Probleme der Bestimmung eines Buchbegriffs in der Moderne anhand von eBooks, Hörbüchern und Print on Demand


Seminararbeit, 2009

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Der mediale Abgesang auf das Buch

2 Der Medienbegriff bei Niklas Luhmann und Dirk Baecker
2.1 Das Kommunikationsmedium
2.2 Der systemtheoretische Medienbegriff: Verbreitungsmedi- um und symbolisch generalisiertes Medium
2.3 Das Massenmedium
2.4 Dirk Baecker über Buchkommunikation

3 Probleme der Bestimmung eines Buchbegriffs
3.1 Aspekte des traditionellen Buchbegriffs
3.1.1 Das Buch als materielles Artefakt
3.1.2 Das Buch in seinem Doppelcharakter als Handels- und Kulturgut
3.2 Definitionsprobleme in Beispielen
3.2.1 Unstrittige Beispiele: Kriminalroman, Lexikon, Rat- geber
3.2.2 Das eBook als technologischer Grenzfall
3.2.3 Das Hörbuch als sensorischer Grenzfall
3.2.4 Printing On Demand als institutioneller Grenzfall .
3.3 Zusammenfassung und Resümmee
3.4 Ist das Buch ein Massenmedium?

4 Ausblick

5 Bibliographie

1 Der mediale Abgesang auf das Buch

Am 13.8.2008 lasen wir in der Welt:

Das Gefühl aber schlägt Alarm. Der kulturelle Instinkt spürt, dass ein Kulturbruch bevorstehen könnte, der keinen Stein auf dem anderen lässt. Vielleicht ist die Generation ja schon gebo- ren, die sich mit Büchern aus bedrucktem Papier nicht mehr belasten will und es nicht mehr erstrebenswert findet, die in- dividuelle Lebenswelt mit Büchern auszustatten und die eige- ne Biografie auch als eine solche der Buch-Lektüren zu begrei- fen. Für ein Leben in grenzenloser Mobilität und globalem Ver- netztsein sind Regale und Schränke eher hinderlich. Bücherkis- ten sind mit dem neuen Nomadentum schon gar nicht zu ver- einbaren. Wie überhaupt Bildung mit all ihren sperrigen und unhandlichen Begleitumständen den digitalen Informations- und Arbeitsfluss nur hemmt.1

Das abendländische Bildungsbürgertum steht auf, sobald es um die Abschaffung eines seiner traditionellen Traditionsgüter geht. Schon bei der Einführung erster digitaler Lesegeräte für Software-Texte in den 1990er Jahren las man in allen Feuilletons vom Grauen einer Welt ohne „das Buch“. Meistens vermieden die Autoren derartiger Artikel aber, zu prä- zisieren, was denn das Buch nun eigentlich ist; was sich hinter diesem mythenumwobenen Begriff verbirgt, und auch, was daran so schützens- wert ist. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, warum die Antwort auf diese Fragen nicht ganz einfach ist.

Es wird zunächst von einer allgemeinen Bestimmung des Medienbegriffs nach Luhmann und Baecker - als theoretische Unterfütterung - aus versucht, darzustellen, was ein Kommunikationsmedium ausmacht und definiert. Darauf folgt ein erster Versuch, den Begriff „Buch“ in Aspekten zu fassen. Anhand ausgewählter Beispiele wird dann versucht, den Grenzbereich zwischen dem Medium Buch und anderen (aktuellen) Medien zu begehen und schließlich der eventuell neugewonnene Buchbegriff daraufhin untersucht, ob es sich bei ihm (noch) um eine Form der luhmann’schen Massenmedien handelt.2

2 Der Medienbegriff bei Niklas Luhmann und Dirk Baecker

Zur klaren theoretischen Einteilung des Stoffes wird im Folgenden kurz dargestellt, was der (medien-)soziologische Theoretiker Niklas Luhmann unter den zentralen Begriffen der Kommunikation und der (Massen-)Medien versteht und wie er sie erklärt. Als Arbeitsgrundlage wird das Buch im Folgenden zunächst als ein Vertreter der Massenmedien verstanden, bis wir diesen Begriff kritisch reflektiert und möglicherweise als unzutreffend abgewiesen haben.

