Entwicklung eines Konzepts zur Verbesserung des Leseverstehens chinesischer Deutschlerner


Doktorarbeit / Dissertation, 2011

230 Seiten, Note: cum laude


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. L2-Lesen im Hinblick auf die Lehrperspektive
1.1 Kognitive und metakognitive Aspekte des L2-Lesens
1.1.1 Kognitive Aspekte des L2-Lesens
1.1.1.1 Prozesse beim Aufbau eines mentalen Modells
1.1.1.2 Prozesse bei der Konstruktion einer propositionalen Textbasis
1.1.2 Metakognitive Aspekte des L2-Lesens
1.2 Lesestile
1.3 Neue Textformen- neues Leseverhalten?
1.4 Charakteristika des Lesens in der Fremdsprache
1.5 Lernziele und die allgemeinen curricularen Prinzipien im Fremdsprachenunterricht in Bezug auf das Leseverstehen
1.6 Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen
1.7 Zusammenfassung

2. Lernstrategien und Lesestrategien
2.1 Definition und Klassifizierung von Lernstrategien
2.1.1 Zur Definition von Strategien und Lernstrategien
2.1.2 Zur Klassifizierung von Lernstrategien
2.1.2.1 Kognitive Sprachlernstrategien
2.1.2.2 Metakognitive Strategien
2.1.2.3 Affektive Sprachlernstrategien
2.1.2.4 Soziale Sprachlernstrategien
2.2 Funktionen von Lernstrategien
2.3 Definition und Klassifizierung von Lesestrategien
2.3.1 Zeitpunkt des Strategieeinsatzes
2.3.2 Kognitive, metakognitive und sozial-affektive Lesestrategien
2.3.3 Nach den verschiedenen Funktionen
2.4 Zusammenfassung

3. Didaktische Modelle zur Strategienvermittlung
3.1 Was sind die Ziele eines Strategientrainings?
3.2 Modelle für Strategienvermittlung
3.3 Konsequenzen für die Lesedidaktik
3.3.1 Vermittlungsrelevante strategische Lesehandlungen
3.3.2 Orientierung
3.3.3 Bewusstmachung
3.3.4 Lehrer-Feedback
3.4 Kurzer Überblick über die Effektstudien
3.5 Zusammenfassung

4. Zu den Rahmenbedingungen des Deutschstudiums an chinesischen Universitäten
4.1 Curriculare Vorgaben für Deutschstudium an chinesischen Universitäten
4.1.1 C2-Curriculum
4.1.2 C3-Curriculum
4.2 Zum Lernverhalten und zu den Lerntraditionen chinesischer Deutschlerner
4.3 Die Didaktik und Methodik im chinesischen DaF-Unterricht
4.4 Aktuelle didaktische Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts
4.5 Die Ebene der methodischen Konzepte und Szenarien
4.6 Zusammenfassung

5. Empirische Studie
5.1 Erkenntnisinteressen
5.2 Versuchsplan
5.2 Versuchspersonen
5.3 Die ausgewählten Lesestrategien und Texte
5.4 Versuchsmaterial
5.4.1 Datenerhebung der Lesestrategienfragebögen
5.4.2 Prozess der Lesestrategievermittlung im Klassenzimmer
5.4.3 Darstellung einer Unterrichtssequenz
5.5 Datenanalyse und Ergebnisse

6. Schlusswort und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang

0. Einleitung

Die Forschung zu den deutsch-chinesischen Beziehungen geht davon aus, dass die deutsche Sprache Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts am „Tung-wen-kuan-College“, der „School of Combined Learning“, in Beijing eingeführt wurde. Der eigentliche Anfang der chinesischen Germanistik ist jedoch dem Pädagogen und Demokraten Cai Yuanpei (1868 - 1940) zu verdanken. Er hatte in Deutschland studiert und wurde 1919 Rektor der Beijing- Universität. Neben Englisch, Französisch und Russisch führte er Deutsch als selbstständiges Fach ein. Dieser Studiengang orientierte sich am deutschen Modell des Germanistikstudiums. Nach nur ein paar Jahren aber wurde die damals erste und einzige Deutschabteilung in China von Cais Nachfolger abgeschafft. Vor dieser Zeit gingen viele Germanistikstudierende noch als Stipendiaten nach Deutschland. Nach ihrer Heimkehr konnten sie jedoch nur an wenigen Universitäten Deutsch als zweite oder dritte Fremdsprache lehren. Die erste Generation der chinesischen Germanisten hat trotz ihrer geringen Zahl eine sehr wichtige Rolle in China gespielt. Professor Feng Zhi z. B. hat in Leipzig über Goethe promoviert und ist in den 80er Jahren stellvertretender Vorsitzender des Schriftstellerverbandes Chinas geworden (vgl. Zhu 1987, S.242).

