Emigrazione - Lunfardo - Argentinidad: Der Einfluss italienischer Einwanderer auf die kulturelle Identität Argentiniens

Am Beispiel des sprachlichen Phänomens Lunfardo


Studienarbeit, 2012

20 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen zur kulturellen Identitätsbildung
2.1 Kollektive Identität nach Halbwachs
2.2 Kulturelle Identität nach Assmann

3. Italienische Einwanderung nach Argentinien
3.1 Erste Einwanderungswelle 19. Jahrhundert
3.2 Zweite Einwanderungswelle 20. Jahrhundert
3.3 Alteingesessene und italienische Einwanderer – Etablierte und Außenseiter?

4. Argentinidad: Die kulturelle Identität Argentiniens
4.1 Wirtschaftliche, demografische und politische Auswirkungen der Einwanderung
4.2 Sprachliche Auswirkungen der italienischen Einwanderung
4.2.1 Entwicklungsgeschichte des Lunfardo
4.2.2 Wortschatz des Lunfardo
4.2.2.1 Bedeutungswandel
4.2.2.2 Morphologische Veränderungen
4.2.3 Kommunikationsbereiche des Lunfardo

5. Fazit

Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Argentinien war insbesondere Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts Zielort massiver Einwanderungsströme aus Europa. Hauptziel war Buenos Aires, dessen Einwohnerzahl infolgedessen rasant von 85.000 im Jahre 1852 auf 1,5 Millionen im Jahre 1914 wuchs (vgl. Ivanuscha-Gómez, 2010: 9 ff.).

Zu dieser Zeit bestand mehr als die Hälfte der Einwohner der argentinischen Hauptstadt aus Immigranten, von denen wiederum gut die Hälfte italienische Einwanderer ausmachte. Neben den Einwanderern von außerhalb strömten aber auch zahlreiche Menschen aus dem argentinischen Inland, die Gauchos etwa, nach Buenos Aires.

Mit dem Zusammentreffen dieser Gruppen entstand die heute präsente argentinische kulturelle Identität, die Argentinidad. Ein Beispiel für die Aufnahme von Elementen der Einwandererkulturen in Argentinien ist der Lunfardo, eine Mischsprache, die zahlreiche Lehnwörter aus verschiedenen Sprachen, insbesondere aus diversen italienischen Dialekten übernahm, aber auch neue Wortschöpfungen hervorbrachte. Während der Lunfardo anfangs die Sprache der unteren Gesellschaftsschichten von Buenos Aires und seiner Vorstädte war, gelangte er vor allem durch die Verwendung im volkstümlichen Theater und in Tangostücken zu immer größerer Verbreitung, so dass er über die Jahrzehnte Teil der Umgangssprache aller Gesellschaftsschichten Argentiniens und Uruguays wurde. Das Zusammentreffen von Menschen unterschiedlicher Herkunft und bereits in Argentinien etablierter Einwohner soll anhand Elias’ Theorie von Etablierten und Außenseitern untersucht werden.

Während sich zahlreiche argentinische Wissenschaftler mit der Untersuchung und Einordnung des sprachlichen Phänomens des Lunfardos beschäftigen, ist deutschsprachige Fachliteratur zu dem Thema relativ rar.

Ziel dieser Hausarbeit soll es sein, einen Überblick über die Entstehung des Lunfardo, aber auch über seine sprachlichen Charakteristika und seine heutige Präsenz in Umgangssprache und Textform und als Teil argentinischer Identität zu vermitteln.

2. Theoretische Grundlagen zur kulturellen Identitätsbildung

2.1 Kollektive Identität nach Halbwachs

Der französische Soziologe Maurice Halbwachs verfasste drei Schriften zum Konzept des mémoire collective, deren Ziel es ist, soziale Bedingungen des Erinnerns nachzuprüfen. Seine These ist, dass jede individuelle Erinnerung eine kollektive sei, womit er sich gegen bisherige Theorien, wie etwa von Sigmund Freud, die Erinnerung als rein individuellen Vorgang sieht, stellt.

Der Ausgangspunkt von Halbwachs´ Theorie ist das Konzept des sozialen Bezugsrahmens, sprich ein Individuums umgebenden Menschen. Ohne Kontakt zu anderen Menschen würden laut Halbwachs keine kollektiven Gegebenheiten, wie Sitten oder Sprache, entstehen. Mittels Kommunikation und Interaktion, Medien, Wissen über Daten, Fakten und bestimmte kollektive Vorstellungen entstehen Erinnerungen (Vgl. Halbwachs: 2002). Der soziale Bezugsrahmen eines Individuums steht in Abhängigkeit mit der Kultur und der sozialen Gruppe, mit der es sich umgibt. Ohne soziale Gruppe und dem Kontakt zu ihr können keine Sinnwelten entstehen und weitergegeben werden, wodurch wiederum die individuellen Vorstellungen von der Gesellschaft, in der ein Mensch lebt, geprägt werden.

Halbwachs führt unterschiedliche Arten kollektiver Gedächtnisse auf: etwa das Familiengedächtnis, welches sich durch Interaktion und Kommunikation konstituiert. Zum einen meint er damit kollektive Handlungen und Erfahrungen, zum anderen das wiederholte gemeinsame Erinnern der Vergangenheit. Hierbei stellt sich das Problem, dass Zeitzeugen benötigt werden, womit diese Erinnerungsform im Kontrast zu der Zeitgeschichte steht, die auch nach dem Aussterben einer Generation weitergegeben werden kann.

