Kulturelle Intelligenz

Schlüsselqualifikation für erfolgreiche Auslandsentsendungen?


Diplomarbeit, 2012

69 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einführung
1.1 Praktische Relevanz
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

2. Begriffliche und theoretische Grundlagen
2.1 Kultur
2.2 Interkulturelle Kompetenz

3. Das Konstrukt Kulturelle Intelligenz
3.1 Definition
3.2 Kulturelle Intelligenz als multidimensionales Konstrukt
3.2.1 Kognitive kulturelle Intelligenz
3.2.2 Metakognitive kulturelle Intelligenz
3.2.3 Motivationale kulturelle Intelligenz
3.2.4 Verhaltensbezogene kulturelle Intelligenz
3.2.5 Zum Gesamtkonstrukt
3.3 Abgrenzung von verwandten Konstrukten
3.3.1 Gegenüberstellung kultureller Intelligenz und Persönlichkeit
3.3.2 Gegenüberstellung kultureller Intelligenz und weiteren Formen der Intelligenz
3.3.3 Gegenüberstellung kultureller Intelligenz und interkultureller Kompetenz
3.4 Messung kultureller Intelligenz

4. Auslandsentsendungen
4.1 Entsendungsmotive
4.1.1 Ziele des Unternehmens
4.1.2 Motivation des Mitarbeiters
4.2 Verlauf des Entsendungsprozesses
4.2.1 Auswahlphase
4.2.2 Vorbereitungsphase
4.2.3 Einsatzphase
4.2.4 Wiedereingliederungsphase
4.3 Kriterien erfolgreicher Auslandsentsendungen
4.3.1 Bestimmung des Entsendungserfolgs
4.3.2 Der Entsendungserfolg als mehrdimensionale Größe
4.4 Determinanten des Entsendungserfolgs
4.4.1 Persönlichkeit
4.4.2 Entsendungsgestaltung
4.4.3 Familiensituation

5. Kulturelle Intelligenz als Schlüsselqualifikation für erfolgreiche Auslandsentsendungen
5.1 Theoretische Überlegungen zum Zusammenhang zwischen kultureller Intelligenz und dem Entsendungserfolg
5.2 Empirische Evidenz zum Zusammenhang zwischen kultureller Intelligenz und dem Entsendungserfolg
5.3 Moderatoren der Beziehung zwischen kultureller Intelligenz und dem Entsendungserfolg
5.3.1 Bisherige Auslandserfahrung
5.3.2 Persönlichkeitseigenschaften
5.3.3 Kulturelle Distanz
5.3.4 Anpassung des Partners
5.3.5 Gestaltung der Position
5.4 Kulturelle Intelligenz als Moderator und Mediator

6. Entwicklung Kultureller Intelligenz
6.1 Entwicklung kultureller Intelligenz durch Erfahrungen
6.2 Entwicklung kultureller Intelligenz durch Training

7. Diskussion und Ausblick
7.1 Fazit
7.2 Implikationen für die Praxis
7.3 Implikationen für die Forschung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Komponenten interkultureller Kompetenz

Abb. 2: Kulturelle Intelligenz als multidimensionales Konstrukt

Abb. 3: Kulturelle Intelligenz als Teilkompetenz interkultureller Kompetenz

Abb. 4: Modell der kulturellen Anpassung

Abb. 5: Determinanten und Kriterien des Entsendungserfolgs

Abb. 6: Modell der Wirkung kultureller Intelligenz auf den Entsendungserfolg

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Dimensionen und Merkmale interkultureller Kompetenz

1. Einführung

„ One of the most challenging situations in which you may be able to confront cultural differences is a temporary period of living and working in a foreign country.”

(Thomas/Inkson 2004, S. 73)

1.1 Praktische Relevanz

Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung der Märkte und der Internationalisierung der Wirtschaft haben grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeiten in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen. Die mit dieser Entwicklung verbundene Verflechtung von Organisationen, Ländern und Kulturen führt zu neuen Herausforderungen für Individuen und Unternehmen und impliziert erhöhte Anforderungen an die Qualifikationen der Fach- und Führungskräfte (vgl. Torbiörn 1982, S. 47ff.). Unternehmen benötigen global kompetente Angestellte, die ein umfangreiches Verständnis für kulturelle Diversität aufweisen, sich wirksam an unbekannte kulturelle Umfelder anpassen können und in interkulturellen Situationen[1] leistungsfähig agieren (vgl. Caligiuri 1997, S. 118; Martin 2001, S. 2).

Ein elementarer Bestandteil für Unternehmen, die auf internationaler Ebene agieren, ist die Entsendung von Mitarbeitern[2] ins Ausland. Oft nehmen entsandte Führungskräfte Schlüsselpositionen in der Auslandsgesellschaft ein und tragen große Verantwortung für den Erfolg der Geschäftstätigkeit (vgl. Martin 2001, S. 3). Da sich die klimatischen, ökonomischen, kulturellen und politischen Bedingungen im Gastland oft stark von denen im Heimatland unterscheiden und der entsandte Mitarbeiter insofern mit einem für ihn unbekannten Umfeld konfrontiert wird, ist eine Auslandsentsendung meist mit beträchtlichen psychischen Belastungen verbunden (vgl. Black/Mendenhall/Oddou 1991, S. 292, 301). Ein wesentlicher Unterschied zu einer Tätigkeit im Inland liegt hierbei darin, dass sich der Entsandte[3] im Gastland anderen kulturellen Normen und Werten gegenüber sieht (vgl. Torbiörn 1982, S. 43). Häufig geht eine Entsendung außerdem mit einer höhergestellten Position, mehr Verantwortung und heterogeneren Aufgaben einher, wodurch sich die Komplexität der Situation erhöht. Diese Veränderungen implizieren Unsicherheiten und Stress und erfordern eine Anpassung an das neue Arbeitsumfeld (vgl. Black 1988, S. 280f.).

