Die völva und ihre Bedeutung in der Völuspá


Hausarbeit, 2011

13 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Forschungsstand und Terminologie

3 Techniken der Weissagung
3.1 Seiðr undútiseta
3.2 Traumdeutungen, Visionen und andere Weissagungstechniken

4 Die völva als zukunftskundige Figur
4.1 Exkurs: Die drei völur nach Dronke

5 Die Völuspá
5.1 Über das Gedicht
5.2 Inhalt

6 Die völva in der Völuspá
6.1 Techniken und Arbeitsweise der völva
6.2 Die Bedeutung und Funktion der völva

7 Vergleich mit anderen eddischen Gedichten
7.1 Baldrs draumar
7.2 Hyndluljóð
7.3 Grípisspá

8 Fazit

9 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Weissagungen sind schon seit jeher von besonderer Bedeutung für die Menschheit, denn ein jeder strebt danach, der Zukunft kundig sein zu können. Im Grunde haben sich die Motivationen, aus denen heraus Prophezeiungen gewünscht werden, im Gegensatz zu früher kaum geändert. Auch heute will der Bauer wissen, wie das Wetter wird, um den Zeitpunkt der Ernte exakt bestimmen zu können, Börsenspekulanten wüssten gern, zu genau welchem Zeitpunkt sie Aktien an- oder verkaufen müssen, um den größtmöglichen Profit zu machen und fast jeder wüsste gern sein persönliches Schicksal.

Früher, im Altnordischen, gab es neben einigen anderen zukunftskundigen Figuren die völva, eine Seherin, die der Zukunft kundig war und auf Verlangen zutreffende Prophezeiungen aussprechen konnte. Heute wissen wir über die völva nur noch sehr wenig, da das Gebiet der Weissagungen im Altnordischen nur wenig erforscht ist und die einzigen Quellen darüber einige Sagas und eddische Gedichte sind.

In der vorliegenden Arbeit werde ich zunächst kurz auf die Techniken der Weissagung eingehen, dann die völva als zukunftskundige Figur der altnordischen Zeit vorstellen und mich im weiteren Verlauf möglichst detailliert der Funktion der völva in dem eddischen Gedicht Völuspá widmen.

Im letzten Teil werde ich die völva der Völuspá mit den völur oder anderen zukunftskundigen Figuren anderer eddischer Gedichte vergleichen.

Diese Arbeit stützt sich auf den Originaltext der Völuspá nach Neckel / Kuhn sowie auf die deutsche Fassung der Völuspá nach Arnulf Krause aus dem Reclam Verlag, daneben habe ich hauptsächlich in Simone Horsts Merlin und die völva, in Ursula Dronkes Kommentar The Poetic Edda sowie in Judy Quinns Dialogue with a v ǫ lva: V ǫ luspá , Baldrs draumar and Hyndlulj óð nachgeschlagen.

2 Forschungsstand und Terminologie

Das Thema Weissagungen des Altnordischen gehört noch zu den nicht sonderlich gründlich erforschten Themen der altnordischen Literatur. Eine erste bekannte Veröffentlichung stammt von Hugo Gering, der seine Antrittsrede als Rektor an der Uni Kiel über das Thema Weissagung und Zauber im nordischen Altertum im Jahr 1902 hielt. Im Mittelpunkt seiner Arbeit standen Toten- und Orakelbefragungen, die als Mittel der Vorhersage genutzt wurden.1 Auch Bernadine McCreesh und Judy Quinn haben sich mit dem Thema näher befasst. Beide untersuchen in ihren Arbeiten relativ detailliert die Figur der völva.2

Viele Begriffe der altnordischen Mythologie stehen mit dem Wort spá in Verbindung. Dieses Substantiv, oft in Komposita gebraucht, bedeutet „Weissagung, Prophezeiung“3, so bedeutet Völuspá „Die Weissagung der Seherin“. Mit dem Wort spá werden zudem zukunftskundige Personen bezeichnet: Eine Wahrsagerin oder Seherin ist eine spá kona. Der Ausdruck völva wird parallel zu diesen Begriffen genutzt.4 Seltener ist der Begriff spá maðr („Seher“). Auch Adjektive wie forspá r (zukunftskundig) oder spá r (prophezeiend) leiten sich von spá ab.

