Die Verfälschung der Aussage Max Frischs Werk "Homo Faber" durch die filmische Adaption Volker Schlöndorffs


Facharbeit (Schule), 2012

26 Seiten, Note: 13


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zum Roman „Homo Faber – Ein Bericht“ von Max Frisch
2.1 Aufbau und Inhaltsangabe des Romans
2.2 „Homo Faber“ – Ein Klassiker
2.3 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
2.4 Biographie von Max Frisch

3 Zum Film „Homo Faber“ von Völker Schlöndorff
3.1 Entstehung des Films
3.2 Erzählsituation und visuelle Umsetzung

4 Vergleichende Betrachtung von Roman und Film
4.1 Ausarbeitung der Personen
4.1.1Walter Faber als „Homo Faber“
4.1.2Fabers Tochter und Geliebte Sabeth
4.1.3Fabers ehemalige Geliebte Hanna Landsberg
4.2 Gemeinsamkeiten
4.3 Abweichungen

5 Exemplarische Analyse einer Szene
5.1 Inhalt der Szene
5.2 Interpretation der Szene
5.3 Unterschiede zwischen Film- und Buchausschnitt

6 Fazit

7 Eigene Meinung zur Literaturverfilmung

8 Anhang
8.1 Literaturverzeichnis
8.2 Bilder zu den einzelnen Takes
8.3 Sequenzprotokoll des Films
8.4 Ausdruck der verwendeten Internetquellen

1 Einleitung

Der Protagonist und Erzähler des Romans Walter Faber behauptet über sich selbst:
„Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen.“ (S.23) Dieses Zitat regt auch den Leser zur Reflexion seines Denkens an. Wie sehr ist mein eigenes Denken von Rationalität geprägt? Kann eine klar analytisch geprägte Vorgehensweise alle Lebensbereiche hinreichend bedienen? Faber gibt darauf keine Antwort. Seine Lebenskrise verrät jedoch, dass nicht jede Antwort berechenbar ist. Nichts kann mit den „Formeln der Wahrscheinlichkeit“ (ebd.), ausgeschlossen oder vorhergesagt werden. Erst zu Ende begreift Faber seine Verfehlungen und Versäumnisse. Fabers Gedanken und sein Bewusstseinsprozess, bei dieser Entwicklung stehen im Vordergrund des Romans.

In der Literaturverfilmung hat Volker Schlöndorff sich an die Herausforderung gewagt, den erzählenden Bericht von Max Frisch zu visualisieren. Er versucht, die Subjektivität, wie den Berichtcharakter des Werkes, mithilfe filmischer Gestaltungsmittel nachzuahmen. Schon bald fällt jedoch auf, dass er zunehmend Schwierigkeiten hat, Fabers Gefühle, Gedanken und vor allem seinen Bewusstseinsprozess, darzustellen. Diese spielen jedoch in der Vorlage eine wesentliche Rolle.

In dieser Arbeit soll untersucht werden, inwiefern der Film, von der literarischen Vorlage abweicht. Als Abschluss werden die erarbeiteten Punkte resümiert und die Frage beantwortet, ob der Film die Aussage des Romans verfälscht.

2 Zum Roman „Homo Faber – Ein Bericht“ von Max Frisch

Zu Beginn dieser Arbeit sollen wichtige Elemente des Romans vorgestellt werden, auf die im Verlauf der Untersuchung Bezug genommen werden kann. Außerdem soll dem Leser ein grober Eindruck der literarischen Vorlage vermittelt werden.

2.1Aufbau und Inhaltsangabe des Romans

Bei dem Roman von Max Frisch handelt es sich um einen Bericht der in zwei Teile, Stationen genannt, gegliedert ist. Der Berichtscharakter wird durch zahlreiche Orts- und Zeitangaben, sowie Literaturverweise gestützt. Der Protagonist und Erzähler Homo Faber schildert sein Erlebtes nicht in chronologischer Reihenfolge. Stattdessen wird die Handlungsabfolge immer wieder durch Rückblenden unterbrochen, die aufmerksames Lesen erfordern. Um den Zugang zum Geschehen zu erleichtern, wird in dieser Arbeit die Handlung in chronologischer Abfolge und stark gekürzt dargestellt.

