt werden.

Den Schwerpunkt meiner Arbeit möchte ich dabei auf die Entwicklung der Truppe in Deutsch-Südwest –Afrika (DSWA) legen. Nach dem Wechsel vom „System Leutwein“ zur Kolonialherrschaft unter Führung von Trothas ist offenbar ab 1904 eine Abkehr vom halbwegs zivilen Umgang mit der indigenen Bevölkerung erfolgt.[3]

Während der Kriegshandlungen ist hier ein Übergang zu einem teilweise menschenverachtenden Einsatz der Schutztruppe in Deutsch-Südwest-Afrika im Dienste europäischer Machtausübung und zum Zwecke der Herrschaftssicherung festzustellen. Die Brutalität „von Trothas“ und seiner Vergehen gegenüber dem Volk der Herero[4] waren m.E. ebenso sowie der Missbrauch der ihm unterstellten Ordnungstruppe eine klare Abkehr vom bisherigen „System Leutwein“.

Dies gilt es unter Heranziehung des hierzu ergangenen Schrifttums ebenfalls näher zu beleuchten.

Am Schluss werde ich die aus den Kolonialkriegen gezogenen Lehren und gewonnenen Erfahrungen sowie die beabsichtigten Reformen der Schutztruppe kurz beleuchten.

Bei der Bewertung der Kaiserlichen Schutztruppe in Deutsch – Südwest-Afrika und in Deutsch-Ostafrika werde ich neben anderen Werken schwerpunktmäßig auch die neueren Forschungsergebnisse Bührers und Kaulichs heranziehen, um mögliche widerstreitende Auffassungen zu erkennen und so zu einem eigenen Urteil über die Schutztruppe im Hinblick auf die Fragestellung „Ordnungsmacht oder koloniales Herrschaftsinstrument?“ zu gelangen.

2 Hauptteil

2.1 Entstehungsgeschichte und Aufbau der Kaiserlichen Schutztruppe

2.1.1 Anfangsjahre

Im Gegensatz zu Großbritannien und Frankreich gehörte das Deutsche Kaiserreich zusammen mit Italien und Belgien zu den Mächten, die erst im Zeitalter des Imperialismus, mit dem Beginn des sogenannten „Scramble for Africa“, zu Kolonialmächten in Afrika geworden sind.[5] Deutschland war, was die Aufteilung Afrikas anbelangte, aber ein sogenannter „Late Comer“[6], denn der „Kuchen“ war bereits weitestgehend unter den Kolonialmächten England und Frankreich aufgeteilt.

Dabei hat Bismarck noch Anfang der achtziger Jahre aus seiner Ablehnung gegenüber Kolonialplänen in Übersee nie einen Hehl gemacht, schon gar nicht in Konkurrenz mit Großbritannien. So hat er entsprechende Gesuche von Missionaren und Kaufleuten stets zurückgewiesen. Maßgebend waren für ihn in erster Linie außen- und machtpolitische Überlegungen. In Übereinstimmung mit Politik und Wirtschaft schätzte er ursprünglich die Bedeutung von Kolonien relativ gering ein als dass es sich dafür lohnen würde hier zu investieren. So äußerte er sich 1871 bei der Erörterung weiterer Kriegsziele im vertrauten Kreise dergestalt, dass er prinzipiell „gar keine Kolonien wolle“. Diese seien „nur zu Versorgungsposten gut“ und bezogen auf Deutschland wäre diese Kolonialgeschichte

„für uns genauso wie der Zobelpelz in polnischen Adelsfamilien, die keine Hemden haben“ und noch zehn Jahre später unterstrich er noch einmal: „Solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik. Wir haben eine Flotte, die nicht fahren kann, und wir dürfen keine verwundbaren Punkte in fernen Weltteilen haben, die den Franzosen als Beute zufallen, sobald es losgeht.“[7]

Hiermit brachte Bismarck seine Ablehnung gegenüber einer von keinerlei wirklichen Interessen getragenen Prestigepolitik und seine Sorge vor der Verletzlichkeit des in der Mitte Europas befindlichen neu gegründeten Deutschen Reiches zum Ausdruck.[8]

Als mit Bismarcks berühmten Telegramm vom 24.April 1884[9] an den deutschen Konsul in Kapstadt auf Grund des vorangegangenen Ersuchens des Bremer Kaufmanns Adolf Lüderitz um Schutzgewährung das Gebiet um den Hafen Angra Pequena (Lüderitzbucht) nebst dem angrenzenden Küstenstrich (Lüderitzland) unter den Schutz des Reiches gestellt wird, beginnt für Deutschland offiziell die Geschichte als weitere europäische Kolonialmacht.

