θεός als christologischer Hoheitstitel in 1 Joh 5,20


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

31 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hintergrundinformationen
2.1. Allgemeines
2.2. Gattung
2.3. Entstehungszeit
2.3.1. Zur Abfolge der johanneischen Schriften
2.3.2. Zur Abfassungszeit 1 Joh
2.4. Verfasserfrage
2.4.1. Die drei Briefe des Johannes im Vergleich
2.4.2. Der erste Johannesbrief im Vergleich zum Johannesevangelium
2.5. Entstehungsort

3. Zum Inhalt des ersten Brief des Johannes

4. Handelt es sich bei 1 Joh 5,14-21 um einen sekundären Nachtrag?

5. θεός als christologischer Hoheitstitel

6. Jesus als der wahre Gott in 1 Joh 5,20

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Beim Lesen der Worte in 1 Joh 5,20 stockt der Rezipient, da es nicht ersichtlich ist, wem hier der Gottestitel zugeschrieben wird. Wird hier tatsächlich der Sohn Gottes als ὁ ἀληθινὸς θεὸς bezeichnet oder doch der Vater, wie es traditionell üblich ist? Zu fra­gen gilt, wie dies hinsichtlich des Monotheismus des Christentums vereinbar wäre, ob es nicht gar blasphemisch sei. Die folgende Ausarbeitung wird sich eindringlich mit 1 Joh 5,20 be­schäf­­tigen und diese Fragen beleuchten. Angesichts der Gegenüberstellung, auf wen sich οὗτός in die­sem Vers explizit bezieht, wird ein ausgeprägtes Hinter­grund­wissen vorangestellt, um sich mit der Perikope vertraut zu machen und sich mit seinem Kon­text aus­ein­an­der­zu­setz­en, was für die Analyse wichtig erscheint. Aus diesem Grund wer­den als ers­­tes allgemeine In­for­mationen über den 1 Joh gegeben, um im Anschluss da­ran zu klä­­ren, ob es sich bei die­sem Do­ku­ment um einen klassi­schen neu­tes­tament­lich­en Brief han­­delt. Daraufhin wird im Ver­gleich zu dem 2 und 3 Joh und schließlich zum JohEv die Entstehungszeit heraus­ge­ar­­bei­­tet. In der Frage nach dem Verfasser wird er­läutert, in wel­­chem Zusammenhang die vier Bü­cher zueinander stehen und in­wie­weit der 1 Joh zu der so­ge­nann­ten johanneischen Schu­­le zusammengesehen werden kann. Dies ist in­so­fern wichtig, als dass gesehen wer­den muss, welche theologischen Ab­sich­ten der 1 Joh ver­folgt. Zudem wird kurz darauf ein­ge­gangen, wo die zu unter­such­ende Peri­kope wahr­­scheinlich ver­fasst wurde. Weiter wird der In­halt des Briefes zu­sammen­ge­fasst, um zu erörtern, wel­che Intention der Au­tor bei der Ab­fassung ver­folgt, um die­se im wei­ter­en Verlauf auf den umstrittenen Vers an­wenden zu können. Von großer Be­deu­tung ist es, ob es sich bei dem Epilog von 1 Joh um einen se­kun­dä­ren Nach­trag han­delt. Denn wenn dem so ist, könn­te es sich um einen an­deren Autor han­deln, als der des Brie­­fes zu­vor, wodurch in 1 Joh 5,20 eine unter­schied­liche Theologie oder In­tention ver­­folgt sein könn­te, die in an­derer Sprache zum Aus­druck kommt. Im An­schluss an die­se Über­le­gung­en folgen all­ge­meine Hintergründe über die Be­zeichnung des Sohnes als ὁ θεὸς im Neu­en Tes­ta­ment. An dieser Stelle wird he­raus­ge­stellt, warum Jesus Chris­tus so be­zeich­net werden kann, wie dies mit dem Mono­the­is­mus ver­einbar ist und in wel­chem Kon­­text dieser chris­to­logische Hoheitstitel an­zu­finden ist. Zum Schluss wird nun ein­gängig auf das Pro­blem in 1 Joh 5,20 eingegangen, indem verschiedene The­sen ge­gen­über­gestellt wer­­den.