Nach der Gründung der Volksrepublik China wurde die deutsche Sprache als eigenständiges Studienfach zunächst in spezialisierten Fremdsprachenhochschulen angeboten. Wegen der raschen Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen China und der DDR und dem dementsprechend hohen Bedarf an Diplomaten führte die Beijinger Fremdsprachenhochschule (jetzt in „Beijinger Fremdsprachenuniversität“ umbenannt) als erste die deutsche Sprache als Hauptfach ein (vgl. ebda. S.243).

1952 wurde Deutsch als Hauptfach an der Beijing- und der Nanjing-Universität eingeführt. An der Shanghaier Fremdsprachenhochschule entstand 1956 die vierte Deutschabteilung Chinas. Kennzeichnend war für den Studiengang die praxisorientierte Ausbildung von Dolmetschern und Übersetzern (vgl. ebda. S.243).

Seit 1978 hat sich China dem Ausland geöffnet: Reformen und die Öffnungspolitik im Wirtschaftsbereich begannen damit. Die Reform und Öffnungspolitik hat günstige Vorausetzungen für die wirtschaftliche Zuammenarbeit mit dem Ausland sowie für den internationalen akademischen Austausch geschaffen. Für den globalen Wandel politisch-wirtschaftlicher Beziehungen braucht China dringend Nachwuchspersonal, das sowohl fachlich qualiziert ist als auch über Fremdsprachenkenntnisse verfügt. Vor diesem Hintergrund boomt in China der Fremdsprachenunterricht, einschließlich des DaF-Unterrichts.

In diesem Rahmen wird das Deutschlernen für viele chinesische Studierende zunehmend attraktiver. Die Möglichkeiten nach einem Deutschstudium sind vielfältig: So können Deutsch sprechende Chinesen entweder bei deutschen Firmen oder in der Tourismusbranche tätig werden oder in Deutschland weiter studieren.

In den letzten 20 Jahren hat sich die Anzahl der Deutschlernenden in diesem Bereich stetig vergrößert. Die Angaben über die absolute Zahl von Deutschlernenden in China schwanken beträchtlich. Nach Hernig (2000, S.137) gab es 1997 in China Germanistik als Hauptstudienfach an rund 25 Hochschulen mit insgesamt ca. 1600 Studierenden, Deutsch für Nichtgermanisten als Nebenfach wurde an 116 Hochschulen mit mehr als 16000 Teilnehmern unterrichtet. Das 21. Jahrhundert steht im Zeichen der Globalisierung. Nach seinem WTO-Beitritt zeichnete sich in China eine allseitige Öffnung ab. Die Zahl der Hauptfachstudenten von Deutsch/Germanistik stieg rapide an. Im Jahr 2006 waren über 5000 chinesische Studierende im Hauptfach Germanistik/Deutsch an etwa 60 Hochschulen und Universitäten eingeschrieben – mehr als das Zehnfache im Vergleich zu den 50er Jahren. (vgl. http://www.chinatoday.com.cn/chinaheute/2007/200708/p11.htm, am 26.11.2010)

Das verstehende Lesen in der Muttersprache sowie in einer oder mehreren Fremdsprachen nimmt unter den Qualifikationen, die Kinder und Jugendliche in der Schule erwerben müssen, eine wichtige Position ein. Neben der Rolle, die das Lesen im Alltag spielt (z.B. der Gebrauch schriftlicher Informationsquellen für praktische Zwecke, das Verstehen schriftlicher Anweisungen, Lesen als Freizeitbeschäftigung), ist das verstehende Lesen von überragender Bedeutung für Ausbildungs- und Studienzwecke. Der große Anteil der Informationen, die SchülerInnen und StudentInnen zu verarbeiten haben, wird über schriftliche Texte vermittelt. Ähnliches gilt für neues Wissen, das Erwachsene nach Abschluss ihrer Ausbildung erwerben müssen. (Vgl. Bimmel 2002, S.113)

