Bildung, Subjekt und Konsumismus in Außerschulischer Jugendarbeit


Hausarbeit, 2012

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Bildung, Macht, Zukunft

2. Jugendarbeit, Macht, Bildung

3. Jugend, Konsum, Konsumismus

4. Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

„Just do it“ – dieser griffige Werbeslogan eines großen amerikanischen Sportartikelherstellers brachte es bereits vor über 20 Jahren auf den Punkt: „Dann mach halt einfach!“ (Wagner 2008). Der Slogan ist bis heute ein in der Werbung gebrauchter Inhalt und eine Botschaft zugleich. Kauf, dann bist du dabei! Er entfaltet seine „lebensökonomische“ (ebd.) Funktion und Wirkung im Hinblick auf Lebensentwürfe Jugendlicher in Zeiten globalisierter und pluralisierter gesellschaftlicher Bedingungen bis heute und mehr denn je.

Der Slogan transportiert insbesondere für junge Menschen ein Anerkennungsversprechen, dass machtförmige Leistungs- und Konformitätsbestrebungen westlich-kapitalistischer Gesellschaften im Hinblick auf die nachwachsende Generation in Form der Anerkennung in der Peer-Group und gegenüber der Erwachsenenwelt pointiert. Denn die Lebensphase Jugend ist heute weitreichend bis in jedes Detail kommerzialisiert. Konsum ist, das ist die These, die zentrale soziale, strukturelle, kulturelle und ethisch-wertförmige Folie vor der sich das Aufwachsen von Kindern, Mädchen_Jungen und Jugendlichen abspielt. Diese lässt sich so im Anschluss an Zygmunt Bauman mit dem Begriff des „Konsumismus“ beschreiben (vgl. Bauman 2009: 37-70). Was früher moralische, religiöse oder ideelle Entscheidungshilfen der zentralen Handlungsfelder jugendlichen Alltags waren, ist heute an den Markt delegiert (vgl. Krug/Tully 2010: 59). Fragen der Teilhabebefähigung Jugendlicher werden so zu monetär ausgestalteten Fragen der sozialen Ausgrenzung und Verhinderung von Teilhabe.

Konnotiert sind diese Entwicklungen durch die prominente Figur des Bildungsbegriffs in der allgemeinen politischen, sozial- sowie erziehungswissenschaftlichen Diskussion und mithin in der außerschulischen Jugendarbeit, zu der es jedoch nur wenige kritische Positionen gibt (vgl. Coelen/Gusinde 2011: 9). Bildung wird nicht zuletzt durch Jugendliche selbst aus Erfahrungen der Segregation und Ungleichheit in der Konsumgesellschaft als Anspruch formuliert und als Schlüssel zur Einmündung in ein gelingendes (sprich „erfolgreiches“) Erwachsenen(konsumenten)leben gesehen (vgl. Leven et al. 2011: 53-55). Der Begriff Bildung hat aktuell in der wissenschaftlichen Debatte weiter eine ambivalente Funktion. In der schulischen Verengung soll Bildung in ihrer formal gefassten Variante auch nonformale und informelle Settings bereitstellen. Im außerschulischen (Jugend-)Bildungsbereich zeigen sich häufig Formalisierungstendenzen hin zu einer Zertifizierbarkeit von Qualifikationen (vgl. Bracker 2011: 27f.).

Aus Sicht sozialpädagogischer (Aus-)Bildungsberufe, in denen es im Rahmen des KJHG um Bildung, Erziehung und Betreuung der Jugendlichen geht, wird deutlich, dass Konsum und Bildung Schlüsselthemen im Aufwachsen von Jugendlichen sind, die in diesen Ausbildungen nicht unterrepräsentiert thematisiert werden sollten.

Insbesondere wenn es um die Gestaltung einer zukünftig ressourcen-, generationen- und geschlechtergerecht gestalteten Welt in den Dimensionen Soziales, Kultur, Ökologie und Ökonomie geht (vgl. IJAB 2011: 4), ist dies für Erzieher_innen und Pädagog_innen in ihrer Funktion als Multiplikator_innen als professionelles und „integratives Wissen – Können – Tun“ im Kontext dieser Begrifflichkeiten eine „professionsbedeutsame Herausforderung“ (Karsten 2008: 2, 2003: 352). Dabei „Kritik“ zu entwickeln und zu argumentieren ist zunächst durchaus im foucaultschen Sinne als Praxis der Hinterfragung der Machteffekte von Wahrheit sowie Analyse der Macht auf ihre Wahrheitsdiskurse hin zu verstehen (vgl. Heite/Plümecke 2006: 104). Sie muss dann aber auch als ein Teil von Bildung gesehen werden, der sich die „Fähigkeit zu einer reflexiven Distanz“ bewahrt hat und der sich eindeutig affirmativen Unbildungstendenzen, wie sie Konrad Paul Liessmann unbildungstheoretisch begründet, entgegenstellen muss (vgl. Liessmann 2011, S. 174).

Die vorliegende Arbeit fragt dem folgend aus der Lehrendenperspektive in der Sozialpädagogik im Kontext sozialpädagogischer Ausbildungsberufe nach dem Beitrag, den außerschulische Jugendarbeit verstanden als Bildungsarbeit leisten kann, um Jugendlichen ein zukunftsgerechtes Handeln im Sinne ihres Wohlergehens und in ihren Rollen als Konsument_innen zu ermöglichen.

In dieser Perspektive tritt die vorliegende Arbeit vorrangig an, um einen erweiterten Blickwinkel abseits der Mainstreamdiskussion um nachhaltigen Konsum im Horizont des Begriffes des Konsumismus auszuloten und bezogen auf das Thema außerschulische Jugendarbeit zu beleuchten. Dies geschieht in der Intention, insbesondere die Begrifflichkeiten Bildung und außerschulische Jugendarbeit als Teil Sozialer Arbeit aus einer machtanalytischen Perspektive heraus zu beschreiben und im Anschluss daran auf Ermöglichungsbedingungen eines „kritischen“ Jugendkonsumverhaltens zu reflektieren. Was „Kritik“ im Kontext Sozialer Arbeit dabei genau meint, wird überdies ausblickend dargestellt. Insofern geht es hier auch um die vornehmlich theoretische und didaktische Grundlegung eines weiter auszuarbeitenden Bildungsarrangements für die außerschulische Jugendarbeit und weniger um die Diskussion aktueller Problemlagen der außerschulischen Jugendarbeit, die aber dennoch in aller gebotenen Kürze mit eingearbeitet wurden.

Um in der vorliegenden Arbeit einer sprachlichen Gendersensibilität gerecht zu werden, die mehr und andere Formen als die männliche und weibliche Schreibweise mit einem Binnen-I kennt, symbolisiert hier der Gebrauch des _ (Unterstrichs), „zwischen die Grenzen einer rigiden Geschlechterordnung gesetzt, […] die Verräumlichung des Unsichtbaren, die permanente Möglichkeit des Unmöglichen“ (Hermann 2003, vgl. auch Heite 2008: S. 8). Anschließend an die obige gendersensible Schreibweise soll hier durch „Gender-Denken, das Vielfältigkeit an die Stelle von dualer Konstitution, komplexe Möglichkeiten anstelle von polaren Sichtweisen und eine Perspektive auf egalitäre anstelle hierarchischer Vorannahmen“ (Karsten 2011a: 494 f.) möglich macht, als Arbeitsprogramm genauer als zwischen zwei Geschlechtern differenziert werden. Die Transitsexuelle „durchquert oder kreuzt den _ zwischen den Polen hegemonialer Geschlechtlichkeit …“ (Herrmann 2003). Dies macht möglich „in diesen Raum zu floaten und dort zu verweilen, sich die dort liegenden Geschlechtsmöglichkeiten zu Eigen zu machen…“ (ebd.). In der vorliegenden Arbeit ist dies symbolisiert durch den Unterstrich und ist so mitzudenken.