Die potenziellen Schwierigkeiten, die mit dem Umgang mit den oben aufgeführten Herausforderungen verbunden sind, führen oftmals dazu, dass Auslandsentsendungen nicht erfolgreich verlaufen. So liegt der Anteil der vorzeitig zurückkehrenden Entsandten zwischen 10% und 20% - einige Unternehmen melden sogar einen Anteil von bis zu 40% (vgl. Tung 1981, S. 77; Black/Gregersen 1999, S. 53). Hinzu kommen die sogenannten „brownouts“, also Entsandte, die zwar für die festgelegte Dauer im Gastland verbleiben, jedoch nicht dazu in der Lage sind, sich an die neue Umgebung anzupassen und daher nicht die von ihnen erwartete berufliche Leistung erbringen (vgl. Black 1988, S. 277; Caligiuri 1997, S. 121). Für amerikanische Unternehmen trifft dies auf fast ein Drittel aller Entsandten zu (vgl. Black/Gregersen 1999, S. 53). Ein weiteres Risiko für international agierende Unternehmen sind die Fluktuationsabsichten der Rückkehrer: bis zu 25% der Entsandten kündigen nach der Beendigung der Entsendung (vgl. Black/Gregersen 1999, S. 53).

Doch eine Auslandsentsendung stellt nicht nur eine risikoreiche, sondern auch eine kostenintensive Investition für das Stammhaus dar (vgl. Kühlmann 2004, S. 6f.). Während sich die durchschnittlichen Kosten einer Entsendung ungefähr auf das Dreifache des Jahresgehalts des Mitarbeiters im Stammhaus belaufen (vgl. Wederspahn 1992, S. 28; Black/Gregersen 1999, S. 53), können die direkten Kosten eines frühzeitigen Abbruchs bis zu 1,2 Millionen Dollar betragen, abhängig u.a. von der Funktion des entsandten Mitarbeiters (vgl. Graf 2004, S. 667f.). Darüber hinaus hat eine gescheiterte Entsendung indirekte Kosten für das Unternehmen zur Folge, wie etwa Imageschäden und den Verlust von potenziellen Kunden (vgl. Black/Gregersen 1991, S. 498; Kühlmann 2004, S. 6f.). Für den Expatriate selbst führt eine erfolglose Auslandsentsendung zu gesunkenem Selbstbewusstsein, Demotivation und Ansehensverlust bei den Kollegen (vgl. Mendenhall/Oddou 1985, S. 39; Kühlmann/Stahl 1998, S. 213).

Angesichts der mit einer Auslandsentsendung einhergehenden Herausforderungen, Risiken und Kosten ergibt sich für das internationale Personalmanagement ein großes Interesse daran, Faktoren zu identifizieren, die den Entsendungserfolg beeinflussen. Den Ergebnissen zahlreicher empirischer Untersuchungen zufolge ist die kulturelle Anpassung an das jeweilige Land, sowohl von Seiten des Expatriates selbst, als auch seitens des mitgereisten Ehepartners, ein entscheidendes Kriterium für eine erfolgreiche Auslandsentsendung (vgl. Bhaskar-Shrinivas et al. 2005, S. 257; Kittler/Rygl/Puce 2009, S. 30; Lee/Sukoco 2010, S. 963). So stellt eine mangelhafte Anpassung an die Kultur des Gastlandes den Hauptgrund für einen vorzeitigen Abbruch einer Entsendung dar (vgl. Takeuchi/Yun/Tesluk 2002, S. 655). Folglich sind Bestimmungsfaktoren kultureller Anpassung sowohl aus praktischer als auch aus theoretischer Perspektive von hoher Relevanz. Ein besseres Verständnis der Prädiktoren und Einflussgrößen des Anpassungs- und Entsendungserfolgs ermöglicht es Personalverantwortlichen, effektive Auswahlmethoden zu modellieren und gezielte vorbereitende Trainings anzubieten (vgl. Arthur/Bennett 1995, S. 100).

In diesem Zusammenhang spielt insbesondere das von Earley und Ang (2003) eingeführte Konzept der kulturellen Intelligenz (engl. Cultural Intelligence – CQ) zunehmend eine Rolle. Es handelt sich dabei um ein kulturübergreifendes, multidimensionales Modell und bezieht sich auf die Fähigkeit eines Individuums, effektiv mit Situationen umzugehen, die durch kulturelle Diversität geprägt sind (vgl. Earley/Ang 2003, S. 12). In diesem Kontext beschreibt kulturelle Intelligenz das Anpassungsvermögen eines Auslandsentsandten und stellt dementsprechend eine bedeutende Eigenschaft dar. Bisher ist der Zusammenhang von kultureller Intelligenz und dem Erfolg von Auslandsentsendungen jedoch nur wenig untersucht worden. Dabei kann es für international tätige Individuen und Unternehmen einen wesentlichen Nutzen haben, das Wesen kultureller Intelligenz zu erfassen und somit zu verstehen, warum manche Personen in interkulturellen Situationen erfolgreich agieren, während andere scheitern.

1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

Vor dem Hintergrund der Bedeutung von erfolgreichen Entsendungen von Mitarbeitern ins Ausland wird im Rahmen dieser Diplomarbeit die folgende Fragestellung untersucht:

Inwiefern bietet kulturelle Intelligenz einen Mehrwert für die Anpassung des Expatriates und unter welchen Bedingungen kann kulturelle Intelligenz als Erfolgsfaktor von Auslandsentsendungen verstanden werden?

Zunächst werden grundlegende Begrifflichkeiten geklärt, die für das Verständnis der vorliegenden Arbeit behilflich sind. Es folgt ein Überblick zum Konzept der kulturellen Intelligenz. Neben der Erläuterung kultureller Intelligenz als mehrdimensionales Konstrukt wird eine Abgrenzung zu anderen, verwandten Kompetenzen bzw. Fähigkeiten vorgenommen, wobei die Gegenüberstellung zu interkultureller Kompetenz von besonderem Interesse ist. In dem darauf folgenden Teil steht die Thematik der Auslandsentsendungen im Mittelpunkt der Betrachtung. Von Belang ist dabei vor allem die Bestimmung der Kriterien, die den Erfolg einer Entsendung beschreiben. Des Weiteren sollen erfolgsrelevante Faktoren herausgestellt werden. Ziel ist es an dieser Stelle, Prädiktoren zu ermitteln, welche die erforderliche kulturelle Anpassung und Arbeitsleistung des Expatriate gewährleisten. In diesem Kontext wird insbesondere darauf eingegangen, welche Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale für die Auswahl eines Entsendungskandidaten eine Rolle spielen und wie der Entsendungsprozess idealerweise gestaltet werden sollte. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet sodann die Untersuchung der Bedeutung kultureller Intelligenz in Bezug auf Auslandsentsendungen. In diesem Rahmen erfolgt eine eingehende Reflexion der bisherigen Forschungsfragen und –ergebnisse. Zudem wird herausgearbeitet, welche Faktoren die Beziehung zwischen kultureller Intelligenz und dem Entsendungserfolg unterstützen bzw. hemmen. Im Anschluss daran wird darauf eingegangen, wie sich kulturelle Intelligenz entwickeln bzw. steigern lässt. Abschließend soll ein Ausblick gegeben werden, in dem die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst und Hinweise zu Handlungsbedarf und Forschungsansätzen aufgezeigt werden.

2. Begriffliche und theoretische Grundlagen

2.1 Kultur

Kulturelle Intelligenz impliziert u.a. Wissen über Kultur und grundlegende Prinzipien interkultureller Situationen. Dies inkludiert auch Wissen darüber, was Kultur ist, worin sich Kulturen unterscheiden und wie Kultur das Verhalten beeinflusst. Für das Verständnis des Konstrukts CQ ist es daher essentiell, sich mit dem Begriff Kultur auseinanderzusetzen.

Bis heute hat sich allerdings kein einheitlicher Kulturbegriff durchgesetzt, vielmehr existiert eine Vielzahl von Definitionen (s. Kroeber/Kluckhohn 1952). Ein Aspekt, welcher sich jedoch in den meisten Definitionen wiederfindet, ist, dass Kultur etwas beschreibt, das von den Mitgliedern einer Gruppe gemeinsam geteilt wird (vgl. Schein 1992, S. 8). Es handelt sich also um ein kollektivistisches Phänomen, welches Hofstede (2001) als „mentale Software“ definiert, die über das soziale Umfeld erlernt wird (vgl. Hofstede 2001, S. 2 ff.).

Nach dem Kulturverständnis von Schein (1992) besteht Kultur aus drei Ebenen, welche aufeinander wirken. Verhalten und Artefakte bilden den nach außen hin sichtbaren Teil der Kultur und finden beispielsweise Ausdruck in Bräuchen, Künsten, Kleidung, dem Sozialsystem, der Sprache oder der Religion. Diese werden von Normen und Werten beeinflusst, welche die mittlere Ebene formen. Die dritte und tiefste Ebene enthält grundlegende Annahmen, welche den Bezugsrahmen für die menschliche Wahrnehmung u.a. über Zeit, Raum, Wahrheit und die Beziehung zur Umwelt bilden. Diese Grundannahmen beschreiben den impliziten Teil der Kultur und werden von den Mitgliedern der Kultur als selbstverständlich vorausgesetzt und nicht hinterfragt. Als Grundlage aller kulturspezifischen Handlungen und Überzeugungen gestalten sie die Normen und Werte (vgl. Schein 1992, S. 15 ff.). Kultur zeigt sich also äußerlich auf den Ebenen der erkennbaren Artefakte und den geteilten Werten, Normen und Verhaltensregeln – das Wesen der Kultur liegt jedoch in den Grundannahmen, welche nur durch intensive Interaktionen mit anderen Kulturen erfasst werden können (vgl. ebd., S. 26).

