Jean-Jacques Rousseau. Das pädagogische Werk "Émile, ou De l´éducation" im Kontext seiner politischen Ideen


Hausarbeit, 2011

24 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Geschichtlicher Hintergrund
2.1 Auf klärung
2.2 Situation Genf
2.3 Situation in Frankreich
2.3.1 Kurzer politischer Abriss
2.3.2 Rolle der Kirche

3 Kurzbiografie und Einflüsse auf Rousseau
3.1 Curriculum Vitae
3.2 Bedeutende Einflüsse für Rousseau

4. Grundzüge seiner politischen Philosophie

5 Émile oder die Erziehung
5.1 Das Kind in der Gesellschaft
5.2 Das Menschenbild oder „Der Mensch ist gut aber die Menschen sind schlecht“
5.3 Auf bau von Émile und das Ziel der Erziehung
5.4 Prinzip der „negativen“ Erziehung und die Rolle des Erziehers
5.5 Erziehung nach dem zwölften Lebensjahr

6 Vergleichende Betrachtung und Schluss

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Rousseau gehört unbestritten zu den wichtigsten und einflussreichsten Denkern der Aufklä- rung. Bei der Auseinandersetzung mit der Person und seinen Werken fällt sofort die Anzahl an Publikationen auf, gleich welcher Art, die über ihn geschrieben worden sind. Das was die überwiegende Mehrheit der Schriften bestimmt, ist zweifelsfrei sein Gesellschaftsvertrag, den John T. Scott in einem seiner Essays einmal als das ausgedehnteste und umfangreichste Werk in Rousseaus politischer Theorie beschrieb1. Es liegt folglich nahe, den Gesellschaftsvertrag als den Ausdruck der politischen Philosophie von Rousseau anzusehen. Vergessen werden dabei aber oft seine beiden Diskurse, die ebenfalls Ausdruck seiner politischen Philosophie sind und ohne die der Gesellschaftsvertrag nicht in vollem Umfang verstanden werden kann. Ich wage sogar die Behauptung, dass die Mehrzahl seiner Schriften in den politischen Kontext seiner Zeit eingeordnet werden können.

Wie der Titel meiner Hausarbeit bereits verrät, geht es mir deshalb nun im Folgendem darum, den Émile hinsichtlich einer möglichen Verbindung zu Rousseaus politischen Ideen zu unter- suchen. Entgegen der meisten pädagogischen Autoren, die den Émile als die „Geburtsstunde der Kindheit“ feiern2, werde ich mich dem Werk mehr aus der Sicht der politischen Überlegung nähern. Zu diesem Zweck werde ich versuchen, Rousseaus wohl längstes und detailliertestes Werk in Bezug zu Überlegungen einer Staatskonstruktion sowie seiner politischen Philosophie zu stellen.

2 Geschichtlicher Hintergrund

In diesem Punkt soll es nun darum gehen, einen kurzen Überblick über das Umfeld und die Einflüsse zu geben, in deren Kontext Rousseau seine Werke schrieb. Wichtig für mich ist dabei zu untersuchen, ob und wie weit die Zeit der Aufklärung dabei eine Rolle spielte. Im Anschluss werde ich einen kurzen politischen Abriss von Genf und Frankreich skizzieren und dabei etwas genauer auf die Entwicklung des von Rousseau immer wieder angeprangerten Absolutismus und die Rolle der Kirche eingehen, um so einen besseren Überblick und Einstieg über die poli- tische Philosophie Rousseaus geben zu können.

2.1 Aufklärung

Die Aufklärung als Epoche bezeichnet eine alle Lebensbereiche umfassende Bewegung des 17. und 18. Jahrhundert, die mit zunehmender Zeit immer gesellschaftskritischer wurde. Die Vo- raussetzung dafür, dass ihre Ideen überhaupt Fuß fassen konnten, waren Erschütterungen der Macht und Autorität der gespaltenen Kirche während der Renaissance und des Humanismus3. Der Begriff leitet sich vom Aufklaren, oder von der Aufhellung durch das Licht ab. Aufklärung ist also ein metaphorischer Begriff. Der Mensch gerät in einen Erkenntnisprozess, bei dem er sich von alten Traditionen, Institutionen, Werten und Konventionen befreit, die nicht vernunft- gemäß begründet werden können. Die Grundüberzeugung ist, dass die menschliche Vernunft Autonomie besitzt. Sie ist es, die über Wahrheit und Irrtum jeder Erkenntnis entscheidet und unser Handeln lenkt4. Das Instrument der Aufklärung ist die Kritik, die prinzipiell frei und nur der Gegenkritik unterworfen ist. Daraus lässt sich auch die omnipräsente Forderung nach freier Meinungsäußerung und Toleranz gegenüber anderen Meinungen ableiten. Mit dem Glauben an Vernunft verbindet sich ebenfalls der Glaube an Fortschritt, abgeleitet von den unbestreitbaren Erfolgen in Naturwissenschaft und Technik, der die beiden Begriffe immer mehr zu einer Ein- heit werden und somit zu Grundüberzeugungen und Leitgedanken der Aufklärung avancieren lässt.