Für den Erwerb einer Fremdsprache, besonders dann, wenn man außerhalb des Zielsprachengebietes lebt, ist Lesen vielleicht die wichtigste der zu erwerbenden Fertigkeiten. Spracherwerb wird über Input ermöglicht. Lesetexte sind eine sehr wichtige Quelle für den Fremdsprachenerwerb. Sie sind leicht zu finden, ob gedruckt oder im Internet, und zudem einsetzbar. (Vgl. Lutjeharms 2006, S.145)

Durch die mit dem Lesen vermittelten Lernstrategien bereitet das Lesen den Weg für eigenständiges und lebenslanges Lernen, wobei die Fähigkeit, sich Informationen in eigenständiger, zielstrebiger und wirksamer Weise beschaffen zu können, als „Grundvoraussetzung“ für erfolgreiches Lernen angesehen wird. Dies ist eine Fähigkeit, die nicht nur für den Deutschunterricht, sondern fächerübergreifend von Bedeutung ist. (Vgl.http://www.learn-line.nrw.de/angebote/qualitaetsentwicklung/download/e-readcomprehension.pdf, am. 05.12.2010) Zudem bereitet das Lesen auf den selbstständigen Sprach- und Wissenserwerb im außerschulischen Bereich vor und gibt den Lernern somit Anregungen und Hilfen auf dem Weg zur Mündigkeit. (Vgl. ebda.)

Das Germanistikstudium in China beinhaltet auch das „Intensivlesen“. Zielsetzung und Methodik dieses mit wöchentlich bis zu zehn Unterrichtsstunden in den ersten zwei Studienjahren durchgeführten Kurses kennzeichnen über die Hochschule hinaus die gängige fremdsprachliche Unterrichtspraxis in China. Die übliche Lernwegorganisation verläuft in vier Stufen (vgl. Hess 1992, S.301):

a) Vor- und Nachsprechen des Vokabulars mit chinesischer Übersetzung:

Der Lehrer liest ein Wort aus dem Vokabelverzeichnis der Lektion ein- oder mehrmals vor, die Studenten sprechen es im Chor nach. Besonderheiten der Verwendung im sprachkontrastiven Vergleich können gelegentlich angegeben werden. Verständnissicherung und/oder Erklärung erfolgt durch Übersetzung (vgl. Mitschian 1991, S.216).

b) Vor- und Nachsprechen der Sätze mit muttersprachlicher Erläuterung der Satzkonstruktionen und Grammatikregeln:

Der oft in nummerierte Einzelsätze aufgeteilte Lektionstext wird satzweise oder in Wortgruppen mehrmals vom Lehrer vorgesprochen. Die Studenten wiederholen im Chor oder einzeln. Korrigiert werden Aussprache und Intonation. Weitere unbekannte Vokabeln werden erläutert bzw. übersetzt. Eine inhaltliche Besprechung des Textes wird nur bei sehr auffälligen Kulturkontrasten eingeschoben (vgl. ebda.).

c) vertiefende Erläuterung der Regeln mit zusätzlichen Beispielen:

Die Schemata im Lehrbuch werden vorgetragen und durch analoge Beispiele erweitert. Gelegentlich ersetzt der Lehrer vorgegebene grammatische Termini durch andere, von ihm bevorzugte (vgl. ebda.).

d) schriftliche Manipulationsübungen zu Grammatik und Wortschatz:

Nach Behandlung eines Lektionstextes werden die entsprechenden Übungsteile im Buch durchgearbeitet. Ist dort ein Lösungsmuster angegeben, erläutert der Lehrer damit knapp die Aufgabenstellung, ansonsten löst er die erste Aufgabe als Arbeitsanweisung (vgl. ebda.).

Vergleiche mit dem Unterricht in anderen Fremdsprachen zeigen, dass auch dort das Verlaufsschema des Unterrichts dem hier gezeigten „Intensivlesen“ im Wesentlichen gleicht.

Die didaktische Begründung des Verfahrens erfolgt über den in der chinesischen Fremdsprachendidaktik häufig verwendeten Begriff des „Fundaments“. Damit ist die am Ende eines bestimmten Kurses geforderte Kenntnis eines quantitativ genau abgezirkelten Wortschatzes der grammatischen und phonetischen Regeln der Zielsprache gemeint.

Dieses „Sprachfundament“ soll den Schülern die Möglichkeit zum weiteren Selbststudium bieten. Die Anwendungssituationen fremdsprachlicher Kenntnisse werden im Unterricht selbst nicht antizipiert. Soweit in dieser Hinsicht überhaupt Vorstellungen geäußert werden, laufen sie auf das Lesen und Übersetzen fremdsprachlicher Texte hinaus. Der Erwerb des „Sprachfundaments“ ohne gleichzeitigen Transfer des Sprachwissens in Anwendungszusammenhänge impliziert naturgemäß die extensive Memorisierung unverbundener „Informationen“ (Regeln und Lexeme) zum Zweck späterer, nicht antizipierbarer Aktivierung – das von vielen Beobachtern als „typisch chinesisch“ bezeichnete sinnentleerte Auswendiglernen (vgl. Hess 1992, S.302).

Die Lehrmethode, durch die Sprache als Wissen vermittelt wird, hat schon in verschiedenen Zeiten einen entsprechenden Beitrag geleistet, aber auch negative Auswirkungen mit sich gebracht. Bei chinesischen Lernern lassen sich sehr viele Schwierigkeiten in Bezug auf das fremdsprachliche Textverstehen feststellen, ebenso wie etliche methodische und didaktische Probleme, mit denen sich zahlreiche chinesische Forscher beschäftigt haben, z.B. Bi, Shengli (2003) Zhao, Chonghua (2000), Shu, Dingfang & Zhuang, Zhixiang(1996), Wang, Moxi (1993), Gao, Shengbing (1996) und Han, Xiaoling (2002) Lai, Jiong (2007) usw. (vgl. Liu 2004, S.27-28; Lai 2007, S.29). Die Ergebnisse aus deren Studien werden nachfolgend zusammengefasst:

1. Die chinesischen Lerner lesen meistens nur Wort für Wort und können daher das Textganze nicht verstehen und den Text nicht zusammenfassen (siehe auch Hess 1993, S.303). Obwohl die chinesischen Lerner weniger Schwierigkeiten beim Erlernen der syntaktischen Strukturen haben, zeigen sie viele Probleme beim Erfassen der Textstruktur. Ein typisches Beispiel hierfür ist, dass viele Studenten davon ausgehen, längere Sätze nicht verstehen zu können, obwohl ihnen jedes einzelne Wort bekannt ist
2. Besonders beim Lesen längerer Texte können die Lerner die inneren Zusammenhänge der Absätze nicht erfassen, d.h. sie können die Texttiefenstruktur nicht verstehen
3. Die Lerner wissen nicht, wie man die Textteile mit dem Kontext verknüpft. Es fehlt den Lernern auch das kulturelle Vorwissen. Beim Prozess der Informationsverarbeitung, nämlich beim Lesen eines Texts, können sie ihrem eigenen Wissen den Text nicht hinzufügen. Das führt dazu, dass sie den Text nicht verstehen.

Die Gründe liegen darin:

1. Viele Lehrende in China gehen davon aus, dass Lesen nur ein passiver Dekodierungsprozess ist und man ohne Überfliegen den Text verstehen kann. Wallace (2001) geht davon aus, dass diejenigen mit dieser Meinung das Ergebnis des Lesens zu sehr betonen, Wert nur auf die Form und Bedeutung einer Sprache legen und den Prozess des Lesens vernachlässigen. In der Unterrichtspraxis werden meist die Erweiterung des Wortschatzes und der Erwerb der festen Verbindungen abgezielt. Gleichzeitig werden die Lehrrolle und die Autorität der Lehrwerke oder Lesematerialien betont, dadurch wird das selbstgesteuerte Lernen der Lernenden beeinträchtigt. Prüfungsorientierte Fremdsprachendidaktik legt großen Wert auf die Vermittlung der Lösungstechniken bei der Prüfung, Erklärungen zum Wortschatz und grammatischen Übungen. Obwohl dies den Lernern in Prüfungen eine entscheidende Hilfe war, strebt sie dennoch nur einen kurzfristigen Prüfungserfolg an
2. Im Unterricht wird direkt mit dem Lesen begonnen, das Vorwissen wird nicht aktiviert oder nicht aufgebaut
3. Die große Schwierigkeit beim Lesen für chinesische Lerner ist das fehlende Kulturwissen. Aber Kulturwissen wird von vielen Lehrenden und Lernenden nicht als wichtig eingeschätzt
4. Die Lehrenden vernachlässigen, typische Merkmale der jeweiligen Textsorten zusammenzufassen und die Lesestrategien in Bezug auf verschiedene Textsorten zu vermitteln. Die Lerner lesen alle Textsorten mit den gleichen Strategien und verfügen über keine textsortenspezifischen Lesestrategien. (Vgl. Lai 2007, S.29)
5. Viele Lehrende sind der Ansicht, dass im Leseunterricht nur das ,,Lesen“ trainiert wird. Das ,,Lesen“ wird von ,,Hören“, ,,Schreiben“ und ,,Sprechen“ isoliert unterrichtet
6. Die Unterrichtsform ist eintönig und es fehlt die Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden. Die Lerner werden im Unterricht nicht motiviert und der Unterricht wird als ,,Langeweilesituation’’ betrachtet
7. Die Lerner lesen sehr wenig und wissen nicht, wie und was außerhalb des Unterrichts gelesen werden könnte. Die Lehrenden geben dabei auch keine Hilfe und Beratung.

Die obengenannten poteziellen Probleme sind auch allgemeine Probleme in der Lesedidaktik des Fremdsprachenunterrichts in China. Als Deutschlehrerin stelle ich mir folgende Fragen: Welche Ziele sollen im Leseunterricht angestrebt werden? Wie kann der Leseunterricht effektiv gestaltet werden? Welche Prinzipien gibt es für den Leseunterricht? Welche Fähigkeiten und welches Wissen soll man als KursleiterIn für den Leseunterricht ausheben?

Um diese Fragen zu beantworten, habe ich versucht, die Antworten in chinesischen Lehrwerken sowie Arbeiten zum Leseverstehen und Lesedidaktik zu finden. Aber in den chinesischen Lehrwerken sind keine Theorien zum Leseverstehen erkennbar. In den Arbeiten zum Leseverstehen und Lesedidaktik gibt es nur wenige praktische Hinweise, z.B. zu Lesestrategien und deren Vermittlung. Ab dem dritten Semester des Germanistikstudiums an den chinesischen Universitäten gibt es Leseunterricht. Als Kursleiterin für den Leseunterricht versuche ich, mit einer neuen Methodik und Didaktik die obengenannten Probleme zu lösen.

Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Förderung des Leseverstehens durch den Einbezug der Lesestrategienvermittlung leisten. In dieser Arbeit beschränke ich mich jedoch auf die Bedeutungskonstruktion und die Rolle von Lesestrategien. Diese Beschränkung impliziert keineswegs eine Leugnung der Relevanz so genannter ,,niedrigerer Verarbeitungsebenen’’ (Schmidt, 2000, S.95). Ich schließe mich in diesem Zusammenhang den Vorschlägen von Ehlers (1999) an, die betont, dass der Leseunterricht auf beiden Ebenen ,,Grundfertigkeiten’’ – wie z.B. Worterkennungs- ebenso wie Lesestrategien abheben sollte. Das Ziel der vorliegenden Dissertation besteht in der Förderung des Leseverstehens für chinesische Deutschlerner. Daher wurde der Aufbau der Arbeit so gewählt, dass von einer allgemeinen Ausgangsposition zum speziell zu erforschenden Thema hingeleitet werden soll.

