Sexuelle Orientierungen im deutschen Jugendfilm


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

22 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Der Jugendfilm
2.1 Allgemeines und Geschichtliches zum Thema Jugendfilm
2.2 Sexualität im Jugendfilm

3. Deutsche Filme als Analysegrundlage
3.1 Vorstellung des Films „Crazy“
3.2 Vorstellung des Films „Sommersturm“

4. Erleben und Entdecken von Sexualität im Film
4.1 Heterosexualität und homoerotische Erfahrungen in „Crazy“
4.2 Heterosexualität und homoerotische Erfahrungen in „Sommersturm“

5. Gruppenerlebnis Sexualität und Identitätsbildung

6. Gesellschaftliche Wertevermittlung

7. Schlussbemerkung

8. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Sexuelle Orientierung ist ein essentieller Bestandteil der Pubertät, damit auch wesentliches Element für die Identitätsbildung von Jugendlichen und deshalb ein wichtiges Themengebiet im Jugendfilm. Filme wie Crazy und Sommersturm sind deshalb für Jugendliche (aber auch Erwachsene) besonders wichtig, da sie eine Vielzahl von Wegen aufzeigen, die Jugendliche während ihres Heranwachsens gehen können.

In diesem Kontext soll zunächst das Konzept „Jugendfilm“ genauer beleuchtet und beispielhaft Möglichkeiten dieses Genres und seine Besonderheiten vorgestellt werden.

Anschließend folgt eine Vorstellung der beiden analysierten Filme, die sich auf Grund ihrer Bekanntheit nicht an inhaltliche Informationen klammert, sondern alles „rund um den Film“ beleuchten soll.

Anschließend folgt eine Analyse des Erlebens und Entdeckens von Homo- und Heterosexualität, wie sie in diesen beiden Filmen vorkommen und dort dargestellt werden. Da Jugendliche vornehmlich ihre Freizeit in Gruppen verbringen und dort Dinge wie Liebe und Sexualität ein Thema sind, sich unter anderem auch durch unterschiedliche Erfahrungen auch einen bestimmten Platz in der Gruppe sichern, soll dieser Aspekt der Gruppendynamik ebenfalls beleuchtet werden. Gesellschaftliche Werte, Rollenklischees und Erwartungen von Eltern, Institutionen und Medien spielen ebenfalls bei der Aufklärung von Heranwachsenden eine Rolle - wie sie mit diesen ihnen auferlegten Normen umgehen soll im letzten Analyseteil Thema sein.

Im Schlussteil sollen die Ergebnisse verglichen werden und mit aufgeworfenen Fragestellungen abgeglichen werden:

Wie erleben und entdecken die Jugendlichen im Film ihre sexuelle Neigung?

Wie sehen gesellschaftliche Erwartungen hinsichtlich jugendlicher Sexualität aus und wie gehen die Jugendlichen damit um? Das versucht diese Arbeit heraus zu finden.

2. Der Jugendfilm

2.1 Allgemeines und Geschichtliches zum Thema Jugendfilm

In diesem Abschnitt soll sich mit dem Genre „Jugendfilm“ im Allgemeinen beschäftigt, seine Geschichte beleuchtet und besonders auf die Sexualität im Jugendfilm eingegangen werden.

Generell lässt sich beobachten, dass Jugendfilme anders als man annehmen würde, kein Zielgruppen gerichtetes Genre ist. Er besitzt auch kein wirkliche spezifisches Thema. Während Jugendfilme früher vor allem auf die jugendlichen Zuschauer zugeschnitten waren, handeln die Filme heute über sie selbst. Ein so genannter Jugendfilm gibt den zuschauenden Jugendlichen vielfältige Möglichkeiten sich mit den Darstellern und ihren Problemen zu identifizieren. Häufig wird jedoch dabei vergessen, dass diese Filme auch dazu dienen, den Erwachsenen die Welt der Jugendlichen näher zu bringen.1 Komplexe Eltern-Kind- Beziehungen werden von allen Seiten beleuchtet und sind deshalb für alle Zuschauenden von Interesse,2 eine ganze spezielle Neuerung.

