Zu: Neil Postman - "Das Verschwinden der Kindheit"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

Teil 1: Die Erfindung der Kindheit

1. Als es keine Kinder gab
1.1 Antike
1.2 Mittelalter

2. Die Druckerpresse, der neue Erwachsene und die Wiege der Kindheit

3. Der Weg der Kindheit

Teil 2: Das Verschwinden der Kindheit

4. TV – das Medium der totalen Enthüllung

5. Der Kind-Erwachsene

6. Indizien für das Verschwinden der Kindheit

Teil 3: Gegenposition zu Postman

7. Jan-Uwe Rogge: „Kinder können Fernsehen“

8. Stellungnahme

Literaturverzeichnis

Vorwort

Meine Hausarbeit über das Verschwinden der Kindheit ist eine Ausarbeitung des Referats vom 6.11.2003. Darin beziehe ich mich auf das gleichnamige Buch von Neil Postman.

Unter zu Hilfenahme weiterer Literatur zum Thema beschäftige ich mich im ersten Teil der Hausarbeit mit der Entstehung und der Geschichte der Idee Kindheit, da diese zum Verständnis von Neil Postmans Ansicht und Meinung über deren Verschwinden wichtig sind.

Wie es laut Postman zum Verschwinden der Kindheit kommt und Indizien, die er dafür anführt, werden im zweiten Teil vorgestellt.

Im dritten Teil skizziere ich anhand Rogges Buch „Kinder können Fernsehen“ eine zu Postman sehr gegensätzliche Meinung. Dabei beziehe ich mich auf das Referat zum Buch, das ebenfalls am 6. November gehalten wurde und nicht auf das Buch selbst.

Ich habe die Gliederung von Neil Postman weitgehend übernommen, da so seine Ideen am besten dargestellt werden können.

In allen Teilen fließt meine eigene Meinung mit ein. Sie wird aber in einer anschließenden Stellungnahme zusammengefasst.

Teil 1: Die Erfindung der Kindheit

1. Als es keine Kinder gab

1.1 Antike

Die Griechen (500 v.Chr. – 300 v.Chr.) hatten über das Wesen der Kindheit nur undeutliche und verschwommene Vorstellungen. So sind auch ihre Wörter für „Kind“ und „Jugendlicher“ zumindest mehrdeutig und scheinen jeden zwischen dem Säuglings- und dem Greisenalter zu umfassen. Sie beschäftigten sich jedoch ausführlich mit Erziehungsfragen. So hat z.B. Platon drei verschiedene Vorschläge zur richtigen Erziehung der Jugend entwickelt.

Die Griechen erfanden die Idee der Schule. Aus der Ansicht heraus, dass ein zivilisierter Mensch seine Zeit mit Denken und Lernen zubringe, wurden zahlreiche Schulen errichtet. Darunter waren auch Elementarschulen, in denen auch in geringem Maße Lesen und Rechnen gelehrt wurde.

Die Römer (100 v.Chr. – 300 n.Chr.) übernahmen die griechische Idee der Schulerziehung und entwickelten sogar ein über die griechischen Vorstellungen hinausgehendes Bewusstein für die Eigenart der Kindheit. Sie stellten außerdem fest, dass es ohne entwickeltes Schamgefühl keine Kindheit geben kann. Die Kindheit wurde dadurch definiert, dass die Kinder von den Geheimnissen der Erwachsenen, v.a. den sexuellen Geheimnissen, abgeschirmt wurden.

1.2 Mittelalter

Während des Mittelalters (500 – 1500 n.Chr.) gingen die Fähigkeit zu Lesen und zu Schreiben (Literalität), die Erziehung und das Schamgefühl verloren. Da die Form der Buchstaben zunehmend komplizierter und schwerer identifizierbar wurden, schwand die Fähigkeit, dieses Alphabet zu deuten und zu verstehen. Nur einige wenige waren des Lesens und Schreibens mächtig. Der Großteil der Bevölkerung konnte jedoch nicht lesen. „Der durchschnittliche Laie gewann seine Bildung nur mit den Ohren, durch öffentliche Predigten, Mysterien und den Vortrag von belehrenden Balladen und Geschichten.“[1]

Nur die Kinder der Reichen wurden zu Hause von einem Privatlehrer unterrichtet. Diejenigen, die für das religiöse Leben vorgesehen waren, absolvierten die Grundschule im Kloster. Die wenigen Bauernkinder, die überhaupt lesen und schreiben lernten, wurden entweder vom Dorfpfarrer unterrichtet oder besuchten im Kloster oder in der nahegelegenen Stadt die Grundschule.[2]

Man kannte in den meisten Schulen des Mittelalters keinerlei Elementarunterricht, in dessen Verlauf Lesen und Schreiben gelehrt wurde. Die mittelalterliche Form des Lernens geschah durch Mündlichkeit; es wird hauptsächlich in einem Lehr- und Dienstverhältnis, also in der Praxis gelernt. Sobald Kinder oder Jugendliche die Lehrzeit antraten, war der Lehrherr auch für ihre Erziehung verantwortlich.

Es gab kaum Manieren und Verhaltensregeln, die das Kind erst erlernen musste. Diese waren im Mittelalter sehr selten.

Philippe Ariès vertritt die Auffassung, die mittelalterliche Gesellschaft habe kein Verhältnis zur Kindheit und ihren Besonderheiten gehabt. Als Beleg für seine These führt er unter anderem die Tatsache an, dass es in der bildenden Kunst bis zum 13. Jahrhundert keine Darstellung lebender Kinder gegeben habe. In Malerei und Skulptur seien sie, wenn überhaupt, nur als kleine Erwachsene dargestellt worden.

„Die mittelalterliche Gesellschaft [...] hatte kein Verhältnis zur Kindheit; das bedeutet nicht, dass die Kinder vernachlässigt, verlassen oder verachtet wurden. Das Verständnis für die Kindheit ist nicht zu verwechseln mit der Zuneigung zum Kind; es entspricht vielmehr einer bewussten Wahrnehmung der kindlichen Besonderheit, jener Besonderheit, die das Kind vom Erwachsenen [...] kategorial unterscheidet. Ein solches bewusstes Verhältnis zur Kindheit gab es nicht.“[3]

Die Menschen damals verheimlichten nichts vor den Kindern. Diese verbrachten die meiste Zeit mit den Erwachsenen und erlebten und hörten alles mit. „Es war im Mittelalter sogar einigermaßen üblich, dass sich Erwachsene mit den Geschlechtsteilen von Kindern amüsierten; es war nichts weiter als ein derber Spaß.“[4] Das Schamgefühl, von dem schon die Römer erkannten, dass es eine Vorraussetzung für die Existenz der Kindheit sei, ging verloren.

Dadurch, dass die Erwachsenen keine Geheimnisse hatten, welche die Kinder erst nach und nach kennen- und erlernen mussten, dass fast alle Erwachsenen ebenfalls nicht lesen und schreiben konnten und die Kinder mehr oder weniger das gleiche Leben führten wie die Erwachsenen, gab es keinen wirklichen Unterschied zwischen ihnen. Man musste sich die Erwachsenheit nicht erwerben. Aus diesem Grund gab es die Idee der Kindheit (noch) nicht.

2. Die Druckerpresse, der neue Erwachsene und die Wiege der Kindheit

Im Jahr 1455 erfand Johann Gensfleisch Gutenberg die Druckerpresse mit beweglichen Lettern. Die Erwachsenen wurden genötigt, ihre Vorstellung von Erwachsenheit zu ändern. Aus dieser neuen Erwachsenheit waren die Kinder ausgeschlossen, und es musste eine andere Welt entworfen werden, die sie bewohnen konnten. Diese andere Welt nannte man Kindheit.

Innerhalb kürzester Zeit wurden Millionen von Büchern gedruckt und die Kommunikationswelt veränderte sich. Es tat sich eine Kluft auf zwischen denen, die lesen konnten, und denen, die nicht lesen konnten. Postman bezeichnet diese als „Wissenskluft“[5]. Auf der einen Seite stand der „literatus, der des Lesens und Schreibens kundige Gebildete“[6], und auf der anderen Seite die Kinder, die er hinter sich zurückgelassen hatte.

Bis zu diesem Zeitpunkt konnte weder Alt noch Jung Lesen und Schreiben, alle hatten Teil an der selben Wissensumwelt und lebten ein mehr oder weniger gleiches Leben, weshalb es keiner Vorstellung von Kindheit bedurfte. Nun aber mussten die Kinder erst zu Erwachsenen werden, und dazu mussten sie Lesen und Schreiben lernen. „Damit ihnen das gelang, brauchten sie Erziehung. Deshalb erfand die europäische Zivilisation die Schule von neuem. Und damit machte sie aus der Kindheit eine Institution.“[7]

[...]


[1] Tuchman, S. 67

[2] vgl. Shahar, S. 257-275

[3] Ariès, S. 209

[4] Postman, S. 27

[5] Postman, S. 39

[6] Postman, S. 47

[7] Postman, S. 48

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Zu: Neil Postman - "Das Verschwinden der Kindheit"
Hochschule
Pädagogische Hochschule Weingarten  (Lehramt an Grund- und Hauptschulen)
Veranstaltung
Kinder und Fernsehen
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V20997
ISBN (eBook)
9783638247221
ISBN (Buch)
9783638879439
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neil, Postman, Verschwinden, Kindheit, Kinder, Fernsehen
Arbeit zitieren
Daniela Weismann (Autor:in), 2003, Zu: Neil Postman - "Das Verschwinden der Kindheit", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20997

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