2.2 Situation Genf

Genf war im Jahr 1712 kein Teil der Schweiz, sondern eine unabhängige Republik5. Seit 1309 hatten die Bürger von Genf das Recht, sich selbst zu verwalten. Über die Jahrhunderte geriet die Republik allerdings immer wieder unter fremden Einfluss, wie beispielsweise gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch den Herzog von Savoyen.

Johannes Calvin kam im Zuge der Reformation 1536 auf Einladung von Guillaume Farel, der damalige Führer der Reformationsbewegung, nach Genf. Calvin versuchte damals eine voll kommene reformatorische Umgestalltung der Stadt. Der gesamte öffentliche und private Alltag sollte ein Gottesdienst sein. Die Leitidee des calvinistischen Denkens war die Hervorhebung der Souveränität und Ehre Gottes und die Betonung der Worte Gottes als ausschließliches Kri- terium der Wahrheit und Gerechtigkeit, an dem die Kirche zu messen ist6. Zu diesem Zweck erließ der Rat der Stadt 1541 eine von Calvin verfasste Kirchenordnung mit vier Ämtern (Pre- diger, Lehrer, Älteste, Diakone). Deren Aufgabe war es, Sünder zu mahnen und im Notfall als Justizbehörde zu fungieren. Zu seiner Zeit in Genf wurde Calvin zu einem wichtigen Reforma- tor für weite Teile Westeuropas, und die Stadt in Folge dessen zu einem wichtigen Zentrum für den später aufkommenden Calvinismus. Dadurch entwickelte sich die kleine aber wachsende Republik auch zu einem Fluchtpunkt für viele Protestanten aus Frankreich und ganz Europa. Rousseau wuchs also inmitten dieses calvinistisch geprägten Umfelds auf. Es ist nicht mit Si- cherheit zu sagen, in wie weit ihn der Calvinismus als Religion beeinflusste, aber mit Sicherheit ist anzunehmen, dass ihn die Ideen der Moral geleiteten Gesetze beeinflusst haben7.

2.3 Situation in Frankreich

2.3.1 Kurzer politischer Abriss

Frankreich im ausklingenden Mittelalter war ein Land, das in viele größere und kleiner Ter- ritorialstaaten zersplittert war, die untereinander in permanentem Konflikt um Vorherrschaft standen8. Diese Konflikte kondolierten sich aber im Laufe der Zeit immer mehr, so dass sich die Kämpfe zunehmend zwischen den Territorialherrschern abspielten. Nach dem Aussterben der Karolinger übernahmen die Kapetinger die Königskrone. Anfänge eines Gewaltmonopols zeigten sich erstmals unter Philipp II. August (1180-1223). Er etablierte eine einheitliche Ver- waltung mit Lehnsrecht, welches die Untervasallen des Lehnsherren nun zuerst dem König verpflicheten. Alle entrichteten Lehen gingen dadurch direkt an den König. Der Adel bleib von dieser Abgabe befreit, da er im Ernstfall für den König Kriegsdienste leisten sollte. Als Folge des 100-jährigen Krieges schaffte es Ludwig XI (1461-1483), die wichtigsten Lehnsfürsten als Vasallen an die Krone zu binden. Damit festigte er die Machtstellung des Königs erheblich9. Als die Bourbone mit Heinrich IV (1589-1610) den französischen Thron übernahmen, trat die- ser, um seine Stellung während der Hugenottenkriege zu stärken, vom Protestantismus zum Katholizismus über. Jean Bodin begründete zu dieser Zeit theoretisch mit seinen „Six livres de la république“ den Anspruch eines Fürsten oder Königs auf die absolute Herrschaft und die uneingeschränkte Souveränität. Dies wurde von Ludwig XIII (1610-1643) und Kardinal Riche- lieu (1585-1642) weiter zum Absolutismus ausgebaut, dem zufolge der Nutzen des Staates zur Richtschnur des politischen Handelns wurde10. Den Höhepunkt erreichte diese Staatsform aber erst unter Ludwig XIV (1643-1715). Unter seiner Herrschaft entwickelte sich Frankreich zu ei- nem zentral geführten Beamtenstaat. Der König regierte allein, das Motto lautete L‘État, c’est moi!. Ihm zur Seite standen Fachminister aus verschieden Ressorts und royale Intendanten in den einzelnen Provinzen. Frankreich leistete sich nun auch ein großes Heer, das entgegen der ursprünglichen Forderung an den Adel stand, im Gegenzug zu Steuererlässen für Frankreich Kriegsdienste zu leisten. Unter dem Sonnenkönig entstand auch ein bis zu diesem Zeitpunkt nie da gewesener Prunk, der sich in Großbauten wie Versailles ausdrückte. Da die herkömmli- chen Einnahmen des Staates den enormen Geldbedarf des Heeres, der Kriege und der sonstigen Ausgaben nicht decken konnten, begründete Ludwigs Finanzminister Colbert den Merkantilis- mus11.

