Kritische Betrachtung der Theorie der Hegemonialen Stabilität


Hausarbeit, 2010

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Theorie der Hegemonialen Stabilität
2.1. Kindlebergers liberale Theorie vom gutmütigen Hegemonen
2.2. Die Theorie vom egoistischen Hegemonen von Gilpin und Krasner

3. Kritik an der Theorie der Hegemonialen Stabilität

4. Schlussfolgerungen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Auch wenn von der Theorie der Hegemonialen Stabilität die Rede ist, so muss dennoch festgehalten werden, dass sie als solche nie systematisch ausgearbeitet wurde. Stattdessen ist sie mehr eine Idee, nach Gilpin sogar eine intuitive Idee, welche aus der Betrachtung der Geschichte hervorgegangen ist.[1] Aufgrund des Diskurses um die Hegemoniale Stabilität spricht beispielsweise Robel, Geschäftsführer des Zentrums für Internationale Studien der TU Dresden, nicht von einer geschlossenen Theorie, sondern von einer Theoriedebatte.[2] Dementsprechend kann als Definition der Theorie der Hegemonialen Stabilität eine kontroverse Idee angenommen werden, die davon ausgeht, dass das Wohlergehen der weltweiten Ökonomie von der Existenz einer einzelnen dominanten Macht abhängig ist.[3] Der Staat, der sich in der Funktion des Hegemons befindet, ermöglicht internationale Kooperation und sorgt für die Einhaltung der dafür nötigen Regeln.[4]

Doch kann diese in den Debatten der 1970er bis Ende der 80er Jahre diskutierte und danach als falsch verworfene Idee auch heute noch zur Analyse der internationalen Beziehungen dienlich sein? Beziehungsweise ist es möglich, durch nähere Beschäftigung mit den Fragen der Theorie auch für die heutige Forschung im Bereich der internationalen Beziehungen noch interessante Ansätze zu finden? Zur Überprüfung dieser Fragen soll im Folgenden zunächst die Theorie der Hegemonialen Stabilität in ihren Grundzügen beschrieben werden. Danach sollen verschiedene Kritikpunkte an der Theorie aufgezeigt werden, um anschließend eine Bilanz für die heutige Nützlichkeit dieser Theorie zu ziehen.

2. Die Theorie der Hegemonialen Stabilität

Namensgeber dieses Verständnisses der internationalen Beziehungen war der US-amerikanische Politikwissenschaftler Robert O. Keohane, wobei als Begründer zuvorderst der Ökonom und Wirtschaftshistoriker Charles P. Kindleberger und die beiden Politologen Robert Gilpin und Stephen D. Krasner gelten. Alle drei verfassten ihre Aufsätze über die Hegemoniale Stabilität in einer Zeit, in der das System von Bretton Woods zu zerbrechen begann und die von ihnen als das Ende der Vormachtstellung der USA interpretiert wurde. Mit dem Untergang dieses Hegemons und damit mit dem Wegfall der stabilisierenden Macht, verbanden die verschiedenen Autoren gleichermaßen die Befürchtung, dass es zu einer Erosion des auf liberalen Strukturen und auf Kooperation basierenden internationalen Systems kommen werde.[5] Die Folge sei eine neue Periode der Instabilität:

Without a hegemon willing and able to create and maintain a liberal trade system, world trade collapsed into discriminatory and protectionist blocs.[6]

Da es sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in den Theorien der drei Wissenschaftler gibt, soll im Folgenden eine getrennte Betrachtung stattfinden, wobei Gilpin und Krasner zusammen dargestellt werden, da ihre Differenzen hier nur gering sind.

2.1. Kindlebergers liberale Theorie vom gutmütigen Hegemon

In seinem 1973 veröffentlichten Buch „The World in Depression, 1929-1939“ untersuchte der US-amerikanische Ökonom und Wirtschaftshistoriker Kindleberger Ursachen, Ereignisse sowie Folgen der Weltwirtschaftskrise von 1929. In diesem Zusammenhang stellte er erstmals Überlegungen über die Bedeutung eines dominierenden Staates für die Stabilität der Weltwirtschaft an und setzte somit den Grundstein für die Theorie der Hegemonialen Stabilität. Seiner Auffassung nach lagen die Gründe für einen derartigen Zusammenbruch des internationalen Weltwirtschaftssystems, wie er sich während der Krise von 1929 ereignet hatte, in dem Fehlen eines führenden Staates: Großbritannien, der ehemalige Hegemon, der die sogenannte Pax Britannica aufrechterhalten hatte, war nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr in der Lage und die USA noch nicht fähig beziehungsweise noch nicht willens gewesen, das öffentliche Gut internationale Stabilität bereitzustellen.[7] Die Welt befand sich demnach laut Kindleberger damals in einer Übergangsphase, die Instabilität und enorme wirtschaftliche Probleme mit sich brachte. Eine Dekade später aber sei die Transformation abgeschlossen gewesen, die USA als neuer Hegemon hätten die Führerschaft übernommen und so habe die Welt auch wieder zu ökonomischer Stabilität gefunden: Die Pax Americana hatte begonnen.[8]