In den Jahren 1933 bis 1935 lernt Faber seine spätere Geliebte, Hanna Landsberg, kennen. Bald darauf erwarten sie ein gemeinsames Kind und er hält um ihre Hand an. Sie lehnt jedoch letzten Endes ab. Bei ihrer Trennung 1936 einigen sie sich auf die Abtreibung des Kindes, zu welcher es aber nie kommt, was Faber zunächst nicht erfährt.[1]An diesem Punkt beginnt die eigentliche Geschichte. Der weit gereiste Ingenier, der an nichts als die Technik glaubt, erkennt bei einer Notlandung seine Reisebekanntschaft Herbert Hencke als den Bruder seines Studienfreundes Joachim Hencke. Herbert unterrichtet Faber unter anderem über Joachims gescheiterte Ehe mit Fabers einstiger Geliebten Hanna Landsberg. Ganz gegen seine Gewohnheiten, bricht Farber seine Geschäftsreise spontan ab und begleitet Herbert, der auf dem Weg in den Dschungel von Guatemala zu Joachim ist. Dort angekommen finden sie Joachim erhängt vor. Herbert beschließt auf der Plantage zu bleiben, Faber hingegen begibt sich zurück nach New York.[2]Bereits am nächsten Tag besteigt er ein Schiff nach Europa. Auf der Überfahrt lernt er die 20-jährige Sabeth kennen, die auf dem Weg zurück nach Athen ist, wo sie von ihrer Mutter erwartet wird. Er verliebt sich in sie und macht ihr - kurzer Hand - einen Heiratsantrag, welcher jedoch unbeantwortet bleibt. Später in Paris treffen sich die beiden zufällig wieder. Dort beschließen sie zusammen die Reise nach Athen in einem Pkw anzutreten. Auf ihrer Reise durch Frankreich, Italien und Griechenland erleben die Verliebten eine glückliche Zeit. Diese wärt jedoch nicht lange, da Faber immer mehr bewusst wird, dass Sabeth seine eigene Tochter ist, die er abtreiben wollte. Kurz vor dem Ziel ereignet sich ein tragischer Unfall. Sabeth wird von einer Aspisviper gebissen und stürzt eine Böschung herunter. Faber bringt sie in ein Athener Krankenhaus, wo er auf Hanna trifft. Sein Verdacht bestätigt sich, dass Sabeth seine eigene Tochter ist. Am 28.05. verstirbt Sabeth an ihren Verletzungen die sie sich durch den Sturz zugezogen hatte.[3]Mit diesem Ereignis beginnt die zweite Station. Nach einer Zeit des Reisens und der Reflexion seiner Vergangenheit kommt Faber zurück nach New York. In der nächsten Zeit denkt er immer öfter an Hanna und sehnt sich nach ihr. Schließlich beschließt er, nach Athen zu reisen, um sie zu besuchen. Einen Tag nach seiner Ankunft wird er, aufgrund seiner starken Magenschmerzen, in ein Athener Krankenhaus eingeliefert. Während er auf seine Magenoperation wartet, besucht ihn Hanna täglich. Faber ahnt, dass er die Operation nicht überleben wird. Am 26.07. enden die Aufzeichnungen abrupt mit dem Kommen der Operationsärzte.[4]

2.2 „Homo Faber“ – Ein Klassiker

Schon bei Erscheinung 1957 war „Homo Faber“ ein Bestseller. Max Frisch führt den Leser der Nachkriegszeit, der von der Außenwelt abgeschnitten ist, an ihm unbekannte Plätze. Die Reise führt von Texas über Lateinamerika und New York, nach Griechenland. Der Autor nimmt den Leser also mit auf eine Bildungsreise, die ihm gleichzeitig Lust macht, selbst die Welt zu erleben. Für den heutigen Menschen ist es einfach geworden, die Welt zu bereisen. Daher ist die Faszination der Handlungsorte in den Hintergrund getreten. „Homo Faber“ hat seine Bedeutung jedoch nicht verloren. Der Grund dafür ist seine zeitlose Thematik. Der Konflikt zwischen rationalem Denken und empfindsamen Handeln ist allgegenwärtig. So neigt der Mann dazu, sein Weltbild auf Rationalität zu bauen, wobei Emotionen weniger zu Tage treten. Das Verhalten der Frau dagegen ist impulsiver und gefühlsorientierter. Diese geistig-seelische Disparität zwischen Mann und Frau ist geschlechtlich bedingt und in der Hirnforschung längst anerkannt.[5]Wie im „Homo Faber“ löst sie oft Missverständnisse aus oder führt sogar bis zum Scheitern von Beziehungen.

Bis heute wurde der Roman millionenfach verkauft. Durch seinen klaren Stil, die spannende Handlung und seine zeitlosen Thematik etablierte er sich auch als beliebte Schullektüre. Mehrfach wurde „Homo Faber“ für die Bühne adaptiert und kam 1991 in die Kinos. Der in mehr als 20 Sprachen übersetzte Roman gilt als „moderner Klassiker“.[6]Für Georg Hensel ist Max Frisch mit dem Roman „nicht nur sein Meisterwerk gelungen – es ist ein Meisterwerk von internationalem Rang“[7].

2.3 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Der 1957 veröffentlichte Bericht enthält zahlreiche Zeitbezüge aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Walter Faber selbst spiegelt vielschichtig das gesellschaftliche Leben der 1950er Jahre wieder. Er repräsentiert den amerikanischen Traum, den unabbringlichen Glauben an die Technik sowie den Dualismus zwischen dem Verstand und der Liebe. Bei Romanveröffentlichung lag das Ende des zweiten Weltkrieges erst zwölf Jahre zurück. Das Volk hat angefangen, Erinnerungen aus der Zeit der nationalsozialistischen Ideologie zu vergessen bzw. zu verdrängen. Max Frisch gräbt diese Erinnerungen wieder aus. Mit der geschilderten Vergangenheit Hannas, der ehemaligen Geliebten Fabers, wird der Leser an den damals vorherrschenden Antisemitismus und die Rassentrennung erinnert (S.49 f.). Als der Roman 1957 erschien, drohte erneut ein Krieg von unberechenbarem Ausmaß auszubrechen. Im „Kalten Krieg“ standen sich die Sowjetunion und die USA hochgerüstet gegenüber. Auch diese Kriegsproblematik greift Max Frisch auf (Vgl. Anschauungen von Herbert Hencke über die „Wiederbewaffnung“ der USA, S.9 f.).[8]

2.4 Biographie von Max Frisch

Der in Zürich gebürtige Schweizer Max Frisch zählt nicht nur zu den bekanntesten Schriftstellern seines Heimatlandes, sondern gilt auch als einer der wichtigsten Vertreter der deutschsprachigen Literatur. Sein 1950 veröffentlichtes Tagebuch, der Roman „Stiller“ (1954), sowie „Homo Faber“ (1957), sind von großer literarischer Bedeutung und verhalfen ihm zu seinem Durchbruch als Autor.[9]„Im Mittelpunkt seines künstlerischen Interesses steht der Einzelne, das Individuum mit seinem Identitätsproblem, seiner Selbstentfremdung und seiner zwiespältigen gesellschaftlichen Bindung.“[10]Diese Inhalte spiegeln sich in seinem Werk Homo Faber und den Charakterzügen des gleichnamigen Protagonisten wieder.

3 Zum Film „Homo Faber“ von Völker Schlöndorff

3.1 Entstehung des Films

Die gleichnamige visuelle Adaption von Volker Schlöndorff basiert auf der Literaturvorlage von Max Frisch. Schon in den 1970er Jahren bekam Schlöndorff das Angebot der Paramount Studios, Homo Faber zu verfilmen. Damals lehnte er ab, da er Schwierigkeiten in der Umsetzung sah. 18 Jahre später weckte eine Lebenskrise sein Interesse, sodass er sich entschied, den Film tatsächlich zu drehen.[11]An diesem Punkt konnte Volker Schlöndorff noch nicht die Probleme erahnen, die die Produktion mit sich brachte. Verursacht von der hohen Anzahl der Drehorte (Mexiko, New York, Italien, Griechenland) explodierten die Kosten für das Projekt. Als Folge musste der Drehbeginn um ein Jahr verschoben werden. Als die Dreharbeiten ein Jahr später in Mexiko begannen, folgten schon bald neue gravierende Probleme mit dem Kameramann und dem englischen Hauptdarsteller Sam Shepard. Kurz nach der Fertigstellung des Films starb Max Frisch, noch vor der Premiere. Trotz dieser Schwierigkeit bei den Drehaufnahmen ist Volker Schlöndorff mit seinem Produkt sehr zufrieden.[12]

3.2 Erzählsituation und visuelle Umsetzung

Wie der Roman, wird auch der Film aus Sicht Fabers erzählt. Er basiert auf Fabers Erinnerungen. Der Inhalt wird somit ebenfalls subjektiv dargestellt. Der Regisseur schafft es unter Verwendung von Off-Stimmen Fabers Gedanken darzustellen. So ist Faber Akteur und Erzähler zugleich. Die Off-Stimme umfasst Bemerkungen zur Handlung und stellt Fabers Weltbild, seine Gefühle und seine Erinnerungen dar. Sie nimmt also die charakteristischen Funktionen eines Ich-Erzählers ein. Oft gibt sie dem Zuschauer eine Vorahnung auf weitere Ereignisse (z.B.: 18:14-18:32). Schon an diesem frühen Punkt der Handlung wird dem aufmerksamen Zuhörer das Ende des Dramas offenbart. Weiter erläutert die Off-Stimme Fabers Haltung zu seiner Handlung. So liebkost er Ivy und ist außerordentlich freundlich zu ihr, während er daran denkt, mit ihr Schluss gemacht zu haben (26:26-26:34). Dies zeigt die Differenz zwischen dem erlebenden und dem erzählenden Faber. Zusammenfassend ist die vorliegende Erzählsituation eine bewusste Annäherung an die literarische Vorlage, welche teilweise von wörtlichen Zitaten gestützt ist. Lediglich durch Kameraführung wird nicht ersichtlich, dass Faber selbst erzählt. Sie wahrt stets einen gewissen Abstand zu ihm (ausgenommen erste und letzte Szene).[13]Die Kamera zeigt also nicht die Handlung direkt aus der Sicht Fabers, sondern ist mehr als „eine außenstehende Instanz, die den narrativen Bilderfluss steuert“[14], zu sehen.

[...]


[1]Vgl. Bernd Matzkowski. 2011. S. 29

[2]Vgl. Ebd. S. 30

[3]Vgl. Bernd Matzkowski. 2011. S.31 ff.

[4]Vgl. Ebd. S.34 f.

[5]Vgl. Focus. S. 158 f.

[6]Wikipedia: Homo Faber (Roman).Rezeption

[7]Schmitz, Walter. 1991. S.271

[8]Vgl. Bernd Matzkowski. 2011. S.14-17

[9]Vgl. Lotz, Brigitte: xlibris

[10]Ebd.

[11]Vgl. Homo Faber (Film). Wikipedia

[12]Vgl.Mariam Schaghaghi. karriere.de

[13]Vgl. Daniela Sechtig. 2005. S. 14 f.

[14]Hurst, Matthias. 1996. S.226

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die Verfälschung der Aussage Max Frischs Werk "Homo Faber" durch die filmische Adaption Volker Schlöndorffs
Note
13
Autor
Jahr
2012
Seiten
26
Katalognummer
V211132
ISBN (eBook)
9783656430445
ISBN (Buch)
9783656434436
Dateigröße
1799 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Homo Faber, Vergleich, Verfilmung, Buch, Film, Max Frisch, Volker Schlöndorff
Arbeit zitieren
Martin Zerrle (Autor:in), 2012, Die Verfälschung der Aussage Max Frischs Werk "Homo Faber" durch die filmische Adaption Volker Schlöndorffs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211132

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