1. Bildung, Macht, Zukunft

Konzeptionen des Bildungsbegriffs rekurrieren in der allgemeinen erziehungswissenschaftlichen Diskussion zunächst meist auf das humanistische Bildungsideal Wilhelm von Humboldts, das sich mit Karin Bock im Wesentlichen auf zweifache Weise verdichten lässt:

„1. Bildung ist als Erweiterung der Weltansicht fassbar, genauer: als Prozess der an dauernden Welterweiterung, in dem das unerlässliche Medium die Sprache darstellt.
2. Und dieser Prozess ist ein ausschließlich subjektiver Prozess, mehr noch: Er kann nur ein subjektiver Prozess sein, der sich mindestens biographietheoretisch, wenn nicht gar identitätstheoretisch verorten ließe.“ (Bock 2008: 94)

In dieser Bildungsdefinition, in der Kurzformel „allgemeine Menschenbildung“ (ebd.), ist bereits damals angelegt, was im allgemeinen Diskurs der Jugendarbeit bis heute in breitem Konsens fortgeführt wird. Aus der Sprechposition der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAG LJÄ) wird das Bildungsverständnis in der Jugendarbeit dann wie folgt definiert: Bildung basiere auf der Freiwilligkeit der subjektiven Entscheidung und stehe in Verbindung mit Aspekten der Selbsttätigkeit, Selbstorganisation und Selbststeuerung. Bildung könne nicht erzwungen werden und ihre Ergebnisse seien nicht linear planbar. Prozesse der Bildung könnten deshalb nur angeregt, nicht aber in ihrem Verlauf oder ihren Ergebnissen vorherbestimmt werden. Damit sei Bildung ein offener, nichtaffirmativer Prozess, dessen Ausgang nicht vorgegeben werden kann; ein Reservoir an Möglichkeiten und Fähigkeiten (vgl. BAG LJÄ 2003: 4).

Dieser Bildungsbegriff ist systemtheoretisch-konstruktivistisch angelegt und führt in ergebnis- und prozessoffene didaktische Arrangements und Strukturmaximen in der Kinder- und Jugendarbeit, in denen Freiwilligkeit, Wertschätzung, Kooperation, Partizipation und Mitbestimmung, Lebenswelt und Alltagsorientierung Interaktionsgrundlage der Akteur_innen sind (vgl. Karsten 2008: 3). Wesentlich im Rahmen dieser Strukturmaximen ist zudem, Perspektiven und Argumentationen der Geschlechtergerechtigkeit und -vielfalt sowie antirassistische Denk- und Handlungsformen diagonal in die genannten Punkte einzuarbeiten (vgl. dazu auch ebd.). Zudem sind im Angesicht einer sich global wandelnden Welt, gerade auch hinsichtlich eines gestaltenden Umgangs mit dem Thema Konsum, Aspekte des globalen und interkulturellen Lernens, der ökologischen Bildung und der Friedenspädagogik mit zu bearbeiten (vgl. IJAB 2011: 4).

Die Strukturmaximen sind gleichsam auch als Grundlage der „doppelten Vermittlungspraxis“ (Krüger/Dittrich: 330) in sozialpädagogischen Berufen zu sehen, in der Erzieher_innen und Pädagog_innen als „ganze Person[en]“ in pädagogischen Prozessen involviert sind und nicht nur beispielsweise als Schüler_innen Adressat_innen pädagogischen Handelns der Fachschullehrer_innen sind, sondern auch selbst in Form des Berufsfeldbezuges die ganze Person ihrer Adressat_innen, die Mädchen_Jungen, Jugendlichen betreffenden Sozialisationsprozesse auslösen (vgl. Karsten 2003: 362).

Eine solche dargestellte Formulierung von Bildung in der Verdichtung sozialpädagogischen Denkens ist sinnvoll und sinnstiftend. Im Kontext des hier zu diskutierenden Themas geht es aber darum, einen Bildungsbegriff zu argumentieren, der aufschließbar ist in den „Entgrenzungen der zweiten Moderne“ (Thiersch 2011: 171), der es möglich macht eine (Bildungs-)Zukunft für Jugendliche zu denken, in der diese selbstbestimmt und selbstregiert (vgl. Foucault 1992) ihr Leben gestalten.

Mit Hans Thiersch wird das „Projekt Bildung“ in seiner „kritischen Widerstandsfähigkeit“ immer mehr zurückgenommen und wird in seinen ursprünglichen Intentionen nun in der Ordnung des „Primat[s] der Ökonomie“ und im Auftrag neoliberaler und neokonservativer Politiken enteignet und umgedeutet (vgl. Thiersch 2011: 171). Hier geht es dann schnell in der Semantik einer Kompetenzdebatte um die Ausbildung von „Humankapital“ und um Selbstbildung, verstanden als Verantwortung des Menschen für seine Leistungsfähigkeit, als gekonnte Selbstdarstellung in einer beherrschbaren und beherrschten globalisierten Welt (vgl. ebd.). Ricken weist darauf hin, dass Stichworte wie ‘Globalisierung’, ‘Rohstoffarmut’, ‘Humankapital’ und ‘Bildungsstandort Deutschland’ ein inzwischen vielfach von sozialer Abstiegsangst und Exklusionsdrohung geprägtes Zukunftsszenario umreißen. Diese Begriffe sensibilisieren für eine überwiegend ökonomische Lesart der weithin geteilten Diagnose: ‚Deutschland sei kein Bildungsland mehr‘ (Ricken 2006: 11).

Die Konstruktion dieses Szenarios kann genealogisch, also in einer historischen Kontingenz und Genese, als Sorge um den Verfall vernunfttheoretischer Subjektkonzeptionen, gefasst werden. Dies stellt eine neo-soziale und aktivierungspolitische Wendung der aus der europäischen Aufklärung hervorgegangen Figur des „autonomen Subjekts“ dar, nach der das Ziel jeglicher Bildungsbemühungen die subjektive Selbstführung ist (vgl. Kessl 2005: 10).

Programme zur Aktivierung subjektiver Lebensgestaltungsverantwortung schließen mit Fabian Kessl semantisch fast bruchlos an vernunfttheoretische Selbstführungsprogramme an (ebd.: 11). Mehr noch: neo-soziale Strategien würden Freiheitsversprechungen an die Bürger_innen in bisher ungekannter Weise geben, wenn auch mit sehr spezifischen Konnotationen. Das einzelne (individuelle wie kollektive) Subjekt werde für Voraussetzungen wie Folgen des eigenen Handelns allein verantwortlich erklärt. Macht und Herrschaftszusammenhänge, die sich für Nutzer_innen Sozialer Arbeit häufig als eine Destabilisierung von Lebenslagen, als Beschränkung sozialer Teilhabemöglichkeiten oder als Prozess symbolischer Einschließung darstellten, blieben so systematisch unberücksichtigt (ebd.). Böhnisch spricht diesen Punkt aufgreifend von einer „Sinnverkehrungsthese“ der Sozialen Arbeit, in der die neo-soziale Position Sozialpolitik und Soziale Arbeit als Ursache von Elend und Armut diffamiert. Demnach werde die Würde von hilfebedürftigen Menschen in ihrer Selbstzuständigkeit für sich in ihren Verhältnissen, in der für die Soziale Arbeit charakteristischen Antinomie der Hilfe und Kontrolle (vgl. Oevermann 2009: 117, Heite 2008: 107), untergraben und zugleich würden die Freiheits- und Gestaltungsräume des Staates belastet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Bildung, Subjekt und Konsumismus in Außerschulischer Jugendarbeit
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg  (Institut für Sozialpädagogik)
Veranstaltung
Sozialpädagogische Handlungsfelder: Außerschulische Jugendarbeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
28
Katalognummer
V209172
ISBN (eBook)
9783656370567
ISBN (Buch)
9783656371038
Dateigröße
674 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bildung, subjekt, konsumismus, außerschulischer, jugendarbeit
Arbeit zitieren
Ole Norhausen (Autor:in), 2012, Bildung, Subjekt und Konsumismus in Außerschulischer Jugendarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209172

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