Eine liberale internationale Ökonomie ist nach Kindleberger also nur aufrecht zu erhalten, wenn der Staat, der über die größte wirtschaftliche Macht verfügt, auch die politische Führung übernimmt und infolgedessen als stabilitätsstiftender Hegemon auftritt.[9] Oder in seinen eigenen Worten: „For the world economy to be stabilized there has to be a stabilizer, one stabilizer.“[10]

Als erstrebenswert galt Kindleberger ein liberaler Weltmarkt mit möglichst hoher Beständigkeit. Zur Gewährung eines solchen müssten mehrere Bedingungen erfüllt sein: es müsse ein relativ offener Markt sowie ein Devisenmarkt vorhanden sein, es müsse eine makroökonomische Koordination stattfinden und es müsse Kapital verfügbar sein, das sowohl in normalen als auch in Krisenzeiten als Kredit ausgegeben werden könne.[11]

Da die Stabilität des Systems aber die gleichen Charakteristika aufweise, die auch öffentliche Güter auszeichnen, müsse sie auch als solches verstanden werden.[12] Die erste konstituierende Eigenschaft öffentlicher Güter, die zufolge dieser Feststellung auch die Systemstabilität besitzt, ist die Nichtrivalität im Konsum. Damit ist ausgesagt, dass durch die Nutzung eines Gutes durch A keinerlei Minderung oder Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten für B entstehen. Als zweite Eigenschaft ist die Nichtausschließbarkeit von der Nutzung des Gutes zu nennen, was heißt, dass niemand am Gebrauch des Gutes gehindert werden kann, auch wenn er nicht zu seiner Bereitstellung beigetragen hat.[13]

Wie bei öffentlichen Gütern bestehe aber auch bei der Systemstabilität nun das Problem der Trittbrettfahrer: infolge der Nichtausschließbarkeit kann es für einige Staaten vorteilhaft erscheinen, selbst nicht zur Bereitstellung der Stabilität beizutragen und so Kosten einzusparen, während sie aber trotzdem von der durch andere Staaten unterhaltenen Dauerhaftigkeit des Systems profitieren. An dieser Stelle besteht nun die Gefahr, dass jeder Staat versucht, durch diese Strategie seinen eigenen Vorteil zu erhöhen und somit in letzter Konsequenz ein Zustand entsteht, in dem das öffentliche Gut nicht mehr ausreichend bereitgestellt wird, es zu Instabilität am Weltmarkt und Protektionismus kommt.[14] Zur Lösung dieses Problems ist nach Meinung Kindlebergers nun ein Hegemon nötig, der für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Guts sorgt:

[P]ublic goods have been and can be provided only by a leader (or hegemon) with an interest in supplying the good for all […].[15]

[...]


[1] Vgl. Robert Gilpin, Global Political Economy. Understanding the International Economic Order, Princeton: Princeton University Press, 2001, S. 94.

[2] Vgl. Stefan Robel, „Hegemonie in den Internationalen Beziehungen: Lehren aus dem Scheitern der ‚Theorie der Hegemonialen Stabilität‘“, in: DAP – Dresdner Arbeitspapiere Internationale Beziehungen. Nr. 2 (2001), S. 3.

[3] Vgl. Benjamin J. Cohen, International Political Economy. An Intellectual History, Princeton: Princeton University Press, 2008, S. 67.

[4] Gilpin, Global Political Economy, S. 97.

[5] Vgl. Cohen, International Political Economy, S. 68.

[6] Thomas Oatley, International Political Economy. Interests and Institutions in the Global Economy, 4th Edition, New York: Pearson Longman, 2010, S. 29.

[7] Vgl. Robel, „Hegemonie in den Internationalen Beziehungen“, S. 4.

[8] Vgl. Charles P. Kindleberger, „Systems of International Economic Organization“, in: David P. Calleo (Hg.), Money and the Coming World Order, New York: Lehrman Institute, 1976, S. 35.

[9] Vgl. Gilpin, Global Political Economy, S. 98.

[10] Charles P. Kindleberger, The World in Depression, 1929-1939 (Berkeley: University of California Press, 1973), S. 305.

[11] Vgl. Gilpin, Global Political Economy, S. 99.

[12] Vgl. Cohen, International Political Economy, S. 72.

[13] Vgl. Berthold U. Wigger, Grundzüge der Finanzwissenschaft (Berlin: Springer, 2004), S. 38.

[14] Diese Problematik wird meist anhand des Gefangenendilemmas aufgezeigt. Auf eine eingehendere spieltheoretische Darstellung soll an dieser Stelle aber verzichtet werden. Näheres dazu in: Wigger, Finanzwissenschaft, S. 44ff.

[15] Gilpin, Global Political Economy, S. 100.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Kritische Betrachtung der Theorie der Hegemonialen Stabilität
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltung
Ausgewählte Aspekte der Weltwirtschaft
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
12
Katalognummer
V210839
ISBN (eBook)
9783656384106
ISBN (Buch)
9783656385387
Dateigröße
613 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Internationale Beziehungen, Theorie der Hegemonialen Stabilität
Arbeit zitieren
Elisabeth Winter (Autor:in), 2010, Kritische Betrachtung der Theorie der Hegemonialen Stabilität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210839

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