Die Folge des Absolutismus und der neuen Wirtschaftsform war, dass der Adel seine eigenständige Macht einbüßte und folglich mehr und mehr in Abhängigkeit vom König geriet. Die Intendanten erlangten zunehmend Macht in den Provinzen und die lokalen Körperschaften verloren dadurch immer mehr ihrer Selbstverwaltung12.

2.3.2 Rolle der Kirche

Das Edikt von Nantes das 1598, vom zum Katholizismus konvertierten französischen König Heinrich IV unterzeichnet wurde, beendete vorerst einen langen Kampf zwischen Katholiken und Protestanten. Das Edikt erlaubte nun den Hugenotten, also den calvinistischen Protestan- ten, Glaubensfreiheit -eine freie Religionsausübung, die sie nun auch öffentlich zeigen konnten- und gewährte ihnen sogar Bürgerrechte13. 1685 wurde das Edikt aber von Ludwig XIV. wieder aufgehoben. Für die Hugenotten galt es nun, entweder ihren Glauben aufzugeben oder das Land zu verlassen. So ist die katholische Kirche, die seit Heinrich IV. mit dem absolutistischen Mon- arch verbündet war, als Sieger aus einem lange andauernden Religionskampf hervorgegangen. Da die Kirche als Stütze für die bestehende Ordnung fungierte und den Absolutismus dadurch ebenfalls legitimierte14, wurde sie in den Augen der Aufklärung zu einer maßgeblichen Kraft der Beharrung.

3 Kurzbiografie und Einflüsse auf Rousseau

In diesem Punkt soll eine kurze Erläuterung über die Umstände der Entstehung des Èmile gege- ben werden und wie sich dieses in Rousseaus Biografie einordnen lässt. Leider ist hier nur mög- lich einen Auszug aus seinen Lebensstationen zu zeigen, daher werde ich mich nur auf die aus meiner Sicht wichtigsten Aspekte seiner Biografie beschränken. Ein weiteres Augenmerk werde ich darauf verwenden, zu versuchen, die ideellen Grundlagen Rousseaus politischen Denkens zu skizzieren, da dieses ohne Zweifel von einigen Autoren sehr beeinflusst worden war. Dies geschieht nicht zuletzt weil er auf einige von ihnen in seinen Abhandlungen und Werken wie- derholt Bezug nimmt.

3.1 Curriculum Vitae

Jean-Jacques Rousseau wurde am 28. Juni 1712 in der Republik Genf geboren. Jean-Jacques Vater, Isaac Rousseau, erbte von der Familie seiner Frau, die kurz nach der Geburt des Sohnes gestorben war, ein Haus. Wegen finanziellen Schwierigkeiten war er später jedoch dazu ge- zwungen, dieses zu verkaufen und in einen anderen Teil der Stadt zu ziehen15. Isaac unterrich- tete Jean-Jacques zu Hause. Dies führte dazu, dass seine Sicht auf die Klassiker der Antike und die Werke der großen Philosophen seiner Zeit nie durch die gängige Lehrmeinungen in Schulen oder der höheren Bildungseinrichtungen vorgeprägt war. Er beschritt also nie den konventio- nellen Weg der aufgeklärten Elite. Die Gedanken der Aufklärung, wie sie fast alle seiner Zeit- genossen vertraten, teilte er daher nie gänzlich. Eventuell lässt sich daher auch ein Stück weit erklären, warum Rousseau immer eine Art Außenstehender der Aufklärung war16 und dies auch blieb.

