Hölderlins Ideal: Über die Suche nach einer Gemeinschaft in "Brod und Wein"

Über die Sucher nach der idealen Gemeinschaft


Hausarbeit, 2008

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Das „naive“ Drittel
2.1 Die Stadt nach der Dämmerung
2.2 Die Inszenierung der Nacht
2.3 Der Aufbruch nach Griechenland

3 Das „ideale“ Drittel
3.1 Das ideale Griechenland
3.2 Die Ankunft der Götter
3.3 Die Rückkehr in die Gegenwart

4 Das „heroische“ Drittel
4.1 Das Problem der Götterferne
4.2 Brod und Wein
4.3 Der Geist des Dionysos

5 Schlussteil

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Brod und Wein“ zählt zu den berühmtesten Elegien Hölderlins und mit 160 Versen gleichzeitig zu den längsten. Dieses Werk wird wohl „die beste Grundlage bleiben zum Eindringen in Hölderlins Gedankenwelt“[1].

Genau aus diesem Grund beschäftigt sich meine Proseminararbeit mit der Elegie „Brod und Wein“. Explizit wird es um die Frage nach dem von Hölderlin entworfenen Gemeinschaftsideal und dessen Begründung gehen. Die Gliederung hierfür folgt dem Verlauf des Gedichts und orientiert sich zudem an der für Elegien typischen Dreiteilung. Die Benennung der einzelnen Drittel folgt einem musikalischen Prinzip des Tönewechsels, welches auch der unmittelbaren Versabfolge zugrunde gelegt werden könnte und die extrem komprimierte Planung des Gedichts widerspiegelt.

Zunächst wird also mit dem ersten Teil das „naive“ Drittel betrachtet und der Focus liegt auf den ersten drei Strophen, die den Beginn der imaginären Reise des lyrischen Ichs darstellen. Es folgt die Untersuchung des „idealen“ Drittels mit den Strophen vier bis sechs und dem Schwerpunkt auf der Göttergegenwart. Schließlich beschäftigt sich diese Arbeit mit dem „heroischen“ Drittel, den verbleibenden Strophen und dem dargestellten Verharren in der Gegenwart.

2 Das „naive“ Drittel

2.1 Die Stadt nach der Dämmerung

Die erste Strophe der Elegie „Brod und Wein“ wurde 1807 unter dem Titel „Die Nacht“ in einem nicht autorisierten Druck veröffentlicht und hatte unter anderem auf Clemens Brentano einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen[2]. Diese Tatsache zeigt bereits, dass es zwar möglich ist, die erste Strophe isoliert von dem Rest des Gedichtes zu betrachten, aber nur unter Berücksichtigung der ersten neun Distichen vervollständigt sich die Gesamtintention des Gedichts.

Markanterweise beginnt die Elegie mit einer Abschiedsszene. Das lyrische Ich beschreibt die Situation nach dem Feierabend in der Stadt, nach dem Beisammensein, das Nachhausegehen. Die ersten sechs Verse vermitteln durch Aussagen wie „rauschen die Wagen hinweg“ (V. 2) und „leer steht von Trauben und Blumen“ (V. 5) bereits eine einsame und gemeinschaftsferne Atmosphäre, welche zum Grundmotiv für den gesamten Rest des Gedichts werden soll.

Auf diese Zustandsbeschreibung folgt das zweite Strophendrittel. Die Stimmung wird melancholischer. „Ferner Freunde“ (V. 9) sind Worte, die die isolierte Situation des lyrischen Ichs unterstreichen und eine Suche nach der idealen Gemeinschaft als notwenig erscheinen lassen.

Diese Suche wird sich als Erinnerungsbewegung vollziehen, welche durch das Medium der Nacht ausgelöst wird. Der „geheim nun auch“ (V. 15) kommenden Nacht ist das letzte Strophendrittel gewidmet. Das Gedicht entfernt sich von der konkreten menschlichen Welt in der Stadt und bewegt sich auf die für Hölderlin typische Gedankenlyrik zu. Es wird Spannung auf das nun Folgende vermittelt, indem die Nacht als „glänzend“ und „prächtig“ beschrieben wird (V. 17f). Sie präsentiert sich dem Leser als möglicher Ausweg aus der gemeinschaftslosen Gegenwart, wenngleich eine direkte Lösung des Problems noch nicht besprochen wird.

2.2 Die Inszenierung der Nacht

Der Beginn der zweiten Strophe knüpft thematisch nahtlos an das Ende der ersten Strophe an. Wo eben noch die nahende Nacht beschrieben wurde, so ist sie jetzt angekommen. Zunächst erstaunt es den Leser, wenn die Nacht als „wunderbar“ und „hocherhaben“ dargestellt wird. Im Allgemeinen verbindet man mit der aufkommenden Dunkelheit vollkommene andere Bilder und Emotionen als die im Gedicht beschriebenen. Aber einer klaren Logik folgend, zeigt das lyrische Ich die Folgen des Einbruchs der Dunkelheit auf. Der Sehsinn geht nahezu verloren, was die anderen Sinne aber wiederum schärft und den Geist insgesamt leichter in Erstaunen versetzen kann. (Vgl.: „Aber zuweilen liebt auch klares Auge den Schatten“ (V. 25)). Und gerade im Erstaunen und Verwundern liegt – nach einer platonischen Idee[3] – der Anfang jeder Philosophie. Die Philosophie, der das lyrische Ich hier folgt, begründet sich in der Verwunderung über den Prozess und die Macht des Erinnerns.

Paradoxerweise setzt das Gedicht für den Prozess der Erinnerung den Akt des Vergessens voraus. Erst wenn alle unmittelbaren Begebenheit vergessen werden können („Uns die Vergessenheit …. gönnen“ (V. 33)) ist jene erstaunende und verwundernde Erinnerungsbewegung möglich.

Bemerkungen wie „Daß im Finstern für uns einiges Haltbare sei“ (V. 32) und „Heilig Gedächtniß“ (V. 36) beschreiben eine durch die Nacht hervorgerufene Art der Erkenntnis, die sich dem rationalen Begriffsinventar verschließt und eine alternative Erkenntnisform verlangt. Die hier im Gedicht angestrebte Erinnerungsbewegung hat als Ziel eine kollektive Erkenntnis in der Vergangenheit, im Vorbewussten, wobei dieses hier nur in Andeutungen wieder zu finden ist.

Die zweite Strophe entfernt sich also noch weiter von der klaren Welt zu Beginn des Gedichts und damit von der Möglichkeit einer idealen Gemeinschaftsform in der Gegenwart, unterstreicht noch einmal die mediale Funktion der Nacht und bereitet den Leser auf eine Reise und eine Suche nach eben jener idealen Gemeinschaftsform in der Vergangenheit vor.

2.3 Der Aufbruch nach Griechenland

Die dritte Strophe schließt das erste und einleitende Drittel der Elegie mit dem Aufbruch nach Griechenland ab. Diese Strophe scheint direkt adressiert an den Freund Heinze[4], dem das Gedicht ohnehin gewidmet ist. Mit dem Vers „So komm! daß wir das Offene schauen, Daß ein Eigenes wir suchen, so weit es auch ist.“ (V.: 41f) schließt das erste Drittel dieser Strophe und das lyrische Ich fordert den Freund auf, sich mit ihm auf die Suche zu begeben. Diese Suche soll sich weit in die Vergangenheit bewegen, wobei Vergangenheit hier nicht als etwas Verschlossenes und Beendetes zu verstehen ist, sondern als eben allen Menschen „Eigenes“, Vereinendes. Das lyrische Ich muss sich für den Erkenntnisprozess in die Vergangenheit begeben, weil die Gegenwart eine innere Vervollständigung unmöglich macht und hier die ideale Gemeinschaft nicht existent ist (Vgl. die Strophen 1 und 2).

[...]


[1] Hellingrath 4, 317f

[2] Vgl. dazu StA 7.2, 434

[3] Bsp. Platon , THEAITETOS 155d, übers. v. Schleiermacher

[4] Wilhelm Heinse (1746-1803) begegnete Hölderlin 1796; schrieb u.a. die Romane Ardinghello und Hildegard von Hofenthal

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Hölderlins Ideal: Über die Suche nach einer Gemeinschaft in "Brod und Wein"
Untertitel
Über die Sucher nach der idealen Gemeinschaft
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Germanistische Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Friedrich Hölderlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V208813
ISBN (eBook)
9783656363705
ISBN (Buch)
9783656364160
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hölderlins, ideal, über, suche, gemeinschaft, brod, wein, sucher
Arbeit zitieren
Carolin Töpfer (Autor:in), 2008, Hölderlins Ideal: Über die Suche nach einer Gemeinschaft in "Brod und Wein", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208813

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Hölderlins Ideal: Über die Suche nach einer Gemeinschaft in "Brod und Wein"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden