Ebonics als Fremdsprache oder pädagogisches Problem

Die Diskussion nach der Oakland Resolution von 1996


Hausarbeit, 2002

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Der Begriff Ebonics

2. Das SEP

3. Die Oakland Ebonics Resolution
3.1 Die überarbeitete Fassung vom 12. Januar 1997

4. Stellungnahmen zum praktischen Einsatz von AAVE in amerikanischen Schulen
4.1 Hafeezah Adama Davia Dalji
4.2 Carrie Secret
4.3 Arthur Palacas
4.4 William J. Drummond
4.5 John Russel Rickford
4.6 John McWhorter

5. Schlusswort

A Quellen

0. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit ausgewählten Reak­tionen von Linguisten und Pädagogen, die auf die Oakland Ebonics Resolution von 1996 folgten. Sie möchte Ansätze zu Ebonics vor­stellen und klären, ob es sich bei den in der Resolution thema­tisierten Phänomenen im Bezug auf Ebonics um Probleme mit primär linguistischen oder pädagogischen Problemstellungen handelt, wenn es um schlechte Schulleistungen afro-amerikanischer Schüler geht. Die Entstehungsgeschichte von Ebonics als sprachliches System will die Hausarbeit nicht thematisieren.

Zunächst sollen die drei zentralen Begriffe zu diesem Themen­komplex erklärt werden um ein besserer Verständnis für die Dis­kus­sion zu bekommen: Ebonics, das Standard English Proficiency Pro­gam (SEP) und die Oakland Resolution.

Danach werden unterschiedliche Standpunkte zu der Ebonics-The­matik an Schulen vorgestellt. Ich habe mich fast ausschließlich auf afro-amerikanische Lehrer oder Hochschullehrer[1], zum größten Teil Linguisten, beschränkt, da ich der Meinung bin, dass Medien[2] oder Politiker eine zu generelle, simplifizierte Pro oder Kontra – Position beziehen, die häufig auch von rassischen oder rassistischen Vorur­teilen geprägt sind. Dem wissenschaftlichen Anspruch dieser Haus­arbeit können diese Meinungen nicht gerecht werden, denn sie ver­wässern zum Einen die Thematik politisch und zum Anderem emo­tionalisieren sie zu stark. In dieser Hausarbeit bin ich jedoch an lin­guistischen und pädagogischen Ansätzen interessiert. Dass diese je­doch auch von poli­tisch-ideologischer Meinung seitens ihrer jeweili­gen Verfasser ge­färbt sein können, liegt in der Natur der Sache.

Im Schlusswort werden diese Ansätze miteinander verglichen und disku­tiert.

1. Der Begriff Ebonics

Was in der heutigen Diskussion als Ebonics bekannt ist, hat viele Namen. Viele nennen es Black English, andere Black Dialect oder auch Pan-Afri­can Communication Behaviours, African Language Sy­stem oder African American Vernacular English (AAVE)[3]. Die ameri­kanischen Sklavenhalter bezeichneten es als gibberish und Re­verend Jesse Jackson als slang und gar­bage[4].

Alle Begriffe meinen das gleiche sprachliche Phänomen, für das der afro-ame­rika­nische Psychologe Dr. Robert L. Williams auf der Kon­ferenz „ Language of the Urban Child “ 1973 aus den Worten ebony und phonics den Begriff Ebonics kreierte, der von da an die Diskus­sion prägen sollte[5].Es ging hierbei um eine klare Abgrenzung zu dem Be­griff Standard Ameri­can English[6], den zum Beispiel der Begriff Black English nicht leisten kann. Hier liegt die Betonung zu sehr auf Eng­lish, die Ziel­setzung war es aber Ebonics als autonomes sprach­liches System herauszuheben.

So gibt es viele afro-zentrische Thesen über die Wurzeln von Ebo­nics[7]. Es wird als eine afrikanische Sprache aus dem Niger oder Kongo[8] mit afrikanischer Grammatik und einigen englischen Wörtern bezeichnet. Ein Lehrer aus Oakland titulierte es sogar als ori­ginäres Kisuaheli[9].

Die Betonung liegt generell darauf, das AAVE nicht primär aus dem SAE er­wachsen ist, wie zum Beispiel der afro-amerikanische Linguist William La­bov[10] behauptet. Labov bezeichnet AAVE als „single sy­stem“[11],also sprachlich unabhängig vom SAE. Dies be­gründet er mit der mangelnden sprachlichen Kompetenz der afro-ameri­kanischen Sprecher im SAE.

Andere Linguisten wie Arthur L. Palacas zitieren äußerst fragwürdige Quellen wie den deutschen Afrikanisten und Linguisten Carl Ludwig Meinolf(*1879 -†1944), der seine Begründung warum „Negro-Eng­lish“[12] nichts mit Indo-germanischen Sprachen gemein habe, m. E. vor einem deutsch-völ­ki­schem Hintergrund[13] sah, nicht aber im Sinne der afro-amerikanischen Linguistik.

Der afro-amerikanische Linguist Ernie Smith ist ebenso dieser Mei­nung, den es gäbe “no empirical evidence that English is even the base from which Black English derives.“[14] Er geht sogar noch weiter: „If Ebonics is not a language, then neither English is.“[15] Da SAE germanische und französische Wurzeln hat, dürfte es auf Grundlage dessen ebenso wenig als eigenständige Sprache bezeichnet werden wie AAVE, da englische Wurzeln und Lehnwörter hat.[16]

Sieht man sich jedoch einige Charakteristika von AAVE an, die als ver­meint­liche Indikatoren für die Fremdheit von AAVE gegenüber SAE in Frage kommen könnten, sieht man zwar Unterschiede, kann aber einen kausa­len Zusammenhang zum SAE nicht abstreiten. Zwar gibt es den 3rd –person marker nicht (she go , Peter house, the boy house) und auch das Past Tense im Gegensatz zum SAE wird nicht abgegrenzt (yesterday she go). Lexikalisch gibt es einige Ab­weich­ungen, und auch die Grammatik hat eine Struktur, die, im Ver­gleich zum SAE, reduziert ist.

Dies alles sind jedoch eher Anzeichen, die für und nicht gegen eine Verwandtschaft zum SAE sprechen. Dies belegt auch die andere Richtung der Forschung, die AAVE als ein Derivat aus Dialekten des amerika­nischen Südens und aus iri­schen Dia­lekten sieht.[17]

2. Das SEP

Das SEP[18] möchte auf AAVE spre­chende Schüler bei dem Erwerb von SAE unterstützend eingehen, in dem es den afrikanischen und afro-amerikanischen Hintergrund der Schüler respektiert und fördert. Zur Verdeutlichung ein Auszug aus dem SEP-Programm, den ich kommentieren möchte:

The teacher must provide as realistic a context for language ex­peri­en­ces as possible, using materials from the child’s culture

Hiermit sind zum Beispiel Reader in AAVE oder auch Musik in AAVE ge­meint.

„Acceptance and appreciation of one’s native language and culture en­hances second language learning.“

Afro-amerikanische Schüler dürfen AAVE in der Schule benutzen und sollen auch gelobt werden, wenn Sie Fragen die in SAE gestellt werden, in AAVE beantworten.

„The history of the social isolation ( de facto and de jure ) of Africans in diaspora has served to preserve African Language patterns of speech“.

Hiermit wird zum einem der moralische Anspruch heutiger Afro-Ame­rikaner als legitime Nachfolger der Sklaven in den USA unter­mauert, zum anderen die sprachliche Herkunft des AAVE zum SAE abge­grenzt.

African-American Language is a complete, well ordered language sy­stem with rules for forming sounds, words, sentences and nonver­bal ele­ments.[19]

AAVE wird als gleichberechtigte Sprache definiert und nicht als Dia­lekt des SAE.

[...]