Mit 16 Jahren verließ er Genf und traf ein paar Stunden von seiner Heimat entfernt durch Zufall die zwölf Jahre ältere Françoise-Louise de Warens, die zwei Jahr zuvor ihre Ehe annulliert hat- te und nun in der Nähe von Chambéry lebte. Sie wurde für ihn seine „trés-chére-maman“. Dabei ist diese Bezeichnung etwas irreführend, denn sie war mehr als nur ein Mutterersatz: Sie war ebenfalls seine Lehrerin und später auch seine Geliebte. Sie machte ihn vertraut mit der Kunst, der Musik, der Kultur und beeinflusste auch sein Literaturstudium17. Diese unkonventionelle Ausbildung war ein wesentlicher Bestandteil seiner späteren Kulturkritik und seiner Überle- gungen über Erziehung. Im Jahr 1740 endete allerdings die Beziehung zu Madame de Warens, als Rousseau nach der Rückkehr von einer Kur seinen Platz an ihrer Seite von einem jüngeren Mann eingenommen sah.

Im selben Jahr übernahm er, im Alter von 28 Jahren, eine zweijährige Erziehungstätigkeit als Hauslehrer in Lyon bei der Familie de Mably . Zu diesem Zweck machte er sich planmäßige Gedanken über die Erziehung des Sohnes der Familie und entwickelte für diesen einen indivi- duellen Erziehungsplan. Das Resultat dieser Überlegung war der „Plan für die Erziehung des Herrn Sainte-Marie“. Zugleich war dies seine erste schriftliche Überlegung für eine gezielte Erziehung. Sein daraufhin einsetzendes nomadenähnliches Leben führt ihn nach Paris, wo er sich als Schriftsteller und Gelehrter der Musik versuchte. Diese Zeit war für ihn sehr von Tief- schlägen und, aus seiner späteren Sicht, von Intrigen geprägt. Nach einem einjährigen Aufent- halt in Venedig und der Rückkehr nach Paris 1745 lernte er Therese Levaseur kennen. Sie wurde zu seiner Lebensgefährtin bis zu seinem Tod im Jahre 1788. Parallel begann sein Aufstieg in die Pariser Elite der Aufklärung. Er freundete sich mit den wichtigsten Vertretern, unter ande- rem d´Almbert und Diderot, an und begann sein Wirken zuerst mit Abhandlungen über Musik und später auch über Politik bis hin zu Staatsrecht. Der Einstieg zu letzterem bildete sein erster Diskurs mit dem Titel: „Discours sur les Sciences et les Arts“ („Abhandlung über die Wissen- schaften und die Künste“) den er bezüglich der Frage: „Le Rétablissement des sciences et des arts a-t-il contribué à épurer les mœurs?“ („Hat die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste dazu beigetragen, die Sitten zu läutern?“), welcher anlässlich eines freien Wettbewerbs von der Akademie von Dijon gestellt wurde, schrieb. Darin stellte er den Fortschritt durch Wis- senschaft und damit die Aufklärung als Ganzes in Frage, und machte sich selbst praktisch über Nacht zu einem Begriff in der französischen Aufklärung. Zugleich bildete dieser erste Diskurs den Grundstock für seine Kulturkritik, mit der er in den darauffolgenden Jahren zunehmend öffentlich anstieß. Dies führte in dessen Konsequenz im Laufe der Zeit zu immer mehr Zwist nicht nur mit den Vertretern der Aufklärung, sondern auch mit der Kirche und den Machtha- bern in Frankreich, später sogar zum Bruch mit seinen einstigen Freuden und Weggefährten18. 1755 folgte, anlässlich der Frage: „Quelle est la source de l‘inégalité parmi les hommes, et si elle est autorisée par la loi naturelle?“ („Was ist der Ursprung der Ungleichheit unter den Men- schen, und ist sie durch das natürliche Gesetz gerechtfertigt?“), die ebenfalls von der Akademie von Dijon gestellt wurde, der zweite Diskurs mit dem Titel: „Discours sur l’origine et les fonde- ments de l’inégalité parmi les hommes“ („Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“). Dieser Abhandlung nach entstand Ungleichheit zum einen durch eine Abweichung vom ursprünglichen Zustand, dem Naturzustand, und zum an- deren durch ungleich verteilten Besitz19. Seine weiteren Ausführungen, es gebe eine natürliche und politisch oder moralische Ungleichheit, standen dabei erneut entgegen den Vorstellungen des „Ancien Regime“.

