Kindheit und Kinderblick in Ilse Aichingers "Die größere Hoffnung"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

35 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Kindheit und Kinderblick in Ilse Aichingers Die gr öß ere Hoffnung

Auschwitz ist nicht nur ein Produkt okzidentaler Ideologie, Wissenschaft und Technik. Auschwitz ist direkt in den westlichen Grundlagen, in den jüdisch-christlichen Vorstellungen verankert. [...] Daher lautet die Frage [...] nicht: Wie kam es zu Auschwitz? Die Frage ist:

Wie konnte es zu Auschwitz kommen? Nicht das Ergebnis selbst, sondern unsere ganze Kultur steht in Frage, nämlich in der Frage: Wie kann man in einer derartigen Kultur weiterleben, jetzt, nachdem sich gezeigt hat, wozu sie fähig ist?1

Einleitung

Die Tagung der Gruppe 47 mit Paul Celan, Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger in Niendorf 1952 hat die Zeit der Kahlschlagperiode, des Schreiben-Lernens, beendet. Auch wenn Aichinger das Authentizitätspathos im Programm der die Stunde Null und den Kahlschlag fordernden Gruppe 47 nicht explizit teilt, hat Aichinger in ihrem Essay Aufruf zum Mißtrauen (1946) an der „Veränderbarkeit menschlicher Einrichtungen und menschlichen Denkens“2 festgehalten. Adorno, Celan und Aichinger verbindet „die Erkenntnis, daß eine Poesie nach Auschwitz nur schweigend die Sprache der Täter durchkreuzen kann, um die ’Sprache des Leblosen’ zu verkörpern und den Toten die Sprache zu leihen.“3

Der Charakter der Prosaliteratur hatte sich gewandelt. Reichensperger konstatiert:

„Für die Erfahrungen des zweiten Weltkriegs mußte erst eine Sprache gefunden werden, eine, die sich der Sprachregelung des Dritten Reichs verweigerte, zugleich aber die Erfahrungen der Zeit in sich aufnehmen und in Sprache umwandeln konnte.“4

Bis heute gelten Aichingers Arbeiten trotz aller Würdigungen als ’schwierig’. Während die Arbeiten ihrer Zeitgenossin Ingeborg Bachmann im literarischen Kanon fest etabliert sind, haben Studien zu Leben und Werk Aichingers Nachholbedarf.

Dadurch hat Aichinger den „Status einer gefeierten Außenseiterin“5 erlangt. Erst das wachsende Interesse an der literarischen Verarbeitung der Shoa in den neunziger Jahren rückte Aichingers Erstling Die gr öß ere Hoffnung in den Blick der Forschung. Aufgrund der Tatsache, daß Ilse Aichinger selbst als junges, halbjüdisches Mädchen

- wie Ellen im Roman - zu leiden hatte, sowie wegen der Qualität ihres ’verstörenden’ Romans kann man Aichinger in eine Reihe mit Jean Améry, Paul Celan und Imre Kertész stellen.6

Worte, die den Autoren einst Heimat und Zuflucht waren, wendeten sich nach dem nazistischen Terror gegen sie. Wie läßt sich mit der deutschen Sprache, welche die Sprache der Täter war, die Geschichte der Holocaust-Opfer erzählen? Im Roman Die gr öß ere Hoffnung spielt Kindheit eine große Rolle. Für Aichinger bedeutet Kindheit den „Höhepunkt der Existenz“7, und der „Verlust der Kindheit“8 sei nicht mit dem normalen Altern zu vergleichen: „Weil das Spielen und die Kindheit die Welt erträglich machten und sie überhaupt begründen. Wahrscheinlich tauchen deshalb so viele Kinder bei mir auf: weil es ohne sie unerträglich wäre.“9 Die Auswirkungen des Nationalsozialismus treffen die Kinder im Roman in einem Moment, indem sie gerade beginnen, ihr eigenes Ich sowie ihre Zugehörigkeit - zur Familie und zum Judentum - wahrzunehmen. Die „geniale Epoche“10 der Kindheit wird demnach zu früh zerstört.

