Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Allgemeines
3. Inhalt und Gliederung
3.1. Einleitung
3.2. Hauptteil
3.3. Auswertung
4. Sozialgeschichtliche Analyse
5. Problematisches Gottesbild
6. Kontextuelle Auslegung
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Bibelstelle
Mt 18,23-35 nach MNT:
23: Deswegen wurde verglichen das Königtum der Himmel einem Menschen, einem König, der Abrechnung halten wollte mit seinen Sklaven.
24: Als er aber begann, (sie) abzuhalten, wurde hingebracht zu ihm einer, ein Schuldner von zehntausend Talenten.
25: Da er aber nicht(s) hatte zurückzugeben, befahl der Herr, daß er verkauft werde und die Frau und die Kinder und alles, wieviel er hat, und daß zurückgegeben werde.
26: Fallend nun fiel der Sklave nieder vor ihm, sagend: Sei großmütig zu mir, und alles werde ich dir zurückgeben.
27: Ergriffen aber entließ der Herr jenes Sklaven ihn, und die Schuld erließ er ihm.
28: Herauskommend aber fand jener Sklave einen seiner Mitsklaven, der ihm schuldete hundert Denare, und ergreifend ihn, würgte er (ihn), sagend: Gib zurück, wenn du etwas schuldest!
29: (Nieder)fallend nun bat sein Mitsklave ihn, sagend: Sei großmütig zu mir, und ich werde dir zurückgeben.
30: Der aber wollte nicht, sondern weggehend warf er ihn ins Gefängnis, bis er zurückgebe das Geschuldete.
31 : Sehend nun seine Mitsklaven das Geschehene, wurden sie sehr betrübt, und kommend erklärten sie ihrem Herrn alles Geschehene.
32: Dann, herbeirufend ihn, sagt sein Herr ihm: Böser Sklave, all jene Schuld erließ ich dir, weil du mich batest;
33: mußtest nicht auch du dich erbarmen deines Mitsklaven, wie auch ich mich deiner erbamte?
34: Und erzürnt gab ihn sein Herr den Folterern, bis saß er zurückgebe alles Geschuldete.
35: So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht erlaßt, jeder seinem Bruder, von eurem Herzen.
2. Einleitung
Das Gleichnis vom unbarmherzigen Diener (vgl. Mt 18,23-35) erscheint für den Leser zunächst äußerst positiv zu sein. Ein König zeigt sich gegenüber seinem Sklaven sehr barmherzig und erlässt ihm eine Menge Schulden. Umso erstaunlicher ist es dann, dass dieser selbst seinem Mitsklaven eine viel geringere Summe von Schulden nicht erlässt. Um den Sklaven zu bestrafen, gibt der König ihm seine Schuld wieder zurück und lässt ihn foltern. Das Handeln des Königs scheint bis hierhin legitim zu sein, um Gerechtigkeit walten zu lassen. Allerdings wird zum Schluss dieser Bibelstelle der König mit dem himmlischen Vater verglichen. Das würde bedeuten, dass Gott den Menschen zwar die Sünden erlassen, aber auch wieder auferlegen kann und die Menschen bei Fehlverhalten gewaltvoll und grausam zurechtweisen wird. Ist Gott wirklich ein derart brutaler Pädagoge, wie er hier augenscheinlich dargestellt wird?
Mit dieser Frage wird sich die folgende Ausarbeitung beschäftigen. Zunächst wird allgemein etwas zu dieser Parabel ausgesagt. Im Anschluss daran wird der Inhalt der drei Abschnitte dargestellt, in die die Geschichte unterteilt werden kann. Daraufhin wird untersucht, inwieweit die Geschichte real und wirklichkeitsnah ist im Hinblick auf die Realien und Strafen. Zum Ende hin wird das auftretende problematische Gottesbild charakterisiert, um es anschließend anhand einer kon- textuellen Analyse auszuwerten.
3. Allgemeines
Die zu untersuchende Bibelstelle Mt 18,23-25 bildet den Abschluss der Gemeinderede über das Leben untereinander. Sie steht im direkten Zusammenhang mit dem Gleichnis vom verlorenen Schaf und der Frage nach der Sündenvergebung (vgl. Mt 18,12-22), was anhand des einleitenden „deswegen“ (Mt 18,23) erkennbar ist. Die nachfolgende Geschichte scheint wie eine narrative Antwort auf die Frage von Mt 18,21 zu sein, in der zum Gebot des Verzeihens aufgefordert wird.[1] Es handelt sich aufgrund des Aorists, der einzigartigen Handlung und dem ungewöhnlichen Vorgang vom Schulderlass von einer so hohen Menge um eine Parabel. In den anderen Evangelien taucht diese Geschichte nicht noch einmal auf, 2 sodass sie wahrscheinlich aus dem mattheischen Sondergut stammt.[2]
4. Inhalt und Gliederung
4.1. Einleitung
Die Bibelstelle kann in drei Teile aufgegliedert werden. Der erste Teil und gleichzeitig der erste Vers bildet die Einleitung, der aufgrund des διά τούτο als eine Erklärung für das Vorangegangene dienen soll und somit eine Überleitung bildet. Das Königtum des Himmels η βασιλεία των ούρανων wird verglichen mit dem Handeln eines menschlichen König. Die Sklaven stehen stellvertretend für die Menschheit.[3] Zu Anfang der Parabel wird demnach direkt Bezug genommen zum Reich Gottes, das Jesus Christus verkündet. Dies wird auch aufgrund des Wortes λόγον deutlich, welches stellvertretend für das Gericht steht.[4] Der Blick des Lesers wird mit der Verwendung des Aorists in die Vergangenheit gerückt, um die Parabel mit „bereits gemachte(n) Erfahrungen“[5] in Verbindung zu setzen.
4.2. Hauptteil
Der zweite Abschnitt kann in drei parallel aufgebaute Szenen aufgeteilt werden. In dem ersten Abschnitt sieht sich ein Großschuldner-Sklave mit dem König konfrontiert, da er dem König 10.000 Talente schuldig ist. Dies kann er allerdings nicht zurückzahlen. Der König zeigt Gnade und erlässt ihm seine volle Schuld (vgl. Mt 18,24-27). In der zweiten Szene wird der Sklave, der zuvor Schuldner war, zum Gläubiger gegenüber einem Mitsklaven, der ihm hundert Denare zurückzahlen muss. Der Gläubiger hat kein Mitleid mit ihm und wirft ihn ins Gefängnis (vgl. Mt 18,28-30). Diese Unmenschlichkeit bekommt der König mit und gibt dem Großschuldner-Sklaven seine Schuld zurück und lässt ihn foltern, weil er trotz der Gnade, die er erfahren hat, selbst keinen Schulderlass gewährte (vgl. Mt 18,31-34). In V. 32f. wird der Leser direkt angeredet. Hier zeigt sich der moralische Aspekt der ganzen Parabel (vgl. Mt 5,7). Für den Hörer und Leser findet zwischen den drei Szenen eine Dynamik statt, weil einerseits die Szenen aufeinander aufbauen und andererseits in jedem Teilabschnitt ein Rollenwechsel stattfindet, indem der Großschuldner-Sklave seinen Status vom Schuldner zum Gläubigen wechselt. Zudem bilden die erste und die letzte Königsszene einen Rahmen, da sich dieselben Personen gegenüberstehen und das Geschehen innerhalb des Palastes stattfindet. Im Gegensatz dazu spielt die Mitsklaven-Szene außerhalb und vertikal, da die beiden Protagonisten dieselbe gesellschaftliche Rolle einnehmen. In der ersten und zweiten Szene finden sich zusätzlich Parallelen zwischen den Gesten und Worten des jeweiligen Schuldners, der den Gläubiger bittet.[6] Allerdings ist die Reaktion jeweils eine andere, da einerseits die Freiheit geschenkt und andererseits genommen wird (vgl. Mt 18,27.30). Dagegen findet sich eine Übereinstimmung zwischen dem Ende der zweiten und der dritten Szene (vgl. Mt 18,30.34), aber gleichzeitig eine Antithetik zwischen V.27 und V. 34. Sowohl in dem zweiten, wie auch im dritten Abschnitt wird ein Urteil vollstreckt und das Geld muss zurückgezahlt werden, begleitet von einer emotionalen Reaktion. Zunächst ist der Sklave traurig und der König zornig, aber anschließend zeigt sich der Sklave gegenüber seinem Mitsklaven emotionslos. Es wird eine Imitatio der Verhaltensweise des Königs erwartet, die Erbarmen beinhaltet gegenüber dem Sklaven, wie es die Frömmigkeitsregel in Mt 6,1f. vorschreibt. Dies bleibt allerdings aus und die Barmherzigkeit des Königs schlägt wiederrum in Zorn um.
Durch diesen Aufbau und den vielen Wiederholungen der Wörter wird die Gesamtheit des Abschnittes deutlich. Es fällt auf, dass alle Verse mit einer Par- tizipialkonstruktion beginnen, außer V. 30, der die Worte ò δέ ούκ ηθελεν voranstellt. Dadurch wird die Besonderheit des Geschehens verdeutlicht, in das der Gläubiger seinem Schuldner nicht vergibt. Hier zeigt sich der Wendepunkt der Parabel.[7]
4.3. Auswertung
Der Schluss wird dem üblichen Wort ούτως eingeleitet (vgl. Mt 18,35).[8] In dieser Auswertung werden die Brüder, ergo die Gemeinde, angesprochen. Es wird ihnen gesagt, dass Gott so wie der König am Ende handeln wird, wenn die Menschen gegenseitig kein Mitleid zeigen. Das gnädige Handeln des himmlischen Vaters soll den Menschen deswegen als Grundsatz dienen (vgl. Lk 6,36). Der König wird im Alten Testament oft als Metapher für Gott verwendet (vgl. bspw. Jes 6,5; 41,816; 43,1-15). Mit dem moralischen Anspruch nimmt die Parabel eine Form von Gerichtsrede an. Dabei soll sich der Mensch am Herzen orientieren, was im Matthäusevangelium üblich ist für die Entscheidung von „Heil und Unheil des Menschen“[9] (vgl. bspw. Mt 6,21; 9,4). Auf das hier angesprochene Gottesbild wird im weiteren Verlauf genauer eingegangen werden.[10]
[...]
[1] Vgl. F. Schlösser, Gleichnisse Jesu, 112.
[2] Vgl. L. Bormann, Bibelkunde, 203.
[3] Vgl. W. Wiefel, Evangelium nach Matthäus, 329.
[4] Vgl. U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus, 68.
[5] H. Frankemölle, Matthäus, 266.
[6] Vgl. πεσων ούν ό δούλος προσεκύνει αύτω λέγων· μακροθύμησον επ’ έμοί, και πάντα αποδώσω σοι (Mt 18,26) mit πεσων ούν ό σύνδουλος αυτού παρεκάλει αυτόν λέγων· μακροθύμησον έπ’ έμοί, και αποδώσω σοι (Mt 18,29).
[7] Vgl. U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus, 66-73.
[8] Vgl. W. Wiefel, Evangelium nach Matthäus, 327.
[9] H. Frankemölle, Matthäus, 267.
[10] Vgl. U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus, 75.
- Arbeit zitieren
- Elisabeth Esch (Autor:in), 2013, Gott als brutaler Pädagoge im Gleichnis vom Schalksknecht Mt 18,23-35, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209949
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