Propaganda und Agitation im DEFA Film der 50er Jahre


Vordiplomarbeit, 2003

32 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die DEFA – Propagandamedium Film
2.1. Die sozialistischen Leitmotive der 50er Jahre
2.2. Der Kalte Krieg und seine Feindbilder

3. DEFA Regisseure – Autonomie vs. Propaganda
3.1. Kurt Maetzig
3.2. Martin Hellberg

4. Filmbeispiel I – „Der Rat der Götter“

5. Filmbeispiel II – „Das verurteilte Dorf“

6. Filmbeispiel III – „Geheimakten Solvay“

7. Zusammenfassung

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Faschismus, Imperialismus und Militarismus galten den sozialistischen Bruderstaaten als oberste Feinde des globalen Friedens und als Hauptaggressoren gegen den Sozialismus in der Welt. In dessen ästhetischer Theorie stand die Kunst stets für wirksame Waffe im Klassenkampf. So spielte die DEFA, gegründet im Jahr 1946 unter

sowjetischer Schirmherrschaft, in einem Kreislauf von sozialistischer Propaganda und westlicher Diskreditierung immer wieder eine bedeutende Rolle. Das durch die SED geschaffene Medien- und Meinungsmonopol, also die Lenkung und Kontrolle von Literatur, Presse, Film und Fernsehen, wurde von ihr zur Gewinnung der Massen und deren Erziehung im Geist des Sozialismus eingesetzt und für ihre Zwecke instrumentalisiert.

Grundlegend wird im Folgenden sein, inwiefern gerade in Zeiten der globalen Krise (zu Beginn der fünfziger und sechziger Jahre) Feindbilder und Denunziationen westlicher Demokratien von der SED zur Festigung ihrer eigenen Ideologie und Politik eingesetzt wurden. Ich werde somit unter anderem versuchen herauszustellen, warum „es für die Führung der SED in ihrer Propaganda so entscheidend wichtig war die Bundesrepublik als Fortführung des Faschismus [...] darzustellen“[1] und inwieweit diese Schemata zu Beginn der fünfziger Jahre und in Zeiten des Kalten Krieges in den Vordergrund filmischer Produktionen traten.

Die Entwicklung, die der ostdeutsche Film gerade in dieser Zeit durchlief, ein Prozess zwischen Selbstfindung, subtiler Kritik und staatlicher Zensur, soll hier untersucht werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Darstellung des sozialistischen Klassenkampfes gegen den

westdeutschen Nachbarn und das imperialistische Amerika sowie die Verwendung stilisierter Schemata in den Filmen der DDR.

Der theoretische und allgemeine Teil stützt sich vornehmlich auf die „Beiträge zur Film- und Fernsehwissenschaft“, eine Schriftreihe der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf Potsdam-Babelsberg, die seit Jahrzehnten regelmäßig erscheint und somit lückenlos die thematischen und politischen Entwicklungen in den Filmen der DEFA wiedergibt. Die Vielfalt der publizierten Beiträge macht sie als Primärliteratur und Hauptbezugsquelle unabdingbar. Sie soll in den nun folgenden Kapiteln zur Klärung und Verdeutlichung oben genannter Thesen beitragen.

Des weiteren werde ich meine Arbeit um die Analyse dreier DEFA-Filme der frühen fünfziger Jahre ergänzen und somit die theoretischen Ergebnisse mit den Darstellungen in den vorliegenden Filmdokumenten vergleichen: Kurt Maetzigs „Der Rat der Götter“ aus dem Jahr 1950 und Martin Hellbergs „Das verurteilte Dorf“ von 1952. Ergänzend wird

Hellbergs Film „Geheimakten Solvay“ (1952) mit einbezogen.

2. Die DEFA – Propagandamedium Film

Diktaturen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie unentwegt Legenden stricken, um sich zu legitimieren. [...] Und welches Medium wäre dazu besser geeignet als der Film? [...] Ideologie war geschickt zu verpacken und möglichst unterhaltsam aufzupolieren.[2]

Schon die ersten Jahre der DEFA zeichneten sich durch eine klare Aufgabenstellung und Erwartungshaltung an die neu gegründete Filmgesellschaft aus. Zuerst noch unter sowjetischer Schirmherrschaft der Sowjetische Besatzungszone (SBZ) ging es in den Anfangsjahren um die Verbesserung der politisch-ideologischen Bildung innerhalb der KPD und der für den Sozialismus zu gewinnenden deutschen Bevölkerung.

Die zweite Anforderung, die an die DEFA gestellt wurde, war neben der gesellschaftlichen Hinwendung zum Kommunismus auch die Propagierung neuer, sozialistisch geprägter Feind- und Leitbilder. Die deutsche Bevölkerung der SBZ (später DDR) sollte für die kommunistische

Ideologie gewonnen, vom Faschismus und Imperialismus befreit und zum Sozialismus „umerzogen“ werden.

Der Film ermöglichte es die politischen Vorstellungen der sowjetischen beziehungsweise sozialistischen Regierung massenwirksam an das Volk weiterzugeben und es in seiner Totalität mit einer Ideologie zu konfrontieren, welche die folgenden vierzig Jahre das Leben der ostdeutschen Bevölkerung bestimmen sollte. Das Medium Film als Ideologien vermittelnder Faktor hat seit Bestehen des sozialistischen Deutschlands eine immanent wichtige Rolle als Mittel zur Legitimierung und Propagierung des neuen deutschen Staates gespielt, und als

solches ist es gezielt, zuerst unter der Schirmherrschaft der

Sowjetunion, später von der SED, eingesetzt worden.

Wir begreifen den Spielfilm seinem Wesen nach als „eine besondere Weise der Produktion“ und zugleich als eine spezifische „Form des gesellschaftlichen Bewusstseins“ (Marx), in der Klassenfragen ausgefochten werden, d.h. als ein wesentliches Mittel des ideologischen Klassenkampfes.[3]

Die DEFA hat neben ihrer Funktion als unterhaltungs- und bildungsvermittelnde Institution stets die Aufgabe gehabt, der Bevölkerung den nie endenden Kampf gegen rudimentär faschistische Ideen in der DDR ins Bewusstsein zu rufen, sie subtil gegen den westdeutschen Imperialismus aufzubringen und ihnen die Vormachtstellung der Arbeiterschaft im Klassenkampf gegen den bürgerlichen Kapitalismus vor Augen zu führen. Das durch die Massenkommunikationsmittel modifizierte Bild der Realität musste als wichtiges Element zur Herausbildung der gesellschaftlichen Meinung gefördert und als solches ausgebaut werden.

Die Kunst führt zur gesteigerten weltanschaulich-historischen Bewusstheit dessen, was faktisch vielleicht von vielen gekannt wurde, aber noch nicht haltungsbestimmend geworden ist.[4]

Lohmann spricht in diesem Zusammenhang von einer aktiven Praxisbeziehung im Sinne der kommunistischen Führung. Kunst, Kultur und Medien seien nicht nur eine informative und unterhaltende Bereicherung des gesellschaftlichen Lebens im sozialistischen Staat, sondern die „Politisierung der Ästhetik“ (Walter Benjamin), die Herausbildung einer parteilich geprägten Ideologie und Erziehung der Menschen zum Sozialismus, dessen Weltanschauung und Klassendenken untrennbar mit dem filmischen Schaffen der DEFA verbunden sein müsse. So wie die Partei Welt und Leben sieht, so sollten die Menschen dies auch sehen.

Wichtig für heutige analytische Betrachtungen ist jedoch eine differenzierte Herangehensweise an das Thema des Feindbildes im DEFA Film. Neben dem konstruierten Realitätsbild westlicher Demokratien, also dem äußeren Feind, hatte der so genannte innere Feind keinen Platz. So werden selbstredend keine oppositionellen Bewegungen im eigenen Land gezeigt, und auch regimekritische Motive werden völlig ausgespart.

2.1. Die sozialistischen Leitmotive der 50er Jahre

Er [der sozialistische Staat] meldet Forderungen nach einer parteilichen Kunst an, die eng mit dem Leben des Volkes verbunden ist und in der Lage, für sozialistisches Bewusstsein, sozialistische Beziehungen und Verhaltensweisen der Rezipienten Impulse zu geben.[5]

Die Entwicklung der DEFA-Filme von 1950 bis 1965 ist durch eine Zeit geprägt, in der sich wichtige gesellschaftliche und politische Prozesse vollzogen. Der Weltkrieg war vorbei, die DDR gerade gegründet und die ehemals verbündeten Siegermächte rüsteten gegeneinander auf.

Exemplarisch für die bedeutende Rolle der ersten Filmproduktionen und dem damit verbundenen systemstabilisierenden Auftrag der DEFA sind die Werke „Der Rat der Götter“ (1950) von Kurt Maetzig und „Das verurteilte Dorf“ (1952) von Martin Hellberg zu nennen. Sie zeigen deutlich die ideologischen Grundmuster des Kalten Krieges und das imperialistische Wesen des Westens aus Sicht des Sozialismus auf.

In dieser Zeit der globalen Krise, der ständigen Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Kommunismus ist die Festigung der eigenen Gesellschaftsstruktur, ihrer Ideologie und Legitimation eines der vorrangigsten Aufgaben aller Medien und Künste gewesen. Wagner und Breitkopf nennen in diesem Zusammenhang nicht nur den Aufbau eines imperialistischen Feindbildes in den Ostblock Staaten. Vielmehr sei die DEFA mindestens in gleichem Maße zur Verbreitung des vom Sozialismus konstruierten Ablaufs der sowjetischen und deutschen Geschichte angehalten gewesen - der eigenen Ideologie vom historischen Kampf der Arbeiterklasse gegen den unterdrückenden, kapitalistisch organisierten Westen. Hans Günther beschreibt dieses als notwendige Konsequenz einer selbstverschafften historischen Legitimation, die

„ohne Feinde gar nicht existieren kann. Ihnen werden alle Untaten angelastet, deren die Herrschenden selber fähig sind“[6]. Der konstruierte geschichtliche Bezug und bewusst hochstilisierte kommunistische Helden, als Beispiel sind hier die beiden Thälmann-Filme von 1954 und 1955 zu nennen, festigten den Zusammenhalt im eigenen Land und sorgten für den benötigten Rückhalt in der DDR.

