Die Grundlagen der Physik

Eine Einführung in die Denkweise und Methode der Physik


Skript, 1998

88 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

Warum sollen wir Physik lernen?

0. Der Ursprung der physikalischen Prmzipien in der Antike

1. Die Begründung der modernen Physik durch Galilei
1.1 Allgemeines Erkeimtnisziel der Physik
1.2 Die allgemeinen Prinzipien Galileis
1.3 Die Begründung der Kinematik
1.3.1 Bewegungen
1.3.2 Das Gesetz der ungestörten Überlagerung von Bewegungen
1.3.3 Bewegungsmaße
1.3.4 Fundamentale Bewegungstypen
1.4 Das Prinzip der Zeitsymmetrie
1.5 Die Methode Galileis
1.6 Die Begründung der Dynamik
1.6.1 Der freie Fall
1.6.2 Der waagrechte Wurf
1.6.3 Der schiefe Wurf
1.7 Die Masse
1.8 Das Prinzip der Energieerhaltung: Der Energiesatz in der Statik
1.8.1 Der Weg zum Prinzip der Energieerhaltung
1.8.2 Der Energieerhaltungssatz der Statik
1.8.3 Anwendungen: Hebel und Flaschenzug

2. Ausbau und Vertiefung der Prinzipien durch Huygens
2.1 Fortschritte in der Kinematik
2.1.1 Die Kreisbewegung bei konstantem Geschwindigkeitsbefrag
2.1.2 Harmonische Schwingungen
2.2 Dynamik: Die Pendelschwingung
2.3 Der Energieerhaltungssatz in der Dynamik: Das Prinzip der Energieumwandlung
2.4 Neue Prmzipien: Relativität und Isotropie am Beispiel der Stoßgesetze
2.4.1 Das Relativitätsprinzip
2.4.2 Das Prinzip der Raumisotropie
2.4.3 Die Stoßgesetze

3. Die Vollendung der Mechanik durch Isaac Newton
3.1 Die Prmzipien Newtons
3.1.1 Generalisierung
3.1.2 Die Kraft
3.1.3 Das Gesetz von Actio und Reactio
3.2 Die Himmelsmechanik
3.3. Die allgemeine Gravitation
3.4 Axiomatische Physik
3.4.1 Die Newton' sehen Axiome
3.4.2 Einfache Folgerungen aus den Axiomen
3.4.2.1 Bewegungsgleichungen und Bahnkurven
3.4.2.2 Impuls und Impulserhaltungssatz
3.4.3.2 Der Energieerhaltungssatz der Statik

Lösungen

Schlusswort

Literaturhinweise.

Warum sollten wir Physik lernen?

Keine andere Wissenschaft hat so das Leben der Neuzeit verändert wie die Physik. Dies gilt nicht nur für die zahllosen technischen Errungenschaften, die sich als Konsequenz der physikalischen Forschungen ergeben haben; auch unser alltägliches Denken wurde tiefgreifend beeinflusst. Man versuche einmal sich vorzustellen, wie die Menschen im Mittelalter alltägliche Erscheinungen wie Blitz und Donner, gefrierendes Wasser oder ganz einfach den Blick zum Sternenhimmel erlebt haben und vergleiche dies mit den Eindrücken, die ein heutiger Mensch hierbei hat. Oder gar extreme Ereignisse wie Erdbeben, Vulkanausbrüche oder das Erscheinen von Kometen!

Tatsächlich bestimmt aber die Physik noch in einem viel weiteren und tieferen Sinn unser Denken. Als sie nämlich im Laufe ihrer Entwicklung ihre großen Triumphe feierte, war es verständlich, daß auch die übrigen Wissenschaften versuchten sich an der Physik zu orientieren und ihre Methoden so weit wie möglich zu übernehmen. Auf diese Art und Weise glaubten sie dieselbe Sicherheit in ihren Ergebnissen erreichen zu können. Dies gilt nicht nur für die im Laufe der Zeit von der Physik sich abspaltenden übrigen Naturwissenschaften oder die ihr am nächsten stehenden Ingenieurwissenschaften. Wer zum Beispiel glaubt in Mathematik nicht aufpassen zu müssen, da er später ohnehin etwas anderes studieren will und dann plötzlich in Volkswirtschaftslehre, Psychologie oder Sozial Wissenschaft einen oder gar mehrere „Mathescheine“ nachweisen muss, der kann dies nur verstehen, wenn er die von Galilei begründete Methode der Physik verstanden hat. Alle Wissenschaften, soweit sie Exaktheit für sich in Anspruch nehmen, haben sie nämlich übernommen!

In der Tai: Je tiefer man blickt, desto mehr wird der Einfluss der physikalischen Denkweise erkennbar. Die großen Philosophen, die das geistige Klima ihrer Zeit letztendlich verbalisiert bzw. bestimmt haben, sind ohne ihre Auseinandersetzung mit der Physik nicht verständlich. Es genügt nur auf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

den Materialismus des 19. Jahrhunderts oder die analytische Philosophie des 20. Jahrhunderts hinzuweisen. Letztere wird auch Wissenschaftstheorie genannt und man könnte das 20. Jahrhundert als das wissenschaftliche Jahrhundert bezeichnen. Wer dann nicht in eine blinde Wissenschaftsgläubigkeit verfallen will, wer Möglichkeiten und Grenzen von Wissenschaft sinnvoll diskutieren möchte, der muss die Methode, die der Wissenschaft zugrunde liegt, kennen.

Dies kann sinnvoll nur „ad rein“, an der Sache selbst erlernt werden und diese ist eben die Physik! Hierfür genügt es, und mehr ist hier auch gar nicht möglich, die Grundlagen zu kennen. Andererseits sind sie aber auch der Schlüssel zum Verständnis all der phantastischen Probleme mit denen die Physik sich beschäftigt und die sie gelöst hat. Es werden dort Aussagen über den Zustand der Welt bei ihrer Entstehung gemacht, über riesige Weiten des Weltraumes, wo man die entsprechenden Zahlen lesen kann, ohne sie je wirklich zu erfassen!

Die Kernphysik beschreibt Teilchen, die infolge ihrer Kleinheit nie jemand sehen kann, abgesehen davon, dass sie nur einen Bruchteil einer Sekunde existieren. Kein denkender Mensch kann hierbei teilnahmslos bleiben und muss sich unwillkürlich fragen: Wie sind solche Erkenntnisse überhaupt möglich?

Dabei beruhen sie tatsächlich auf den Prinzipien, die wir hier lernen sollten:

Kruft, Energieerhaltungssatz, Relativitätsprinzip usw. *, um ein Beispiel zu nennen:

Beim ß - Zerfall zerfällt ein Elementarteilchen a (ein Proton) zunächst in zwei Teilchen b und c (in ein Neutron und ein Elektron). Dabei sind Energie und Impuls von b und c zusammen geringfügig kleiner als derjenige von a. Hieraus schloss W. Pa idi (1900 - 1958), aus den Erhaltungssätzen für Energie und Impuls, 1931 auf die Existenz eines weiteren Teilchens, das Neutrino. Es musste seltsame Eigenschaften haben: keine Ruhemasse, sich beständig mit Lichtgeschwindigkeit bewegen und Materie ungehindert durchdringen können. 1956 wurde es dann tatsächlich entdeckt! !

Verfolgt man die Grundlagen der Physik zurück zu ihren Anfängen, so kommt man, wie bei nahezu allem in unserer Kultur, zum antiken Griechenland. Es wäre interessant nachzuvollziehen, was aber hier nicht getan werden kann, wie dort im Laufe der Zeit die Grundbegriffe wie Raum, Leben, Materie usw. herausgearbeitet wurden. Die Philosophen wurden dabei von der Frage geleitet: Was ist die Stellung des Menschen in der Weit und wie kann er insbesondere das verstehen, was ihn umgibt?

„Gelöst“ wurde dieses Problem früher und in allen anderen Kulturen durch das Wirken irgendwelcher Götter; Kräfte, die man sich analog zum menschlichen Handeln, kurz, anthropomorph, dachte.

Die Griechen suchten dann eine ganz neue Antwort; Sie sollte in der Natur selbst gefunden werden.