2. Hintergrundinformationen

2.1. Allgemeines

Die Johannesbriefe gehören wie der Jakobus-, Judas- und die beiden Petrusbriefe zu den so­ge­nannten katholischen Briefen, da sie sich nicht nur an einen bestimmten Adressaten richten, sondern an alle Christen. Jedoch wenden sich sowohl der zweite als auch der dritte Jo­hannesbrief an konkret benannte Empfänger und nicht an die Allgemeinheit. Aber da sie als eine Einheit mit dem ersten Johannesbrief gesehen werden, gelten sie auch als ka­tho­lische Briefe. Der 1 Joh wird zum ersten Mal um die Mitte des 2. Jahr­hun­derts von Poly­karp zitiert. Zuvor war seine Zugehörigkeit zum Kanon umstritten. Mit Anfang des 3. Jahr­hun­derts wird der Brief mehrmals bezeugt, wie beispielsweise durch Tertullian und Cle­mens Alexandrinus.[1]

2.2. Gattung

Auch wenn der Name des Buches es nahe legt, ist es strittig, ob der erste Johannesbrief tat­säch­lich zur Gattung des Briefes gezählt werden kann. In der Forschung werden die pau­li­nisch­en Briefe 1 Thess, 1/2 Kor, Phil, Phlm, Gal und Röm eindeutig zu den echten Brie­fen ge­zählt, da sie alle typischen Charakteristika aufweisen.[2] Die neu­tes­ta­ment­lich­en Briefe be­stehen aus einem Präskript, einem Korpus und einem Schlussgruß. Der Brief­eingang be­in­hal­tet in einem Satz den Namen des Absenders und des Verfasser als auch die Grußformel. Im Briefkorpus befindet sich das Anliegen und die Intention des Au­tors. Zum Schluss fin­det sich der obligatorische Gruß „ ‚Lebe/ Lebt wohl!‘“[3] und die An­gabe des Datums.[4] Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass die charakteristischen Merk­male eines Briefes im 1 Joh feh­len. Es zeigt sich, dass er nicht mit einem Präskript an­fängt und somit auch die Ver­fasser- und Adressatenangabe fehlen. Zudem mangelt es an einem Schlussgruß, da das Do­ku­ment mit den Worten „meine Kinder, hütet euch vor den Götzen!“ (1 Joh 5,21) endet. Die­ser Text könnte aufgrund der Anrede der Ge­mein­de mit „Kindern“ (1 Joh 2,1) und „lie­be Brüder“ (1 Joh 2,7) als eine Art Predigt gelten.[5] Dies würde auch erläutern, warum kein spe­zi­fischer Empfänger angesprochen wird, son­dern ein Adressatenkreis. Allerdings steht da­zu im Widerspruch, dass der Autor über sein Schreiben berichtet (vgl. 1 Joh 2,12), da ei­ne Predigt eine mündliche und nicht eine schrift­liche Gattung ist. Es kann sich auch nicht um einen theologischen Traktat han­deln, da eine konkrete Gegebenheit erörtert wird. Da an­dere Gattungen als Typisierung weg­fallen, wird sich auf die Kategorie des Briefes be­sinnt. Wenn von dem Präskript und der Schlussformel abgesehen und sich auf den Brief­kor­pus besinnt wird, kann der 1 Joh als eine Art Brief angesehen werden. Denn es muss im Blick gehalten werden, dass sich zwi­schen dem Verfasser und den Adressaten eine räum­liche Trennung befindet. Außer­dem schreibt der Verfasser „ ‚im Aorist des Briefstils‘.“[6] Ei­ne Lösung dieses Problems ent­hält die Vermutung, dass der 1 Joh zum Vorlesen in der Ge­mein­de übersandt wurde be­gleitet von einem zweiten Brief, der die Intention des Vortrags ent­hält. Dadurch konn­ten die fehlende Gruß- und Schlussformel mündlich nachgetragen wer­den, sowie der Name des Verfassers.[7]

2.3. Entstehungszeit

2.3.1. Zur Abfolge der johanneischen Schriften

In der Bibel erscheint die Reihenfolge vom ersten bis hin zum dritten Johannesbrief. Dies muss jedoch nicht ein Indiz dafür sein, dass dadurch die zeitliche Ordnung an­ge­zeigt wird, son­dern es könnte hinsichtlich der Länge der Briefe so angeordnet worden sein.[8] Denn es könnte der Fall sein, dass der zweite und der dritte Brief älter sind als der erste. Dafür sprech­en einige Indizien, die im weiteren Verlauf genauer erläutert werden.

