Veränderungsrelevante Ereignisse im Coaching

Eine qualitative Vergleichsstudie der Wahrnehmungen von Coachs und Klienten in Hinblick auf Ziele, Erfolgsfaktoren und Auswirkungen


Diplomarbeit, 2012

159 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Zusammenfassung

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Begriffsklärung von Coaching
2.1.1 Definition von Coaching
2.1.2 Abgrenzung von anderen Interventionsformen
2.2 Aktueller Stand der Forschung
2.2.1 Ergebnisse der Wirksamkeitsforschung
2.2.2 Das Strukturmodell der Wirkungen beim ergebnisorientierten Einzelcoaching von Greif (2008)
2.2.3 Das systemische Wirkmodell von Offermanns (2004)
2.2.4 Die vier Berner Wirkfaktoren nach Grawe (2000)
2.2.5 Der Zusammenhang zwischen Wirkfaktoren und Auswirkungen im Coaching
2.2.6 Veränderungsforschung in der Psychotherapie
2.2.7 Qualitative Untersuchungen zu Wirkfaktoren und Auswirkungen von
Coaching
2.3 Zielsetzung der Diplomarbeit

3 Methode
3.1 Paradigma qualitativer Forschung
3.2 Vorannahmen der Forscherin
3.3 Untersuchungsdesign
3.4 Setting und Durchführung der Untersuchung
3.4.1 Datenerhebung
3.4.2 Stichprobe
3.5 Erhebungsmethode
3.5.1 Das fokussierte Interview nach Merton und Kendall (1946)
3.5.2 Beschreibung des Interviewleitfadens
3.6 Aufbereitung und Auswertung der Daten
3.6.1 Transkription der Interviews
3.6.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2003)
3.6.3 Gütekriterien qualitativer Forschung
3.6.4 Ethische Aspekte

4 Ergebnisse
4.1 Zusammenfassung der Coachings
4.2 Analyse der veränderungsrelevanten Ereignisse
4.3 Ziele und deren Veränderung im Coachingprozess
4.3.1 Ziele der Coachs
4.3.2 Ziele der Klienten
4.3.3 Vergleich der Ziele
4.4 Erfolgsfaktoren der Coachings
4.4.1 Erfolgsfaktoren der Coachings aus der Sicht der Coachs
4.4.2 Erfolgsfaktoren der Coachings aus der Sicht der Klienten
4.4.3 Erfolgsfaktoren der Coachings – Vergleich der Sichtweisen
4.5 Auswirkungen der Coachings
4.5.1 Auswirkungen der Coachings aus der Sicht der Coachs
4.5.2 Auswirkungen der Coachings aus der Sicht der Klienten
4.5.3 Auswirkungen der Coachings – Vergleich der Sichtweisen

5 Diskussion
5.1 Interpretation und Diskussion der qualitativen Ergebnisse
5.1.1 Veränderungsrelevante Ereignisse
5.1.2 Ziele von Coachs und Klienten
5.1.3 Erfolgsfaktoren der Coachings
5.1.4 Auswirkungen der Coachings
5.2 Kritische Methodenbewertung
5.3 Praktische Relevanz und Implikationen
5.4 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang A Studienbeschreibung

Anhang B Einverständniserklärung

Anhang C Interviewleitfaden

Anhang D Antwortmuster der einzelnen Interviewteilnehmer

Anhang E Vollständige Kategoriensysteme

E-1 Kategoriensystem der Coachs

E-2 Kategoriensystem der Klienten

Anhang F Lessons Learned

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Mögliche Qualitätsmerkmale der Struktur-, Ergebnis- und Prozessqualität
und die am Aushandlungsprozess beteiligten Personengruppen (nach Heß & Roth,
2001, S. 67)

Abbildung 2: Integriertes Modell des Frameworks von Ely et al. (2010) und der drei Qualitätsdimensionen nach Heß & Roth (2001)

Abbildung 3: Strukturmodell der Wirkungen beim ergebnisorientierten Einzelcoaching
(nach Greif, 2008, S. 277)

Abbildung 4: Das systemische Wirkmodell nach Offermanns (angelehnt an Offermanns, 2005)

Abbildung 5: Die 5 Postulate qualitativen Denkens nach Mayring (2002)

Abbildung 6. Modifiziertes Ablaufmodell der zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring (2003)

Abbildung 7: Ziele der Coachs

Abbildung 8: Ziele der Klienten

Abbildung 9: Ziele der Coachings im Vergleich (Prozentangaben beziehen sich auf die Kodiereinheiten pro Interviewtengruppe, Mehrfachnennungen wurden berücksichtigt)

Abbildung 10: Erfolgsfaktoren der Coachings aus der Sicht der Coachs

Abbildung 11: Erfolgsfaktoren der Coachings aus der Sicht der Klienten

Abbildung 12: Vergleich der Kodiereinheiten zu Zielen, Erfolgsfaktoren und
Auswirkungen der Coachings insgesamt

Abbildung 13: Erfolgsfaktoren der Coachings im Vergleich

Abbildung 14: Auswirkungen der Coachings aus Sicht der Coachs

Abbildung 15: Auswirkungen der Coachings aus Sicht der Klienten

Abbildung 16: Auswirkungen der Coachings im Vergleich

Abbildung 17: Zusammenfassung der Studienergebnisse (VRE: veränderungsrelevante
Ereignisse)

Abbildung D-1: Antwortmuster der vier Studienteilnehmer in der Hauptkategorie „Ziele“

Abbildung D-2: Antwortmuster der vier Studienteilnehmer in der Hauptkategorie „Erfolgsfaktoren“

Abbildung D-3: Antwortmuster der vier Studienteilnehmer in der Hauptkategorie „Auswirkungen“

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Die vier Berner Wirkfaktoren mit Unterfaktoren (nach Behrendt, 2006, S. 60)

Tabelle 2: Interviewleitfaden in seiner endgültigen Form

Tabelle 3: Die Grundstruktur der Kategoriensysteme (Ebenen 1-3)

Tabelle 4: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Rahmenbedingungen/ Grundvoraussetzungen“ im Vergleich

Tabelle 5: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Beziehungsqualität“ im Vergleich

Tabelle 6: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Kompetenzen und
Haltung des Coachs“ im Vergleich

Tabelle 7: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Prozesssteuerung“ im Vergleich

Tabelle 8: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Einsatz von Methoden“
im Vergleich

Tabelle 9: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Themenbezogenes Arbeiten“ im Vergleich

Tabelle 10: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Emotionale
Auswirkungen“ im Vergleich

Tabelle 11: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Kognitive
Auswirkungen“ im Vergleich

Tabelle 12: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Persönlichkeitsentwicklung“ im Vergleich

Tabelle 13: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Berufliche Veränderungen“ im Vergleich

Tabelle 14: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Transfer“ im Vergleich

Tabelle 15: Aussagen von Coachs und Klienten in der Kategorie „Schwierigkeiten in
der Umsetzung“ im Vergleich

Danksagung

Zuallererst möchte ich mich bei meinen Interviewteilnehmern bedanken, die sich neben ihrem Coaching dazu bereit erklärten, an der intensiven Datenerhebung mitzuwirken. Vielen Dank für Ihre Bereitschaft und Offenheit, die Sie mir während der Coachingsitzungen und Interviews zuteil werden ließen. Ohne Sie wäre die vorliegende Arbeit nicht möglich gewesen.