Die besondere Leistung eines Films im Allgemeinen ist es, dass allein durch das Zuschauen ein Verstehensprozess in Gang gebracht wird, der das Sehen des Films in einen kommunikativen Vorgang verwandelt.3 Dies geschieht unter anderem auch dadurch:

Der Zuschauer wird in der filmischen Pr ä sentation des Gezeigten in ganz anderer Weise durch die Auslassungen und das Nichtzeigen an der Herstellung der Bedeutung beteiligt, zudem wird der Wahrnehmungsraum zwischen Schauspieler und Zuschauer durch den filmischen Wechsel von N ä he und Ferne, der Perspektiven und Positionen zum Gezeigten akzentuiert und das Spiel des Schauspielers rhythmisiert. (Hickethier 1996, S.159) 4

Es ist kein Wunder, dass besonders wissbegierige und neugierige Jugendliche den Großteil der Kinobesucher ausmachten, wo doch so viele komplexe Beziehungen, Probleme und Lösungen durch einfaches Zusehen gefunden werden konnten. Als der Film anfing ein breites Massenpublikum zu erreichen, gab es viele Filme für Kinder und Erwachsene, nie jedoch wirklich für Jugendliche als gesonderte Gruppe.5

In den 70er und teils auch 80er Jahren begannen sich Regisseure und Produktionsfirmen auf diese neue Zielgruppe einzustellen, zeigten die Jugendlichen doch häufig nur als rebellische Wesen oder ungeliebte Außenseiter.6 Nur ein Jahrzehnt später verwandelten sie sich in närrische Kindsköpfe, in den 90ern steckten bald vielmehr problembehaftete „Ghetto-Kids“ in den Hauptrollen.7 Heutzutage heißen die Problembereiche eines Jugendfilms oft Selbst- bzw. Identitätsfindung, also ein großer Raum für jede Menge Erfahrungen, Entdeckungen und Erkenntnisse.8

2.2 Sexualität im Jugendfilm

Sexualität besitzt im Jugendfilm eine ganz besondere Rolle. Einerseits Tabuthema, da es immer noch die Ansicht gibt, Sex vor der Ehe sei tabu, andererseits ist kennzeichnend für das experimentierfreudige Wesen von Jugendlichen. Schon früh begann man sich damit auseinander zu setzen, dass Jugendliche auch auf der Leinwand sich küssen konnten und sich näher kennen lernen durften. Doch was in den 70ern und 80ern noch verpönt war, kommt nun neu in Mode:

„ In the surest sign of change since the 1980s, teens on screen began having sex again, and even liking it, as they learned their sexual practices and endeavored to actually educate themselves about the subject. “ 9

Jugendliche wurden fortan immer mehr und vor allem seit dem Beginn des letzten Jahrtausends immer zu Entdeckern ihrer Selbst, die Spaß an etwas haben, worüber selbst die Erwachsenen nur im Dunkeln zu reden vermochten. Sex ist kein Tabuthema in einer aufgeklärten Gesellschaft und so sollen auch ihre jüngeren Mitglieder kennen lernen, entdecken und vor allem darüber reden, was sie ihnen Lust bereitet. Auch der Zuschauer im Kinosaal kann sich ohne selbst auf sexuelle Entdeckungstour zu begeben, zahlreiche neue Erfahrungen mit seinen Helden auf der Leinwand teilen und Dinge sehen und entdecken, die die teils noch jungen Zuschauer selbst noch nicht gesehen haben.

„ Die Positionierung der Zuschauer/innen im Dunkel des Kinosaals - die mit dem Voyeurismus das Sehen, aber nicht Gesehenwerden gemeinsam hat - ist neben dem Realismus der Darstellungs ä sthetik eine weitere wichtige Bedingung daf ü r, dass die Zuschauer/innen alles um sich herum vergessen und in einen Zustand "somatischer Empathie" (Brinckmann in Florsch ü tz 0.1.) mit den Filmfiguren und

-geschehnissen geraten. “10

Und es ist nicht nur das: Das Experimentieren der Jugendlichen auf der Leinwand verhilft diesen zur Selbstfindung. Das Einfühlungsvermögen gegenüber dem anderen Geschlecht, die Entdeckung seiner Wünsche und Triebe, das Kennenlernen des Körpers - diese gesamte sexuelle Orientierung wird als Schlüssel zur Selbstfindung publiziert. Und deshalb ist die Entdeckung der Körperlichkeit auch im Jugendfilm so etwas ganz besonderes.

3. Deutsche Filme als Analysegrundlage

3.1 Vorstellung des Films „Crazy“

Crazy11 - genau das ist das Leben des damals 17jährigen Benjamin Lebert, als er seine Lebensgeschichte aufschreibt. Und eben jene Lebensgeschichte dieses halbseitig gelähmten Jungen ist es, die am 6. Juni 2000 in die deutschen Kinos kam. Die Erzählungen des jungen Müncheners waren bereits ein viel beachtetes Buch als der Regisseur Hans-Christian Schmid einen noch stärker beachteten Film daraus machte. Das Drehbuch schrieb hierfür übrigens Michael Gutmann gemeinsam mit Benjamin Lebert. Der Film dauert rund 97 Minuten und wurde wegen der teils sehr anzüglichen Szenen im Striplokal oder beim ersten Sex von Benni ab 12 Jahren frei gegeben. „Crazy“ - das ist auch ein Drama über die Sehnsüchte und Wünsche eines Jugendlichen, der von seinen Eltern in ein Internat abgeschoben nicht nur mit neuen Leuten, der ersten großen Liebe sondern auch mit seiner Behinderung klar kommen muss. Hier erlebt Benni Freundschaft und kommt als 16jähriger nun auch endlich mit „richtigem Sex“ abseits von pornografischen Magazinen und „Handbetrieb“ in Berührung.