3 Techniken der Weissagung

3.1 Seiðr undútiseta

Der Begriff Seiðr findet zwar in vielen Sagas Verwendung, ist jedoch schwierig zu definieren. In der Eir í ks saga rauða, der Ö rvar Odds saga und dem Orms þá ttr wird seiðr als Zauberei in Verbindung mit einer Weissagung beschrieben. Die völva führt über Nacht einen Zauber aus, durch dessen Wirkung sie am kommenden Tag in der Lage ist, eine Vorhersage zu treffen.5 Daraus lässt sich eine vage Definition des seiðr ableiten: Seiðr bezeichnet eine Technik, mit deren Hilfe Wissen über die Zukunft erlangt oder die Ausgangssituation für künftige Ereignisse geändert werden kann.6

In seinem Aufsatz Sejd. Textstudier I nordisk Religionshistorier unterscheidet Dag Strömbäck weißen von schwarzem seiðr; weißer seiðr bedeutet Zukunftsbefragung durch eine völva, wohingegen schwarzer seiðr die Zukunft aktiv beeinflusst.7

Seiðr wird meist vor Publikum ausgeführt, dauert einige Zeit und die Zukunftskundige nutzt einen Stab (seiðstafr), dessen Funktion weitestgehend unbekannt ist.

Beimútiseta sitzt der Ausführende nachts draußen und tritt mit Geistern in Kontakt. Es wird unterschieden zwischen der aktiven (Beschwörung) und der passiven Form (Beobachtung).8 Laut norwegischer Gesetztestexte und der isländischen Há konarbók stehen die Ausführung von Zauber und Zukunftsschau sowie das Anhören solcher unter Strafe.9

3.2 Traumdeutungen, Visionen und andere Weissagungstechniken

Traumdeutungen und Visionen sind häufige Weissagungsformen der Sagaliteratur.10 Die Deutung wird von einem erfahrenen Traumdeuter, der die Gabe von Geburt an besitzt, ausgeführt. Beide Techniken sind sehr ähnlich und die Voraussetzung für den Glauben an die Erfüllung ist, dass das Schicksal als vorherbestimmt und unveränderbar angesehen wird. Weiterhin kann anhand von Losen, die von weisen Männern geworfen werden, die Zukunft vorhergesehen werden.11 In einigen Sagas wird dazu ein menschliches Opfer verlangt. Auch durch Tiere12, Naturphänomene oder Runenritzungen13 wird die Zukunft vorhergesehen.

4 Die völva als zukunftskundige Figur

Die völva ist die bekannteste zukunftskundige Figur im Altnordischen.14 Zur Wortherkunft gibt es mehrere Theorien, die wahrscheinlichsten sind folgende: Entweder entstammt der Begriff dem altnordischen Ausdruck völr, der „runder Stab“ bedeutet; dieser ist der wichtigste Ausrüstungsgegenstand der Seherin.15 Oder es kommt von der indogermanischen Wurzel *ṷolo/*ṷel, was „kreisförmige Bewegung“ bzw. „schützender/abgeschlossener Ort“ bedeutet; die völva wäre somit die Versteckte, was aufgrund ihrer zurückgezogenen Art zu leben logisch zu sein scheint.16

Die Identität der völva ist nicht geklärt: Sie erzählt, dass sie von Riesen aufgezogen worden ist, gibt jedoch weder einen Hinweis auf ihre Identität (ist sie Riesin, Mensch oder doch etwas anderes?) noch auf ihr Alter bzw. ihre Erscheinung (lebt sie noch oder ist sie von den Toten geweckt worden?).17 Judy Quinn schreibt in einem ihrer Essays, dass die völva bereits tot, aber noch ansprechbar ist.18 Damit sind völur praktisch unsterblich.19 Preben M. Sørensen stützt die These, indem er sagt, dass die völva älter ist als alles andere, sie ist zeitlos und gehört damit zur mythischen Welt, ist also praktisch aus einer anderen Welt.20