Dabei war das Grundproblem;

Durch welche Begriffe unci Denkweisen konnte Wahrheit erreicht werden, im Gegensatz zu dem trügerischen wechselnden Spiel der Sinne, die bald dieses, bald jenes vorgaukelteii? Auf diese Art und Weise entstanden dann die Prinzipien, auf denen die moderne Physik später aufbaute, bis dann schließlich in den Systemen des Platos und Aristoteles der geistige Rahmen abgesteckt war, in dem steh die Wissenschaft fortan bewegen sollte.

In der Tat bestimmte das Begriffssystem des Aristoteles das Abendland und insbesondere die Physik nahezu 2000 Jahre bis zum Ende des Mittelalters. Dagegen stand die Renaissance, mit der die Neuzeit begann, unter dem geistigen Einfluß Platons. Insbesondere das geistige Zentrum dieser Zeit, Florenz, stand ganz unter dessen Herrschaft. Hier wuchs Galilei heran. Es ist aber bezeichnend für dessen Genie, dass er, obwohl in seinem Denken ganz platonisch, diesen nicht einfach übernahm, sondern dessen Begriffssystem souverän der neuen Aufgabe anpasste.

0, Der Ursprung der physikalischen Prinzipien in der Antike

Prinzip: Erster, auf nichts weiteres zurückführbarer „Grund - Satz“.

1. Thaies von Milet, * um 625 v.-Chr., f um 545 v.-Chr., griechischer Philosoph; einer der Sieben Weisen, gilt seit Aristoteles als Begründer der Philosophie. Nach seiner Lehre ist die Vielfalt der Elemente und der Einzeldinge aus dem Wasser entstanden. Zitat: „Der Ursprung von allem liegt im Wasser: “ Ein revolutionärer Satz, denn der Ursprung der Natur wurde in dieser selbst und nicht durch mythische Regeln, die sich durch das ganze Leben der antiken Völker zogen, gesucht.

2. Heraklit, Herakleitos, Herr von Ephesos, * etwa 540 (544) v.-Chr., t 480 (483) v.-Chr., griechischer Philosoph; Fragmente in schwerer, tiefsimiiger, prophetischer Sprache, in denen der Gedanke des Werdens (»alles fließt«, griechisch "patita rhei") und der Gegensätze im Mittelpunkt steht. - Zitat: „Man springt nicht zweimal in denselben Fluß“. Hierdurch wurde erstmalig das Erkenntnisziei der Physik, nämlich die Erforschung der Bewegungen („ Veränderungen. “) in der Natur, ausgesprochen. Das Werden selbst dachte sich Heraklit durch den allumfassenden Logos bestimmt (wobei er dieses Wort erstmalig verwendete).

3. Pythagoras, von Samos, * um 580 v.-Chr., f um 496 v.-Chr., grichischer Philosoph; vertrat neben der orphischen Lehre von der Wiedergeburt der menschlichen Seele wissenschaftliche, besonders mathematische Interessen. Der pythagoreische Lehrsatz wird Pythagoras fälschlicherweise zugeschrieben. - Pythagoreismus, die Lehre des Pythagoras und seiner Schule. Den Herakleitischen Logos glaubten die Pytagoräer insbesondere in der Zahl zu erkennen. Somit wurde erstmalig die Mathematik zur Erforschung der Natur angewendet. Von großer Bedeutung war hierbei, dass die harmonischen Tonfolgen Zahlenverhältnissen entsprechen. Halbiert man die Saitenlänge, so erhält man den Ton für eine Oktave höher. Der Oktave entspricht also das Verhältnis 1 : 2, für die Quart 3 : 4 usw. Also „finden“ wir die Mathematik in der Natur wieder! Dieses Ergebnis war später für Johannes Kepler (1575 - 1630) von entscheidender Bedeutung (vgl. Kap. 3.2, Seiten 56 f.).

