Gefangen zwischen Inklusion und Exklusion: Die institutionalisierte Diskriminierung von Migrantenkindern an deutschen Schulen


Essay, 2010

13 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Hinleitung

Menschen sind von Natur aus verschieden. Sie haben beispielsweise unterschiedliche Veranlagungen, differieren in ihrem Aussehen, in ihrem Charakter und gehen diversen Interessen nach. Dementsprechend vollzieht sich eine Entwicklung des Einzelnen[1] individuell und wird zusätzlich von seiner Umwelt beeinflusst. Dass Bildung eine wichtige Schlüsselposition dabei einnimmt, steht außer Frage, denn sie ist für die Entfaltung der Persönlichkeit und zur Selbstverwirklichung essentiell.

Die menschliche Vielfalt wirkt sich auf das Schulsystem aus und fordert dieses heraus, sich den Voraussetzungen und Unterschieden der Schüler mit ihrem individuell spezifischen Vorwissen und Entwicklungsstand anzunehmen, sodass eine entsprechend angepasste Förderung erfolgen kann. Das ist bei Weitem keine einfache Aufgabe, die durch die Immigration von ausländischen Personen zusätzliche Modifikationen und daraus resultierende Handlungen seitens dieses Systems erforderlich macht. Schule ist dabei eine Art Angebot, das durch die staatlichen Lehrkräfte kommuniziert werden muss und das die Schüler aufgrund der Schulpflicht annehmen und für sich nutzen sollen.

Doch inwiefern erfolgt wirklich eine Reaktion auf die individuelle Varianz? Wie werden Kinder mit ausländischen Wurzeln integriert? Erfolgt nicht etwa eine offene oder verdeckte Exklusion durch die zuständigen Institutionen und somit eine Diskriminierung? Werden die Heranwachsenden durch gesellschaftlich verankerte Prozesse vielleicht sogar immer wieder auf ihr Anderssein festgelegt und wird damit ihre Integration behindert?

Diese Problematik soll in diesem Essay erörtert werden. Dabei erfolgt zu Beginn eine Klärung zentraler Begriffe, gefolgt von den Eigenschaften und Voraussetzungen erfolgreicher gesellschaftlicher Integration. Demgegenüber werden Aspekte institutionaler Diskriminierung betrachtet. Ferner sollen Formen der schulischen In- bzw. Exklusion und Diskriminierung von Migrantenkindern im deutschen Schulsystem aufgezeigt und analysiert werden. Anschließend stehen die sich daraus ergebenden Konsequenzen dieses Spannungsverhältnisses und Problems im Fokus. Letztlich wird ein persönliches Fazit den Abschluss bilden.

Begriffsklärungen und allgemeine Aspekte

Als Begriff ist zunächst der der „Migrantenkinder“ zu klären. Damit werden in dieser Arbeit Kinder bezeichnet, die ausländische Wurzeln besitzen, die sich auf ihre Entwicklung auswirken. Das wäre z.B. in Form einer nichtdeutschen Muttersprache, einer ausländischen Kultur oder auch unterschiedlicher Rechte. Der Ausdruck „Integration“ soll eine Eingliederung – also die Inklusion – von Immigranten meinen, der aber keinesfalls mit einer absoluten Assimilation, also der Aufgabe individueller kultureller Besonderheiten und der Versuch auch kulturell Deutscher zu werden, gleichzusetzen ist. Bei dieser wäre nämlich zunächst zu klären, was überhaupt „typisch deutsch“ bzw. was die „deutsche Kultur“ an sich sei. Eine solche Bestimmung scheint unmöglich, da entsprechende Merkmale niemals wirklich auf alle Deutschen zutreffen könnten. Eine homogene „deutsche Kultur“ ist lediglich imaginiert. Die Inklusion ist vielmehr eine Sozialintegration, bei der die Akteure in das gesellschaftliche Geschehen einbezogen werden. Dabei kommt es z.B. zur Identifikation mit dem Aufnahmeland auf emotionaler Seite, zum Erwerb von Sprachkenntnissen, zur Beteiligung am Bildungssystem, zur Entstehung sozialer Akzeptanz und zum Aufbau von interethnischen Freundschaften.[2] Demgegenüber kommt es zur nationalistischen Diskriminierung, unter der eine positive oder negative Behandlung von Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Nation verstanden wird. Das bedeutet auch, dass Staatsbürger anderer Staaten nur bedingt in die nationale Gesellschaft ausgenommen werden, vorausgesetzt sie werden eingebürgert und/oder passen sich an. Damit legitimiert der Staat anhand ihrer Nationalität einen freundlichen bis indifferenten, einen ablehnenden oder teilweise sogar feindlichen Umgang mit ihnen.[3] Die institutionalisierte baut auf die nationalistische Diskriminierung auf. Bei dieser Form geht es nicht um Vorurteile oder individuelle Stereotypen, sondern um weit verbreitete individuelle Praktiken, welche durch Gesetze, Institutionen, institutionelle Verfahren bzw. Regeln und/oder kollektiv-institutionelle Deutungsmuster vorgesehen, suggeriert, unterstützt und daher mitbestimmt werden.[4]

Durch die Schaffung von Kategorien bzw. Klassifikationen von Menschen erfolgt eine Strukturierung der komplexen Welt, sodass sich organisatorische Routinen zur In- oder Exklusion ergeben und der Arbeitsablauf vereinfacht wird. Auf Basis der für den Staat somit nützlichen Kategorien können u.a. Handlungen kontrolliert, Rechte zugewiesen und kategoriespezifische Institutionen geschaffen werden.[5] Jedoch bleibt dabei immer die Frage, inwiefern die Vorgaben mit den tatsächlichen Praktiken deckungsgleich sind.

Inklusion durch gesellschaftliche Integration

Gesellschaftliche Integration ist von mehreren Faktoren abhängig. Dies wird anhand der Klärung der zentralen Begriffe schon angedeutet. Wichtig ist daneben auch die nationale Identität, bei der es im Zuge der Sozialisation zur Internalisierung von ähnlichen oder gemeinsamen Überzeugungen, Meinungen, emotionalen Einstellungen und Handlungen sowie Verhaltensdispositionen kommt. Ferner prägen soziale Praxen und die sich daraus ergebenden sozialen und materiellen Lebensbedingungen für den Einzelnen diese nationale Identität. Ebenso werden Gesetze geschaffen, die dieser Praxis entspringen und eine politische Inklusion und Exklusion von Personen bewirken.[6] Nationalität ist aber eben auch nur eine fundamentale Form der Wahrnehmung, Deutung und Repräsentation der sozialen Welt, die somit einen Blickwinkel auf die Welt ist und kein Ding in der Welt darstellt.[7] Es ist wichtig zu entscheiden, ob Deutschland als Einwanderungsland angesehen wird oder nicht. In diesem Essay wird erstere Sichtweise angewandt, da aufgrund der zunehmenden Globalisierung und auch Europäisierung eine Abschottung Deutschlands und somit eine Vermeidung jeglicher Immigration unmöglich scheint.

Ein Klima der Aufnahmebereitschaft ist neben dem Interesse für einander und dem kulturellen Dialog eine wichtige Voraussetzung für eine positive Integration. Wollen Einwanderer ihre kulturelle Identität bewahren, aber mit den Deutschen nicht viel zu tun haben, so kommt es häufig zur Segregation. Darüber hinaus ist es wichtig, Wissen und Kompetenzen zu besitzen, die für das Zusammenleben wichtig sind – beispielsweise die Sprache und Umgangsformen. Außerdem muss eine Eingliederung in ein soziales System erfolgen, wodurch v.a. ein Mitglieds- und Arbeitsstatus erworben werden. Es muss daneben selbstverständlich zur Interaktion mit Angehörigen der Aufnahmegesellschaft kommen. Letztlich darf nicht vergessen werden, dass sich ein subjektiver Bezug zur Residenzgesellschaft entwickeln soll, der stark von der individuellen Wertschätzung und Anerkennung abhängig ist.[8]

[...]


[1] Ich verwende zur Vereinfachung der Lesbarkeit bei geschlechtsspezifischen Begriffspaaren stets nur einen von diesen, nehme damit jedoch keinerlei Wertung vor.

[2] Vgl. Esser, Hartmut: Integration und das Problem der "multikulturellen Gesellschaft", in: Mehrländer, Ursula / Schultze, Günther (Hrsg.), Einwanderungsland Deutschland. Neue Wege nachhaltiger Integration, Dietz 2001, S. 67.

[3] Vgl. Flam, Helena: Migranten in Deutschland. Statistiken - Fakten - Diskurse. Konstanz 2007, S. 11. Im Folgenden zitiert als: Migranten in Deutschland.

[4] Vgl. Ebd., S. 16.

[5] Vgl. Brubaker, Rogers: Ethnizität ohne Gruppen. Hamburg 2007, S. 43. Im Folgenden zitiert als: Ethnizität ohne Gruppen.

[6] Vgl. Wodak, Ruth: Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt/M. 1998, S. 69 ff.

[7] Vgl. Brubaker: Ethnizität ohne Gruppen. S. 31.

[8] Vgl. Held, Josef: Wege der Integration in der deutschen Einwanderungsgesellschaft, in: Sauer, Karin Elionor / Held, Josef (Hrsg.), Wege der Integration in heterogenen Gesellschaften. Vergleichende Studien, Verlag für Sozialwissenschaften 2009, S. 122.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Gefangen zwischen Inklusion und Exklusion: Die institutionalisierte Diskriminierung von Migrantenkindern an deutschen Schulen
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Identität und Repräsentation - Nation und Ethnizität
Note
1,8
Autor
Jahr
2010
Seiten
13
Katalognummer
V211112
ISBN (eBook)
9783656401827
ISBN (Buch)
9783656401940
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Migranten, Ausländer, Kinder, Schule, Inklusion, Exklusion, Deutschland, Diskriminierung, Institutionelle Diskriminierung, Migration, Benachteiligung
Arbeit zitieren
Benny Schmidt (Autor:in), 2010, Gefangen zwischen Inklusion und Exklusion: Die institutionalisierte Diskriminierung von Migrantenkindern an deutschen Schulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211112

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