Im Folgenden möchte ich neben der Darstellbarkeit des Holocaust in Die gr öß ere Hoffnung die Funktion von Kindheit und Kinderperspektive im Roman untersuchen. Was kann Sprache bei Aichinger als ’Zeugenschaft’ leisten? Wie wird die Identität der jüdischen Kinder im Roman dargestellt? Aichinger schreibt vom Ende her und ü bersetzt den Grauen der Nationalsozialisten in eine kindliche Welt zwischen Phantasie und Wirklichkeit, die von Spielen und Träumen durchzogen ist. Aichingers Erstling wurde oftmals für die ’Poetisierung des Schreckens’ kritisiert. Jedoch wirft Aichinger gerade anhand der Kinderperspektive einen naiven, märchenhaften und unschuldigen Kinderblick auf die Shoah. Mit dieser Ü bersetzung erscheint die nationalsozialistische Wirklichkeit noch grauenhafter.

1. Die Darstellbarkeit des Holocaust

1.1 Juden und Judentum in Die gr öß ere Hoffnung

Ilse Aichinger wurde am 1. November 1921 mit ihrer Zwillingsschwester Helga als Tochter eines nicht-jüdischen Lehrers und einer jüdischen Ärztin in Wien geboren. Deshalb wurde Aichinger nach den ’Nürnberger Gesetzen’ als „Mischling ersten Grades“ eingestuft. Ab März 1938 galten die ’Nürnberger Gesetze’ auch in Österreich. Sie legten fest, wer als Jude galt:

[...] wer von vier, mindestens aber drei der Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammt. Als Jude gilt auch der von zwei volljüdischen Großeltern abstammende staatsangehörige Mischling, wenn er am Tage des Erlasses des Gesetzes, am 15.9.1935, der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörte oder mit einem Juden verheiratet war. Ein jüdischer Mischling, der von zwei der Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammte, jedoch am 15. September 1935 nicht der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörte, war Halbjude und wurde als Mischling ersten Grades bezeichnet. Wer nur einen jüdischen Großelternteil hatte, war Vierteljude oder Mischling zweiten Grades.11

Paul Sartre ’definiert’ Jüdischsein in seinem Diktum mit: „Der Jude ist der Mensch, den die anderen als solchen betrachten“.12

Aichingers Zwillingsschwester hat im Juli 1939 Wien mit einem der letzen Kindertransporte in Richtung England verlassen.13 Als Halbjüdin hat Ilse Aichinger mit ihrer jüdischen Mutter den Nationalsozialismus überlebt, jedoch sind alle Verwandten mütterlicherseits in Vernichtungslagern ermordet worden. Später schreibt sie: „Man überlebt nicht alles, was man überlebt.“14 1996 fügt sie hinzu, daß sie den Anblick ihrer geliebten Großmutter im Viehwagen auf der Schwedenbrücke sowie den vergnügten Anblick der anderen Menschen um sie herum, die der Deportation beiwohnten, nicht überlebt hat.15

Blasberg konstatiert über das Jüdischsein in Die gr öß ere Hoffnung:

Der Definition des Jüdischseins wird im Roman Die gr öß ere Hoffnung eine Leerstelle zugewiesen: „Kein Protagonist kennt sie [die Definition] oder macht sie durch sein Verhalten kenntlich, weder Opfer noch Täter können sie geben.“16

Für Ilse Aichinger ist der Krieg nach 1945 noch nicht zu Ende. Am Beginn des Wiederaufbaus sprechen ihre Erzählungen vom Ende, vom Tod und von Erstarrung. Um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen, bricht Aichinger ihr Medizinstudium ab, welches sie aufgrund der Rassengesetze erst nach Kriegsende beginnen konnte. Vor dem Hintergrund nationalsozialistischer Verfolgung begann Aichinger zu schreiben. In ihren Werken werden die Leiden des Individuums durch den Holocaust und die rassischen Verfolgungen spürbar. Aichingers erster Roman Die gr öß ere Hoffnung hat als Thematik die „Diskrepanz zwischen dem subjektiven Erfahren und der empirischen Wirklichkeit und beleuchtet von verschiedenen Seiten die Unversöhnlichkeit von Perzeption und historischem Geschehen“.17 Aichinger wollte nur einen Bericht schreiben, „wie es wirklich war“.18 Der Roman erschien 1948 und erfuhr wenig Resonanz. Er ’berichtet’ über rassisch verfolgte Kinder während der NS-Zeit. Die Hauptfigur Ellen, die als halbjüdisch gilt, leidet unter Isolation, Demütigung und Verspottung. Mit ihrer kindlichen Überzeugungskraft schafft sie es, zum Konsul vorzudringen, der sie jedoch hintergeht, indem er vorgibt, daß nur sie sich ihr eigenes Visum geben könnte (DgH, S. 19f). Ellens Mutter ist im Exil, der Vater ist zum Feind übergewechselt und die Großmutter wählt den Freitod. Ellen wird von keiner der beiden gesellschaftlichen Gruppen anerkannt - entweder hat sie zu viele oder zu wenige „falsche Großeltern“. Hin- und hergerissen zwischen dem Nicht-bleiben- und dem Nicht-gehen-Dürfen bleiben Ellen nur noch die Kinder mit den „falschen Großeltern“. Den Kindern ist es nicht erlaubt, auf öffentlichen Bänken zu sitzen und den Stadtpark zu betreten. Deshalb wählen sie den jüdischen Friedhof zu ihrem Spielplatz. Aus der Schule sind sie auch verbannt und so lehrt sie ein alter Mann fremde Sprachen und hört mit ihnen auch fremde Sender. Die „geheime Polizei“ jagt die Kinder aus ihren Verstecken und so drohen die „Aufforderung nach Polen“, der Kindertransport und die Lager.19

Ellen besitzt nach dem Ringelspielbesitzer „Zwei falsche Großeltern und zwei richtige. Ein unentschiedenes Spiel.“ (DgH, S. 39)

Was den Juden belastet, ist, daß er, der wie jeder andere Mensch für sich selbst verantwortlich ist und stets nach freiem Willen und bestem Gewissen handelt, trotzdem von einer feindseligen Gesellschaft ständig beschuldigt wird, daß alle seine Handlungen den Schandfleck des Jüdischen tragen [...]. Je nach der Stärke seines Verantwortungsgefühls fühlt er die niederschmetternde Verpflichtung, sich vor den anderen Juden sowie vor den Christen als Jude zu bekennen. Durch ihn besteht, ihm zum Trotz, das Judentum in der Welt.“20

Unschuldige Kinder, die gerade dabei sind, in die gesellschaftliche Ordnung hineinzuwachsen, stehen im Mittelpunkt des Romans Die gr öß ere Hoffnung. Den kindlichen Protagonisten steht der Blick eines erwachsenen Erzählers gegenüber. Während auf der Ebene der histoire locker miteinander verbundene Episoden erzählt werden, leugnet auf der Ebene des discours „die strukturelle Anlage des Textes die narrative Linearität einer solchen Geschichte.“21

Im ersten Kapitel Die große Hoffnung lag Ellen „quer über der Landkarte und wälzte sich unruhig zwischen Europa und Amerika hin und her. Mit ihren ausgestreckten Armen erreichte sie Sibirien und Hawaii. [...] Ellen weinte. Ihre Tränen befeuchteten den Pazifischen Ozean.“ (DgH, S. 11). Leere, unberührte Flecken auf der Landkarte verweisen auf traumatisch besetzte Orte der Vernichtung, wie Deutschland und der Osten. Hier stellt sich die Frage nach der Darstellbarkeit des Undarstellbaren.22

1.2 Die gr öß ere Hoffnung als Text der Nachkriegszeit

Von März 1938 bis August 1945 flohen ca. 125.000 Juden aus Deutschland und Österreich in diverse Exilländer, allein aus Wien wurden 1941/42 über 45.000 Juden in Vernichtungslager deportiert. In Wien, der einstmals größten und wohlhabendsten jüdischen Gemeinde Europas, blieben Ende ’übrig’.23 Diese Gruppe bestand aus KZ-Überlebenden, Remigranten und den sog. ’Restjuden’, d.h. von der Gestapo gezwungene Spitzel und Hilfspolizisten gegen Juden. Nach dem Krieg wurde Wien zur Durchgangsstation für Flüchtlinge und KZÜberlebende aus dem Osten. 1951 befanden sich über 11.000 sog. ’displaced persons’ in Wien, die zu versorgen waren.24