Auch bedanken möchte ich mich bei meinen Eltern, die mich in der Abschlussphase meines Studiums unterstützen, stets ein offenes Ohr für mich haben und mir den Rücken freihalten

Von ganzem Herzen danke ich dir, Hilka. Ich bin froh, dass wir uns beim qualitativen Forschungsseminar von Frau Moritz begegnet sind und ich wüsste nicht, was ich ohne dich gemacht hätte. Ich werde mich immer mit Freude an unser arbeitsintensives und schönes Schwarzwald-Wochenende und die unzähligen Auswertungs- und Besprechungs-Sessions, inklusive kreativem, buntem „Geschnipsel“ zurückerinnern. Danke für die Tipps, dein offenes Ohr und deine liebevolle Art, und dass du mich bis zum Ende hin begleitet hast. Ich freue mich darauf, auch deinen Weg weiter mitzuverfolgen.

Auch Karen und Maria haben mich auf meinem qualitativen Forschungsweg zur abgeschlossenen Diplomarbeit begleitet und an der ein oder anderen Stelle ein Lichtlein entzündet, das mir den weiteren Weg deutlicher werden ließ

Leonie möchte ich danken, dass sie so aufmerksam und mit vielen guten Anregungen meine Arbeit Korrektur gelesen hat.

Außerdem bin ich dankbar für all die Erfahrungen und Bekanntschaften, die ich innerhalb dieses Jahres machen durfte und all die alten und neuen Freunde, die sich entschieden haben, meinen Weg zu begleiten.

Last but not least möchte ich mich bei meinen beiden Betreuern bedanken, die mich mein Projekt, im Thema und im Forschungsdesign, eigenständig durchführen ließen. Trotzdem standen sie mir an den entscheidenden Stellen mit Rat zur Seite und bremsten mich das ein oder andere Mal dankenswerterweise aus.

Zusammenfassung

Die vorliegende Pilotstudie greift Erkenntnisse und Methoden der Psychotherapie-Forschung auf und überträgt diese auf den Coachingkontext. Untersucht werden die von Coachs und Klienten berichteten Erfolgsfaktoren und Auswirkungen von veränderungsrelevanten Ereignissen im Coaching, sowie deren Ziele. In einem längsschnittlichen qualitativen Design wurden zwei Coach-Klient-Dyaden über den Coachingverlauf hinweg begleitet. Anhand des Interpersonal Process Recall wurden die Sitzungen auf Tonband aufgezeichnet. Den Studienteilnehmern wurden die für sie relevanten Passagen im Anschluss an die Coachings erneut vorgespielt, sie wurden mit Hilfe halbstandardisierter Interviews befragt. Es wurden insgesamt 44 veränderungsrelevante Ereignisse berichtet. Die Coachs erkannten 60% der von den Klienten als relevant erachteten Ereignisse. Die inhaltsanalytische Auswertung der Interviews erbrachte sehr detaillierte Beschreibungen der Ziele sowie relevanter Erfolgsfaktoren und Auswirkungen. Der systematische Vergleich der Aussagen ergab unter anderem, dass die Klienten überwiegend die Lösung konkreter Probleme zum Ziel hatten und erst im Verlauf das Potenzial der Persönlichkeitsentwicklung erkannten, auf die die Coachs von Anfang an stärker abzielten. Als Erfolgsfaktoren wurden Rahmenbedingungen, die Beziehungsqualität sowie Kompetenzen und Haltung des Coachs genannt. Prozesssteuernde Elemente wie eine ganzheitliche Herangehensweise und der Einsatz von Methoden wie Psychoedukation und Visualisierungen wurden als bedeutsam erachtet. Selbstreflexion und die Erarbeitung von Zusammenhängen waren von zentraler Bedeutung. Weiterhin waren Ressourcenaktivierung, Einstellungsarbeit und die Bereitstellung konkreter Umsetzungsmethoden ausschlaggebend. Auswirkungen fanden sich auf emotionaler, kognitiver, beruflicher und Transferebene und in Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung. Klienten nannten insgesamt mehr Auswirkungen als Coachs, das umgekehrte Muster zeigte sich bei den Erfolgsfaktoren. Der Interpersonal Process Recall kann in Forschung und Praxis gewinnbringend eingesetzt werden.

1 Einleitung

„ Nichts existiert, das von Dauer ist. Das einzig Dauerhafte ist die Veränderung.“ – Siddhartha Gautama

Glaubt man dem Wirtschaftswissenschaftler Leo A. Nefiodow (2001), so befinden wir uns momentan auf der Schwelle zu einem neuen Zeitalter. Mit dieser Vorhersage greift er die Entdeckung des Wirtschaftsprofessors Nikolai Kondratieff auf, der schon 1926 aufgrund von Zeitreihenanalysen große Konjunkturzyklen von 40 bis 60 Jahren Dauer beobachtete, die in der Folge als Kondratieffzyklen bezeichnet wurden. Diese Langzyklen werden durch neu entstandene Bedürfnisse der Menschen ausgelöst. Sie werden von einer Vielzahl von Innovationen sowie der Hervorbringung neuer Arbeitsplätze auf dem jeweiligen Wirtschaftsgebiet getragen und gehen mit einem fundamentalen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technologischen Wandel einher. Nach den Wellen der Bekleidung, des Transports und des Massenkonsums ging in den 1970er Jahren mit dem fünften Kondratieffzyklus die Industriegesellschaft in eine Informationsgesellschaft über. Nun befinden wir uns auf der Schwelle zum Zeitalter der psychosozialen Gesundheit. Um dem Drang nach Produktivitätssteigerungen, die immer weniger durch technologischen Fortschritt erwirkt werden können, gerecht zu werden, fehlt es an einem Strukturwandel im Bildungssystem, der es erlaubt, die Menschen zu befähigen, den Qualifikationsanforderungen ihrer Arbeit gerecht zu werden. Denn neben den fachlichen Kompetenzen werden zunehmend Anforderungen an die sozialen Kompetenzen und die Persönlichkeitsbildung gestellt. Flexibilität, Kreativität und Kooperationsfähigkeit in der Zusammenarbeit mit Teams gewinnen an Bedeutung. „Die zunehmende Dynamik der Unternehmenswelt zwingt Organisationen und die in ihnen beschäftigten Personen, sich permanent weiterzuentwickeln und zu verändern.“ (Steinkellner, Grünberger, & Frankus, 2006, S. 149). Oftmals sehen sich die Arbeitnehmer diesem Druck nicht mehr gewachsen. Psychosoziale Belastungen und die Anzahl psychischer Erkrankungen haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen (Kroll, Müters, & Dragano, 2011). Die Gesundheitsausgaben in Deutschland stiegen zwischen 1994 und 2009 von 159 Mrd. auf 278 Mrd. Euro an (Statistisches Bundesamt, 2011). Traditionelle Konzepte der Personalentwicklung zur Befähigung der Mitarbeiter scheinen hier nicht mehr auszureichen (Backhausen & Thommen, 2003; Kilburg, 1996). Deshalb wird in zunehmendem Maße eine individualisierte und kontextspezifische Beratung zur Weiterentwicklung der Mitarbeiter gefordert (McCauley & Hezlett, 2002), die den Einzelnen in seiner Individualität begreift und ihn dazu befähigt, dem Druck der Unternehmenswelt standzuhalten (Steinkellner, et al., 2006). So hat sich Coaching als wichtiges Personalentwicklungsinstrument immer stärker etabliert (Ellinger, Ellinger, & Keller, 2003; Kampa-Kokesch & Anderson, 2001; Mäthner, Jansen, & Bachmann, 2005). Ziel ist dabei die Identifikation und Lösung beruflicher und privater Anliegen und gleichzeitig die Verbesserung der Selbstmanagementfähigkeiten sowie die Förderung der Selbstreflexion der Klienten (Rauen, 2005). Um den positiven Nutzen von Coachingmaßnahmen zu untermauern und diese stetig zu verbessern, bedarf es systematischer wissenschaftlicher Forschung. Da sich die Coachingforschung jedoch trotz des stetig wachsenden Datenkorpus noch in den Anfängen befindet, sind Studien mit explorativer Vorgehensweise erforderlich, um das Feld umfassend zu erkunden.

Die vorliegende Studie soll einen Beitrag zu dieser Forschung leisten und bedient sich hierfür qualitativer Forschungsmethoden. Ziel der Arbeit ist die Untersuchung und der Vergleich der Wahrnehmungen von Coachs und Klienten hinsichtlich veränderungsrelevanter Ereignisse während des Coachingprozesses. Dieses Konzept wird aus der Psychotherapieforschung auf den Coachingkontext übertragen. In einem längsschnittlichen Design wird der Verlauf der Ziele untersucht sowie Erfolgsfaktoren und Auswirkungen von besonders bedeutsamen Ereignissen während des Coachingprozesses herausgestellt. Die Studie ist eine der ersten, die die Sichtweisen von Coachs und Klienten in einen direkten Vergleich setzt. Der stimulated recall-Ansatz (Kagan, Krathwohl, & Miller, 1963) wirkt den oftmals kritisierten Erinnerungs- und Gedächtniseffekten der Befragten entgegen und zeichnet die Studie besonders aus.

Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst eine Begriffsklärung von Coaching vorgenommen. Danach werden die wichtigsten Befunde formativer und summativer Evaluationsstudien zusammengefasst. Theoretische Wirkmodelle geben dabei Aufschluss über mögliche Faktoren, die sich positiv auf den Coachingerfolg auswirken (Kapitel 2). Anschließend werden die Untersuchungsmethode, die während der Untersuchung formulierten Forschungsfragen sowie das Untersuchungsdesign beschrieben (Kapitel 3). Die qualitativen Ergebnisse werden in Kapitel 4 dargestellt. Die abschließende Interpretation und Diskussion der Ergebnisse und eine kritische Diskussion der methodischen Stärken und Schwächen folgen im fünften Kapitel. Implikationen für Forschung und Praxis sowie ein Ausblick runden die Arbeit ab.

2 Theoretischer Hintergrund

„Dass ich erkenne was die Welt / Im Innersten zusammenhält.“
– Johann Wolfgang von Goethe (Faust)

Das folgende Kapitel bietet einen Überblick über den aktuellen Stand der Coaching-Forschung. Zunächst wird der Begriff Coaching definiert und von verwandten Interventionsformen abgegrenzt (Abschnitt 2.1). Da in der Evaluationsforschung zwischen formativer und summativer Forschung unterschieden werden kann, werden aus Gründen der Übersicht zunächst die Ergebnisse der summativen Evaluationsforschung dargestellt. Da deren Aussagekraft bezüglich möglicher Verbesserungen begrenzt ist, wurden zunehmend Wirk- oder Erfolgsfaktoren erforscht, die Einfluss auf den Erfolg von Coaching haben. Nach einer Darstellung der gängigsten Modelle zu Wirkfaktoren im Coaching werden die wichtigsten Ergebnisse der Process-Outcome-Studien vorgestellt. Für die vorliegende Untersuchung wurden außerdem Ansätze aus der psychotherapeutischen Episodenforschung herangezogen. Des Weiteren werden Befunde qualitativer Untersuchungen zu Wirkfaktoren und Auswirkungen im Coaching dargestellt (Abschnitt 2). Die Darlegung der Zielsetzung der Diplomarbeit rundet das Kapitel ab und bildet die Überleitung zum Methodenteil (Abschnitt 2.3).

2.1 Begriffsklärung von Coaching

Zunächst wird die in dieser Arbeit zugrunde gelegte Definition von Coaching erarbeitet. Die Abgrenzung von anderen Interventionsformen verdeutlicht deren charakteristische Eigenschaften.

2.1.1 Definition von Coaching.

Das stetige Wachstum des Coachingmarktes (Greif, 2008) und das gleichzeitige Fehlen einer geschützten Berufsbezeichnung für Coachs[1] machen eine einheitliche Definition von Coaching erforderlich, die Standards für die Qualitätssicherung durch Verbände und Forscher bereithält. Eine solche einheitliche Definition des Begriffes konnte sich bisher jedoch noch nicht durchsetzen. Eine vielzitierte Definition stammt von Rauen (2008), der Coaching definiert als einen „interaktiven personenzentrierten Beratungs- und Betreuungsprozess, der berufliche und private Inhalte umfassen kann. Im Vordergrund steht die berufliche Rolle bzw. damit zusammenhängende aktuelle Anliegen des Gecoachten“ (S. 3). Coach und Klient gehen hierfür eine kollaborative Beziehung ein, in der der Klient der Experte für sein Anliegen ist und der Coach der Prozessexperte. Die Beziehung ist von Vertrauen, gegenseitiger Akzeptanz und Freiwilligkeit geprägt. Ziele sind die Unterstützung des Klienten im Problemlöseprozess sowie „die (Wieder-) Herstellung und/oder Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeiten des Klienten“ (Rauen, 2001, S. 64). Der Coach trägt durch einen integrativen Methodenansatz innerhalb eines ausgearbeiteten Coaching-Konzeptes, die Transparenz über die verwendeten Methoden, fundierte psychologische und betriebswirtschaftliche Kenntnisse sowie praktische Erfahrung zur Erreichung der Ziele bei. Die Dauer des Coachings ist zeitlich begrenzt und häufig verteilt auf mehrere Sitzungen. Zielgruppe sind häufig Manager mit Führungsverantwortung. In einer neueren Definition geht Rauen über die Erreichung spezifischer Ziele und die Lösung konkreter Probleme hinaus, fokussiert zusätzlich den Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung und definiert die Ziele von Coaching daher wie folgt: „Coaching zielt immer auf eine (auch präventive) Förderung von Selbstreflexion und -wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung, um so Hilfe zur Selbsthilfe zu geben“ (Rauen, 2003, S. 3). Auch Greif (2008) schlussfolgert, dass Coaching beides ist, „zuerst Förderung der Selbstreflexion und dann Beratung“ (Greif, 2008, S. 57), die sich sowohl auf berufliche als auch auf private Anliegen bezieht. Der Deutsche Bundesverband Coaching (2011) hebt die professionelle Beratung hervor, die zu einer Weiterentwicklung der Lern- und Leistungsfähigkeit führt.

2.1.2 Abgrenzung von anderen Interventionsformen.

Um das Handlungsfeld Coaching eindeutiger von verwandten Formen der personenzentrierten Beratung und Behandlung abzugrenzen und dadurch eine weitere Präzisierung in der Definition von Coaching zu erhalten, werden im Folgenden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Coaching und Psychotherapie, Training und Mentoring aufgezeigt.

Coaching versus Psychotherapie

Trotz des gleichermaßen sehr individuellen Beratungsansatzes und ähnlicher verwendeter Methoden (viele Coachingtechniken wurden psychotherapeutischen Verfahren entnommen; vgl. Rauen, 2001), fokussiert Coaching, wie in der oben genannten Definition beschrieben, auf die Wiederherstellung und Verbesserung der Leistung und Selbstregulation von „gesunden“ Menschen mit vornehmlich beruflichen Anliegen. Psychotherapie hingegen dient der „Behandlung psychischer oder psychisch bedingter Störungen“ (Greif, 2008, S. 63), die im Klassifikationssystem des ICD-10 der WHO (DIMDI, 2011) aufgeführt sind und nur von approbierten psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten behandelt werden dürfen. Während in der Psychotherapie emotionale Probleme tiefgründiger erarbeitet werden, ist Coaching stärker ziel- und lösungsorientiert (Rauen, 2001). Psychotherapeuten müssen eine Qualifizierung in Form einer psychotherapeutischen Ausbildung vorweisen, wohingegen der Begriff des Coachs rechtlich nicht geschützt ist. Professionelles Coaching erfordert zudem Wissen über wirtschaftliche und organisationale Zusammenhänge sowie „Kompetenzen zur Durchführung intensiver und systematischer Analysen und Reflexionen der verschiedenen Systemebenen der Organisation und Wirtschaft“ (Greif, 2008, S. 63).

Coaching versus Training

Ebenso wie im Coaching steht auch bei Trainings die Verhaltensänderung und die Entwicklung der Persönlichkeit im Vordergrund. Im Gegensatz zum Coaching finden Trainings jedoch in Gruppen statt, wodurch eine oft weniger intime Atmosphäre und weniger persönlicher Kontakt zwischen Trainern und Klienten entstehen (Jansen, Mäthner, & Bachmann, 2004). Die individuelle Abstimmung auf den Einzelnen ist dadurch eingeschränkt. Während Coaching „Hilfe zur Selbsthilfe“ zum Ziel hat (Greif, 2008), werden in Trainings bestimmte, vorher festgelegte Verhaltensweisen und fachspezifische Fähigkeiten gezielt auf- und ausgebaut (Rauen, 2001). Die Anleitung erfolgt durch einen im Fachgebiet überlegenen Experten. Dieses Gefälle wird im Coaching möglichst vermieden. Hier wird der Klient als Experte für sich und sein Anliegen verstanden, der Coach als Experte für den Prozess.

Coaching versus Mentoring

Selbstreflexion und Selbstveränderung stehen auch bei Mentoring im Vordergrund (Greif, 2008). Im Gegensatz zu Coaching finden sich Mentoring-Beziehungen allerdings oftmals innerhalb der gleichen Organisation. Ein erfahrener und kompetenter, zumeist älterer Mentor nimmt sich eines eher unerfahrenen Mentee bzw. Protégé an und unterstützt und begleitet diesen in seiner beruflichen Entwicklung und Rollenfindung innerhalb der Organisation (Feldman & Lankau, 2005). Hierbei dient der Mentor als Rollenmodell, der den Mentee berät und innerhalb der Organisation sichtbar macht. Während Mentoringbeziehungen oftmals informell entstehen und weniger strukturiert sind, beruht die kurzweiligere Coachingbeziehung auf einem formalen Kontrakt zwischen Coach und Klient.

2.2 Aktueller Stand der Forschung

Im folgenden Abschnitt wird der aktuelle Stand der Coachingforschung zusammenfassend dargestellt. Für einen ersten Überblick über das Forschungsfeld können die Überblicksartikel von Kampa-Kokesch und Anderson (2001), Feldman und Lankau (2005), Joo (2005) und Greif (2007) herangezogen werden. Hier werden die Ergebnisse der bedeutendsten quantitativen und einiger älterer qualitativer Studien zusammengefasst. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass sich die Coachingforschung trotz zahlreicher Publikationen in Zeitschriften, Magazinen und Fachzeitschriften noch in den Anfängen befindet. Bisher existieren nur wenige Studien die mithilfe systematischer qualitativer oder quantitativer Forschungsmethoden dem Phänomen Coaching auf den Grund gegangen sind (de Haan, Bertie, Day, & Sills, 2010b; Grant & Cavanagh, 2004). Vor allem die empirische Forschung über die Prozesse, die effektivem Coaching zugrunde liegen, ist beschränkt (Feldman & Lankau, 2005). Ein Grund hierfür mag sicherlich in der Natur des zu untersuchenden Gegenstands liegen (Ely et al., 2010). Die individuelle Gestaltung der Coachings, die Vertraulichkeit und die hohe Komplexität und Dynamik erschweren eine empirische oder gar experimentelle Überprüfung auf breiter Basis.

Formative und summative Evaluationsforschung nach Ely et al. (2010)

Um dennoch der zunehmenden Forderung nach Studien zur Wirksamkeit und Erfolgsfaktoren dieser Personalentwicklungsmaßnahme gerecht zu werden, entwickelten Ely et al. (2010) ein Framework für die Evaluation von Coachinginterventionen. Dabei unterscheiden sie zwischen der summativen und formativen Evaluation. Summative Evaluation bezieht sich auf die Untersuchung der Wirksamkeit und Effektivität (abgeschlossener) Interventionen und versucht somit Antworten auf die Frage „Wirkt Coaching?“ zu geben. Ely et al. legen ihrem Framework hierbei die Vier-Ebenen-Taxonomie von Kirkpatrick (1994) zugrunde. Danach können Wirksamkeitsbelege auf den Ebenen der Reaktionen (subjektive Evaluationen von Individuen), des Lernens (kognitives, affektives Lernen sowie Fähigkeitserwerb), des Verhaltens (Verhaltensänderungen) und der messbaren Ergebnisse erfolgen. Um den dynamischen Aspekten im Coaching gerecht zu werden und Hinweise für die Verbesserung der Qualität zukünftiger Coachings zu erhalten, besteht zusätzlich die Möglichkeit der formativen Evaluation. Sie beschäftigt sich mit der Wirkungsweise und somit der Frage „Wie wirkt Coaching?“. Hierzu können sowohl Klienten- und Coach-Variablen als auch die Beziehung zwischen beiden Akteuren und Prozesskomponenten erfasst und untersucht werden.

Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität nach Heß und Roth (2001)

Eine andere Art der Unterscheidung stammt von Heß und Roth (2001). Sie trennen zwischen den Qualitätsdimensionen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (s. Abbildung 1). Diese Einteilung geht ursprünglich auf Donabedian (1982) zurück und hat ebenso wie die Unterscheidung von Ely et al. (2010) die Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit von Dienstleistungen zum Ziel. Die Ergebnisqualität beschreibt dabei die summativen Kriterien, wohingegen die formativen Kriterien aufgeteilt werden in eine strukturelle und eine dynamische Komponente: die Struktur- und die Prozessqualität. Im Folgenden werden alle drei Dimensionen und deren Zusammenhang kurz erläutert.

Die Strukturqualität umfasst die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen und Eigenschaften von Coach und Klient. Mögliche zu untersuchende Merkmale sind die Ausbildung des Coachs, dessen Wissen über psychologische und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und dessen Erfahrung. Die Arbeitsbeziehung umfasst Parameter wie Vertrauen und Kooperation und wird von der Kompetenz und dem Konzept des Coachs beeinflusst. Unter institutionellen Rahmenbedingungen ist beispielsweise der organisationale Kontext zu verstehen, auf dessen Hintergrund das Coaching stattfindet.

Die Prozessqualität beschreibt die dynamischen Merkmale, die zum Erfolg einer Maßnahme beitragen. Hierzu zählen alle Faktoren, die den Prozess und die Interaktion mit dem Klienten bestimmen. Merkmale wie Sitzungsdauer und -abstände, die Partizipation des Klienten, die Transparenz des Coachs, die Erstellung eines individuellen Beratungsplans sowie der gezielte Einsatz von Interventionen spielen eine wichtige Rolle.

Zur Ergebnisqualität zählen alle summativen Kriterien, die den Erfolg der Coachingmaßnahme beschreiben. Neben der Zufriedenheit und der Akzeptanz durch Klient oder Auftraggeber können die Veränderungen in der Problemsicht und der Problembewältigung, Klärung, Ressourcenaktivierung und der Transfer als Evaluationskriterien dienen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Mögliche Qualitätsmerkmale der Struktur-, Ergebnis- und Prozessqualität und die am Aushandlungsprozess beteiligten Personengruppen (nach Heß & Roth, 2001, S. 67).

Heß und Roth (2001) betonen, dass die Struktur- und die Prozessqualität eine „notwendige, aber keine hinreichenden Bedingungen für die Ergebnisqualität“ darstellen (S. 63f.). Kausale Beziehungen zwischen den Dimensionen sind nicht anzunehmen, da alle drei unabhängig voneinander gut oder schlecht bewertet werden können. Sie legen lediglich nahe, alle Dimensionen gleichermaßen zu berücksichtigen und zu evaluieren.

In Abbildung 2 werden die Frameworks von Ely et al. (2010) und Heß und Roth (2001) zusammenfasst und die bedeutsamsten Variablen auf der Prozess- und Auswirkungsseite veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Integriertes Modell des Frameworks von Ely et al. (2010) und der drei Qualitätsdimensionen nach Heß & Roth (2001).

Im folgenden Abschnitt werden zunächst die Ergebnisse der summativen Evaluationsforschung zusammengefasst.

2.2.1 Ergebnisse der Wirksamkeitsforschung.

Im Folgenden wird auf die wichtigsten Befunde der Wirksamkeitsforschung zum Thema Coaching eingegangen. Für die summative Evaluation von Coaching werden häufig allgemeine Erfolgskriterien wie die Zufriedenheit und Zielerreichung verwendet. Diese Ergebnisse sind unabhängig von der inhaltlichen Thematik der Coachings. Um auch auf die individuelle Zielsetzung eines jeden Coachings einzugehen, können zusätzlich idiografische Messinstrumente herangezogen werden (Greif, 2007), was jedoch die Durchführung experimenteller und empirisch fundierter Studien erschwert (Bono, Purvanova, Towler, & Peterson, 2009; Feldman & Lankau, 2005; Fillery-Travis & Lane, 2008; Greif, 2007; Greif, Schmidt, & Thamm, 2010).

Für eine übersichtliche Darstellung der Befunde der Wirksamkeitsforschung wird auf die Vier-Ebenen-Taxonomie von Kirkpatrick (1994) zurückgegriffen. Reaktionen beziehen sich auf subjektive Evaluationen (übersetzt nach Ely, et al., 2010), wie beispielsweise die wahrgenommene Effektivität des Coachings und die Zufriedenheit mit dem Prozess und der Beziehung zum Coach. Lernen umfasst die Entwicklung von Selbstbewusstheit, kognitiver Flexibilität und Selbstwirksamkeit sowie Einstellungsänderungen. Verhalten bezeichnet die Zielerreichung des Klienten sowie Verhaltensänderungen, beispielsweise Veränderungen im Führungsstil. Harte wirtschaftliche Faktoren wie der Return on Investment, Produktionskosten und die Turnover-Rate sind mögliche Bewertungskriterien auf der Ebene der Ergebnisse.

Reaktionen

Zusammenfassend stellen Bono et al. (2009) fest, dass große Einigkeit über die Nützlichkeit von Coaching besteht. Eine Umfrage der International Coaching Federation (1998) ergab, dass 98,5% der Befragten die Investition für wertvoll oder sehr wertvoll hielten. In einer Studie von McGovern, Lindemann, Vergara, Murphy, Barker und Warrenfeltz (2001) waren 86% der Klienten und 74% der Stakeholder mit den Resultaten sehr oder extrem zufrieden. Experimentelle Evaluationsstudien fanden höhere Zufriedenheitswerte der Gruppen mit individuellem Coaching im Vergleich zu Gruppen mit Selbstcoaching und Kontrollgruppen (Martina Offermanns, 2005). Auch eine Verbesserung des Wohlbefindens durch Coaching konnte nachgewiesen werden (Green, Oades, & Grant, 2005). „Klienten geben an, sich durch das Coaching emotional entlastet zu fühlen.“ (Mäthner, et al., 2005, S. 65). In einer Studie von Grant, Curtayne und Burton (2009) steigerte Coaching das Wohlbefinden am Arbeitsplatz und die Belastbarkeit und reduzierte Stress und Depressionswerte im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Lernen

Selbsterkenntnis und Selbstreflexion sowie das Erlangen von Einsichten zählen zu den generellen Auswirkungen von Coachingmaßnahmen (Hall, Otazo, & Hollenbeck, 1999; Kilburg, 1997; Mäthner, et al., 2005; Orenstein, 2006; Wasylyshyn, 2003). Klienten erhalten „mehr Bewusstsein über die eigene Person und das Verhalten“ (Mäthner, et al., 2005, S. 64) und verbessern ihre Work-Life-Balance. Coaching kann zudem zur Rollenklärung, Zielfindung und Prioritätensetzung beitragen. Außerdem steigert es die Klarheit über die eigenen Emotionen (Grant, 2003). In einer längsschnittlichen Untersuchung konnten Finn, Mason und Griffin (2006, vgl. Greif, 2007) eine Verbesserung der Selbstwirksamkeit, der Wahrnehmung von Unterstützung in der Entwicklung, und Offenheit gegenüber neuen Verhaltensweisen und Herangehensweisen der Coachinggruppe gegenüber der Kontrollgruppe feststellen. Auch in einer quasi-experimentellen Studie von Leonard-Cross (2010) wiesen Klienten, die an einem developmental coaching-Programm teilgenommen hatten, höhere Werte in der Selbstwirksamkeit auf als die Kontrollgruppe ohne Coaching.

Verhalten

Auf der Verhaltensebene kann Coaching dazu beitragen, spezifischere Ziele zu setzen (Smither, London, Flautt, Vargas, & Kucine, 2003) und diese erfolgreicher umzusetzen (Grant, 2003). Eine verbesserte Zielerreichung der Interventionsgruppen im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte sich auch in den experimentellen Untersuchungen von Offermanns (2005) und von Grant et al. (2009). Verhaltensänderungen wie der verbesserte Aufbau von Beziehungen (Mäthner, et al., 2005; Wasylyshyn, 2003) und der Ausbau des Verhaltensrepertoires konnten nachgewiesen werden (Hall, et al., 1999). In einer Umfrage von Mäthner et al. (2005) wurden darüber hinaus Verbesserungen in den Bereichen Führungskompetenz, Zeit- und Konfliktmanagement und Entscheidungs- und Kommunikationsfähigkeit genannt.

Ergebnisse

Auch „harte“, betriebswirtschaftliche Faktoren wie die gesteigerte Effektivität (Wasylyshyn, 2003), unter anderem auch bei der Durchführung von Meetings (Hall, et al., 1999), und Auswirkungen auf den Return on Investment (McGovern, et al., 2001) konnten nachgewiesen werden. Teilnehmer in der Coaching-Gruppe erhielten mehr Anregungen für Verbesserungen von ihren Vorgesetzten, sowie bessere Bewertungen durch Vorgesetzte und Kollegen (Luthans & Peterson, 2003; Smither, et al., 2003; Thach, 2002). Olivero, Bane & Kopelman (1997) untersuchten die Wirksamkeit eines Programms, das zunächst ein Training und anschließend ein Transfer-Coaching vorsah. Das Training allein steigerte die Produktivität um 22%, das zusätzliche Coaching verbesserte diese Steigerung auf 88%.

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass bisher nachgewiesen werden konnte, dass Coaching auf verschiedenen Ebenen greift und zu Veränderungen führen kann. Feldman und Lankau (2005) kritisieren jedoch, dass bisher nur sehr wenig empirische Forschung vorliegt, die sich der Frage der Wirkungsweise widmet und wann es am erfolgreichsten ist. Ely et al. (2010) schlagen deshalb vor, verstärkt formative Elemente der Intervention zu untersuchen. Nachfolgend werden zunächst die für die vorliegende Arbeit relevanten Modelle vorgestellt, die mögliche Wirkfaktoren von Coaching zusammenfassen.

2.2.2 Das Strukturmodell der Wirkungen beim ergebnisorientierten Einzelcoaching von Greif (2008).

Da für eine zusammenfassende Meta-Analyse bisher noch nicht genügend homogene Studien vorliegen, entwickelte Greif (2008) ein Strukturmodell der Wirkungen beim ergebnisorientierten Einzelcoaching. In diesem Orientierungsmodell fasste er den bisherigen Forschungsstand über Voraussetzungen, Erfolgsfaktoren und Auswirkungen von Coaching zusammen. Neben Variablen, die durch bisherige Untersuchungen bereits bestätigt wurden, griff er auch in der Literatur diskutierte, jedoch noch nicht hinreichend empirisch überprüfte Variablen auf, um Möglichkeiten für zukünftige Forschung aufzuzeigen. In diesem Orientierungsmodell führt Greif auf der formativen Ebene Voraussetzungen des Coachs, des Klienten und Erfolgsfaktoren auf, die den Coachingerfolg sicherstellen. Auf der Seite der Auswirkungen finden sich sowohl allgemeine als auch spezifisch anwendbare Ergebnisse von Coaching. Abbildung 3 zeigt eine Übersicht der relevanten Faktoren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Strukturmodell der Wirkungen beim ergebnisorientierten Einzelcoaching (nach Greif, 2008, S. 277).

Wertschätzung und emotionale Unterstützung durch den Coach sowie die Konkretisierung und Klärung der Ziele im Coachingprozess (dick umrandete Kästen) wurden in Untersuchungen bereits mehrfach als Prädiktoren für die Zielerreichung bestätigt. Auch allgemeine Kriterien wie der Zielerreichungsgrad, die Zufriedenheit der Klienten und die Verbesserung des Affekts sind leicht zu erheben und wurden in Studien wiederholt belegt. Für die Voraussetzungen des Coachs, einige Erfolgsfaktoren, die aufgeführten spezifischen Ergebnisse sowie die Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens (einfach umrandete Kästen) liegen erste Ergebnisse vor. Die Ergebnisse dieser Process-Outcome-Studien werden ausführlicher in Kapitel 2.2.5 dargelegt. Alle weiteren Wirkfaktoren und Auswirkungen (gestrichelte Kästen) wurden in qualitativen Untersuchungen identifiziert. Hier steht eine quantitative Überprüfung noch aus.

2.2.3 Das systemische Wirkmodell von Offermanns (2004).

Da die oben aufgeführte Definition von Rauen (2003) in ihrer späteren Version auch auf die Entwicklung von Selbstreflexion abhebt, wird im Folgenden auf ein drittes Wirkmodell der Coachinginterventionen eingegangen. Basierend auf der personenzentrierten Systemtheorie von Kriz (1997) und der Arbeit von König und Vollmer (2002) entwickelte Offermanns (2004) ein systemisches Wirkmodell, das die Selbstreflexion ins Zentrum von Coachingprozessen stellt. Diese wird als grundlegende Voraussetzung für Lernprozesse und Veränderung gesehen. Offermanns definiert Selbstreflexion als

das Auseinandersetzen mit den für einen selbst wichtigen eigenen subjektiven Deutungen (z.B. Gedanken und Motive), den damit verbundenen Gefühlen und den daraus resultierenden Handlungen und deren Konsequenzen unter Berücksichtigung des Verhaltens und der subjektiven Deutungen anderer Personen sowie der bestehenden Strukturen (Regeln, Aufgaben, Umweltbedingungen), die einen umgeben. (S. 115)

Durch Selbstreflexion ist es dem Menschen möglich, in einem Problemlöseprozess vergangene Sichtweisen und Handlungen zu hinterfragen, Zusammenhänge und Wechselwirkungen zu erkennen und hierdurch neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Dem Coach kommen hierbei wichtige Funktionen zu. Er unterstützt den Problemlöseprozess, indem er dem Klienten einen geschützten Rahmen für die Auseinandersetzung mit seinem Problem bietet. Hilfreich sind die Schaffung einer vertrauten Atmosphäre und eines zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen die Bearbeitung des Themas erfolgen soll. Weiterhin regt der Coach zur Selbstreflexion an, indem er gezielte reflexionsfördernde Methoden einsetzt, die den Klienten neue und differenzierte „Sichtweisen, Zusammenhänge, Wechselwirkungen sowie eigene Anteile“ erkennen lassen (Offermanns, 2004, S. 102). Dabei geht er flexibel auf eher lage- oder handlungsorientierte Menschen ein. Während handlungsorientierte Menschen von der Förderung der Selbstreflexion profitieren können, werden die Grübeleien lageorientierter Personen gestoppt und stattdessen ergebnisorientierte Reflexion und Handeln gefördert. In der Umsetzungsphase unterstützt der Coach den Klienten, indem er ihn anhand von Vereinbarungen zur Realisierung der erarbeiteten Lösungsstrategien anhält. Die Realisierung sowie die Konsequenzen der neuartigen Handlungen werden wiederum bewertet. Fällt die Bewertung positiv aus und erlebt der Klient eine emotionale Entlastung, tritt Veränderung ein.

In der Testung des Modells durch eine qualitative Studie zum Vergleich zweier Coachingprogramme mit Führungskräften zeigte sich eine weitere bedeutende Funktion des Coachs. Es gab Hinweise, dass der Aufbau einer guten Beziehungsqualität die Reflexion und den „Ausgleich zwischen Selbstreflexion und Handeln“ (Offermanns, 2004, S. 102) erleichterte.

Abbildung 4 visualisiert die Zusammenhänge des Modells.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Das systemische Wirkmodell nach Offermanns (angelehnt an Offermanns, 2005).

2.2.4 Die vier Berner Wirkfaktoren nach Grawe (2000).

Ausgehend von den Befunden der Psychotherapieforschung und einer großen Metaanalyse entwickelte Grawe (2000) ein Modell mit vier allgemeingültigen Wirkmechanismen (fast synonym dazu wird auch der Begriff des Wirkfaktors verwendet), die sich therapieschulübergreifend als wirkungsvolle Mechanismen herausgestellt haben. Die vier Berner Wirkfaktoren umfassen die motivationale Klärung, Problemaktualisierung, Ressourcenaktivierung und Problembewältigung. Die Untersuchung dieser Wirkfaktoren wurde später unter anderem von Behrendt (2006), Jonassen (2009) und Schmidt und Thamm (2008) auch auf die Coachingforschung übertragen. Behrendt (2006) benannte den Faktor „Problemaktualisierung“ in „Themenaktualisierung“ um. Dies begründete er damit, dass es im Coaching nicht nur um eine Problemlösung ginge, sondern auch unproblematische Verhaltensweisen optimiert würden. Die Wirkfaktoren bilden folgende Prozesse ab:

1. Motivationale Klärung: Die motivationale Klärung dient der Bewusstmachung und Reflexion des Klienten über die eigenen Gefühle, Wünsche, Ziele, Überzeugungen und Befürchtungen. In einem Entscheidungsprozess werden danach verschiedene Motivkonstellationen gegeneinander abgewogen und schließlich eine (Verände-rungs-) Intention gebildet.

2. Themenaktualisierung: Um Intentionen und Probleme verändern zu können, müssen problematische Erlebnis- und Verhaltensweisen zunächst prozessual aktiviert und unmittelbar erlebt werden. Der Problemaktualisierung kommt hier eine Moderatorfunktion für Realisierungs- und Klärungsprozesse zu.

3. Ressourcenaktivierung: Unter Ressourcenaktivierung versteht Grawe (2000) die inhaltliche oder prozessuale Aktivierung der intra- und interpersonalen Ressourcen eines Klienten. Interne Ressourcen beziehen sich auf Stärken und Fähigkeiten, sowie positive Erinnerungen und Interessen, externe Ressourcen können unterstützende Personen oder materielle Ressourcen sein. Die Ressourcenaktivierung trägt zur Steigerung des Selbstwertgefühls bei und stellte sich in mehreren Studien als der zentrale Wirkfaktor heraus (Gassmann & Grawe, 2006; Smith & Grawe, 2003a, 2003b).

4. Problembewältigung: Bei der Problembewältigung wird dem Klienten geholfen, Intentionen zu verwirklichen. Hierzu müssen nötige Kompetenzen geschaffen werden, die zur Bewältigung des Problems beitragen. Nach der Umsetzung von Absichten werden die Handlungsfolgen schließlich bewertet.

Tabelle 1 zeigt einen Überblick über die vier Wirkfaktoren und deren Unterfaktoren.

Tabelle 1

Die vier Berner Wirkfaktoren mit Unterfaktoren (nach Behrendt, 2006, S. 60)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2.5 Der Zusammenhang zwischen Wirkfaktoren und Auswirkungen im Coaching.

Um den Wert der Modelle und die darin enthaltenen Wirkfaktoren zu prüfen, wurde in so genannten Process-Outcome-Studien der Einfluss der Wirkfaktoren auf den Coachingerfolg untersucht (Mäthner, et al., 2005). Wirkfaktoren und Auswirkungen werden dabei vornehmlich retrospektiv über Fragebogen erhoben. Die Ergebnisse der bedeutendsten Studien werden nachfolgend zusammengefasst.

Mäthner et al. (2005) untersuchten in einer sehr ausführlichen Studie mit 89 Coachs und 74 Coaching-Klienten die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Wirkfaktoren und Interventionstechniken auf die Kriteriumsvariablen Zufriedenheit, Erfolg, Zielerreichung und Verhaltensänderungen. In Regressionsanalysen zeigte sich ein starker Einfluss von Veränderungsmotivation auf verhaltensbezogene Auswirkungen und der Einfluss von Zielkonkretisierung auf kognitive, emotionale und verhaltensbezogene Wirkungen sowie auf die
Zufriedenheit. Die Beziehungsqualität hatte Einfluss auf kognitive Wirkungen, die Zielerreichung und die Zufriedenheit der Klienten.

Brauer (2005, 2006) konnte einen signifikanten Einfluss von Zielspezifität, Zielbindung und Zielerreichungskontrolle auf die Höhe der Zielerreichung nachweisen. Die freiwillige Teilnahme am Coaching hatte hingegen keinen Einfluss auf die Zielerreichungsmotivation.

Die Ergebnisse von Runde und Bastians (2005) zeigen, dass das Herausarbeiten der Stärken und Schwächen der Klienten, die zugelassene Partizipation, die klare Zielklärung zu Beginn des Coachings und die Beziehungsqualität (als stärkster Prädiktor) die Zufriedenheit und Zielerreichung vorhersagen.

Behrendt (2006) wertete Videoaufnahmen von 35 Coachingsitzungen mit 8 Führungskräften aus. Im Zentrum der Analyse standen die vier Berner Wirkfaktoren von Grawe (1998; vgl. Kapitel 2.2.4). Er erfasste Ausgangsvoraussetzungen, Interventionsintentionen der Coachs, die Wirkung bei den Klienten und den Transfererfolg mit Hilfe eines Fragebogens nach jeder Sitzung. Es konnte gezeigt werden, dass alle vier Wirkfaktoren einen signifikanten Einfluss auf nachfolgende Mitarbeitergespräche und die Ressourcenaktivierung außerdem positive Auswirkungen auf den wahrgenommenen Fortschritt in der Sitzung hatte. Behrendt (2006) schlussfolgerte, dass die Ressourcenaktivierung dazu führt, dass Klienten sich besser auf ihre Probleme einlassen, sie erfolgreicher klären und letztlich bewältigen konnten. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen Gassmann und Grawes (2006), die die Ressourcenaktivierung als stärksten Prädiktor von Therapieergebnissen feststellten. Sie gehen davon aus, dass diese nur durch eine gute Bindung zu erreichen ist.

Schmidt und Thamm (2008) fanden sieben elementare Wirkfaktoren, die als Coachingverhaltensweisen beobachtbar waren und mit den Berner Wirkfaktoren teilweise übereinstimmen: (1) Wertschätzung und emotionale Unterstützung; (2) Ergebnisorientierte Problemreflexion; (3) Ergebnisorientierte Selbstreflexion; (4) Affektreflexion und -kalibrierung; (5) Zielklärung; (6) Ressourcenaktivierung und Umsetzungsunterstützung; und (7) Evaluation des Prozesses. Die aufgezeichneten Coachingsitzungen wurden durch Beobachter ausgewertet und die Erfolgsfaktoren mit Ergebniskriterien korreliert. Unter anderem zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Wertschätzung und der Zufriedenheit mit der Zielerreichung, Einsichten sowie ergebnisorientierter Selbstreflexion. Ressourcenaktivierung zeigte einen signifikanten Zusammenhang mit der Zufriedenheit der Zielerreichung, und die Unterstützung des Transfers in die Praxis korrelierte mit effektivem Zeitmanagement und Informationsmanagement. Schmidt und Thamm unterschieden zwischen latenten und manifesten
Wirkfaktoren. Als latente Wirkfaktoren bezeichneten sie solche Wirkfaktoren, die über den gesamten Coachingprozess hinweg eingesetzt wurden. Diese waren verbale und paraverbale Wertschätzung sowie die Ergebnisorientierung. Manifeste Wirkfaktoren wurden nur in einzelnen Abschnitten beobachtet und betrafen die Zielklärung, Ressourcenaktivierung, Umsetzungsorientierung und die emotionale Unterstützung. Eine Sonderstellung nahmen Selbstreflexion, Problemreflexion und die Evaluation im Verlauf ein. Diese traten oftmals in Kombination mit anderen Wirkfaktoren (wie Zielklärung oder Umsetzungsunterstützung) auf.

Integration der theoretischen Modelle und der Erkenntnisse aus den Process-Outcome-Studien

Bezieht man die Ergebnisse der Wirksamkeits- und der Process-Outcome-Forschung auf die beschriebenen Wirkmodelle, wird deutlich, dass für viele der Variablen erste Befunde vorliegen.

Das Modell von Greif (2008) wurde auf der Basis solcher Process-OutcomeStudien erstellt. Coachinginterventionen zeigen Auswirkungen auf kognitiver, affektiver und verhaltensbezogener Ebene und leisten Unterstützung bei der Zielerreichung. Die Beziehungsqualität ist in allen Modellen explizit oder implizit enthalten. Ihr kommt als Strukturkomponente eine besondere Rolle zu, da sie zu Auswirkungen sowohl auf der Ebene der Reaktionen, des Lernens als auch der Verhaltensebene führt. Eine von gegenseitigem Respekt, Vertrauen, Empathie, Wärme und positiver Zuwendung geprägte Beziehung (Kilburg, 2001) scheint hier also für den Coachingerfolg von besonderer Bedeutung zu sein. Auch Gassmann und Grawe (2006) betonten, dass Therapien effektiver waren, wenn der Therapeuten die Fähigkeit besaß, eine Atmosphäre zu kreieren, in der sich der Patient als gut funktionierende und arbeitsfähige Person wahrnimmt. Weshalb Greif die Variable Veränderungsmotivation nicht als bereits nachgewiesenen Bestandteil in seinem Modell integriert hat, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Bei der Hervorhebung der Zielarbeit für den Coachingerfolg stützte sich Greif unter anderem auf die dargestellten Studien von Brauer (2006) und Mäthner et al. (2005).

Die vier Berner Wirkfaktoren von Grawe (2000) erfuhren als Prozesskomponenten ebenfalls Bestätigung. Durch motivationale Klärung werden sich die Klienten ihrer Ziele und Zielkonflikte gewahr und wägen diese gegeneinander ab. Durch Aufzeigen der Ressourcen und Förderung der Proaktivität können Ziele erreicht und die Zufriedenheit des Klienten mit dem Coaching gefördert werden. Durch die Unterstützung bei der Umsetzung der Ziele und die Erarbeitung von Strategien erlangen die Klienten neue Kompetenzen und können ihr Verhalten zielgerichtet verändern.

Dem im systemischen Wirkmodell von Offermanns (2004) zentrale Vorgang der Selbstreflexion kommt eine weitere besondere Stellung zu. Sie wird in einigen Studien als Prozessvariable und somit als Prädiktor erfasst (Runde & Bastians, 2005), stellt in anderen Studien (vgl. Mäthner et al., 2005) jedoch gleichzeitig in einzelnen Momenten oder Sitzungen eine Auswirkung, einen suboutcome dar (vgl. Rice & Greenberg, 1984). Hier wird die Komplexität des zu untersuchenden Feldes sichtbar. Um dieser Komplexität und der Prozessforschung in stärkerem Umfang gerecht zu werden, befasst sich ein Forschungszweig in der Psychotherapie mit ebendiesen suboutcomes auf Mikroprozessebene.

2.2.6 Veränderungsforschung in der Psychotherapie.

In der Psychotherapieforschung wie in der Coachingforschung wird in quantitativen Designs, die die Prozesse und Auswirkungen ganzer Therapien bzw. Coachings untersuchen, die Annahme eines homogenen Prozesses zugrunde gelegt. Da in der Therapieforschung jedoch zum Teil konträre Befunde über Wirkungsweisen von Interventionen vorliegen, entwickelte sich seit den 1980er Jahren zunehmend ein Paradigma, das die zugrundeliegenden Prozesse auf einer größeren Detailebene, nämlich der Ebene einzelner Sitzungsabschnitte untersuchte (Rice & Greenberg, 1984). Da sich zusätzlich herausstellte, dass es keinen psychotherapeutischen Ansatz gab, der den anderen signifikant in seiner Wirksamkeit überlegen war, fokussierten die Forscher deshalb auf die Ereignisse innerhalb der unterschiedlichen Therapieschulen und Sitzungen, die sich für die Patienten als besonders hilfreich herausstellten.

Für die Erkundung dieser als significant change events bezeichneten Sitzungsabschnitte stellte Elliott (1984) eine explorative, entdeckende Herangehensweise vor. Dieses als „discovery-oriented approach to significant change events“ (S. 249) beschriebene Vorgehen basiert auf vier grundlegenden Annahmen (S. 250-252):

[...]


[1] Hinweis: In der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit zumeist das generische Maskulinum verwendet. Selbstverständlich sind bei verallgemeinernden männlichen Formulierungen (wie beispielsweise Coach oder Klient) stets Männer und Frauen gleichermaßen gemeint.

Ende der Leseprobe aus 159 Seiten

Details

Titel
Veränderungsrelevante Ereignisse im Coaching
Untertitel
Eine qualitative Vergleichsstudie der Wahrnehmungen von Coachs und Klienten in Hinblick auf Ziele, Erfolgsfaktoren und Auswirkungen
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Psychologisches Institut)
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
159
Katalognummer
V208761
ISBN (eBook)
9783656361985
ISBN (Buch)
9783656362142
Dateigröße
3822 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Coaching, veränderungsrelevante Ereignisse, Erfolgsfaktoren, Auswirkungen, qualitativ, Interpersonal Process Recall, critical incidents, success factors, outcomes
Arbeit zitieren
Sarah Heid (Autor:in), 2012, Veränderungsrelevante Ereignisse im Coaching, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208761

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