Was daraufhin folgte, war eine Fortsetzung seines nomadischen Lebens, das ihn zeitweilig sogar wieder nach Genf führte. In den Jahren dieser Entfremdung verschlechterte sich Rousseaus Gesundheitszustand massiv. Aber es war auch die Zeit, in der sein Roman La nouvelle Héloíse 1761, Du Contract Social und der Émile, beide 1762, entstanden.

3.2 Bedeutende Einflüsse für Rousseau

Es ist anzunehmen, dass der Vater einen immensen Einfluss auf Rousseau hatte. So bezeichnet er ihn im zweiten Discours als den „besten Vater“, den „wackeren, braven Bürger“ ,auf dessen Arbeitstisch Tacitus, Plutarch, Grotius und Pufendorf als die Quelle seiner politischen Gesin- nung aufgeschlagen waren20. Auf diese soll im folgenden etwas näher eingegangen werden:

Jean Bodin (1529 oder 1530- 1596)- Bodin gilt als Schöpfer des staatlichen Souverä- nitätsbegriffes. Von ihm stammen die „Six livres de la république“ von 1577, in denen er seine Gedanken über Politik darlegte. Ihm zufolge bilden Vernunft und Gesetze die Grundvorausset- zung einer Ordnung des menschlichen Zusammenlebens21. Der Staat besteht aus einer gerech- ten Regierung von mehreren Familienverbänden, die sich einen obersten Fürsten als Regenten geben. Souveränität bestimmt er als die eigentliche Staatsgewalt, die ihren Ausdruck in der Ge- setzgebungsbefugnis hat und auf dem Willen des Fürsten gründet. Dieser ist nicht an die selbst erlassenen Gesetzte gebunden. Das Ziel der Gesetze soll Gerechtigkeit sein. Dieses Maß äußert sich demzufolge in den Gesetzen des Fürsten, die dann auch als Recht gelten. Im Fürsten müs- sen also Gesetz und Recht zusammenlaufen. Die Überlegung basiert auf der Staatsformenlehre von Aristoteles. Bodin geht es dabei nicht um die beste Staatsform, sondern mehr um die Fra- ge nach der größten Garantie für die Verwirklichung von Gerechtigkeit. Wobei Gerechtigkeit nach heutigen Maßstäben wohl eher mit dem Begriff der Harmonie, also Ausgeglichenheit der Kräfte, gleichzusetzen wäre. Deshalb müssen sich Fürsten auch anpassen an die geschichtlichen Entwicklungen. Bodin ist sich bewusst, dass es eine permanente Veränderung gibt, die unver- meidlich zu geschichtlichem Wandel führt. Es geht letztendlich nur darum, den Wandel ohne eine revolutionäre Umgestaltung zu vollziehen22.

Hugo Grotius (1583-1645)- 1625, mitten im 30-jährigen Krieg, erscheint sein Buch „De jure belli ac pacis“ („Vom Kriegs- und Friedensrecht“). Nach dem besitzt der Mensch Vernunft und einen natürlichen Trieb zur Gemeinschaft.

[...]


1 Scott, John, Politics as the Imitation of the Divine in Rousseau´s „Social Contract“, in: Polity (1994), 26/3, S. 473-501.

2 Holmsten, Georg, Jean-Jacques Rousseau. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Georg Holmsten, 14. Auflage, Reinbek bei Hamburg 1996, S.107.

3 Meyer, Annette, Die Epoche der Aufklärung, Berlin 2010,S 25.

4 Ebd., S.11.

5 Oelkers, Jürgen, Jean-Jacques Rousseau, in: Bailey, Richard (Hrsg.), Continuum Library of Educational Thought, Bd. 13, Norfolk 2008, S. 3.

6 n.n., Art. Calvin, Johannes, in: Ahlheim, Karl-Heinz/ Preuß, Gisela (Chefred.), Meyers grosses Uni- versal Lexikon in 15 Bänden mit Atlasband, 4 Ergänzungsbänden und Jahrbüchern, Mannheim/ Wien/ Zürich 1981, S. 125f.