Als zentrale Aufgabe eines kollektiven Gedächtnisses nennt Halbwachs die Identitätsbildung. Das kollektive Gedächtnis selektiert subjektiv seine Erinnerungen: es wird erinnert, was dem Selbstbild und den Interessen der sozialen Gruppe entspricht, wobei vor allem Ähnlichkeiten und Kontinuitäten, die zeigen, dass diese Gruppe dieselbe geblieben ist, hervorgehoben werden. Die Teilhabe am kollektiven Gedächtnis bedeutet für den sich Erinnernden, dass er zur Gruppe gehört.

2.2 Kulturelle Identität nach Assmann

Nach Assmann ist die Funktion einer kollektiven Identität die Weitergabe des kulturellen Sinnes. Gemeinsame Werte, Erfahrungen und Erwartungen sind Bestandteile dieses kulturellen Sinnes. „Kulturelle Identität ist entsprechend die reflexiv gewordene Teilhabe an bzw. das Bekenntnis zu einer Kultur“ (Assmann, 1992: 134). Somit ist die kulturelle Identität Teil des Ausbildungsprozesses des kulturellen Gedächtnisses.

Nach Assmann (1992: 144f.) werden kollektive Identitäten instabil, wenn sie über eine persönliche Kommunikation hinausgehen und nicht jedes Mitglied der Gesellschaft den anderen kennt. Immigration kann solche Irritationen ermöglichen. Integration und Assimilation können zu einem Problem werden.

Um die Identität einer sozialen Gruppe einordnen zu können, stellt sich die Frage, was die jeweilige Identität ausmacht und welche Veränderungen sie durchlaufen hat. Hierbei kann es zu einer Neuerfindung einer Identität kommen. Zudem ist es im Fall Argentinien von besonderem Interesse, die Assimilation von Minderheits-Identitäten in Mehrheits-Identitäten zu untersuchen.

3. Italienische Einwanderung nach Argentinien

Italien war seit seiner Einigung bis Mitte des letzten Jahrhunderts ein Auswanderungsland. Zwischen 1860 und 1985 verließen 29 Millionen Italiener ihre Heimat, um in Ländern wie Argentinien, Brasilien, den USA oder in Frankreich, Belgien oder Deutschland ihr Glück zu versuchen; in Argentinien allein waren es in dem Zeitraum von den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts etwa 3,5 Millionen italienische Einwanderer (vgl. Katschnig, 2007: 24 ff.).

3.1 Erste Einwanderungswelle 19. Jahrhundert

Unter dem Präsidenten Bernardino Rivadavia wurden europäische Arbeitskräfte nach Argentinien geholt, um das wirtschaftliche Wachstum zu fördern und dünn besiedelte Gebiete im Landesinneren zu bevölkern. Zu dieser Zeit kamen viele Intellektuelle aus Italien, die bereits im Exil in anderen europäischen Staaten lebten. Mitte des 19. Jahrhunderts verließen vor allem Ligurer über Genua ihr Heimatland Richtung Argentinien. In Buenos Aires ließen sie sich vorwiegend in den Bezirken La Boca und Balvanera nieder und brachten die Schifffahrt auf den Flüssen und weitere damit zusammenhängende Tätigkeitsbereiche unter ihre Kontrolle (vgl. Katschnig, 2007: 53 f.). 1855 stellten die Italiener bereits die größte Gruppe europäischer Einwanderer und 10% der Gesamtbevölkerung von Buenos Aires dar. Im Stadtteil La Boca machten sie schon bald die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus.

3.2 Zweite Einwanderungswelle 20. Jahrhundert

Nach Tassello begann im Jahr 1901 die zweite Phase der italienischen Auswanderung nach Argentinien (vgl. Tassello, 1987: 94 f.), welche sich mit einer durchschnittlichen Auswandererzahl von 600.000 Menschen pro Jahr bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 zog.

Während in der ersten Einwanderungswelle vor allem Einwanderer aus dem italienischen Norden nach Argentinien kamen, waren es jetzt überwiegend die südlichen Provinzen Italiens, die die meisten Einwanderer stellten. Auch die Motivation der Emigration ist nun eine andere. Während die meisten Einwanderer aus Ligurien und den nördlichen Provinzen Italiens eher aus Abenteuerlust auswanderten und wohlhabend waren, kamen nun Süditaliener aus sozialer Not heraus nach Argentinien.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Emigrazione - Lunfardo - Argentinidad: Der Einfluss italienischer Einwanderer auf die kulturelle Identität Argentiniens
Untertitel
Am Beispiel des sprachlichen Phänomens Lunfardo
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Kultur- und Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Interkulturelle Studien
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
20
Katalognummer
V208518
ISBN (eBook)
9783656358930
ISBN (Buch)
9783656360865
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Argentinien, argentinidad, kulturelle identität, emigrazione, auswanderung, migration, lunfardo, cocoliche, buenos aires, emigration, italien, italiener, interkulturelle studien, sprache, italienisch, spanisch
Arbeit zitieren
Sandro Abbate (Autor:in), 2012, Emigrazione - Lunfardo - Argentinidad: Der Einfluss italienischer Einwanderer auf die kulturelle Identität Argentiniens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208518

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