4. Parmenides aus Elea, * um 540 v.-Chr., t nach 480 v.-Chr., griechischer Philosoph; Vorsokratiker, Begründer der Eleatischen Schule; führte das logischbegriffliche Denken in die Philosophie ein. Dem trügerischen Schein der Wahrnehmung stellte er das nur im Denken zu erfassende eine, unwandelbare Sein gegenüber. - Nur das was man denken kann, existiert. Hieraus folgt insbesondere: Das „Leere“ (der leere Raum) existiert nicht, ebensowenig das Nichts. Hieraus ergibt sich, dass im Gegensatz zu Heraklit keine echte Veränderung (Bewegung) möglich ist. Denn aus nichts kann nicht plötzlich etwas werden, ebensowenig kann etwas zu nichts vergehen. Wir können hier erstmalig das Prinzip der Erhaltung in der Natur erkennen (vgl. Energieerhaltungssatz, Impulserhaltungssatz).

5. Demokrit, * um 460 v.-Chr., f um 370 v.-Chr., griechischer Philosoph; hatte zum Ziel die beiden diametral entgegengesetzten Positionen des Heraklit (beständige Veränderung) und des Parmenides (unveränderliche Einheit des Seins) zu versöhnen. Er erklärte die Welt als Zusammensetzung kleinster, unvergänglicher Teilchen, die sich im leeren Raum bewegen, und wurde damit Begründer der Atomistik. Die Veränderung wurde somit durch die fortlaufende Umgruppierung der Atome erklärt, andererseits sind die Atome selbst unvergänglich, entstehen nicht und vergehen nicht. Hierzu musste er allerdings „neben dem Vollen auch das Leere zulassen“ (Aristoteles).

6. Platon, Plato, * 427 v.-Chr., f 347 v.-Chr., griechischer Philosoph, Schüler des Sokrates; gründete 387 in Athen eine eigene Schule, die Akademie. Platons Philosophie, die klassische Form des Idealismus, ist in einer Reihe von Dialogen niedergelegt. Kern seiner Lehre sind die Ideen, die unveränderlichen Urbilder, denen im Gegensatz zu den wahrnehmbaren Dingen, den Abbildern der Ideen, wirkliche Existenz zukommt. Nur so können die Widersprüche zwischen Anschauung und Denken vermieden werden. Auch die Wahrheit wird weder gesehen noch gerochen, gehört, getastet oder über den Geschmackssinn erfasst. Dasselbe gilt für weitere Grundbegriffe wie das Schöne oder das Gute. Ideal sieht Platon sein Konzept in der Mathematik realisiert. Auch hier müssen wir zwischen der Idee der Geraden und ihrem konkret gezeichneten Abbild unterscheiden. Dasselbe gilt für den Punkt, den Kreis, sämtliche mathematischen Gebilde. Soweit wir uns jedoch im Reich der mathematischen Ideen bewegen, können wir absolute Gewissheit für unsere Gedanken erlangen. Mit diesem Konzept erlangte später Platon fundamentalen Einfluss auf die beginnende moderne Physik der Renaissance, indem diese sich das Ziel setzte, die Natur mathematisch zu beschreiben und so ebenfalls dieselbe Sicherheit ihrer Ergebnisse wie in der Mathematik zu erhalten (Galilei: „ Die Natur ist in mathematischen

7. Aristoteles, griechischer Philosoph, * 384 v.-Chr., f 322 v.-Chr.; Schüler Platons und Erzieher Alexanders des-Großen, begründete eine eigene philosophische Schule (Peripatetische Schule).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

— Aristoteles war ein universaler Geist, der Weltoffenheit mit Geistesschärfe, Tiefsinn mit größter Verstandeshelle, Spekulation mit Erfahrung verband. Die überlieferten Werke sind vor allem Lehrschriften; sie umfassen Logik, Metaphysik, Naturphilosophie, Ethik, Politik, Psychologie, Poetik und Kunsttheorie. Aristoteles war der größte Systematiker der abendländischen Geistesgeschichte. Seine Begriffsbildung beherrscht die Schulphilosophie bis zur Gegenwart. Seine Metaphysik ist wesentliche Lehre von den Seinsprinzipien Form und Stoff, Möglichkeit und Verwirklichung. Im Gegensatz zu Plato ging Aristoteles bei der Naturerkenntnis vom konkret Einzelnen aus, dem demnach alleine tatsächliche Existenz zukomme. Das Allgemeine (die „Idee“) wurde hieraus durch Generalisierung abgeleitet („Induktion“). Von größter Bedeutung für die modernen Wissenschaften war, dass Aristoteles erstmalig konsequent die Natur selbst befragte ('Sammeln, Systematisieren von Pflanzen etc,). Hierdurch wurde er zum Begründer der empirischen Forschung. Ebenso entwickelte er aber auch die formale Logik („Keiner, der die Logik nicht kennt, kann in die Philosophie eintreten “) und schuf so die Grundlagen für ein unentbehrliches Instrument der modernen Wissenschaft.