7 Oelkers, Jürgen, Jean-Jacques Rousseau, in: Bailey, Richard (Hrsg.), Continuum Library of Educational Thought, Bd. 13, Norfolk 2008, S. 4.

8 Münch, Richard, Grundzüge und Grundkategorien der staatlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Frankreichs, in: Kimmel, Adolf/ Uterwedde, Henrik, Länderbericht Frankreich. Geschichte Politik Wirtschaft Gesellschaft, 2., aktualisierte und neu bearbeitete Auflage, Bonn 2005, S. 25.

9 Ebd., S. 26.

10 Ebd., S. 26.

11 Dies war eine neue Wirtschaftspolitik die den erhöhten Bedarf von Geld durch erhöhte Steuereinnah- men befriedigen sollte. Das Prinzip war, das Rohstoffe, bevorzugt aus den eigenen Kolonien, billig importiert, in Frankreich verarbeitet und als Fertigprodukte ins Ausland exportiert werden. Zu diesem Zweck wurde die Infrastruktur gezielt gefördert.

12 Münch, Richard, Grundzüge und Grundkategorien der staatlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Frankreichs, in: Kimmel, Adolf/ Uterwedde, Henrik, Länderbericht Frankreich. Geschichte Politik Wirtschaft Gesellschaft, 2., aktualisierte und neu bearbeitete Auflage, Bonn 2005, S. 27.

13 Körber, Esther-Beate, Die Zeit der Aufklärung. Eine Geschichte des 18. Jahrhunderts, Darmstadt 2006, S. 142.

14 Münch, Richard, Grundzüge und Grundkategorien der staatlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Frankreichs, in: Kimmel, Adolf/ Uterwedde, Henrik, Länderbericht Frankreich. Geschichte Politik Wirtschaft Gesellschaft, 2., aktualisierte und neu bearbeitete Auflage, Bonn 2005, S. 34.

15 Brockard, Hans, Nachwort, in: Rousseau, Jean-Jacques, Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes, Bibliografisch ergänzte Ausgabe übersetzt von Hans Brockackard (Hrsg.) und Eva Pietz cker, Ditzingen 2003, S. 177ff.

16 Oelkers, Jürgen, Jean-Jacques Rousseau, in: Bailey, Richard (Hrsg.), Continuum Library of Educational Thought, Bd. 13, Norfolk 2008, S. 5.

17 Ebd., S. 6.

18 Wie bereits in der Einleitung zu diesem Punkt erwähnt bin ich gezwungen mich auf das aus meiner Sicht wichtige für die Biografie zu beschränken. Bezüglich dieser Jahre seines Lebens gibt es noch sehr viel zu sagen allerdings empfinde ich für meine Arbeit als nicht notwendig dies weiter auszuführen. Zu sagen bleibt das zum Bruch mit den Enzyklopädisten viele Faktoren beigetragen haben, dessen bin ich mir bewusst, jedoch verweise ich hier wieder auf die gezwungene Vereinfachung der Sachverhalte.

19 Berger, Johannes, „Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen“. Zur Vergangenheit und Gegenwart einer soziologischen Schlüsselfrage, in: Zeitschrift für Soziologie (2004), H. 5, S. 354-374.

20 Röhrs, Hermann, Jean-Jacques Rousseau. Vision und Wirklichkeit, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln/Weimar/ Wien 1993, S. 105.

21 Franklin, Julian, Art. Bodin, Jean, in: Craig, Edward (Hg.), Routledge Encyclopedia of Philosophie, Bd. 1, London/ New York2005, S. 795-799.

22 Brockard, Hans, Nachwort, in: Rousseau, Jean-Jacques, Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes, Bibliografisch ergänzte Ausgabe übersetzt von Hans Brockackard (Hrsg.) und Eva Pietzcker, Ditzingen 2003, S. 177ff.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Jean-Jacques Rousseau. Das pädagogische Werk "Émile, ou De l´éducation" im Kontext seiner politischen Ideen
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Rousseau
Note
2,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
24
Katalognummer
V210493
ISBN (eBook)
9783656387862
ISBN (Buch)
9783656388296
Dateigröße
592 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rousseau, Emile, politische Ideen
Arbeit zitieren
Sebastian Scheffler (Autor:in), 2011, Jean-Jacques Rousseau. Das pädagogische Werk "Émile, ou De l´éducation" im Kontext seiner politischen Ideen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210493

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