Das Wesen des Hortes im Nibelungenlied


Hausarbeit, 2009

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist der Hort?
2.1 Der Hort - Ein Gegenstand?
2.2 Der Hort im Spiegel der Figuren des Nibelungenliedes

3. Resümee

Verzeichnis der verwendeten Literatur
Textausgaben
Forschungsliteratur

1. Einleitung

Der Hort im Nibelungenlied war in der Mediävistik seit den 1950er Jahren immer wieder Gegenstand genauer Untersuchungen. Zuletzt hat Peter Göhler 1996 ausführlich die Funktion des Hortes im Nibelungenlied dargelegt1. Weitere wichtige Arbeiten zum Hort und der sogenannten Hortfoderungsszene umfassen Hans Kuhns Kriemhilds Hort und Rache2 und Der Teufel im Nibelungenlied3, Gerhard Eis Die Hortforderung4 und Werner Schröders Zum Problem der Hortfrage im Nibelungenlied5. Im Mittelpunkt der Überlegungen dieser Mediävisten steht nicht der Hort an und für sich, sondern die Frage, ob und wie er die Handlung des Nibelungenliedes motiviert und welche Funktion er erfüllt, außerdem die Stoffgeschichte und die richtige Deutung der Hortforderungsszene.

In der vorliegenden Arbeit soll eine andere Perspektive eingenommen werden und der Hort im Zentrum stehen, wobei der Ausgangspunkt das Verständnis des Hortes als Gegenstand ist. Um den Hort nachvollziehbar als Gegenstand klassifizieren zu können, ist ein Blick in die Historische Ethnologie nötig, welcher hier unter zuhilfenahme des Buchs Die Macht der Dinge6 von Karl-Heinz Kohl vollzogen wird. Am Schluss soll eine möglichst eindeutige Antwort auf die Frage gegeben werden, was der Hort ist, was sein Wesen ausmacht.

2. Was ist der Hort?

2.1 DerHort - Ein Gegenstand?

Laut Kohl ist Gegenstand ein relationaler Begriff, der eine Beziehung zwischen einer Person und einer Sache zum Ausdruck bringt. Ist der Gegenstand außerhalb der Person, ihr entgegengesetzt, also eigenständig und nicht Teil von ihr, so ist die Beziehung zwischen Ding und Person von einem Widerstand geprägt. „Der Gegenstand setzt sich der Person entgegen, die umgekehrt ihrerseits darauf abzuzielen scheint, sich seiner zu bemächtigen.“7 Wenn man ein Ding als Gegenstand bezeichnet, so ist also implizit immer ein Verhältnis zwischen diesem Ding und einer bestimmten Person mit gedacht. Kohl definiert Gegenstand folgendermaßen:

[Das Wort Gegenstand,N.B.] bezeichnet [...] materielle Dinge, und zwar vorrangig solche, die beständig, von einer begrenzten Größe, beweglich und dadurch in aller Regel auch handhabbar sind. Zum Kennzeichnen des Gegenstands scheint zu gehören, daß man ihn ergreifen, daß man ihn mit sich tragen, daß man ihn für bestimmte Zwecke gebrauchen und daß man ihn weggeben kann.8

Im Folgenden soll nun anhand dieser Kriterien geklärt werden, ob der Hort im Nibelungenlied als Gegenstand bezeichnet werden kann.

Bei der ersten Erwähnung des Hortes wird von Hagen berichtet, dass der Hort aus einer Berghöhle heraus geschafft worden war:

89 Hort der Nibelunges der was gar getragen uz einem holen berge. nu hoeret wunder sagen, wie in wolden teilen der Nibelunge man.9

Hier erscheint der Hort erst als etwas Ganzes als eine Einheit, der auch durchaus eine begrenzte Größe zuzusprechen ist, da ja offensichtlich der komplette Hort befördert wurde. Die Könige der Niblungen, Schilbung und Nibelung, gehen allerdings davon aus, dass es möglich ist, den Hort zu teilen. Sie fordern deshalb Siegfried, der den Hort von weitem gesehen und sich den Nibelungen genähert hat, auf, den Schatz zu teilen. Dies misslingtjedoch:

93 Do gaben si im ze miete daz Nibelunges swert. si waren mit dem dienste vil übele gewert, den in da leisten solde Sivrit der helt guot. ern kundez niht verenden: si waren zornec gemuot.

Anscheinend sind also weder die Nibelungen selber, noch Siegfried in der Lage, den Hort zur Zufriedenheit der Nibelungen zu teilen, wobei nicht klar wird, worin die Intention zu Teilung eigentlich begründet ist. Möglicherweise verhindert einfach die schiere Größe des Hortes seine Teilung, selbst durch den heldenhaften Siegfried:

92 Er sach so vil gesteines (so wir hoeren sagen) hundert kanzwägene ez möhten niht getragen; noch me des roten goldes von Nibelunge lant. daz solde in allez teilen des küenen Sivrides hant.

Der Hort ist so groß, dass alleine die Menge der Edelsteine nicht von hundert Wagen befördert werden könnte, andererseits ist aber auch nicht von einer unbegrenzten Größe auszugehen. Weitere Hinweise auf die unglaubliche Größe des Hortes werden in Strophe 722, wo es heißt, dass Siegfried, abgesehen von den Vorbesitzem den größten Schatz den je ein Held besaß, sein eigen nennt, und in Strophe 773 gegeben, in der Hagen die Freigiebigkeit Siegfrieds mit dem Hinweis kommentiert, dass Siegfried den Hort niemals aufbrauchen könne, selbst wenn er ewig leben sollte. Diese Behauptung Hagens widerspricht natürlich in gewisser Weise dem bisherigen Befund, dass der Hort von begrenzter Größe sei, vorerst lässt sich dieser Widerspruch allerdings nicht auflösen.

Schon das Herausschaffen aus der Berghöhle ist ein Hinweis darauf, dass der Hort bewegt werden kann, was wiederum auf eine begrenzte Größe schließen ließe. Nach Siegfrieds Tod und Kriemhilds Versöhnung mit ihren Brüdern wird der Hort noch wesentlich weiter transportiert, nämlich vom Land der Nibelungen an den Hof der Burgunden. Kriemhild beauftragt 8000 Männer damit, den Hort mit Hilfe von Schiffen an den Rhein zu holen. Um den Hort auf die Schiffe zu verladen, müssen zwölf Wagen vier Tage und Nächte lang, insgesamt drei mal am Tag, zwischen Berg und Schiffen hin und her fahren. Zu dieser Gelegenheit erfährt der Leser auch noch einmal etwas über Zusammensetzung und Größe des Hortes:

1123 Ez enwas niht anders wan gesteine unde golt. unt ob man al die werlde het da von versolt, sin waere niht minner einer marke wert.

Ist die Größe des Hortes mit dem Hinweis, dass es 144 Wagenladungen braucht, um ihn zu transportieren, gerade erst einigermaßen genau bestimmt worden, so scheint es hier schon wieder so, als sei seine Größe unermesslich.

Eine weitere Gelegenheit, bei welcher der Hort bewegt wird, ist seine Versenkung durch Hagen im Rhein:

1137 E daz der künec riche wider waere komen, die wile hete Hagene den schaz vil gar genomen. er sancte in da ze Loche allen in den Rin.

Bemerkenswert ist sicherlich, dass an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt wird, wie Hagen es bewerkstelligt, den riesigen Schatz im Rhein zu versenken. Schließlich wird, als der Hort in die Höhle zurück geschafft und auch später, als er auf die Schiffe geladen wird, explizit betont, dass genug Männer anwesend sind, um ihn zu bewegen. Auch hier ergeben sich also durch das Geschehen Diskontinuitäten im Hinblick auf die anzunehmende Beschaffenheit des Schatzes.

Eine weitere Eigenschaft eines Gegenstandes nach Kohl erfüllt der Hort eindeutig: Kriemhild gebraucht ihn für ihre Zwe>1127 Do si den hört nu hete, do brahte si in daz lant vil unkunder recken. Ja gap der frouwen hant, daz man so grozer milte mere nie gesach.

si pflac vil grozer tugende, des man der küneginnejach.

1128 Den armen unt den riehen begunde si nu geben daz da reite Hagene, ob si solde leben noch deheine wile, daz si so manegen man in ir dienst gewunne daz ez in leide müese ergan.

1270 Siwarenvilunmüezec wolfünftehalbentac, si suochten uz der valden des vil dar inne lac.

Kriemhilt do ir kamere entsliezen began.

si wolde machen riche alle Rüedegeres man.

1271 Si hete noch des goldes von Nibelunge lant (si wande ez zen Hiunen teilen solde ir hant), daz ez wol hundert moere ninder kunden tragen. diu maere horte hagene do von Kriemhilde sagen.

Kriemhild gebraucht den Hort, um „unkunde recken“ in ihren Dienst zu verpflichten, Rüdigers Männer zu beschenken und plant auch an Etzels Hof eigenes Gold mitzunehmen, wie Hagen vermutet, um dort „haz“ gegen ihn zu erkaufen (1772ff.), Kriemhild setzt den Hort also für ihre Zwecke ein. Des Weiteren weisen beide Stellen darauf hin, dass das Teilen des Hortes möglich ist, auch wenn nicht deutlich wird, warum Kriemhild nach der Versenkung des Hortes durch Hagen noch so viel „des goldes von Nibelunge lant“ ihr eigen nennen kann.

Schonjetzt ist einsichtig, dass der Hort im Nibelungenlied kein einfacher Gegenstand ist, wie man ihn aus der realen Welt kennt, also kein Gegenstand wie ein Tisch oder ein Löffel. Trotzdem lassen sich ihm die meisten Merkmale eines Gegenstandes nach Kohl, teilweise mit kleinen Einschränkungen, zuordnen. Der Hort kann bewegt werden, ist also, wenn dafür auch eine große Anzahl Menschen benötigt wird, handhabbar. Daraus folgt, dass er eine begrenzte Größe haben muss. Außerdem lässt sich der Hort vom Besitzer zu seinem Zwecke gebrauchen. Um den Charakter des Gegenstandes Hort noch genauer zu bestimmen, ist es nötig, zu untersuchen, wie sich seine Besitzer und auch jene, die ihn begehren oder fürchten, zu ihm verhalten, beziehungsweise, was er für sie bedeutet.

[...]


1 Vgl. Peter Göhler: Überlegungen zur Funktion des Hortes im Nibelungenlied. In: Hansische Literaturbeziehungen. Berlin 1996 (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 14), S. 215 - 235.

2 Vgl. Hans Kuhn: Kriemhilds Hort und Rache. In: Festschr. f. P. Kluckhohn u. H. Schneider, Tübingen 1948, S. 84 - 100.

3 Vgl. ders.: Der Teufel im Nibelungenlied. In: ZfdA 94 (1965), S. 280 - 306.

4 Vgl. Gerhard Eis: Die Hortforderung. In: Germanisch - Romanische Monatsschrift 7 (1957), S. 209 - 223.

5 Vgl. Schröder, Werner: Zum Problem der Hortfrage im Nibelungenlied. In: W.S.: Nibelungenlied - Studien.

Stuttgart 1968, S. 157- 184.

6 Vgl. Karl - Heinz Kohl: Die Macht der Dinge. Geschichte und Theorie sakraler Objekte. München 2003.

7 Ebd., S. 119.

8 Ebd., S. 119ff.

9 Das Nibelungenlied wird nach folgender Ausgabe zitiert: Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung. Hg., übers. u. m. einem Anhang vers. v. Helmut Brackert. Frankfurt a.M. 1970.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Das Wesen des Hortes im Nibelungenlied
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Seminar für Deutsche Philologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
14
Katalognummer
V210219
ISBN (eBook)
9783656383512
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wesen, hortes, nibelungenlied
Arbeit zitieren
Nils Brenner (Autor:in), 2009, Das Wesen des Hortes im Nibelungenlied, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210219

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