Zum einen fällt bei näherer Betrachtung auf, dass die johanneische Christologie im 2 Joh und 3 Joh noch nicht adäquat ausgeführt ist, wie im ersten Brief. Deren The­matik be­schäf­tigt sich im Gegensatz zum 1 Joh um frühzeitliche Ge­gen­stände, wie bei­spiels­halber das Gastrecht (vgl. 3 Joh 8). Zum anderen spricht der Ver­fasser in 2 Joh 7 von ei­nem Anti­chris­ten. Im Gegensatz dazu wird in 1 Joh 2,18 be­haup­tet, dass „der Antichrist kommt, und jetzt sind viele Antichriste gekommen.“ Es fin­det somit eine Korrektur vom Singular zum Plural statt. Wäre der erste Brief älter als der zweite, hätte dieser Wechsel nicht stattfinden können, da der 1 Joh offensichtlich mit dem „ihr habt gehört“ (1 Joh 2,18) Be­zug zu 2 Joh nimmt. Jedoch kann sich diese Stelle auf 1 Tim 4,1 oder 2 Thess 2,3f. be­ziehen, die Paulus zuvor verfasste. Zudem scheint es an dieser Stelle, als knüpfe 1 Joh 2,18 an 2 Joh 7 an.[9] Bei dieser Thematik fällt auf, dass sich in 1 Joh explizit mit den Gegnern be­schäf­tigt und auseinandergesetzt wird. In 2 Joh werden die Verführer und Folgen der Irr­lehren nur kurz behandelt.[10] Ent­we­der hat der Autor es nicht mehr für nötig erachtet die Ge­ge­benheiten der Irrlehrer in 2 Joh weiter auszuführen, da er es zuvor im 1 Joh schon aus­führ­lich machte oder er führt im 1 Joh seine knappen Überlegungen, die er im zweiten Brief kurz bearbeitet, weiter aus. Somit wäre wiederrum der erste jünger als der 2 Joh. Ein wie­te­res Indiz für die früh­ere Abfassung der kleineren Briefe besteht darin, dass der Autor sich in 2 und 3 Joh als „der Älteste“ (2 Joh 1; 3 Joh 1) vorstellt. In 1 Joh fehlt jegliche Angabe, wo­mit der Ver­dacht aufkommt, dass der Verfasser sich nicht mehr der Gemeinde vorstellt, weil er die Kenntnis von 2 und 3 Joh voraussetzt. Aber unschlüssig ist, dass der Autor im 1 Joh sei­ne Autorität mit der Augenzeugenschaft Jesu bestätigt (vgl. 1 Joh 1,1), aber in 2 und 3 Joh dieser Anspruch nicht erwähnt wird. Aus diesem Grund kann 2 und 3 Joh auch nach 1 Joh folgen, da er in den späteren Briefen das Wissen über seine Au­gen­zeu­gen­schaft voraus­setzt. Außerdem können 2 und 3 Joh mit der Benennung des „Älteste(n)“ auf den Verfasser des ersten Briefes Bezug nehmen, wodurch der längere Brief der äl­tes­te ist. Es muss zudem be­dacht werden, dass in 2 Joh 12 der Wunsch eines Besuches ge­äußert wird. Wenn 2 Joh tat­sächlich der älteste johanneische Text ist, erscheint das Pro­blem, warum er noch zwei Brie­fe folgen lässt, wenn er die Gemeinde aufsuchen möch­te. Denn in 3 und 1 Joh finden sich keine Indizien für einen Besuch des Ver­fassers. Zusätzlich stellt sich die Frage, warum der Absender nach einem langen aus­führ­lichen Brief, zwei kleinere folgen lässt und nicht um­gekehrt.

Ob das Johannesevangelium das jüngste der johanneischen Bücher darstellt, wird im wei­teren Verlauf betrachtet. Als Hinweis dazu wird angesehen, dass sich im Brief kein Zi­tat aus dem Evangelium finden lässt und somit das Evangelium als Quelle noch nicht vor­lag.[11] Aller­dings kann es sowohl sein, dass es sich um zwei verschiedene Autoren han­delt, so dass der Verfasser des Briefes das zuvor entstandene Evangelium gar nicht ge­kannt haben muss, als auch, dass selbst bei Kenntnis des Evangeliums, der Autor ab­sicht­lich nicht von die­sem abgeschrieben hat und Gebrauch nahm. Weiter zeigt sich, dass das Evangelium mit­hilfe einer ausgereifteren Theologie die Schwierigkeiten des ers­ten Briefes des Johannes lö­sen kann. Die Erlösung von den Sünden durch Jesus Chris­tus kann nur nachvollziehbar sein, wenn verstanden wird, dass Jesus für unsere Sün­den am Kreuze gestorben ist, was das Evangelium ausführlich berichtet.[12] Jedoch kann gerade dieser Aspekt ein Anhaltspunkt da­für sein, dass die Briefe das JohEv als Voraus­setzung nutzen, weil sie jeweils nicht über das kon­krete Sterben Jesu berichten. An­derer­seits erschien es dem Autor eventuell von Nöten auf­grund der vielen Irrlehren, wie sie in 1 Joh zahlreich beschrieben werden, nach der Ab­fassung der Briefe endgültig Klar­heit zu schaffen und die Geschichte Jesu für die Re­zi­pienten verständlich auf­zu­schrei­ben, um zu zeigen, dass Jesus der Sohn Gottes ist und die Mensch­heit von den Sün­den erlöst hat. Zum Beispiel wird die menschliche Natur Jesus, die im 1 Joh an­ge­sproch­en wird, ausführlich im Evangelium thematisiert. Da Joh 1,34 unmittel­bar Bezug neh­men könnte auf 1 Joh 5,20, könnte das JohEv an 1 Joh anknüpfen.

Ge­gen die Datierung des JohEv als die jüngste johanneische Schrift ist anzubringen, dass in Joh 13,34 ein neues Gebot gegeben wird, welches die Nächstenliebe beinhaltet. In 1 Joh 2,7f. ist sowohl von dem alten als auch von dem neuen Gebot die Rede. Schließ­lich spricht 2 Joh 5 von dem alten Gebot. Hier zeigt sich eine Entwicklung. Das glei­che Gebot der Lie­be zueinander zeigt sich zunächst als ein neues und im 2 Joh er­scheint es zwar nicht über­flüssig aber als ein älteres. Dies wäre ein Indiz dafür, dass die Rei­hen­folge, wie sie üblich ist, der Wahrheit entspreche.[13] Bei den ganzen Über­le­gung­en muss bedacht werden, dass es sich in allen als johanneisch bezeichneten Texte nicht um denselben Autor oder derselben Schu­le handeln muss. Auf diesen Aspekt wird im spä­teren Verlauf dieser Ausarbeitung noch eingegangen werden. Dass das Evangelium wahr­scheinlich vor den Briefen ent­stan­den ist, könnte zudem dadurch erklärt werden, dass die Irrlehrer, über die in den Briefen ge­schrie­ben wird, gegen die Christologie agieren, die zuvor im Evangelium verbreitet wurde.[14]

[...]


[1] Vgl. H. Thyen, Johannesbriefe, 186.

[2] L. Bormann, Bibelkunde, 244.

[3] I. Broer, Einleitung in das Neue Testament, 305.

[4] Vgl. ebd., 301-307.

[5] Vgl. G. Strecker, Der erste Johannesbrief, 456.

[6] K. Berger, Der erste Brief des Johannes, 944.

[7] Vgl. I Broer, Einleitung in das Neue Testament, 229.

[8] Vgl. J. Kügler, Der erste Johannesbrief, 534.

[9] Vgl. K. Berger, Der erste Brief des Johannes, 944.

[10] Vgl. H. Thyhen, Johannesbriefe, 188.

[11] Vgl. I. Broer, Einleitung in das Neue Testament, 234.

[12] Vgl. K. Berger, Der erste Brief des Johannes, 944f.

[13] H. Thyhen, Johannesbriefe, 188.

[14] Vgl. U. Wilckens, Das Johannesevangelium, 164.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
θεός als christologischer Hoheitstitel in 1 Joh 5,20
Hochschule
Universität zu Köln  (Biblische Theologie)
Veranstaltung
Monotheismus und Christologie
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
31
Katalognummer
V208593
ISBN (eBook)
9783656362647
ISBN (Buch)
9783656363354
Dateigröße
627 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hoheitstitel
Arbeit zitieren
Elisabeth Esch (Autor:in), 2012, θεός als christologischer Hoheitstitel in 1 Joh 5,20, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208593

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: θεός als christologischer Hoheitstitel in 1 Joh 5,20



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden