"Opa war kein Nazi" - Zum Umgang mit dem Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht


Hausarbeit, 2012

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht
2.1 Methodisch-didaktische Besonderheiten und Herausforderungen
2.2 „Opa war kein Nazi“ - Überblick über Intention und Ergebnisse
2.3 Didaktischer Transfer der Ergebnisse

3. Schluss

1. Einleitung

Der Nationalsozialismus ist aufgrund seiner singulären historischen Dimensionen sicherlich das Ereignis, das die deutsche Geschichte und die Geschichtswissenschaft am nachhaltigsten geprägt hat. Die systematisierte Vernichtung von Millionen von Menschen und die Schäden, die der Zweite Weltkrieg hinterließ, sind Gründe, die die Sonderstellung dieses Themas rechtfertigen. Dennoch oder gerade deswegen stellen sich auch nach fast 70 Jahren in der deutschen Volksseele vielfach noch Beklemmung und Schuldgefühle ein. Kaum ein geschichtliches Ereignis ist gesellschaftlich so präsent wie der Nationalsozialismus. In Zeitschriften, Dokumentationen, Büchern, Diskussionen und Ausstellungen wird dieses Thema aufbereitet und dargeboten. Diese Omnipräsenz mag auf manche erdrückend wirken und es bleibt zu bezweifeln, ob der Sinn einiger Veröffentlichungen und Ausstrahlungen weit über Entertainment und wirtschaftlichen Profit hinausgeht. Dennoch zeigen auch jüngste Ereignisse wie die Verbrechen der „Zwickauer Terrorzelle“ oder andere Delikte mit fremdenfeindlichem Hintergrund, dass es gezielter Aufklärungsarbeit bedarf um Faschismus und Rassismus vorzubeugen und diese Strömungen nicht als gesellschaftliche Bestandteile zu dulden.

Dieser gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen stellen sich auch die Schulen. Ihr Erziehungsauftrag und das Ideal der Herausbildung von mündigen Bürgern verpflichten sie bereits zu diesem Schritt. Auch hier findet eine breite Konfrontation mit dem Thema Nationalsozialismus statt. In vielen Fällen werden die Schüler diesem Thema in ihrer Schullaufbahn bis zu zehn Mal begegnen. Das Fach Geschichte nimmt dabei die zentrale Stellung ein, doch auch die Fächer Deutsch, Englisch, Französisch, Sozialkunde, Religion und Ethik bieten immer wieder Gelegenheiten sich mit dem Dritten Reich auseinander zu setzen.1 Die Frage ist jedoch legitim, ob diese vielfältige Vorgehensweise - denn es ist anzunehmen, dass jedes Fach auch einen fachspezifischen Zugang zum Thema wählt und bestimmte fachgebundene Lernziele verfolgt - sich eignet, um die besonderen Anforderungen, die der Nationalsozialismus an den Unterricht stellt, zu bewältigen. Welche Anforderungen dies im Einzelnen sind und welche methodisch-didaktischen Ansätze es für den Nationalsozialismus speziell im Geschichtsunterricht gibt wird die zentrale Fragestellung dieser Arbeit sein. Besondere Berücksichtigung werden dabei die Forschungsergebnisse von Welzer, Moller und Tschuggnall finden, die im Jahr 2002 unter dem Titel „Opa war kein Nazi“ Studien zum Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis veröffentlichten. Zu diesem Zweck soll im Verlauf der Arbeit ein kurzer Überblick über die Ausgangslage und Zielsetzung dieses Werks gegeben werden, bevor die wesentlichen Erkenntnisse auf den Geschichtsunterricht in der Schule übertragen und anschließend kritisch reflektiert werden. Vorab soll jedoch geklärt werden, welche didaktischen Anforderungen der Nationalsozialismus im Allgemeinen an den Geschichtsunterricht stellt und welche Möglichkeiten des Zugangs und der Behandlung dem Lehrer zur Verfügung stehen. Dazu wird zunächst eine konkrete Herangehensweise an das Thema genauer beleuchtet. Das Beispiel ist einer Handreichung zum Lehrplan der Integrierten Gesamtschulen in Rheinland- Pfalz entnommen.2

2. Der Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht

2.1 Methodisch-didaktische Besonderheiten und Herausforderungen

Die Handreichung zum Lehrplan Gesellschaftslehre an Integrierten Gesamtschulen aus dem Jahr 2004 stellt im Kontext des Nationalsozialismus vier „Schlüsselprobleme“ heraus, die es im Unterricht anzugehen gilt: „Sicherung der Identität von Individuen und Gruppen; Herrschaft und Demokratie; Verwirklichung der Menschenrechte; Konfliktbearbeitung und Friedensgestaltung.“3 Die Lehrperson sieht sich hier im wahrsten Sinne des Wortes mit vier Problemen konfrontiert, deren Lösung sie im Rahmen der Unterrichtsreihe umzusetzen hat. Die tiefergehende Problematik besteht jedoch darin, die inhaltlichen Lernergebnisse diesen didaktisch-erzieherischen Prämissen nicht unterzuordnen. Problematisch an dieser Herangehensweise scheint, dass der Nationalsozialismus exemplifiziert wird. Es geht weniger um das Thema Nationalsozialismus sondern um die genannten vier Schlüsselprobleme, die lediglich an diesem Thema dargestellt werden sollen. Dieses Vorgehen ist durchaus kritisch zu bewerten. Der thematische Zugang wird hier über den Themenbereich „Alltag im Dritten Reich“ gewählt.4 Ein Vorteil wird hier im erleichterten Zugang für die Schüler gesehen, denn es soll an die eigene Lebenswirklichkeit angeknüpft werden und „[…] das Interesse der Schülerinnen und Schüler, möglichst viel vom Leben damals Gleichaltriger zu erfahren“5 geweckt werden. Dieser Ansatz ist durchaus löblich, dennoch bleibt fraglich, inwiefern sich Jugendliche sich für die Probleme und Lebensbedingungen Gleichaltriger vor 65 Jahren interessieren und inwiefern diese Probleme auch heute noch Relevanz für sie haben. Die allgemeine inhaltliche Beugung des Themas zugunsten didaktisch-erzieherischer Ergebnisse mag der Institution der Integrierten Gesamtschule geschuldet sein und diese Herangehensweise soll an dieser Stelle auch nicht diskreditiert werden, dennoch sei auf eine weitere Besonderheit in dieser Handreichung verwiesen. Die Zweiteilung der Unterrichtsreihe, die in diesem Entwurf suggeriert wird, empfiehlt für den Bereich „Alltag im Dritten Reich“ eine Zeitspanne von 13 Unterrichtsstunden. Dem zweiten Teil der Reihe „Ausgrenzung und Terror“ wird hingegen nur ein Zeitraum von sieben Unterrichtstunden eingeräumt wobei allgemein anzumerken ist, dass beide Teile jeweils noch Doppelstunden beinhalten, die den Fokus auf aktuelle Geschehnisse richten.6 Interessant ist diese Aufteilung, weil sich die klassischen Unterrichtsthemen, die man mit dem Nationalsozialismus in Verbindung bringt, ausschließlich im zweiten Block der Reihe finden. Hier begegnet man den historischen Fakten und wendet sich von der gesellschaftsgeschichtlichen Betrachtung des ersten Teils ab. Insgesamt lässt sich festhalten, dass diese Reihenplanung die gesellschaftlichen Lehren, die sich primär aus dem ersten Teil der Unterrichtsreihe ergeben, über konkretes historisches Faktenwissen setzt. Dieses Vorgehen ist nicht weiter verwerflich, denn die systemideologischen Grundlagen des Nationalsozialismus lassen sich durch eine Betrachtung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Dritten Reich sehr gut erschließen. Dennoch ist kritisch zu hinterfragen, ob die Lehren, die aus der systematischen Vernichtung von Minderheiten und dem zerstörerischen militärischen Vorgehen gegen unzählige europäische und nicht-europäische Staaten zu ziehen wären, nicht mindestens als gleichwertig einzustufen sind. Die Verwirklichung der Menschenrechte, eines der eingangs erwähnte Schlüsselprobleme, wird hierbei nicht - wie man vermuten könnte - am Beispiel des Holocausts erläutert, sondern anhand der Einschränkung des Individuums in der Volksgemeinschaft.7 Eine Gefahr, die einem solchen Vorgehen innewohnt, besteht darin, dass die SuS8 das deutsche Volk in einer Opferrolle sehen, da dessen Rechte durch das totalitäre System eingeschränkt und begrenzt wurden.

Die Handreichung des Pädagogischen Zentrums Rheinland-Pfalz zeigt schon deutlich die Komplexität und Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn man sich im Unterricht mit dem Nationalsozialismus beschäftigt. Aus diesem Grund sollen nun einige weitere grundsätzliche didaktische Herausforderungen geschildert werden, die dieses Thema an den Geschichtsunterricht stellt.

[...]


1 Vgl. hierzu: Anette Hettinger, Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus - Lernorte nicht nur für den Geschichtsunterricht, In: Pädagogische Hochschule Heidelberg (Hrsg.), Wie Schüler argumentieren lernen - NS-Gedenkstätten als Lernorte - Aktuelle Schulsysteme III, S.24.

2 Vgl., Pädagogisches Zentrum Rheinland-Pfalz, Vergangenheit, die nicht vergeht - Nationalsozialismus. Handreichung zum Lehrplan Gesellschaftslehre an Integrierten Gesamtschulen

3 Ebd., S.5.

4 Vgl. Ebd.

5 Ebd.

6 Vgl. Pädagogisches Zentrum Rheinland-Pfalz, Vergangenheit, S.11.

7 Vgl. Ebd., S.5.

8 Im Folgenden für „Schülerinnen und Schüler“.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
"Opa war kein Nazi" - Zum Umgang mit dem Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht
Hochschule
Universität Trier
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
15
Katalognummer
V208476
ISBN (eBook)
9783656358213
ISBN (Buch)
9783656360292
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
nazi, umgang, nationalsozialismus, geschichtsunterricht
Arbeit zitieren
Bachelor of Education Lukas Kroll (Autor:in), 2012, "Opa war kein Nazi" - Zum Umgang mit dem Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208476

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: "Opa war kein Nazi" - Zum Umgang mit dem Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden