Jeremy Waldrons Kritik an Will Kymlickas „Liberalism, Community and Culture”


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

18 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einführung in die Theorien Jeremy Waldrons und Will Kymlickas
2.1 Jeremy Waldrons „kosmopolitische Alternative“
2.2 Will Kymlickas Multikulturalismus

3. Jeremy Waldrons Kritik an Will Kymlickas „Liberalism, Community, and Culture”

4. Fazit

5. Bibliographie

1. Einleitung

Ist die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur ein menschliches Grundbedürfnis oder kann der Mensch frei aus den Gütern und Ideen verschiedener Kulturen wählen? Jeremy Waldron entwirft in seinem Aufsatz „The Cosmopolitan Alternative“ einen Weltbürger, der verschiedenen kulturellen Einflüssen ausgesetzt ist und sich gerade darin wiederfindet. Obgleich sie sich nicht direkt ausschließen, stellt Waldron seinen kosmopolitischen Entwurf dem Kommunitarismus gegenüber. Exemplarisch für die Fraktion der Kommunitaristen kritisiert Waldron Will Kymlickas Standpunkt in dessen Werk „Liberalism, Community, and Culture“. Die Tatsache, dass Kymlicka sich selbst als Multikulturalist und nicht als Kommunitarist bezeichnen würde, lässt Waldron weitgehend außer Acht. Zwar bezeichnet er Kymlicka nicht ausdrücklich als Kommunitaristen, allerdings wirft er ihm dieselben Kritikpunkte vor wie zuvor den Kommunitaristen im Allgemeinen.

Zunächst soll diese Hausarbeit eine Einführung in die Positionen Waldrons und Kymlickas geben. Auf dieser Basis wird die Kritik Waldrons an Kymlicka nachvollzogen. Gleichzeitig soll sie mit Kymlickas Position abgeglichen werden. Ziel der Untersuchung soll sein herauszufinden, ob und inwieweit die Kritik in der vorliegenden Form berechtigt ist. Dabei wird deutlich werden, dass Kymlicka viele Positionen nicht so vertritt, wie Waldron es interpretiert.

Die Schwerpunkte der Untersuchung werden zum Einen die Bedeutung von Kultur für den Menschen und zum Anderen die Frage sein, ob Kulturen geschützt werden sollten.

Abschließend sollen die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst werden. Hier ist außerdem Platz für Kritik sowohl an Kymlickas Position als auch an Waldrons.

2. Einführung in die Theorien Jeremy Waldrons und Will Kymlickas

2.1 Jeremy Waldrons „kosmopolitische Alternative“

Jeremy Waldrons Ideal ist das des Weltbürgers. Der Kosmopolit ist für ihn ein Mensch, der verschiedensten kulturellen Einflüssen ausgesetzt ist und sich dessen nicht nur bewusst ist, sondern auch gerne in diesem Zustand lebt.

„Though he may live in San Francisco and be of irish ancestry, he does not take his identity to be compromised when he learns spanish, eats Chinese, wears clothes made in Korea, listens to arias by Verdi sung by a Maori princess on Japanese equipment, follows Ukrainian politics, and practices Buddhist meditation techniques. He is a creature of modernity, conscious of living in a mixed-up World and having a mixed-up self."[1]

Er bedient sich bei dem Entwurf seines kosmopolitischen Menschen bei Salman Rushdie, der für ihn der Inbegriff des Weltbürgers zu sein scheint.[2] Seine „kosmopolitische Alternative“ stellt er dem Kommunitarismus gegenüber. Sein Verständnis von Kommuni-tarismus sieht den unbedingten Schutz jeder einzelnen Kultur vor. Exemplarisch für diese Position kritisiert Waldron explizit Will Kymlicka[3].

Entscheidend für Waldrons Theorie ist, dass die Zugehörigkeit zu einer Kultur für ihn keine menschliche Notwendigkeit darstellt. Zwar ist der Mensch auf kulturelles Gut angewiesen, um daraus seine moralischen Vorstellungen und Überzeugungen zu bilden, jedoch braucht er die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur dazu keineswegs. Das kulturelle Gut, aus dem er seine Überzeugungen und Handlungsoptionen generiert, muss nicht aus einer bestimmten Kultur kommen. Der Rezipient kann vielmehr aus verschiedenen Kulturen die Ideen und Überzeugungen auswählen, die ihm am erstrebenswertesten scheinen.[4]

Anders als Kymlicka, MacIntyre oder Taylor[5], misst Waldron der Zugehörigkeit zu einer Kultur also keinen intrinsischen Wert bei. Vielmehr betrachtet er diese Zugehörigkeit als eine der Optionen, die dem Menschen offen stehen. Natürlich kann sich auch der Kosmopolit im Prinzip für die Zugehörigkeit zu einer einzigen Kultur entscheiden. Aber das ist für ihn kein historischer Prozess, oder ein Zustand, in den er hineingewachsen ist, sondern vielmehr eine freie Entscheidung.

Den Schutz kultureller Minderheiten sieht Kymlicka als unauthentisch und künstlich an, da dies seiner Meinung nach der Versuch sei, eine Momentaufnahme einer Kultur zum einzig authentischen Zustand zu erklären. Gleichzeitig wäre es notwendig, diese Kultur von allen Einflüssen der Außenwelt abzuschirmen, wenn der momentane Ist-Zustand erhalten werden solle. Allerdings gehöre es zum Wesen von Kultur, dass sie wachse und sich anpasse – oder eben auch verkümmere.

Der Konsequenz, dass die Überzeugungen eines Idividuums, das frei aus dem Kulturgut aller möglichen Kulturen wählen kann, nicht homogen sind, ist sich Waldron bewusst. Widersprüche in der Persönlichkeit sind seiner Meinung nach zulässig, allerdings brauchen die verschiedenen Überzeugungen eine Art Management. Das hierarchische Selbst-Management schließt Waldron zunächst aus:

„Either he must embrace the ethereal self of liberal deontology – the self that chooses but is not identified with any of its choices: or he must admit that the self can have a substantial character of its own, a character essential to its identity. If he chooses the former, he gives a wholly unrealistic account of choice; for on what basis can this ghost choose if it is has no values, commitments, of projects of its own? If […] he opts for the picture of a self with a substantial essence in order to avoid the imputed shallowness of the former conception, then cosmopolitanism begins to look unsatisfactory. For now the self must have not just cultural characteristics in all their plurality and variety, but a distinct character, and it has not been proven that the cosmopolitan mode of engaging with the world can provide that.”[6]

Anschließend entwirft er ein Modell „of the democratic self-government of a pluralistic population“[7]. Diese „Selbstverwaltung“ sei organisiert wie eine Gruppe von Freunden, die zusammen leben und arbeiten. Keiner der Freunde werde über den anderen stehen und jeder bringe seine Eigenarten in die gemeinsame Arbeit ein. Die Freunde könnten dabei in manchen Punkten unterschiedlicher Meinung sein. Ebenso funktioniert auch Waldrons „Ich“. Es gibt keine hierarchische Verwaltung von oben, sondern nur ein Einbringen verschiedener Stärken, Schwächen und Überzeugungen. Diese können sich gelegentlich widersprechen, wodurch innere Widersprüche entstehen.[8] Dies stelle kein Problem dar.

2.2 Will Kymlickas „Multikulturalismus“

Für Will Kymlicka ist die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur dagegen von existenzieller Bedeutung. Kymlicka legt seinen Gedanken über das menschliche Streben die Rawls’schen Grundbedürfnisse[9] zugrunde.[10] Sein Ziel ist es, zu beweisen, dass auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur zu diesen Grundbedürfnissen zählt. Dies scheint ihm zu gelingen: Nach Rawls sind alle sozialen Werte gleichmäßig zu verteilen. Zu diesen Werten gehören auch die „Grundlagen der Selbstachtung“[11]. Ein wichtiges Kriterium für die menschliche Selbstachtung ist wiederum die Sinnhaftigkeit. Nur ein Mensch, der einer sinnvollen Beschäftigung nachgeht, wird sich auch selbst achten. Kymlicka zufolge ist es nur möglich, sein Handeln sinnvoll zu gestalten, wenn dies in einem bestimmten Rahmen geschieht, der den Handlungen eine Relation gibt. Diesen Rahmen kann nur die Kultur bieten.

„What follows from this? Liberals should be concerned with the fate of cultural structures, not because they have some moral status of their own, but because it’s only through having a rich and secure structure that people can become aware, in a vivid way, of the options available to them, and intelligently examine their value.”[12]

[...]


[1] Waldron, Jeremy (1992), S. 95.

[2] Vgl. ebd., S. 93, 113.

[3] Waldron bezeichnet Kymlicka zwar nicht ausdrücklich als Kommunitarist. Allerdings vergleicht er ihn wiederholt mit bekannten Kommunitaristen und wirft ihm darüber hinaus dieselben Kritikpunkte vor, wie zuvor den Kommunitaristen. Kymlicka selbst sieht sich nicht als Kommunitarist, er vertritt einen multikulturalistischen Ansatz.

[4] Waldrons Umgang mit Kultur wird häufig als „Supermarkt-Modell“ bezeichnet, da das Individuum sich Kulturgüter nach dieser Theorie auswählen kann, wie Waren im Supermarkt.

[5] Vgl. Kymlicka, Will, Liberalism, Community, and Culture; MacIntyre, Alasdair, After Virtue: A Study in Moral Theory; Taylor, Charles, Atomism, in: 2 Philosophical Papers: Philosophy and the Human Sciences.

[6] Waldron (1992), S. 111 f..

[7] Ebd., S. 112.

[8] Siehe ebd.

[9] Rawls (1979), S. 83.

[10] Kymlicka (1989), S. 162 f..

[11] Rawls (1979), S. 83.

[12] Kymlicka (1989), S. 165.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Jeremy Waldrons Kritik an Will Kymlickas „Liberalism, Community and Culture”
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1
Autor
Jahr
2010
Seiten
18
Katalognummer
V209395
ISBN (eBook)
9783656370796
ISBN (Buch)
9783656370925
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Waldron, Kymlicka, Liberalismus, Staatstheorie
Arbeit zitieren
Sophie Pahl (Autor:in), 2010, Jeremy Waldrons Kritik an Will Kymlickas „Liberalism, Community and Culture”, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209395

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