Die offizielle Inbesitznahme erfolgte dann am 7. August 1884 durch die Flaggenhissung in Gegenwart des Nama Kapitäns Josef Fredericks II. und der Besatzungen deutscher Kriegsschiffe vor der Küste. Die Hoffnungen Lüderitz’ auf ein attraktives Wirtschaftsgebiet erfüllten sich dann allerdings nicht. Zwar hatte er 1885 noch weitere Gebiete im Norden aufgekauft, doch war das Land weder für Siedler geeignet, noch war der Abbau von Bodenschätzen wirtschaftlich ergiebig. Da er auch bei den Nama keine Absatzmöglichkeiten[10] für seine Waren fand gab er auf und verkaufte das gesamte Gebiet für fünfhunderttausend Mark an die neu gegründete Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika.

Diese im Jahr 1885 gegründete „Deutsche Kolonial – Gesellschaft für Südwestafrika (DKGfSWA)“[11] wurde vom Reich mit Hoheitsrechten ausgestattet(sogenannte Beliehene) und verpflichtete sich, die notwendigen Aufwendungen zur Erschließung des Landes zu tragen. Es wurden für die einheimischen Stämme Schutzverträge abgeschlossen, die im Ernstfall ohne entsprechende polizeiliche oder militärische Vollzugskräfte gar nicht durchgesetzt werden konnten. Somit lief die Schutzbrief – Konzeption nach dem Modell der britischen “Royal Charter“ im Ernstfall zunächst ins Leere. Zwar wurde 1885 auch mit dem „Chief“ der Herero, Maharero, ein entsprechender Schutzvertrag abgeschlossen, doch der Stamm der Nama unter Hendrik Witbooi lehnte jegliche Schutzherrschaft einer fremden Kolonialmacht ab und pochte weiterhin auf seine Selbstständigkeit.

Dabei wurden die in Besitz genommenen Gebiete bewusst nicht als Kolonien sondern als „Schutzgebiete“ bezeichnet, deren Inbesitznahme in der Regel durch Schutzverträge oder Ausstellung von Schutzbriefen erfolgte.

Diese Bezeichnung ist dem britischen Begriff „protectorate“ entlehnt und vom Vorbild der britischen Gesellschaftskolonien geprägt worden. Völkerrechtlich sollten diese von Indigenen bewohnten Gebiete sogar herrenlos sein.[12] Das seinerzeit anerkannte völkerrechtliche Konstrukt eines kolonialen Protektorats(Schutzgebiet) umriss ein vertraglich begründetes Abhängigkeitsverhältnis(Schutzvertrag) zwischen einem völkerrechtlich souveränen Staat und einem indigenen Gemeinwesen, das zwar schon über Rechtsfähigkeit, aber mangels zivilisatorischer Reife noch über keine völkerrechtlich anerkannte Staatsqualität verfügen sollte. Nicht wenige Rechtswissenschaftler diskreditierten die von Eingeborenen abgeschlossenen Zessions- und Schutzverträge als Scheinrechtsakte:

„ fehle es doch den „Eingeborenen“, ebenso wie Kindern auch an der Fähigkeit zur Vornahme wirksamer Rechtshandlungen“[13]

Dies hätte zum Ergebnis, dass die einseitige vertragslose Wegnahme des jeweiligen Gebiets zulässig gewesen sei. Nach Kämmerer konnte sich jedoch diese Auffassung international nicht durchsetzen.[14]

Um Deutschlands neue Rolle als europäische Ordnungsmacht zu unterstreichen und den Wettlauf um Afrika zu ordnen, organisierte Bismarck 1884 die Berliner „Kongo-Konferenz“. Hier wurde unter den europäischen Mächten die völkerrechtliche Regelung der weiteren Aufteilung des schwarzen Kontinents beschlossen.[15] Bis zum 26. Februar 1885 tagten die Bevollmächtigten von 13 europäischen Staaten sowie der Vereinigten Staaten von Amerika und einigten sich in der Kongo-Akte über eine Zollfreiheit im Kongo- und Nigergebiet. Ferner kam es zur Schaffung Belgisch - Kongos.