Gerade die Jahre 1950 bis 1957 seien, laut Wagner und Breitkopf, für die DEFA mit die erfolgreichsten ihrer Geschichte gewesen. Filme wie „Rat der Götter“ (1950), „Carola Lamberti – Eine vom Zirkus“ (1954) oder „Die Geschichte vom kleinen Muck“ (1953) hätten Zuschauerzahlen von weit über einer Millionen zu verzeichnen gehabt. Neben einer großen Zahl von unterhaltenden Filmen, wie zum Beispiel „Der Kahn der fröhlichen Leute“ von 1950, wurden gerade politische Themen in den fünfziger Jahren von der DEFA verfilmt. Propagandistisch und aufklärerisch angelegte Projekte wie die Verfilmung der Nürnberger Prozesse gegen die IG-Farben („Rat der Götter“), „Teufelskreis“ (1956), „Thomas Müntzer“ (1956) oder auch das früher entstandene Werk über einen Arzt, der seinen ehemaligen Hauptmann wegen dessen Kriegsverbrechen töten will („Die Mörder sind unter uns“ von 1946) hatten die Aufgabe historische und aktuelle Ereignisse aus Sicht der DDR aufzuzeigen und zu legitimieren.

Kennzeichnend für den DEFA-Film der 50er Jahre ist, dass dieser sich nicht nur als Mittel des Klassenkampfes begreift, sondern sich auch ganz wesentlich mit dessen direkter filmkünstlerischer Darstellung befasst und damit sowohl der Propagierung eines neuen Geschichtsbildes dienen will als auch den klassenmäßigen Blick auf die aktuellen Entwicklungsprozesse schärft.[7]

Die Verantwortung, die der sozialistische Staat den Autoren, Regisseuren und letztendlich der DEFA übertrug, war also von großer Bedeutung. Gerade in den Anfangsjahren des noch jungen Staates hatte der Film die Aufgabe für die erwünschten sozialistischen Verhaltensweisen und Denkschemata der Rezipienten Impulse zu geben. Zum einen sollte die Bevölkerung für die neue Gesellschaftsform und ihre antiimperialistische Grundhaltung begeistert werden, zum anderen wurde seitens der SED großer Wert auf eine ideologisch saubere Vergangenheitsbewältigung gelegt. Wagner und Breitkopf sprechen in diesem Zusammenhang von der filmisch umgesetzten Analyse des Wesens und der Mechanismen des Faschismus, aber auch von einer Akzentuierung der potenziellen politischen Gegenkräfte.

Zwei Welten stehen einander gegenüber: die Welt des aufblühenden Sozialismus und die des verfallenden, unausweichlich zum Tode verurteilten Kapitalismus. Die 2 Welten [...] drücken auch dem Gebiet des Ideologischen ihren Stempel auf. Von der gleichen Unversöhnlichkeit, mit der sich z.B. der millionenreiche Bankier und der sozialistische

[...]


[1] Ernst Opgenoorth: Antifaschismus und Antiimperialismus. In: Volksdemokratie im Kino – Propagandistische Selbstdarstellung der SED im DEFA-Dokumentarfilm 1946-1957. Bonn 1984, S. 132.

[2] Dirk Jungnickel: Der Film als Medium des Klassenkampfes. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Leit- und Feindbilder in DDR-Medien. Bonn 1997, S. 28.

[3] Reinhard Wagner/Regina Breitkopf: Eine Konzeption zur Geschichte des DEFA-Spielfilms der 50er Jahre. In: HFF (Hg.): Beiträge zur Film- & Fernsehwissenschaft. 1982. Heft 2, S.128.

[4] Hans Lohmann: Wechselwirkungen zw. Antifaschistischer und Gegenwartsthematik in der Geschichte des DEFA-Spielfilms. In: HFF (Hg.): Filmwissenschaftliche Beiträge. 1975. Heft 1, S.101.

[5] Reinhard Wagner/Regina Breitkopf: Zur Geschichte des DEFA-Spielfilms der 50er Jahre, S. 126.

[6] Hans Günther: Held und Feind als Archetypen des totalitären Mythos. In: Matthias Vetter (Hg.): Terroristische Diktaturen im 20.Jahrhundert: Strukturelemente der nationalsozialistischen und stalinistischen Herrschaft. Opladen 1996, S. 55.

[7] Reinhard Wagner/Regina Breitkopf: Zur Geschichte des DEFA-Spielfilms der 50er Jahre, S. 128.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Propaganda und Agitation im DEFA Film der 50er Jahre
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Politikwissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
32
Katalognummer
V21033
ISBN (eBook)
9783638247498
ISBN (Buch)
9783656212584
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Unter anderem mit Filmbeispielen: Geheimakten Solvay, Das verurteilte Dorf, Der Rat der Götter
Schlagworte
Propaganda, Agitation, DEFA, Film, Jahre
Arbeit zitieren
Moritz Klöppel (Autor:in), 2003, Propaganda und Agitation im DEFA Film der 50er Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21033

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