Die moderne Physik ist ohne Plato und Aristoteles nicht denkbar. Sie stellt im Wesentlichen eine Synthese zwischen beiden dar. In Begriffen wie dem „Massepunkt“, dem „starren Körper“, dem „elektrischen Feld“, erkennen wir platonische Einflüsse, ebenso in der allgemeinen Kinematik oder überhaupt in der konsequenten Mathematisierung. In dem Zurückgehen auf das konkret Einzelne sowie in der empirischen Forschung sehen wir den Einfluss von Aristoteles

1. DiE Begründung der modernen Physik durch GALILEI

Galilei, Galileo, * 1564, f 1642, italienischer Naturforscher; lebte zu Ende des Mittelalters/Anfang der Neuzeit ( =Rennaissance Wiedergeburt [der Antike] ). Begründete die moderne, auf Erfahrung und Experiment beruhende Physik; beobachtete die Gesetzmäßigkeit der Pendelschwingungen, erfand die hydrostatische Waage zur Bestimmung spezifischer Gewichte und untersuchte 15§9 in Pisa die Fallgesetze; konstruierte 1609 ein Fernrohr und entdeckte Mondberge, Jupitermonde, Sonnenflecken, Phasengestalten der Venus und anderes; 1610 nach Florenz berufen; geriet er wegen seines Bekenntnisses zum heliozentrischen Weltsystem des Kopernikus mit der Kirche in Konflikt und schwor 1633 in Rom vor dem Inquisitionsgericht ab, widerrief jedoch angeblich mit dem Ausspruch »Und sie (die Erde) bewegt sieh doch«.

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Galilei wurde 1992 von Papst Johannes Paul II. öffentlich rehabilitiert.

Die gesamte Physik wurde für 2000 Jahre bis zum 16. Jahrhundert von Aristoteles beherrscht. Allerdings war dessen Begriffsapparat im Wesentlichen an der Biologie orientiert. Dies führte u. a. zum Begriff einer speziellen Zielursache („Telos“). Eine Bewegung ist nur erklärt, wenn das Ziel angegeben ist, dem sie zustrebt. Jeder Körper soll demnach seinem natürlichen Ort zustreben. So ist der natürliche Ort des Lichts der Himmel. Das Feuer strebt somit diesem zu (der natürliche Ort des Leichten ist das „Oben“).

Mit der Änderung des Weltbildes durch Kopernikus (heliozentrisches System) traten hierbei Schwierigkeiten auf („oben“ und „unten“ verloren ihren absoluten Sinn). Auch aus dem nahe liegenden Prinzip der konkreten Beobachtung des Einzelnen ergaben sich Probleme. So ordnete Aristoteles den beiden idealen Bewegungen der angeblich nicht endenden Kreisbewegung den Himmel und der angeblich von selbst endenden geradlinigen die Erde zu. Wir werden später sehen, inwieweit sich hier der Standpunkt ändern wird. Schließlich wurde Aristoteles von seinen Nachfolgern auch missverstanden. So wurde eine Sache zwar folgerichtig (im Sinne von Aristoteles) mit ihrem Wesen und dieses mit dem Begriff gleichgesetzt, allerdings die Erfordernis einer empirischen Überprüfung von Sache und Begriff unterlassen. So konnte die Schulphilosophie die von Galilei entdeckten Sonnenflecken leugnen, da die Sonne ihrem Wesen nach als der allerhellste Körper definiert war und demzufolge keine Flecken aufweisen konnte.

Die große, geniale Arbeit Galileis bestand nun gerade darin, dass er die Physik auf einen Begriffsapparat stellte, der ihr den Schlüssel in die Hand gab zur Bewältigung all der gewaltigen Probleme, die sie in der Vergangenheit gelöst hat. Hierzu war jedoch ein ganz neues revolutionäres Denken erforderlich. Wir werden im Folgenden versuchen dies nachzu vol 1 ziehen.

1.1 Allgemeines Erkenntnisziel der Physik:

Die Physik will die Bewegungen ( d.h. Veränderungen ) beschreiben / erklären, denen die unbelebten Körper unterworfen sind.

1.2 Die allgemeinem Prinzipien Galileis?

Der gestellten Aufgabe stellt Galilei folgende allgemeine „Gedankenwerkzeuge“ voraus:

1) Prinzip der Mathematisierung „Die Natur ist in mathematischen Lettern geschrieben“
2) Isolationsprinzip Ein Merkmal wird herausgegriffen und gesondert untersucht.
3) Superpositionsprinzip Alle nach dem Isolationsprinzip einzeln untersuchten Merlanale werden hier wieder zusammengesetzt.

Beispiele:

Zu 1):

Galilei definiert den physikalischen Körper neu, Indem er diesem nur belässt, was durch eine Zahl ansgedrückt werden kann (geometrisch® Abmessung, Masse). Alles andere, wie Farbe, Härte etc., wird ausgeschlossen (vgl. z.B. „Massepunkt“).

Zu 2) und 3):

In der Kostentheorie werden die fixen und variablen Kosten ideal isoliert, die Gesamtkosten erhält man dann durch Superposition.

Bemerkungen ;

1. Man erkennt hier das Platonische Ideal wieder? Wissenschaft wird nur insoweit möglich, als etwas sieh tu dauernder Einheit erhalt War dies aber bei Plato noch auf die Mathematik beschränkt, so wird es hier auf den physischen Körper ausgedehnt.
2. Die alte Physik glaubte das Ganze in seiner Einheit erfassen zu müssen. Galilei sagte, diese Sicht sei Gott Vorbehalte». Der menschliche Geist sei hierzu viel zu schwach. Dem Gewirr der Empfindungen habe die gedankliche Auflösung und Verarbeitung In mathematische Formen vorauszugehen (Methode risolutivo und Methodo constitutivo).

Aufgabe:

Nennen Sie zu den Prinzipien weitere Beispiele am der Wirtschaftswissenschaft

1.3 Die Begründung der Kinematik

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1.3.1 Bewegungen Galilei definiert Bewegung:

⇨Ortsveränderung unter Zugrundelegung der gleichmäßig fließenden Zeit.

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Bemerkung:

1. Die Bewegung ist somit eine Funktion die Zeit und Ort verknüpft

2. Gemäß dem allgemeinen Erkenntnisziel ist es somit die Aufgabe die Funktionsgleichung der jeweiligen Bewegung aufzustellen.

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Hieraus abgeleitete Einheiten:

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Merke: Physikalische Größen haben nur einen Sinn, wenn sie gemessen (beobachtet) werden können (Prinzip der Mathematisierung!).

Exkurs; Zum Messen von Längen und Zelten Im Allgemeinen erfolgt das Messen von Langen durch Anlegen eines Maßstabes, das von Zeiten durch Uhren. Hierbei können sieh jedoch Komplikationen ergeben.

„Grosse“ Längen; Eine Möglichkeit besteht im Festlegen von Dreiecken. Beispiel: Man peilt von den entgegengesetzten Äquatorenden den Mond an und bestimmt so dessen Entfernung zur Erde.

Welches Dreieck könnte man zur Bestimmung der Entfernung Erde - Sonne festlegen?

Man beschießt zur Bestimmung der Größe der Löcher die gesamte Fläche mit genügend kleinen Körpern. Kennt man die Größe der Gesamtfläche, die Anzahl der Löcher und das Verhältnis der Anzahl der Geschosse, die die Löcher passiert haben zur Anzahl der Geschosse insgesamt, so kann man auf die Größe der Löcher schließen (Bestimmung des Atomdurchmessers usw.).