Thomas (1988) beschreibt Kultur als „ein universelles, für eine Gesellschaft, Nation, Organisation und Gruppe aber typisches Orientierungssystem” (Thomas 1988, S. 149). Dies deutet darauf hin, dass Kultur nicht etwa auf ein Land beschränkt werden kann, sondern in verschiedenen Sphären existiert. Daraus wird ersichtlich, dass ein Individuum mehreren Kulturen, z.B. einer National-, Organisations- und Berufskultur - zugehörig sein kann. Im weiteren Sinne sind Kulturen schließlich als Lebenswelten zu verstehen, „die sich Menschen durch ihr Handeln geschaffen haben und ständig neu schaffen“ (Bolten 2007, S. 24).

2.2 Interkulturelle Kompetenz

Kulturelle Intelligenz ist als ein neues Konzept zur Erklärung interkultureller Kompetenz aufzufassen. Daher ist es wesentlich, zu klären, was unter dem Ausdruck interkulturelle Kompetenz zu verstehen ist.

In der Literatur wird interkulturelle Kompetenz häufig als ein essentieller Faktor für den Erfolg von Auslandsentsendungen betrachtet (vgl. Gertsen 1990, S. 341; Thomas/Stumpf 2003, S. 96). Jedoch mangelt es sowohl im deutschsprachigen als auch im angloamerikanischen Raum an einer einheitlichen Begriffsdefinition (vgl. Fritz/Möllenberg 2003, S. 297). Kompromissfähig scheint die folgende zu sein[4]: „[Interkulturelle Kompetenz beschreibt] die Fähigkeit, effektiv und angemessen in interkulturellen Situationen zu kommunizieren, auf Grundlage eigenen interkulturellen Wissens, eigener Fähigkeiten und Einstellungen“ (Deardorff 2006, S. 15). Die wissenschaftliche Literatur bietet eine Fülle von Modellen, mit denen interkulturelle Kompetenz beschrieben wird (vgl. Fritz 2001, S. 95; Bergemann/Sourisseaux 2003, S. 296). Einen weitgehend anerkannten Ansatz zur Konzeptualisierung liefert Gertsen (1990), wonach interkulturelle Kompetenz in die drei interdependenten Dimensionen Wissen (Kognition), Fähigkeiten (Konation) und Motivation (Affektion) unterteilt wird (vgl. Gertsen 1990). Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Zuordnung von relevanten Persönlichkeitsmerkmalen und Fähigkeiten zu den drei Dimensionen interkultureller Kompetenz:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.1: Dimensionen und Merkmale interkultureller Kompetenz (Quelle: Bolten 2006, S. 63)

Nach der Auffassung von Bolten (2001) ist interkulturelle Kompetenz ein Zusammenspiel verschiedener Kompetenzen:

„Sinnvoller wäre es wahrscheinlich, von einer übergreifenden internationalen Handlungskompetenz zu sprechen, die sich aus den interdependenten Bereichen der individuellen, sozialen, fachlichen und strategischen Kompetenz konstituiert und interkulturelle Kompetenz dabei gleichsam als Bezugsrahmen oder als Folie versteht.“ (Bolten 2001, S. 914)

In diesem Sinne ist interkulturelle Kompetenz als Metakompetenz aufzufassen. Die folgende Abbildung stellt dieses Verständnis interkultureller Kompetenz grafisch dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 : Komponenten interkultureller Kompetenz (Quelle: Bolten 2006, S. 65)

3. Das Konstrukt Kulturelle Intelligenz

3.1 Definition

Worin sind die Ursachen dafür zu sehen, dass es Menschen gibt, die sich relativ schnell und problemlos an eine ungewohnte kulturelle Umgebung anpassen können, während andere Personen diese Fähigkeit nicht besitzen? Eine Antwort auf diese Frage kann das Konstrukt der kulturellen Intelligenz geben. Diese Erweiterungsform praktischer Intelligenz zielt darauf ab, individuelle Unterschiede bezüglich der Fähigkeit, mit kultureller Diversität umzugehen, zu erklären. Earley und Ang (2003) definieren CQ als “a person’s capability to gather, interpret, and act upon radically different cues to function effectively across cultural settings” (Earley/Ang 2003, S. 12).[5] Es handelt sich also um eine persönliche Fähigkeit, die beschreibt, inwieweit Individuen dazu in der Lage sind, sich an unbekannte kulturelle Umfelder anzupassen und erfolgswirksam mit Menschen anderen kulturellen Hintergrundes umzugehen. Kulturelle Intelligenz gilt prinzipiell als kulturübergreifende, universelle Fähigkeit und somit als ein etisches Konstrukt, beinhaltet jedoch auch emische Aspekte[6] (vgl. Earley/Ang 2003, S. 66f.). Der Bezugsrahmen kultureller Intelligenz endet nicht bei der Nationalkultur, sondern erstreckt sich auch auf ethnische, organisationale und andere Kulturen und ist mithin für alle Kulturebenen relevant (vgl. Earley/Ang 2003, S. 9).

Intelligentes Verhalten zeigt sich in verschiedenen Kulturen unterschiedlich und ist von den jeweiligen kulturellen Prägungen abhängig. Eine kulturell intelligente Person versteht, was in verschiedenen Kulturen als intelligentes Verhalten gilt (vgl. Brislin/Worthley/ MacNab 2006, S. 45).

3.2 Kulturelle Intelligenz als multidimensionales Konstrukt

Um die Bedeutung kultureller Intelligenz für den Erfolg von Auslandsentsendungen zu eruieren, ist es wichtig, die verschiedenen Facetten dieses Faktors zu betrachten. Das multidimensionale Konzept der kulturellen Intelligenz basiert auf dem von Sternberg und Detterman (1986) entwickelten Modell der „multiple foci of intelligence“, welches metakognitive, kognitive, motivierende und verhaltensbezogene Elemente beinhaltet. Diese Struktur haben Earley (2002) sowie Earley und Ang (2003) auf die kulturelle Intelligenz übertragen, wobei sie Metakognition zunächst als einen Teil der kognitiven Komponente von CQ erfassen.[7] Folgt man der bildhaften Darstellung der kulturellen Intelligenz nach Earley und Mosakowski (2004), liegt CQ im Kopf (kognitiv), im Herzen (emotional) und im Körper (physisch) eines Individuums vor.

Eine alternative Konzeptualisierung stammt von Thomas und Inkson (2004), die neben den Dimensionen Wissen und Verhalten einen Faktor „Achtsamkeit“ (mindfulness) definieren. Damit ist ein aktives Bewusstsein bezüglich der eigenen Anschauungen und des Umfeldes gemeint (vgl. Thomas/Inkson 2004, S. 52). Sie betonen die Bedeutung dieser Dimension als kritische Verbindung zwischen dem Wissen über Kultur und dem angemessenen Verhalten in interkulturellen Situationen (vgl. ebd., S. 59).[8]

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die von Earley und Ang vorgestellte Konzeptualisierung, da diese bislang am meisten Beachtung gefunden hat und den theoretischen und empirischen Untersuchungen zugrunde liegt.[9]

3.2.1 Kognitive kulturelle Intelligenz

Unter kognitiver Intelligenz ist allgemein das Wissen und Wissensstrukturen eines Individuums zu verstehen. Das Wissen über Kultur beeinflusst das Denken und Verhalten einer Person und stellt die Grundlage von Entscheidungsfindung und Erfolg in interkulturellen Situationen dar (vgl. Ang/Van Dyne 2008, S. 6; Van Dyne/Ang/Koh 2008, S. 17). Dieses Wissen wird durch den kognitiven Teil kultureller Intelligenz dargestellt und kann durch Ausbildung und persönliche Erfahrungen angeeignet werden. Kognitive CQ bezieht sich auf kulturuniverselle und -spezifische Kenntnisse und umfasst neben dem Wissen über kulturelle Normen und Gebräuche auch die Erkennung des Stellenwertes der eigenen Person in einer anderen Kultur sowie Kenntnisse über religiöse Prägungen und ökonomische, rechtliche und soziale Systeme (vgl. Ang/Van Dyne 2008, S. 5f.; Earley/Peterson 2004, S. 107).

Individuen, die eine hohe kognitive CQ aufweisen, sind dazu in der Lage, Gemeinsamkeiten und Unterschiede kulturübergreifend zu perzipieren und zu verstehen (vgl. Brislin/Worthley/MacNab 2006, S. 42). Somit können sie realistischere Erwartungen treffen und interkulturelle Begegnungen richtig interpretieren. Da sie bestimmte Muster sozialer Interaktion besser begreifen, ist es ihnen möglich, effektiver mit Menschen anderen kulturellen Hintergrunds zu interagieren (vgl. Ang/Van Dyne 2008, S. 6).

3.2.2 Metakognitive kulturelle Intelligenz

Metakognition bezeichnet zum einen das Bewusstsein über den Vorgang eigener Denkprozesse und zum anderen die mentale Fähigkeit, diese Prozesse zu reflektieren und gezielt zu steuern (vgl. Earley/Ang 2003, S. 70). Hierbei wird also die Kenntnis über die Informationsverarbeitung und deren Einfluss auf das Verhalten einer Person angesprochen. Die metakognitive Dimension von CQ bezieht dies auf interkulturelle Situationen und spiegelt die kognitiven Prozesse wider, die bei der Aneignung von Wissen über andere Kulturen ablaufen. Dazu gehört auch die Entwicklung von Bewältigungsstrategien und Entscheidungsregeln, die das Individuum dazu befähigen, mit unbekannten interkulturellen Situationen angemessen umzugehen (vgl. Ang/Van Dyne 2008, S. 5).

Individuen mit ausgeprägter metakognitiver CQ sind sich vor und während interkultureller Begegnungen sowohl über die eigenen, als auch über fremdkulturelle Werte und Normen gewahr. Weiterhin sind sie dazu in der Lage, ihre kulturellen Annahmen und Denkmuster während solcher Interaktionen bewusst zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen. Insofern nutzen Individuen mit hohen metakognitiven Fähigkeiten interkulturelle Erfahrungen bewusst, um innovative Strategien für einen möglichst angemessenen Umgang mit anderen Kulturen abzuleiten (vgl. Ang/Van Dyne 2008, S. 5). Dabei spielen insbesondere die Fähigkeiten zu induktivem und analogem Denken eine Rolle, denn diese ermöglichen es einer Person, neue Zusammenhänge besser zu verstehen. Induktives Denkvermögen ist dafür verantwortlich, dass der Entsandte ungewohntes Verhalten seitens der Gastlandangehörigen schnell für sich begründen kann. Da aus unbekannten kulturellen Situationen ein angemessenes Verhalten oftmals nicht automatisch ableitbar ist, stellt diese Fähigkeit eine Grundvoraussetzung für eine hohe CQ dar. Analoges Denken heißt, Erfahrungen aus mehreren Situationen mit derselben Kultur zusammenführen und sich ein umfassendes Bild von den Verhaltensweisen machen zu können (vgl. Earley/Ang 2003, S. 72).