Benni wird, nachdem der echte Benjamin sich an diese Herausforderung nicht heran wagte, vom Nachwuchsfilmstar schlechthin gespielt: Robert Stadlober, der bereits in „Sonnenallee“ (1998) bekannt wurde. Die weitere Besetzung ist ebenfalls hochkarätig: Tom Schilling spielt den Draufgänger Janosch, Oona-Devi Liebich die wunderschöne Malen, Dagmar Manzel die überforderte Mutter.

Der Film wurde 2001 unter anderem mit dem Silbernen Filmpreis für den besten Spielfilm ausgezeichnet und besticht vor allem durch eine etwas skizzenhafte Ausführung12, melancholischen Liedern und einer ganz besonderen Sensibilität gegenüber den Bedürfnissen von Jugendlichen.

3.2 Vorstellung des Films „Sommersturm“

Als „Sommersturm“13 am 2. September 2004 in den deutschen Kinos anläuft, sehen den Film insgesamt rund 261.000 Menschen. Der Film mit Nachwuchsstar Rober Stadlober in der Rolle des Tobi, Kostja Ullmann als Achim bringt Deutschland zum Nachdenken. Regisseur Marco Kreuzpaintner ist selbst noch ein junger Mann, 1977 erblickte er das Licht der Welt. So sind es nicht nur die autobiografischen Elemente, die er als Regisseur und Drehbuchautor in den Film einfließen lässt, die dem Film soviel Herz und Emotion geben, sondern auch seine Nähe zur Jugend. Kreuzpaintner sagt zu seinem Vorhaben:

„ Ich hatte mich oft dar ü ber ge ä rgert, dass im kommerziellen deutschen Kino immer nur ü ber Schwule gelacht wird, aber nicht mit ihnen. Ich wollte einen Film machen, der Homosexualit ä t so darstellt, dass sie auch von einem breiten Publikum verstanden wird - keinen Randgruppen-Film ü ber einen schwulen Stricher oder einen Familienvater, der sein Coming-Out erlebt. Ich wollte mit einem Au ß enseiterthema direkt in die Mitte der Gesellschaft treffen. Thomas W ö bke und ich hatten unabh ä ngig voneinander diese idee, und wir wollten sie unbedingt

gemeinsam realisieren. “14

In Kreuzpaintners zweitem Film nach „Ganz und gar“ verlegt er die Handlung seiner Coming-Out-Erzählung an einen bayerischen See, fern von dem Puls und Einfluss der großen Städte. Kreuzpaintner entwarf einen

[...]


1 Hartje S. 7

2 Ewers S. 103

3 Decke-Cornill S. 12

4 Decke-Cornill S. 17

5 Decke-Cornill S. 8-9

6 Decke-Cornill S. 8-9, Siehe als Beispiel „Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ (1981)

7 Decke-Cornill S. 8-9

8 Decke-Cornill S. 6

9 Teen Movies S. 89

10 Decke-Cornill S. 13

11 Alle relevanten Informationen: http://www.moviemaze.de/filme/3111/crazy.html#ixzz0ylzJlekl, Aufruf am 8.9.2010

12 http://www.moviepilot.de/movies/crazy, Aufruf am 12.09.2010, Beispiel für die Skizzenhaftigkeit siehe 1:02:48 im Film selbst

13 Alle relevanten Informationen: http://www.moviemaze.de/filme/1004/sommersturm.html#ixzz0ym0ATWOD, Aufruf 8.9.2010

14 Jugendfilm S. 34

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Sexuelle Orientierungen im deutschen Jugendfilm
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Jugendbuchforschung)
Veranstaltung
Liebesromane für junge Leser
Note
2,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
22
Katalognummer
V208854
ISBN (eBook)
9783656362739
ISBN (Buch)
9783656363903
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
beispiele, orientierung, jugendfilm
Arbeit zitieren
Franziska Reinsberg (Autor:in), 2010, Sexuelle Orientierungen im deutschen Jugendfilm, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208854

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