In der Eir í ks saga rauða tritt die spá kona Þ orbjörg auf, die ihre Weissagung erst nach einem guten Essen und Schlaf ausführt, begleitend werden Gesänge von einer liederkundigen Frau gesungen.21 In der Ö rvar Odds saga zaubert Heiðr nachts, sodass sie am nächsten Morgen vorhersagen kann. Im Orms þá ttr trifft die völva ihre Weissagungen direkt nach einem gemeinsamen Essen. In diesen Sagas werden die völur neutral bis positiv beschrieben, da die Protagonisten positive Antworten bekamen; ansonsten sind völur oft negativ behaftet, „diesen Wesen solle man nicht trauen“ (Há vamá l).22

Das Motiv der völva ist, bis auf wenige Ausnahmen, schlicht Profit. Dafür liefert sie Qualität: Ihre Weissagungen sind verbindlich, sie werden immer zutreffen, ein Ausweichen ist nicht möglich. Auch ein Anschwindeln der völva ist niemandem möglich.23 Ist die Vorhersage einmal getroffen, kann die völva sie auch nicht mehr verschweigen, sie muss sie den „Kunden“ mitteilen.24 Sobald sie das Schicksal eines Menschen kennt, ist es ihr nicht möglich, dieses der betreffenden Person zu verschweigen.25

Die mythische völva ist den irdischen völur der Sagas sehr ähnlich, wobei sich auch eine gewisse Nähe zu den Riesinnen zeigt, wie zum Beispiel bei der völva der Völuspá und der in Baldrs draumar. Auch scheinen sie zwar eng mit Zauberern verbunden zu sein, werden aber dennoch weniger mit Zauberei in Verbindung gebracht.26

Neben zukunftskundigen Frauen gibt es weissagende Männer, Sterbende und Tote. Allerdings gibt es nur wenige Textstellen mit diesen Figuren, ihre Fähigkeiten der Vorhersage sind oft stark begrenzt und vor allem galten weissagende Männer als unmännlich, da sie das Handwerk, das traditionell den Frauen vorbehalten war, ausübten.27 Daher können diese Seher hier vernachlässigt werden.

[...]


1 Horst 2010, S. 5.

2 Horst 2010, S. 6.

3 Horst 2010, S. 10.

4 Horst 2010, S. 13.

5 Horst 2010, S. 61.

6 Horst 2010, S. 62.

7 Horst 2010, S. 62.

8 Horst 2010, S. 66.

9 Horst 2010, S. 67.

10 Horst 2010, S. 78.

11 Horst 2010, S. 92.

12 Horst 2010, S. 97.

13 Horst 2010, S. 101f.

14 Horst 2010, S. 30.

15 Horst 2010, S. 30.

16 Horst 2010, S. 31.

17 Dronke 1997, S. 31.

18 Quinn, 2002, S. 257.

19 Quinn, 2002, S. 261.

20 Meulengracht 2001, S. 35.

21 Horst 2010, S. 32.

22 Horst 2010, S. 34.

23 Johansson 1992, S. 100.

24 Horst 2010, S. 36ff.

25 Horst 2010, S. 41.

26 Horst 2010, S. 43ff.

27 Meulengracht 2001, S. 35.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die völva und ihre Bedeutung in der Völuspá
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Nordisches Institut)
Note
3,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
13
Katalognummer
V209236
ISBN (eBook)
9783656371373
ISBN (Buch)
9783656371892
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutung, völuspá
Arbeit zitieren
Marina Schauer (Autor:in), 2011, Die völva und ihre Bedeutung in der Völuspá, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209236

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