Altar- und Retabelstiftungen im späten Mittelalter in Dortmund

Eine interdisziplinäre Betrachtung der Stiftungsgründe


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Kontext - Mittelalterliche Denkstrukturen
2.1 Der Aufstieg der Familie Berswordt

3. Das Retabel - Ein Spiegelbild des mittelalterlichen Glaubens
3.1. Die Funktion eines Retabels
3.2. Stiftungsgründe

4. Der Berswordt-Altar in der Marienkirche
4.1. Bildprogramm

5. Das Hochaltarretabel in der Stadtkirche Sankt Reinoldi
5.1. Bildprogramm

6. Fazit

7. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der folgenden Arbeit werden die Altar- und Retabelstiftungen in Dortmund Anfang des 15. Jahrhunderts thematisiert. Die Schwerpunkte dieser Arbeit liegen dabei auf dem Vorgang einer Altar- und Retabelstiftung sowie den Gründen für die Stifter eine solche Stiftung vorzunehmen. Unter dem Gesichtspunkt der Interdisziplinarität werden mit Hilfe von markanten Beispielen die Vorgänge und Gründe einer solchen Stiftung beleuchtet und analysiert. Stellvertretend für die Altar- und Retabelstifungen werden als Beispiele sowohl der Berswordt-Altar und der Marienaltar der evangelischen Marienkirche als auch der Hochaltar der evangelischen Stadtkirche Sankt Reinoldi inklusive ihrer Retabeln betrachtet. Zunächst müssen der historische Kontext Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts der Stadt Dortmund sowie Grundlagen und Strukturen des mittelalterlichen Denkens veranschaulicht werden. Der wirtschaftliche Aufschwung in Dortmund nach dem Ende der Großen Dortmunder Fehde 1388/1389 - der sich positiv auf viele Familien auswirkte -, die Maßgaben der mittelalterlichen Weltvorstellung und die Erhöhung der Bedeutsamkeit zur Jenseitsvorsorge sind hier besonders wichtig. Zusätzlich ist der Unterschied zwischen Retabel und Altar in manchen Fällen nicht ganz durchsichtig, sodass eine Definition vorab für Deutlichkeit sorgt. Die Funktionen eines Retabels werden zunächst allgemein, dann anhand des Berswordt-Altares und des Hochaltarretabels der St. Reinoldikirche erörtert. Hierzu wird recht ausführlich der Berswordt-Altar betrachtet, weil anhand des Berswordt-Altares viele Gründe für eine Stiftung eines Retabels, welche in dieser Arbeit im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, erschlossen werden können. Daran anknüpfend erfolgt ein Vergleich zu dem Hochaltarretabel, um die herausgearbeiteten Stiftungsgründe erneut zu belegen.

Vorab wird bereits im Rahmen des historischen Kontextes der für viele Dortmunder Familien stellvertretende Aufstieg der Familie Berswordt beleuchtet.
Dies schafft das notwendige Hintergrundwissen für die Stiftung des Berswordt-Altares.

Schlussendlich legt diese Seminararbeit den Anspruch auf die Beantwortung folgender Leitfrage: Waren Altar- und Retabelstiftungen in Dortmund zwischen dem Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts rein religiös motivierte Stiftungen? Dies wird, wie oben bereits genannt, anhand von prägnanten Beispielen beantwortet.

Die Quellenlage zu dieser Thematik ist leider sehr schlecht, weil viele Urkunden verloren gegangen sind. Wenige relevante Urkunden zur Stiftung des Kreuzalters in der Marienkirche wurden im Sammelband "Der Berswordt-Meister und die Dortmunder Malerei um 1400" veröffentlicht. Trotzdem ist es vor allem Thomas Schilp, Barbara Welzel und Andrea Zupancic gelungen, einzelne Vorgänge, im Falle des Berswordt-Altares sogar einen besonders genauen Stiftungsvorgang, zu rekonstruieren. Andrea Zupancic und Thomas Schilps ist es mit dem Sammelband "Der Berswordt-Meister und die Dortmunder Malerei um 1400" gelungen, Ausführungen über die Thematik des Berswordt-Altares von der Ikonographie und Bildgestaltung bis zum Sitftungsvorgang ausführlich und exakt darzustellen, sodass insbesondere der Stiftungsvorgang auch auf andere Stiftungen bezogen werden kann. Zusätzlich nimmt diese Arbeit Bezug auf die, von den bereits genannten Thomas Schilp und Barbara Welzel herausgegebenen, Bände des Reihentitels "Dortmunder Mittelalter Forschungen", die einen interdisziplinären Blick auf die Altar- und Retabelstiftungen des Mittelalters in Dortmund ermöglichen. Grundlegend für das Hochaltarretabel in der Kirche Sankt Reinoldi ist die ausführliche Dissertation "Das Flügelretabel auf dem Hochaltar der Dortmunder Kirche St. Reinoldi" von Evelyn Bertram-Neunzig. Alle hier genannten grundlegenden Werke stammen aus dem 21. Jahrhundert und stellen somit die neueste Forschung dar.

Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit in einem kurzen Fazit zusammengefasst.

2. Historischer Kontext - Mittelalterliche Denkstrukturen

Für das Verständnis der Stiftungsgründe ist es notwendig, den Beginn und die Hochzeit der Altar- und Retabelstiftungen im historischen Kontext zu erfassen. Dabei ist es vor allem wichtig, die Grundmuster des mittelalterlichen Denkens der Bürger in Bezug auf unter anderem den Tag des Jüngsten Gerichts und Jenseitsvorstellungen zu verstehen.

Die Menschen im Mittelalter wussten, dass sie am Tag des Jüngsten Gerichts vor den Weltenrichter treten müssen und dieser entscheiden würde, ob man in den Himmel oder in das Fegefeuer, der Durchgangsort um die jeweiligen Sünden zu büßen, kommen würde. Dieses Thema war für alle Menschen des Mittelalters relevant, da das Mittelalter von einem Selbstverständnis kontinuierlicher Sündhaftigkeit gekennzeichnet war und somit jegliche Handlung der göttlichen Bewertung unterlag. Dieser Umstand zwang die Menschen, sich Gedanken über die Jenseitsvorsorge zu machen. Das Jenseits war also eine reale Größe, das bedeutet, dass das Handeln im Diesseits die Bedingungen im Jenseits festlegte.

Das Ziel der Menschen war deshalb, einen Weg zu finden die Sünden abzutragen, um nicht oder nur für kurze Zeit ins Fegefeuer zu müssen. Im Diesseits geschah dies durch Armenfürsorge, die Feier der Eucharistie oder die Stiftung von ewigen Messen, die zur Bußleistung des Stifters und seiner Familie beitrugen. Nach dem Tod konnte dies natürlich nicht die Person selbst leisten, sondern der Empfang der Sakramente wurde durch einen Stellvertreter gewährleistet. Die Toten im Fegefeuer, die auch mit ihrem Tod Rechtssubjekte im Diesseits blieben und so beispielsweise Verträge abschließen konnten, waren auf die Hilfe der Menschen im Diesseits und deren Gebete, die eine Vergegenwärtigung der Toten im Diesseits schaffen, angewiesen. Außerdem kam die Memoria, das Totengedenken hinzu, die von der Vorstellung geleitet wurde, dass die Lebenden den Toten durch das Fürbittengebet dabei halfen die Schuld abzutragen und damit die Zeit im Fegefeuer zu verkürzen.[1]

In der Literatur ist immer wieder vom "Schatz im Himmelreich" die Rede. Das bedeutet, dass die Menschen schon frühzeitig dafür sorgen sollten, vor allem durch Stiftungen und Schenkungen, durch Armenfürsorge und durch Seelmessstiftungen einen Schatz anzuhäufen, der ihnen am Tag des Jüngsten Gerichts helfen würde, keine lange Zeit im Fegefeuer verweilen und ihre Sünden büßen zu müssen. Der "Schatz im Himmelreich" ist also eine Art Versicherung für das Seelenheil, die den Wohltätern ein ruhigeres Gewissen im Diesseits und eine kurze Zeit im Fegefeuer verschafft.[2]

2.1 Der Aufstieg der Familie Berswordt

Der Aufstieg der Familie Berswordt steht hier stellvertretend für den Aufstieg einiger weiterer Dortmunder Familien. Die erste Nennung eines Mitglieds der Familie Berswordt geht aus einer Dortmunder Urkunde von 1249 hervor, in der Lambert Berswordt als Zeuge genannt wird. Im Jahre 1263 taucht der Name Johannes de Area Apri, der lateinische Namen der Familie Berswordt, als Mitglied des Dortmunder Rates auf. Bis zum Jahr 1400 gab es weitere 32 Ratsherren der Familie Berswordt. In den Jahren 1382 bis 1410 war die Familie Berswordt, mit Ausnahme von 2 Jahren, ständig mit einem Mitglied im Dortmunder Rat vertreten, wie die Ratsverzeichnisse der Stadt belegen[3]. Die Familie Berswordt gehörte seit Mitte des 13. Jahrhunderts zu der politischen Führungsschicht der Stadt Dortmund. Dies kann mit dem Einsetzen der Schriftquellen, die ab Mitte des 13. Jahrhunderts vermehrt vorkamen, bezeugt werden.[4]

Die Entwicklung Dortmunds zur mächtigen Reichsstadt half auch der Familie Berswordt, die sowohl familiäre als auch wirtschaflichte Kontakte mit Großkaufleuten eingingen. Aufgrund wirtschaftlicher Erfolge der Berswordts ordnete man sie zu den reichen Patriziern Dortmunds, die bis zum 15. Jahrhundert ausschließlich im Rat der Stadt saßen. Die reichen Patrizierfamilien stellten von nun an die politische Führungsschicht Dortmunds. Die Rolle des Dortmunder Rates wurde zusätzlich durch die Ernennung Dortmunds zur Reichsstadt gestärkt.[5]

Parallel zu dem Beginn des Aufstiegs der Familie Berswordt in der Mitte des 13. Jahrhunderts, kam die neugewonnene Anatomie der Stadt Dortmund durch Verdrängung des alten Dortmunder Adels hinzu. Zwischen dem König, dem einzigen Stadtherrn, und den Vertretern der Bürgergemeinde gab es nun keine Instanz mehr. Die patrizischen Familien hatten so über Jahrhunderte, auch wegen des andauernden wirtschaftlichen Aufschwungs und wegen des damit verbundenen Wohlstands, die Regierungsverantwortung der Stadt inne und entwickelten sich so zur Elite Dortmunds.[6]

[...]


[1] WELZEL, Barbara: Bilder - Kontexte - Identitäten. Die Marienbilder des Conrad von Soest im spätmittelalterlichen Dortmund, in: Ders.; Thomas Schilp (Hrsgg.): Dortmund und Conrad von Soest im spätmittelalterlichen Europa, Bielefeld 2004 (Dortmunder Mittelalter-Forschungen 3), S. 310-313 (im Folgenden zitiert als: WELZEL: Bilder - Kontexte - Identitäten); ZUPANCIC, Andrea: Der Berswordt-Altar in der Dortmunder Marienkirche, in: Ders.; Thomas Schilp (Hrsgg.): Der Berswordt Meister und die Dortmunder Malerei um 1400. Stadtkultur im Spätmittelalter, Bielefeld 2002 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 18), S. 120. (im Folgenden zitiert als: ZUPANCIC: Berswordt-Altar).

[2] KLUG, Martina: Nicht nur ein Schatz im Himmelreich. Die Stiftungen und Schenkungen der Familie Berswordt, in: Andrea Zupancic; Thomas Schilp (Hrsgg.): Der Berswordt Meister und die Dortmunder Malerei um 1400. Stadtkultur im Spätmittelalter, Bielefeld 2002 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 18), S. 145ff. (im Folgenden zitiert als: KLUG: Himmelreich).

[3] Dortmunder Urkundenbuch, hrsg. und bearbeitet von Karl Rübel und Eduard Roese, Bd. 2, 1. Hälfte, Dortmund 1890, Urkunde 257; Dortmunder Urkundenbuch, hrsg. und bearbeitet von Karl Rübel, Bd. 2, 2. Hälfte, Dortmund 1894, Ukrunde 1060; Dortmunder Urkundenbuch, hrsg. und bearbeitet von Karl Rübel, Bd. 3, 1. Hälfte, Dortmund 1899, Urkunde 464.

[4] SCHILP, Thomas: Berswordt - eine Familie der Dortmunder Führungselite, in: Ders.; Andrea Zupancic (Hrsgg.): Der Berswordt Meister und die Dortmunder Malerei um 1400. Stadtkultur im Spätmittelalter, Bielefeld 2002 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 18), S. 139.

[5] KLUG, Martina: Die Berswordts: Mobilität und sozialer Aufstieg einer Familie der patrizischen Führungsschicht Dortmund, in: Matthias Ohm u.a. (Hrsgg.): Ferne Welten - Freie Stadt. Dortmund im Mittelalter, Bielefeld 2006, S. 95f. (im Folgenden zitiert als: KLUG: Die Berswordts). ZUPANCIC: Berswordt-Altar, S. 93f.

[6] ZUPANCIC: Berswordt-Altar, S. 94f.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Altar- und Retabelstiftungen im späten Mittelalter in Dortmund
Untertitel
Eine interdisziplinäre Betrachtung der Stiftungsgründe
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
21
Katalognummer
V209873
ISBN (eBook)
9783656374190
ISBN (Buch)
9783656375128
Dateigröße
567 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mittelalter, Retabel, Kunstgeschichte, Dortmund, Kirche, Berswordt, Stiftung, Memoria, St. Marienkirche, Sankt Reinoldi, Altar
Arbeit zitieren
Christoph Gwisdeck (Autor:in), 2012, Altar- und Retabelstiftungen im späten Mittelalter in Dortmund, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209873

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