„Lange“ Zeiten;

Radioaktive Körper zerfallen zur Hälfte von ihrer Ausgangsmenge in andere Körper („Halbwertszeit“). Kennt man den Anteil des neuen Körpers, so kann man auf den Zeitpunkt des Eintritts des Zerfalls rückschließen (CO14 - Methode bei Fossilien).

„Kurze“ Zeiten;

Gewisse Elementarteilchen haben nur die Lebensdauer von Bruchteilen von Sekunden. Da sie sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, kann man aus ihrer

Balmlänge auf ihre Lebensdauer schließen (v =

Aufgabent

Afg. 1: Analysieren Sie folgende typische Bewegungen

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Merke: Bewegt sich der Körper nur in einer Dimension, so sprechen wir von einer linearen Bewegung

Afg. 2: Analysieren Sie das Paradoxon von Achilles und der Schildkröte:

Diese habe einen Vorsprung von beispielsweise 100 m. Achilles läuft zehnmal so scimeli. Hat Achilles die 100 m zurückgelegt, so ist die Schildkröte bei 110 m. Ist Achilles dort, so ist diese bei 111,1 m usw. Also kann Achilles die Schildkröte mìe einholen.

1.3.2 Das Gesetz »er ungestörten Überlagerung von Bewegungen:

Ein Fluss fließe mit 2 Meter pro Sekunde, ein Boot überquere diesen senkrecht zur Fließrichtung mit 3m pro Sekunde. Man analysiere die zusammengesetzte Bewegung, die ein Beobachter am Flussufer registriert.

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Eine Bewegung wird gedanklich in mehrere einzelne Bewegungen zerlegt (Isolationsprinzip), die tatsächliche Bewegung erhalten wir dann durch Überlagerung der jeweiligen Bewegungen (Superpositionsprinzip).

Allgemein;Bewegungen überlagern sich ungestört („Gesetz der imgestörten Überlagerung von Bewegungen*[6]).

Aus dem Gesetz der ungestörten Überlagerung folgt: Wegstrecken s müssen vektoriell addiert werden.

Der Weg ist ein Vektor:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Exkurs; Grundlagen der Vektorrechnung:

Ein Vektor drückt Länge, Richtung, Orientierung ans.

Gleichheit:

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Gleichheit liegt genau dann vor, wenn die Vektoren sich wie angegeben zum Parallelogramm ergänzen lassen.

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Folgerung: Da dieselben Rech en regeln wie im Bereich Ж, der ganzen Zahlen gelten, kann inan mit Vektoren rechnen wie in der Addition in 7Σ,

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Bemerkung: Bei linearen Bewegungen (eindimensionalen Bewegungen) fällt das Rechnen mit Vektoren mit dem üblichen Zahlenrechnen zusammen, wir lassen dann die Vektorpfeile weg.

SkalarmuMplikation:

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Beispiel;

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Aufgaben;

Afg. 1: Interpretieren Sie die obigen Rechengesetze physikalisch.

Afg. 2; Zeigen Sie; Für Vektoren ist die Gleichung sí + x"- и stets lösbar.

1.3.3 BEWEGUNGSMAßE

1. Geschwindigkeit:

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Somit gibt die Geschwindigkeit den Wegzuwachs pro Zeiteinheit an.

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Lineare Bewegung:

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Für die Momentangeschwindigkeit verkleinern wir At und schreiben für „unendlich“ kleine Differenzen:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Merke: Die Geschwindigkeit ist ein Vektor,

Denn: Der Weg ist ein Vektor, die Differenz zweier Vektoren ergibt wiederum einen Vektor. Die Zeit ihrerseits hängt nicht von der Richtung ab, sie wird durch eine Zahl ausgedrückt und ist ein Skalar. Da die Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar wieder einen Vektor ergibt, ist die Geschwindigkeit tatsächlich ein Vektor.

2. Beschleunigung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tangentialbeschleunigung :

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„Betrag nimmt zu, Richtung bleibt gleich“

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Aufgaben:

Afg. 1: Was bedeutet konkret die Beschleunigung?

Afg. 2: Begründen Sie: Die Beschleunigung ist ein Vektor!

Afg. 3: Nennen Sie Beispiele, wie ein Beobachter die Tangentialbeschleunigung bzw. die Normalbeschleunigung feststellen kann.

Afg. 4: Ein Massepunkt vollführt gleichzeitig zwei gleichförmige Bewegungen mit den Geschwindigkeitsbeträgen v¡ - 20 km/h V2 - 30 km/h Die Bewegungsbahnen schließen den spitzen Winkel von 45° miteinander ein. Mit welcher resultierenden Geschwindigkeit bewegt sich der Massepunkt? (Betrag und Richtung).

Afg, 5: Ein Dampfer fährt mit der Geschwindigkeit vd = 30 km/h nach Nordosten; gleichzeitig weht ein Nordwestwind mit der Geschwindigkeit νψ ~ 40 km/h. Welche Richtung hat die Rauchfahne des Dampfers? Geben Sie die gesuchte Richtung ais Abweichung von der Nordrichtung an!

1.3.4 Fundamentale Bewegungstypen

1 Gleichförmige Bewegung

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Bemerkung: Offenbar bedeutet §o den Anfangspunkt.

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Aufgaben«

Afg, li Berechnen Sie den Abstand Erde - Sonne in km. Lichtgeschwindigkeit: 300000 кш/sec. Das Lieht benötigt von der Sonne zur Erde Ш, 500 Sekunden,,

Afg. 2: Berechnen Sie die Geschwindigkeit, die ein Punkt am Äquator bei der Drehung der Erde relativ zum Erdmittelpunkt erfahrt.

Afg. 3: Ein Auto fährt mit der gleichförmigen Geschwindigkeit 60,0 km/h. Welchen Weg legt es dabei in 1,00 sec. zurück?

Afg, 4: Die Geschwindigkeit des Schalls ia der Luft betrage 340 m/sec. Ib welcher Zeit legt der Sellali die Strecke 5,00 km zurück?

Afg. 5: Der TEE >Bavaria< fahrt am 17:48 h vos Minchen ab und kommt um 20;§Ö h in der 221 km entfernten Stadt Lindau an. Wie groß ist die Durchschn'ittisgeschwindigkeit des Zuges?

Afg. 6: Zwei Modellwagen bewegen sich mit verschiedenen gleichförmigen Geschwindigkeit«, Von einer bestimmten Zeit t$ = © sec an, werden alle zwei Sekunden di® Wegstrecken gemessen, welche die Wagen ab der Zeit io ztiriiekgelegt haben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zeichnen Sie das >Weg — Zeit — Diagramm^ und das >Geschwindigkefts - Zeit — Diagramm^ der beiden Bewegungen.

2, Gleichmäßig beschleunigte Bewegung

Def: Eine Bewegung heißt gleichmäßig beschleunigt, genau dann, wenn gilt: a = a,os constant

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bahnkurve;

Aus f A) folgt:

v nimmt mit der Zeit linear zu:

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Whiter:

Zum Zeitpunkt ť ' nimmt die Geschwindigkeit um Δ v gegenüber VMitte zu; hierdurch gewinnt der Körper eine gewisse Wegstrecke gegenüber einer Bewegung, die mit der konstanten Geschwindigkeit - »Mitte - durchgeführt worden wäre. Um genau dieselbe Strecke blieb er aber gegenüber dieser Bewegung im Zeitpunkt ť zurück. Insgesamt legt er also dieselbe Strecke zurück, als wenn er konstant die Geschwindigkeit - vMitte — beibehalten hätte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schließlich git:

[...]


* Es soll natürlich nicht verschwiegen werden, dass im Laufe der Zeit diese Prinzipien der jeweiligen Aufgabe entsprechend in hohem Maße weiterentwiclcelt und abstrahiert wurden!

Ende der Leseprobe aus 88 Seiten

Details

Titel
Die Grundlagen der Physik
Untertitel
Eine Einführung in die Denkweise und Methode der Physik
Autor
Jahr
1998
Seiten
88
Katalognummer
V208596
ISBN (eBook)
9783656361688
ISBN (Buch)
9783656362166
Dateigröße
34800 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
grundlagen, physik, eine, einführung, denkweise, methode
Arbeit zitieren
Dr. Wolfgang Schlageter (Autor:in), 1998, Die Grundlagen der Physik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208596

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