3.2.3 Motivationale kulturelle Intelligenz

Neben den oben beschriebenen mentalen Fähigkeiten umfasst CQ weiterhin die Fähigkeit eines Individuums, Motivation dafür aufzubringen, sich mit anderen Kulturen auseinanderzusetzen. Dieser Teil der CQ geht über die Wahrnehmung kultureller Gemeinsamkeiten und Differenzen hinaus und bezieht sich auf den Antrieb, der hinter den kognitiven Prozessen und Kenntnissen liegt. Motivationale kulturelle Intelligenz manifestiert sich daher in dem Interesse, kulturelle Unterschiede zu erfahren und durch Interaktionen mit Angehörigen anderer Kulturen zu lernen (vgl. Earley/Ang 2003, S. 154). Um die nötige Kraft dafür aufzubringen und erfolgreich interagieren zu können, ist Vertrauen in die eigenen interkulturellen Fähigkeiten erforderlich (vgl. Earley 2002, S. 278; Earley/Ang 2003, S. 75; Ang/Van Dyne 2008, S. 6). Somit basiert motivationale CQ auf einer Form von Selbstwirksamkeit und intrinsischen Motiven in interkulturellen Situationen. Der Antrieb einer Person, neue interkulturelle Erfahrungen zu machen, wird sowohl von deren Erwartung an den Erfolg der Situation (vgl. Earley/Ang 2003, S. 76) und den entsprechenden Wert, der diesem zugesprochen wird, bestimmt (vgl. Ang/Van Dyne 2008, S. 6).

Da eine ausgeprägte motivationale CQ eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung impliziert, werden Individuen, welche diese Eigenschaften aufweisen, einerseits lösungsorientierte und strategische Ansätze zur Überwindung von Problemen verfolgen (vgl. Earley/Peterson 2004, S. 107) und andererseits widerstandsfähig gegen Rückschläge im Kontakt mit der anderen Kultur sein (vgl. Earley/Ang 2003, S. 76; Earley 2002, S. 278; Earley/Mosakowski 2004, S. 155). Individuen mit hoher motivationaler CQ erkennen die positive Wirkung interkulturellen Verständnisses auf die eigene interkulturelle Handlungsfähigkeit und werden daher einen höheren Anspruch an den Erfolg stellen (vgl. Earley/Ang 2003, S. 154). Damit geht wiederum eine stärkere Motivation zur Zielerreichung einher.

3.2.4 Verhaltensbezogene kulturelle Intelligenz

Die verhaltensbezogene Dimension von CQ stellt den nach außen hin sichtbaren Teil von CQ dar und ergänzt das kulturelle Verständnis und das Motivationsvermögen um die Fähigkeit, sich kulturell angemessene verbale und non-verbale Handlungen anzueignen und diese anzuwenden (vgl. Earley/Ang 2003, S. 81; Ang/Van Dyne 2008, S. 6). Individuen mit hoher verhaltensbezogener CQ verfügen über ein umfangreiches Repertoire kulturell angemessener Verhaltensweisen (vgl. Earley 2002, S. 279). Ferner können sie bestimmen, wann ein verändertes Verhalten angebracht ist und wie dies wirksam realisiert werden kann (vgl. Earley/Ang 2003, S. 83). Dazu gehört auch die effektive Imitation bestimmter Verhaltensmuster wie Gesten und Mimiken (vgl. ebd., S. 84).

Darüber hinaus schreibt kulturelle Intelligenz eine Kontrolle der eigenen Handlungen vor (vgl. ebd., S. 84). Dies umfasst beispielsweise auch die Fähigkeit, gewisse Verhaltensweisen zu unterdrücken (vgl. ebd., S. 83). Eine Person mit ausgeprägter verhaltensbezogener kultureller Intelligenz ist dazu in der Lage, verschiedene - sogar gegensätzliche - Verhaltensweisen zum Einsatz kommen zu lassen, wenn es erforderlich ist. Situativ können Verhaltensmuster also flexibel verändert werden (vgl. ebd., S. 83; Lee/Templer 2003, S. 191; Ang/Van Dyne 2008, S. 7).

Da das Verhalten im Vergleich zu den mentalen und motivationalen Faktoren vom Gegenüber am deutlichsten wahrgenommen wird, ist die Handlungsfähigkeit maßgeblich für den Verlauf bzw. den Ausgang interkultureller Interaktionen (vgl. Earley/Ang 2003, S. 155; Ang/Van Dyne 2008, S. 7).

3.2.5 Zum Gesamtkonstrukt

Die Differenzierung kultureller Intelligenz in die beschriebenen vier Dimensionen bietet einen detaillierten Einblick in die Fähigkeiten, die für effektives Wirken in interkulturellen Situationen entscheidend sind. Eine kulturell intelligente Person ist zum einen fähig zu verstehen, was Wirksamkeit in verschiedenen Kulturen beinhaltet, weiterhin ist sie motiviert, sich auf neue Situationen einzulassen und sich anzupassen und außerdem besitzt sie die entsprechende Handlungsfähigkeit (vgl. Earley/Ang 2003, S. 59ff.). Um effektive Ergebnisse in anderen Kulturen zu erzielen, müssen alle Aspekte der CQ gegeben sein, denn die vier Dimensionen stehen miteinander in einer Wechselbeziehung und sind als zusammenhängend zu betrachten (vgl. ebd., S. 62). So ist etwa eine hinreichende Motivation Voraussetzung zur Nutzung der kognitiven und metakognitiven CQ (vgl. ebd., S. 154). Kognition ergibt sich zwangsläufig aus der Metakognition. Ferner ist die verhaltensbezogene CQ ein Produkt aus den mentalen und motivationalen Fähigkeiten der CQ, da erst erkannt werden muss, dass die interkulturelle Situation neues und ungewohntes Verhalten erfordert und ein beständiges Bestreben zur Adaption dieses Verhaltens vorhanden sein muss (vgl. ebd., S. 83).

Die kulturelle Intelligenz einer Person ist als die Summe der einzelnen Dimensionen der CQ zu verstehen, d.h. die vier Fähigkeiten bilden gemeinsam das Gesamtkonstrukt CQ. Dabei findet keine Hierarchisierung statt. Jede Dimension repräsentiert einen eigenen Aspekt der übergreifenden kulturellen Intelligenz (vgl. Ang/Van Dyne 2008, S. 7). Die folgende Abbildung dient der Veranschaulichung des Gesamtkonstrukts CQ:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 : Kulturelle Intelligenz als multidimensionales Konstrukt (eigene Darstellung)

3.3 Abgrenzung von verwandten Konstrukten

Gemäß der Begriffsbestimmung als eine Form der Intelligenz ist CQ in den Fachbereich der Differentialpsychologie einzuordnen. Als eine spezifische, individuelle, situations-bezogene und formbare Fähigkeit (vgl. Ang/Van Dyne 2008, S. 8) unterscheidet sich CQ zwar konzeptionell von weiter gefassten Formen der Intelligenz, Konzepten interkultureller Kompetenz sowie Persönlichkeitsmerkmalen, steht mit diesem jedoch in engem Zusammenhang (vgl. Ang et al. 2007, S. 340). Um das Wesen des Konstrukts der CQ besser zu verstehen, ist eine Abgrenzung zu diesen verwandten Konzepten geboten. Nachfolgend sollen daher Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen CQ und individuellen Persönlichkeitsmerkmalen, anderen Formen der Intelligenz sowie interkultureller Kompetenz genauer herausgestellt werden.

3.3.1 Gegenüberstellung kultureller Intelligenz und Persönlichkeit

In erster Linie unterscheidet sich das Konstrukt CQ von Persönlichkeitsmerkmalen dahingehend, dass es speziell auf interkulturelle Situationen abstellt, während Persönlichkeitsmerkmale universell zutage treten und somit nicht situationsbezogen sind. (vgl. Ang/Van Dyne 2008, S. 8). Zudem kann CQ im Laufe der Zeit durch bestimmtes Eingreifen, wie Erfahrungen und Trainings, entwickelt und erweitert werden und stellt mithin eine formbare Fähigkeit dar (vgl. Ng/Earley 2006, S. 8; Ang/Van Dyne 2008, S. 8; Van Dyne/Ang/Koh 2009, S. 233). Auch daher ist CQ von Persönlichkeitseigenschaften, welche in der Regel durch Sozialisation geprägt werden und eher beständig sind, zu differenzieren.

Zwar ist CQ einerseits von Persönlichkeitsmerkmalen abzugrenzen, allerdings besteht ein enger Zusammenhang mit einigen solcher Merkmale, die insofern als Prädiktoren für CQ aufzufassen sind (vgl. Earley/Ang 2003, S. 160). Wie eine Studie von Ang et al. (2006) ergibt, spielt insbesondere eine aufgeschlossene Einstellung gegenüber neuen Erfahrungen eine Rolle für das Niveau der CQ einer Person (vgl. Ang/Van Dyne/Koh 2006, S. 115).[10]

3.3.2 Gegenüberstellung kultureller Intelligenz und weiteren Formen der Intelligenz

Kulturelle Intelligenz knüpft an dem multidimensionalen Konzept der Intelligenz nach Sternberg und Detterman (1986) an und stellt einen spezifischen Bezug zu Situationen her, welche durch kulturelle Diversität geprägt sind. Durch die mehrdimensionale Konzeptualisierung geht CQ dahingehend über klassische Intelligenz-Modelle hinaus, da diese sich primär auf den kognitiven Teil beschränken (vgl. Lee/Templer 2003, S. 188). Ebenso wie die emotionale Intelligenz und die soziale Intelligenz ist CQ praxisbezogen und daher mit diesen eng verwandt. Unter sozialer Intelligenz lassen sich alle Aspekte der Fähigkeit zur effektiven sozialen Interaktion subsumieren (vgl. Earley/Ang 2003, S. 2f.). Kulturelle Intelligenz ist als eine eigenständige, spezifische Form der Intelligenz anzusehen, die der sozialen Intelligenz untergeordnet werden kann (vgl. ebd., S. 9). Brislin et al. (2006) nennen ein weiteres Merkmal kultureller Intelligenz, welches sie als „confusion acceptance“ bezeichnen. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Missverständnisse im Voraus zu bedenken und zu akzeptieren. Kulturell intelligente Personen kommen demnach mit Verwirrungen und Unkenntnis zurecht, was sich in einem durchdachteren Herangehen an interkulturelle Interaktionen manifestiert. Diese Unwissenheit sollte allerdings kein dauerhafter Zustand sein, sondern muss mit dem Wunsch einhergehen, die Missverständnisse zu beseitigen und die fremde Kultur zu verstehen (vgl. Brislin/Worthley/MacNab 2006, S. 48ff.). Die Autoren sehen diese Fähigkeit als den Aspekt, durch den sich CQ von anderen Formen sozialer Intelligenz abhebt (vgl. ebd. 2006, S. 49).

Emotionale Intelligenz bezeichnet die Fähigkeit einer Person, mit ihren persönlichen Gefühlen umgehen zu können und sie gezielt an ihre Umwelt abzugeben (vgl. Salovey/Mayer 1990, zitiert in Earley/Ang 2003, S. 47). Das Konstrukt kulturelle Intelligenz stellt eine Erweiterung der emotionalen Intelligenz dar, ist von dieser jedoch bezüglich ihrer Übertragbarkeit in andere Kulturen abzugrenzen. Während emotionale Intelligenz als ein emisches Konstrukt zu verstehen ist und meist an die Kultur gebunden ist, in der sie entwickelt wurde, gilt CQ kulturunabhängig und -übergreifend (vgl. Earley/Ang, S. 7f.; Ang/Van Dyne, S. 9; Thomas et al. 2008, S. 125). Ward et al. (2008) widersprechen jedoch einer Separation von emotionaler und kultureller Intelligenz. Erstmals liefern sie eine Gegenüberstellung der Aussagekraft von EQ und CQ. Beide Konzepte sind sehr stark miteinander korreliert, weshalb in Frage steht, ob sie überhaupt unterschiedliche Aussagen treffen (vgl. Ward et al. 2008, S. 89).

[...]


[1] Als interkulturelle Situationen gelten sämtliche Situationen, in denen Personen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund aufeinandertreffen und miteinander interagieren.

[2] Der Begriff Mitarbeiter beschränkt sich in der vorliegenden Arbeit auf Angestellte von Wirtschaftsunternehmen.

[3] Die Bezeichnungen Entsandte, Stammhausdelegierte und Expatriate werden synonym verwendet und gelten für männliche und weibliche Mitarbeiter gleichermaßen. Es sei an dieser Stelle auf den vergleichsweise geringen, wenn auch zunehmenden Anteil (9%) weiblicher Entsandter hingewiesen (vgl. Kühlmann 2004, S. 11).

[4] Auf Basis einer Delphi-Befragung gelangten 23 US-amerikanische Forscher zu einer Übereinstimmung bezüglich dieser Definition.

[5] Für eine Übersicht über weitere, modifizierte Definitionen siehe Thomas et al. 2008, S. 126.

[6] Der Ausdruck emisch bezieht sich auf Konzepte, die kulturgebunden und damit nicht ohne weiteres auf andere Kulturen übertragbar sind, während universell gültige Konzepte als etisch bezeichnet werden (vgl. Earley/Ang 2003, S. 64).

[7] Später wurde der metakognitive Teil als eine einzelne Dimension kultureller Intelligenz herausgestellt (z.B. Ng/Earley 2006; Ang/Van Dyne/Koh 2006; Templer/Tay/Chandrasekar 2006).

[8] Eine weitere alternative Konzeptualisierung stammt von Thomas et al. (2008), die CQ als ” a system of interacting knowledge and skills, linked by cultural metacognition, that allows people to adapt to, select, and shape the cultural aspects of their environment” (Thomas et al. 2008, S. 127, Hervorhebung im Original) definieren und damit die motivationale Komponente kultureller Intelligenz unberücksichtigt lassen.

[9] Empirische Unterstützung erfährt die Vierteilung der CQ durch Ward et al. (2008). Sie befinden in einer Studie an einer US-amerikanischen Universität, dass das Vier-Faktoren-Modell nach Earley und Ang (2003) den besten fit aufweist und somit zur Beschreibung kultureller Intelligenz am geeignetsten ist.

[10] Es regt sich auch Widerstand gegen eine Abgrenzung des CQ-Konzeptes von den Persönlichkeitsmerkmalen. Ward et al. (2008) sehen eine starke Konvergenz der beiden Ansätze. In ihrer Studie kann CQ keinen Mehrwert zur Erklärung der kulturellen Anpassung beitragen, sodass das Konstrukt generell in Frage gestellt wird (vgl. Ward et al. 2008, 95).

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Kulturelle Intelligenz
Untertitel
Schlüsselqualifikation für erfolgreiche Auslandsentsendungen?
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Veranstaltung
Interkulturelle Wirtschaftskommunikation
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
69
Katalognummer
V210727
ISBN (eBook)
9783656498155
ISBN (Buch)
9783656499442
Dateigröße
1176 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutung, intelligenz, entsendung, mitarbeitern, ausland, kulturell, expats, intercultural intelligence, interkulturelle Wirtschaftskommunikation, Management
Arbeit zitieren
Julia Pudell (Autor:in), 2012, Kulturelle Intelligenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210727

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Titel: Kulturelle Intelligenz



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