2.1 Das Kommunikationsmedium

Unter einem Kommunikationsmedium versteht Luhmann3 Mittel der Kommunikation, und zwar erstens die Sprache, zweitens Verbreitungs- und drittens symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien.

2.2 Der systemtheoretische Medienbegriff: Verbreitungs- medium und symbolisch generalisiertes Medium

Der Begriff der Vebreitungsmedien ist ein vorwiegend technischer. Luh- mann versteht hierunter alle Medien, die „Kommunikation auf Distanz technisch ermöglichen“4. Von Rauchzeichen über Briefe und die Telegra- fie bis zum Internet handelt es sich also um Vebreitungsmedien. Auch das Buch stellt eine Sonderform der Verbreitungsmedien dar, da es die Kom- munikation über räumliche und sogar zeitliche (vgl. hierzu 2.4) Distanzen hinweg ermöglicht.

Den Verbreitungsmedien stehen die symbolisch generalisierten Kom- munikationsmedien gegenüber. Bei ihnen handelt es sich um „Medien“ im weitesten Sinne, die nicht die technische Übertragung sondern den Kom- munikationserfolg manipulieren. Unter anderem Geld, Liebe und Macht versteht Luhmann als Vertreter dieser Medienspielart. Es handelt sich da- bei um eine Art Währung, die man in die Annahme von Kommunikati- onsangeboten „umtauschen“ kann: Wer im politischen System über Macht verfügt, hat die Möglichkeit, auch unerwünschte Kommunikationsange- bote durchzusetzen. Im Sonderfall des Mediums Buch kann man ebenfalls die Wirkung (mindestens) eines symbolisch generalisierten Kommunikationsmediums ausmachen: Die des Prestiges beziehungsweise der Wahrhaftigkeit. Das Buch hat an sich als Medium bereits einen anderen, höheren Anspruch auf Wahrheit und Kenntnisnahme als beispielsweise eine Website oder das gesprochene Wort.

2.3 Das Massenmedium

Unter Massenmedien versteht Luhmann5 das soziale Subsystem, das in Form von Verbreitungsmedien die Gesellschaft selbst reflektiert und da- bei die zentrale Unterscheidung zwischen Information und Nichtinforma- tion bemüht. Die Massenmedien informieren also nicht, wie im umgangs- sprachlichen Sinne des Begriffs, über Geschehenes im gesellschaftlichen System, sondern konstituieren selbst, wasüberhaupt geschieht. Massenme- dien kommt also die (alleinige?) Selektionshoheit über das Geschehen(e) zu.

Diesem Begriff der Massenmedien wird das Buch gerecht. Zentral für jeden Buchbegriff ist die Selektion des Inhalts; nicht alles wird gedruckt (und sowohl Verlage wie auch Autoren wissen ein Lied davon zu singen). Für gesellschaftliche Subsysteme wie den literarischen Betrieb konstituiert die Aufnahme oder Ablehnung eines Textes in ein Verlagsprogramm die Existenz oder Nichtexistenz in diesem System.

2.4 Dirk Baecker über Buchkommunikation

Dirk Baecker schreibt in seinem Buch „Kommunikation“6 über „Schrift und Buchdruck“:

Die Schrift hatte mit der Einführung des Alphabets die Bedeu- tung des [...] individuellen Gedächtnisses für Handlungen und Erlebnise allmählich zurückgedrängt und das individuelle Be- wußtsein nicht nur für Prozesse der Reflexion freigesetzt, son- dern auch sich selbst entdecken lassen. Sodann eröffnete der Buchdruck einerseits die Möglichkeit des einsamen Lesens und andererseits die Möglichkeit, jedermann mit der eigenen Schrift erreichen zu können, ohne zu wissen, wer oder wann jemand erreicht wird. Das heißt, der Buchdruck machte es unausweich- lich, das Individuum als (lesendes) Individuum und alle ande- ren als (noch unbestimmte) »Gesellschaft«zu denken.

Als zentrales Merkmal der Buchkommunikation wird also nicht der Verbreitungsaspekt oder die materielle Form7 verstanden, sondern der zeitliche und räumliche Sprung des Geschriebenen aus der Situation des Schreibens in Form des Artefakts Buch zum Leser. Man kann nun zwar einwenden, dass es durchaus Möglichkeiten der Leser-Selektion für den Autor gibt - etwa eine spezielle Codierung in einer Fremdsprache wie dem Lateinischen oder die restringierte Verteilung an einen „eingeweihten“ Leserkreis -, im Großen und Ganzen soll dieses Verständnis der Buchkommunikation im Folgenden aber beibehalten werden.

3 Probleme der Bestimmung eines Buchbegriffs

Die Deutungshoheit über den Buchbegriff ist nicht zweifelsfrei geklärt. Mit gewissem Recht beanspruchen ihn verschiedene Disziplinen wie die Kommunikationswissenschaft, die Soziologie und auch die neue, wenig einheitliche Buchwissenschaft. Mit dem Aufkommen neuer medialer Kanä- le für die Publikation buchtypischer Inhalte (vgl. 3.3) wie dem Hörbuch oder dem eBook, aber auch durch die Durchbrechung traditioneller Insti- tutionen und Hierarchien durch neue Technologien wie Printing On De- mand wird die Begriffsbestimmung vor Herausforderungen gestellt. Ge- sellschaftlich interessant ist die Deutungshoheit nicht nur wegen der sehr positiven Reputation des Buches als Kulturgut, sondern auch wegen sei- ner rechtlichen Sonderstellung in Bezug auf Urheberrecht, Preisbindung und ähnliches.

3.1 Aspekte des traditionellen Buchbegriffs

Im Allgemeinen gibt es ein intuitives Gespür dafür, was ein Buch ist - und was nicht. Im Folgenden soll zunächst festgestellt werden, was traditionell unter dem Begriff Buch verstanden wird, bevor dann anhand von definitionskritischen Beispielen die aktuellen Probleme bei der Begriffsbestimmung dargestellt werden.

3.1.1 Das Buch als materielles Artefakt

Unter dem materiellen beziehungsweise physischen Objekt Buch versteht man8 im Allgemeinen das Produkt eines Herstellungsprozesses, bestehend aus einem Trägermaterial und den darauf angebrachten Symbolen.

[...]


1 Vgl. Die Welt[6].

2 Ein Grundproblem dieser Arbeit ist, dass in ihrem Rahmen und damit im Medium wissenschaftlicher Schriftsprache über schriftsprachliche Kommunikation zu reflektieren versucht wird. Hiermit ergibt sich zwangsläufig eine Selbstbezüglichkeit.

3 Vgl. hierzu den Eintrag zu Medien im Lexikon Soziologie und Sozialtheorie[5], S. 180f.

4 Vgl. ebd.

5 Vgl. ebd.

6 Vgl.[2], S. 43.

7 Zum problematischen Formbegriff und seiner Diskussion vgl. Baecker[1].

8 Vgl. hierzu das Lemma Buch in Reclams Sachlexikon des Buches[7], S. 82-86.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Probleme der Bestimmung eines Buchbegriffs in der Moderne anhand von eBooks, Hörbüchern und Print on Demand
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Das journalistische Feld
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V210595
ISBN (eBook)
9783656383062
ISBN (Buch)
9783656384021
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mediensoziologie, journalismus, buch, medientheorie, buchbegriff, dirk baecker, niklas luhmann, systemtheorie, doppelcharakter
Arbeit zitieren
Dennis Schmolk (Autor:in), 2009, Probleme der Bestimmung eines Buchbegriffs in der Moderne anhand von eBooks, Hörbüchern und Print on Demand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210595

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