[1] Die Ausnahme bildet Arthur L. Palacas. Er ist Professor der Linguistik der University of Akron und ist der einzige nicht afro-amerikanische Linguist, der in dieser Hausarbeit zitiert wird.

[2] Zur Rolle der Medien in der Ebonics Debate: Perry Theresa . I `on Know Why They Be Trippin‘ : Reflections on the Ebonics Debate. In Perry, Theresa( Hrsg.)& Delpit, Lisa (Hrsg.). The Real Ebonics Debate; Boston, 1998,4 ff.

[3] African American Vernacular English

[4] Vgl. Fillmore, Charles J. A Linguist Looks at the Ebonics Debate. In: http://www.hartford-hwp.com/archives/45a/353.html am 10.02.2013

[5] vgl. PALACAS, Arthur L. Liberating American Ebonics from Euro-English.In: College English, Vol. 63, No. 3,326-352: Urbana(IL),2001,326.

[6] im Nachfolgenden als SAE bezeichnet

[7] im Nachfolgendem, außer in Zitaten und wenn kontextuell gebunden, als AAVE be­zeichnet, um eine Systematik in das mit vielen Namen bezeichnete Phänomen zu be­kommen und den Leser nicht zu verwirren. Vgl. Palacas,326.

[8] Vgl. The Oakland Ebonics Resolution (Volltext). In: Perry& Delpit, 143.Sowie Smith, Ernie . What is Black English ? What is Ebonics? In: Perry & Delpit,49.

[9] Vgl. Fillmore

[10] William Labov (*1927) ist Professor für Linguistik an der University of Pennsylvania

[11] Labov, William. Is BEV a Separate Linguistic System? in Language in the Inner City: Studies in the Black English vernacular. Philadelphia, 1972, 63. Zitiert bei PALACAS, 328.

[12] vgl. Meinhof, Carl. An Introduction to the Study of African Languages. New York, 1915.109. Zitiert bei PALACAS,337.

[13] zu Carl Meinhofs Bild der afrikanischen Sprachen im Vergleich zu den Sprachen der „Herrenrassen“ siehe auch Gikandi, Simon. Theory, Literature, and Moral Con­sideration s. In: Research in African Literatures .Vol. 32, No. 4. In: http://iupjournals.org/ral/ral32-4.html am 10.10.2002

[14] Smith, Ernie. What is Black English ? What is Ebonics? In: Perry & Delpit,50.

[15] Hardie, Raymond. Dialogue: Mary Hoover. Ebonics Insider. Stanford Magazine, March 1997. In: www.stanfordalumni.org/news/magazine/1997/marapr

/lsjournal/dialogue.html

[16] Unter anderem behauptet Ernie Smith auch, dass John McWhorter, der später auch in dieser Hausarbeit zitiert wird, an einem Hämatom im Gehirn leidet, das seine Sichtweise in Sachen Ebonics „vernebelt“, vgl. McWhorter, John H .. Losing the Race: Self-Sabotage In Black America. New York: Free Press 2000.192.

[17] vgl. McWhorter, John. Throwing Money At An Allusion. Januar 1997.
In: http://amercult.berkely.edu/ARCHIVE/EBON/mcworther.html, am 02.10.2002.

[18] Das SEP wird seit 1982 an einigen Schulen, nicht flächendeckend, in den USA angewandt.

[19] Perry& Delpit, 155.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Ebonics als Fremdsprache oder pädagogisches Problem
Untertitel
Die Diskussion nach der Oakland Resolution von 1996
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Veranstaltung
Seminar The African-American Experience in ther 20th Century
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V209547
ISBN (eBook)
9783656373025
ISBN (Buch)
9783656373247
Dateigröße
621 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ebonics, fremdsprache, problem, diskussion, oakland, resolution
Arbeit zitieren
M. A. Manoucher Thomas Shareghi-Boroujeni (Autor:in), 2002, Ebonics als Fremdsprache oder pädagogisches Problem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209547

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