Die vorliegende Arbeit wird durch ein theoriegeleitetes sowie praxisorientiertes

Forschungsinteresse bestimmt. Es handelt sich um eine empirische Gruppenuntersuchung der Lesestrategievermittlung. Dabei soll vorrangig die Wirksamkeit des Lesetrainings bei Germanistikstudenten der Fremdsprachenuniversität Tianjin in China auf unmittelbare Effektivität (Pretest-Posttest-Vergleichsgruppenplan) untersucht werden. Zum Vergleich dient eine Kontrollgruppe. Im Rahmen der übergeordneten Thematik ,,Förderung des Leseverstehens bei chinesischen Deutschlernern’’ ist das vorrangige Ziel des Lesetrainings darin zu sehen, dass im weitesten Sinne eine Verbesserung in Bezug auf das Leseverstehen erzielt wird.

Aus den hier dargestellten Zusammenhängen ergeben sich mehrere Fragen, die für diese Untersuchungen von Interesse sind:

Welches sind die aktuellen Forschungsergebnisse zum L2-Lesen und wie sollte man den L2-Leseunterricht effektiv gestalten?

Wie ist der Umfang des Strategiengebrauchs von chinesischen Deutschlernern beim Lesen deutscher Texte?

Wie oft benutzen Sie die jeweiligen Lesestrategien?

Wie würden chinesische Kursteilnehmer auf strategische Leseanweisung reagieren?

Kann die Vermittlung von Lesestrategien die Lesekompetenz der chinesischen Deutschlerner effektiv fördern? Wenn ja, inwieweit?

Der Hauptteil dieser Dissertation besteht aus sechs Kapiteln. Bereits oben wird die Bedeutung des Lesens für das Fremdsprachenlernen herausgestellt. Im ersten Kapitel werden die kognitiven und metakognitiven Aspekte des L2-Lesens und deren didaktische Implikationen; die verschiedenen Lesestilarten; der Einfluss neuer Medien auf das Lesen und auf Leseprozesse; Charakteristika des Lesens in der Fremdsprache, die Lernziele und die allgemeinen curricularen Prinzipien im Fremdsprachenunterricht in Bezug auf das Leseverstehen und den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen erläutert.

Anschließend erfolgt eine Erläuterung zur Funktion von Lernstrategien und Lerntechniken, die eine Überleitung zum Strategie- und Technikbegriff der Fertigkeit des Lesens schafft. In diesem zweiten Kapitel werden zuerst die Begriffe „Strategien“ und „Lernstrategien“ erläutert. Anschließend werden die Funktionen von Lernstrategien dargelegt. Danach werden Lernstrategien klassifiziert. Das Kapitel zwei dieser Arbeit dient auch der genauen Darstellung der verschiedenen Lesestrategien.

Im Kapitel drei richtet sich der Blick auf die Lernstrategienvermittlung in Bezug auf Lesestrategien sowie die Trainingsmodelle. In diesem Kapitel wird die Strategienvermittlung für fremdsprachliches Lesen geschildert. Dann werden die auszulösenden Lernhandlungen, die Vermittlungsmethode und einige Empfehlungen für die Lesedidaktik nach Bimmel vorgestellt.

Im vierten Kapitel werden anschließend die Rahmenbedingungen an der Fremdsprachenuniversität Tianjin, die Lerntradition und das Lernverhalten der chinesischen Deutschlerner dargestellt; dabei werden die möglichen Stereotypen der westlichen Lehrenden über die chinesischen Deutschlerner in Frage gestellt; die Didaktik und Methodik im chinesischen DaF-Unterricht sowie die aktuellen methodischen Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts erläutert.

Im Kapitel fünf wird die empirische Studie und deren Ergebnisse über den Leseunterricht im vierten Semester an der Fremdsprachenuniversität Tianjin vorgestellt. Im Kapitel sechs erfolgen eine Zusammenfassung sowie ein Ausblick.

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Ende der Leseprobe aus 230 Seiten

Details

Titel
Entwicklung eines Konzepts zur Verbesserung des Leseverstehens chinesischer Deutschlerner
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (philosphische Fakultät)
Note
cum laude
Autor
Jahr
2011
Seiten
230
Katalognummer
V208875
ISBN (eBook)
9783656363644
ISBN (Buch)
9783656364030
Dateigröße
3084 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leseverstehen
Arbeit zitieren
Feng Hu (Autor:in), 2011, Entwicklung eines Konzepts zur Verbesserung des Leseverstehens chinesischer Deutschlerner, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208875

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