Letztlich wurde mit der Akte[16] der Anspruch der Europäer, Afrika unter sich aufzuteilen, festgeschrieben. Vor der Kongokonferenz kam es mit Paris in Kolonialfragen aus taktischem Kalkül zu einer kurzzeitigen Annäherung zulasten Großbritanniens, um ein Widerlager zur globalen britischen Dominanz zu bilden.

Auch das Vordringen in den Süden Afrikas einem Interessengebiet Großbritanniens ist hier einzuordnen[17]. Denn jederzeit konnte Bismarck hier einen begrenzten Konflikt mit den Briten riskieren. Gall glaubt angesichts des sich ausbildenden imperialistischen Weltsystems in der Parteinahme für Frankreich ebenso wie Albertini einen außenpolitischen Schachzug Bismarcks[18], zu erkennen. Dieser sollte vermutlich dazu dienen, primär innenpolitische Problemfelder auf außenpolitische Gesichtspunkte zu verlagern, um dadurch zu verhindern, dass Deutschland langfristig zu einer zweitrangigen Macht absinken und damit Juniorpartner von Russland oder Großbritannien würde. Allerdings meinte Clemenceau , dieses angebliche Spiel der französischen Regierung durchschaut zu haben:

„Der französische Ministerpräsident habe das französische Volk mit der Kolonialpolitik bestechen und von dem eigentlichen Ziel, der Revanche gegenüber Deutschland, ablenken wollen.“[19]

Gleichwohl blieben Bismarcks Intentionen bezüglich der Kolonialfrage in Afrika[20] eindeutig, diese formulierte er später gegenüber Eugen Wolf, einem wohlhabenden Kolonialenthusiasten, zum Leidwesen der deutschen Kolonialbewegung, sehr eindeutig:

„Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa. Hier liegt Russland, und hier - nach links deutend – liegt Frankreich, und wir sind in der Mitte; das ist meine Karte von Afrika.“[21]

Fünf Jahre zuvor hätte er angesichts der ehrgeizigen Pläne von Carl Peters in Ostafrika sicher noch mit dem Finger auf England gedeutet, denn Bismarck hielt nach Horstmann wenig von ehrgeizigen Kolonialplänen in Übersee und schon gar nicht in Konkurrenz mit Großbritannien.

2.1.2 Deutsch-Ostafrika

Dies erklärt, warum er Carl Peters 1884 mitteilen ließ, dass Peters hinsichtlich seiner in Ostafrika geplanten Expedition davon ausgehen müsse, dass «alles Land südlich des Sambesi als britische Interessensphäre», als abgeschottetes Reservat der Briten, ein sogenanntes „chasse gardée“ betrachtet würde. Peters, der zuvor in Berlin die «Gesellschaft für deutsche Kolonisation» gegründet hatte, war es aber gelungen, sein Vorhaben privat zu finanzieren. So gelangte er mit seiner Expedition auf eigene Faust zunächst bis nach Sansibar. Am 9. November 1884 erreichte er dann die Küste. Peters` Wahlspruch lautete: «Vorwärts mit der sinkenden Sonne». Seine Motivation für die Kolonisation beruhte auf der Absicht, dem Kaiserreich mit der kolonialen Expansion

„Ein großes Zukunftsziel vor Augen zu stellen, d.h. die deutsche Kolonialexpansion gleichsam als überseeische Fortsetzung der deutschen Einheitsbewegung zu betrachten […].“

Mit Hilfe der mit den Stammesführern(Chiefs)[22] der indigenen Bevölkerung, oftmals nur gegen geringfügige Geschenke und wertlose Versprechen abgeschlossenen Abtretungsverträge sowie durch Hissung der deutschen Flagge gelang es ihm, dieses Ziel erfolgreich in die Tat umzusetzen. Und dies trotz Rivalität mit ähnlichen britischen Unternehmen. Seine Expedition dauerte rund vier Monate und endete mit dem Erwerb eines Gebiets von insgesamt 140.000 qkm. Überzeugt durch den Erfolg und gegen die Zusage Bismarcks favorisiertes Modell, nämlich eine Charter Gesellschaft nach dem Vorbild der Ostindischen Kompanie zu gründen erhielt er schließlich am 27. Februar 1884 den kaiserlichen Schutzbrief (Royal Charter). Die von ihm gegründete «Gesellschaft für deutsche Kolonisation» wurde im März 1885 in die «Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft / DOAG) » umbenannt. Deutsch-Ostafrika wurde nun ebenso wie zuvor Deutsch - Südwest zum «Schutzgebiet» des Reiches. Die Ankunft eines Flottengeschwaders vor Sansibar bewog am 14. August den Sultan von Sansibar seinen Widerstand gegen das deutsche Vorgehen aufzugeben und darüber hinaus dem Reich die Benutzung der Häfen Daressalam und Pangani zuzugestehen.[23]

Am 29. Oktober 1886 kam es zu einem weiteren Abkommen über die vorläufige Festlegung der beiderseitigen Grenzen in diesem Gebiet mit Großbritannien. Dem Sultan von Sansibar wurde hierin ein Küstenstreifen zugesprochen. Seine dortigen Zollstätten verpachtete er im Jahre 1888 jedoch auf 50 Jahre an die DOAG.

Die endgültige Regelung der Grenzziehungen erfolgte mit dem legendären „Vertrag zwischen Deutschland und England über die Kolonien und Helgoland vom 1. Juli 1890“, auch als „Helgoland-Sansibar-Vertrag“ bezeichnet,

Die DOAG übernahm jetzt als Beliehene die Verwaltung des Küstengebietes auf dem Festland für das Reich. Durch das Abkommen zwischen der DOAG und dem Reich, wurde Berlin zum eigentlichen Eigentümer der Kolonie. Allerdings löste der von der DOAG mit dem Sultan ausgehandelte Zoll- und Küstenvertrag noch im gleichen Jahr einen Aufstand der dort ansässigen, vorwiegend arabischen Bevölkerung aus. Diese sahen ihre Einnahmequellen durch den ostafrikanischen Karawanenhandel bedroht, denn der Pachtvertrag mit dem Sultan hätte der DOAG nicht nur die Kontrolle über die Küste, sondern auch über den Exporthandel der Araber ermöglicht. Allerdings waren schon bei Abschluss des Vertrages mit den Engländern Zweifel darüber aufgetaucht, ob die Beamten der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft die übertragenen Hoheitsrechte über die Küste auf die Dauer überhaupt würden ausüben können. Noch im selben Jahre brach unter den arabischen Händlern ein furchtbarer Aufstand aus, bei dessen Bewältigung die DOAG mangels einer größeren Anzahl von gut ausgebildeten polizeilichen Vollzugskräften bzw. Soldaten völlig versagte. Doch nicht nur die DOAG war überfordert, es wurde auch deutlich, dass Bismarcks Konzept vom „regierenden Händler“ sowohl in Deutsch-Ostafrika als auch in Deutsch-Südwest gescheitert war.[24] Die DOAG konnte auf Grund der Unruhen den größten Teil des ihr überantworteten Herrschaftsgebiets bis auf die Hafenstädte Daressalam und Bagamoyo nicht mehr halten. Die für das Reich übertragene koloniale Herrschaftsausübung im Schutzgebiet war auf das äußerste gefährdet. So begann man noch während des Aufstandes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vollkommen unprofessionell und wahllos arabische und afrikanische Söldner einzustellen.[25] In dieser Lage ernannte Bismarck den 36jährigen Hauptmann Wissmann zum «Kaiserlichen Reichskommissar zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutz der deutschen Belange in Ostafrika». Wissmann erhielt volle Handlungsfreiheit und durfte nach Bewilligung der Haushaltsmittel durch den Reichstag[26] eine aus deutschen Heeres- und Marineangehörigen sowie aus afrikanischen Söldnern, den Askari, eine Polizei- und Schutztruppe aufstellen.

[...]


[1] Zitiert nach: Scharlau, Winfried, Die ferne Perle des Reiches. Vor hundert Jahren wurde Westsamoa deutsche Kolonie. In: Die Zeit(51), Hamburg 1984, S.68.

[2] Gründer, Horst, Geschichte der deutschen Kolonien, 2. Aufl., Paderborn [u.a.] 1991 (= Uni-Taschenbücher, Bd. 1332).S.80 ff. Vgl. hierzu: Drechsler, Horst, Südwestafrika unter deutscher Kolonialherrschaft, Stuttgart 1996. S.19.

[3] Ausführlich hierzu: Matschke, Marita, Münchens Kolonialviertel. Deutsche Kolonialgeschichte und die Auseinandersetzung um Münchner Straßennamen, München 2010.

[4] Ebenda, S.15 f.

[5] Albertini, Rudolf von, Europäische Kolonialherrschaft: 1880-1940, 4. Aufl., Stuttgart 1997 (= Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte, Bd. 14).S.302 ff.

[6] Ebenda.

[7] Zitiert nach: Gall, Lothar, Bismarck: Der weiße Revolutionär, 5. Aufl., Frankfurt am Main 1981.S. 617f.

[8] Albertini, a.a.O., S. 303.

[9] Drechsler, Horst, Südwestafrika unter deutscher Kolonialherrschaft, Stuttgart 1996. S.19. Albertini, a.a.O., S.303, gibt hierfür den 27.April 1884 an.

[10] Barnkothe, Sören, Deutsch-Südwestafrika unter besonderer Berücksichtigung des Hereroaufstandes von 1904: Mit eingehender Betrachtung der Völkermordthese, 1. Aufl., München 2007.

[11] Ebenda, S. 23 ff.

[12] Kämmerer, Jörn Axel, Das Völkerrecht des Kolonialismus: Genese, Bedeutung und Nachwirkungen, in: Verfassung und Recht in Übersee (VRÜ), 2006; 406.

[13] Ebenda.407.

[14] Ebenda.408.

[15] Albertini, Rudolf von, Europäische Kolonialherrschaft: 1880-1940, 4. Aufl., Stuttgart 1997 (= Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte, Bd. 14).S.303.

[16] RGBl. 1885, S. 2165(Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1885, Nr. 23, Seite 215 – 246).

[17] Kaulich, Udo, Die Geschichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika: (1884 - 1914) ; eine Gesamtdarstellung, Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 2000, Frankfurt am Main ; Wien u.a. 2001.S.546.

[18] Ebenda.S.304.

[19] Gall; a.a..O., S. 621.

[20] „Als auf der Berliner Kongo-Konferenz die europäischen Großmächte Afrika-Fragen verhandelten, war die koloniale Besetzung Afrikas längst im Gange: seit der portugiesischen Präsenz in Mocambique und Angola ab dem 16. Jahrhundert; seit der Besetzung der Kaphalbinsel in Südafrika ab 1652 durch die Holländer; seit der französischen Besetzung Ägyptens unter Napoleon ab 1800; seit der französischen Eroberung von Algerien ab 1830 und den anschließenden militärischen Kampagnen im Senegal; oder seit Großbritanniens Annexion von Lagos in Nigeria im Jahr 1861.“ Bley, Helmut, in: Künstliche Grenze, natürliches Afrika? URL: http://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Bley-Kongokonferenz.htm [21.03.212].

[21] Gall, Lothar, Bismarck, S. 623.

[22] Der früher von Kolonisatoren benutzte unscharfe Begriff „Häuptling“ ist mit negativen Konnotationen belegt. Er hat heute einen abwertenden Charakter. Vgl. hierzu: Arndt, Susan, Kolonialismus, Rassismus und Sprache. Kritische Betrachtungen der deutschen Afrikaterminologie. In: Afrikanische Diaspora. bpb 2004.

[23] Ausführlich hierzu: Klein-Arendt, Ein Land wird gewaltsam in Besitz genommen. Die Kolonie Deutsch-Ostafrika. In: Becker, Felicitas/Beez, Jigal, Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika: 1905 - 1907, 1. Aufl., Berlin 2005 (= /Schlaglichter der Kolonialgeschichte], Bd. 3).S. 28 - 48.

[24] Morlang, Thomas, Askari und Fitafita, 1. Aufl., Berlin 2008 (= Schlaglichter der Kolonialgeschichte, Bd. 8).S.14.

[25] Ebenda.

[26] Ders., Der umstrittene „Kolonialheld“ Hermann von Wissmann, in: van der Heyden, Ulrich, "… Macht und Anteil an der Weltherrschaft": Berlin und der deutsche Kolonialismus, 1. Aufl., Münster 2005.S.38ff.

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Die Kaiserliche Schutztruppe in Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika
Untertitel
Ordnungsmacht oder koloniales Herrschaftsinstrument 1884 - 1914
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Historisches Institut)
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
39
Katalognummer
V211303
ISBN (eBook)
9783656391920
ISBN (Buch)
9783656392217
Dateigröße
628 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kaiserliche, schutztruppe, deutsch-südwest-, deutsch-ostafrika, ordnungsmacht, herrschaftsinstrument
Arbeit zitieren
Rolf Sievers (Autor:in), 2012, Die Kaiserliche Schutztruppe in Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211303

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