In Österreich war Antisemitismus ein „tabuisiertes Tabu“25 und Österreich erklärte sich zum ersten Opfer Hitlerdeutschlands, um sich jeglicher Verantwortung für die Judenverfolgung freizusprechen. Der Judenhaß wurde mit staatlicher Unterstützung (!) weitergetrieben, so daß die Grenze zwischen Krieg und Nachkriegszeit für die Überlebenden des Holocaust unkenntlich wurden.26

In der Entstehungszeit von Die gr öß ere Hoffnung (1945-1947) über Juden(tum) zu sprechen, folgert Blasberg, bedeutete nicht nur, „eine tiefgreifende Differenz im ’jüdischen’ Selbstverhältnis zum Ausdruck zu bringen, sondern [...] zugleich all die aktuellen politischen Dissonanzen offensiv in dieses Sprechen einbringen zu müssen.“27

2. Schreiben vom Ende her

2.1 Klärung oder Verklärung?

Die gr öß ere Hoffnung ist nach Bewältigungsbüchern eine der ersten literarischen Verarbeitungen von 1933-1945. Die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus setzte jedoch erst in den sechziger Jahren ein. Das Denken über Auschwitz hat sich durch die Auschwitz-Prozesse in Frankfurt (1962-1964), den Historikerstreit (1986-1988) sowie durch die immer noch andauernden Kontroversen über Gedächtnisformen fundamental gewandelt.28 Aichingers Roman ist nicht traditionell aus einer männlichen und deutschen Sicht geschrieben, der über das deutsche Soldaten - Opfer klagt, sondern erstmals aus einer weiblichen und jüdischen Perspektive. Aichinger greift die Täter jedoch nicht an, sondern spricht in ihrer Ich- Erzählerin voller Mitgefühl über „Hitlers Vollstrecker“ und ermöglicht ihren Lesern somit, „von der Differenz zwischen Deutschen und Juden nach Auschwitz abzusehen.“29

Wie läßt sich Geschichte verstehbar machen?

Aichinger verzichtet in ihrem Roman Die gr öß ere Hoffnung auf die dokumentarische Genauigkeit, indem sie weder Fakten (wie historische Ereignisse und die namentliche Nennung der Nationalsozialisten), noch Orts- und Zeitangaben nennt. Dies betrifft sowohl das kollektive, als auch das individuelle Gedächtnis, da der Roman „einerseits auf die Biographie seiner Autorin hin durchsichtig bleibt, ohne daß er andererseits als Autobiographie bezeichnet werden könnte.“30

Die Sprache ist von der Angst und vom Nichtbegreifen der verfolgten Kinder geprägt und ist auch in den Träumen und Kinderspielen zu finden. Die Innen- und Außenwelt wird nicht getrennt, d.h. Traum- und Handlungssequenzen gehen ineinander über. Insbesondere die Traumsprache, in der eindeutige Sinnzuweisungen zerfließen, „artikuliert das durch die Sprache nicht Faßbare des Erlebten.“31 Auch die subjektive und objektive Realität der Protagonisten verschwimmen mit der Realität und Phantasie. Die brüchige Zeitstruktur wird bei Lorenz auch als Stationendrama bezeichnet.32 Die Sinnlosigkeit der nationalsozialistischen Barbarei wird mit einer fragmentarischen Sprache beantwortet. Nicht der Inhalt, sondern die Form ist mimetisch. „Der Wahn-Sinn des Romans [...] ist Produkt und zugleich Kampf gegen die Negation aller Vernunft im Faschismus.“33

„Jeder Satz, den man schreibt, muß durch ungeheuer viel ungeschriebene Sätze gedeckt sein, weil er sonst gar nicht dasteht.“34 Zwischen den Zeilen muß der Leser das Ausgesparte ergänzen.

Des Weiteren wird die Sprache fortlaufend berichtigt oder sogar aufgehoben, treffende Wörter werden durch umkreisende Ausdrücke ersetzt. „ Die Gr öß ere Hoffnung verdichtet und verschiebt in allegorischen Bildern das traumatisch Verdrängte.“35

Gerade diese Parallelität von historischer Zementierung und mystischer Verklärung wurde Aichingers Erstling vorgeworfen. Aichinger habe sich der Sprache der Täter bedient und damit auch ihre Werte anerkannt. Die Schreibweise des Romans Die Gr öß ere Hoffnung wurde als „Poetisierung“ und „Verrat an den ’Schreckenszeichen’ der Nazis“ interpretiert.36 Dies kann jedoch nur derjenige mißbilligen, der den Roman zuvor zu mimetischer Darstellung verpflichtet sah.37 Nach dem Krieg haben deutsche Leser und Leserinnen Aichingers Roman „dankbar entgegengenommen“, denn er „entlastete von kollektiver Scham.“38

Wird im Roman die Einzigartigkeit von Auschwitz durch die Verklärungen bis zur Unkenntlichkeit entschärft?

Wo Halluzinationen in Todesekstase umschlagen, wo Träume die Welt vor dem Untergang bewahren, der Untergang aber Auferstehung und der Granatentod das wahre Leben bedeutet, gibt es keinen Anspruch mehr für Vernunft und Logik.39

Wahrscheinlich läßt aber eine solche Nähe zur industriell durchgeführten Massenvernichtung nur eine Form von Poetisierung und Mystifizierung zu. Denn wer „am Weiterleben interessiert war, musste abwehren, musste verdrängen, war nicht imstande [...], die noch nicht geheilten Wunden ein neues Mal aufzureißen.“40 So wurde anhand eines „Verdoppelungsmechanismus“ im „Vorgang des Erinnerns das Original durch das repräsentierbare Bild verstellt. [Dieser] semantische Überschuß in der Bebilderung des Erlebten [umstellte] schützend das vom Vergessen Bedrohte.“41

Einen einzigen und ’richtigen’ Umgang mit der Holocaust-Literatur kann es nicht geben. Améry bemerkt: „Was Freiheit heißt, weiß jeder, der in Unfreiheit gelebt hat“.42 Erinnerung ist keine Frage des Ob, sondern lediglich des Wie - so Ruth Klüger in einem Vortrag zur NS-Vergangenheit.43 Die literarische Wahrheit der Shoah läßt sich nicht von der historischen trennen, wie auch die ästhetische Wertung von der politischen nicht abgetrennt werden kann. Young folgert, daß man die Darstellung des Holocaust und die Ereignisse des Holocaust nicht losgelöst voneinander betrachten kann.

Wenn wir zum Beispiel der Poetik der Zeugenaussage größere Aufmerksamkeit widmen als dem Inhalt des Zeugnisses, könnte es geschehen, daß wir die Ereignisse, um die es geht, vollständig verdrängen. Mit ihrer übertriebenen Konzentration auf die Darstellungsweisen, in denen uns vom Holocaust berichtet wird, laufen die Kritiker offenbar Gefahr, dessen Realitäten nahezu auszublenden und die bloße Form ihrer Auseinandersetzung zu deren Inhalt zu machen.44

In Aichingers Die gr öß ere Hoffnung darf nicht allein der Inhalt oder die Form betrachtet werden. Es gilt, die inhaltlichen und formalen Brüche - die Poetik des Ungefügten - miteinander zu verbinden.

Unser Handeln in der heutigen Welt im Schatten des Holocaust gründet sich zwangsläufig auf unser Verständnis des Holocaust, wie es uns in den literarischen Zeugnissen der Opfer und der Überlebenden überliefert ist. Aufgabe der Kritik ist hierbei nicht, zwischen ’Fakten’ und ’Fiktion’ zu unterscheiden [...].45

2.2 Sprache und Macht in Die gr öß ere Hoffnung

Nach Herrmann/ Thums sind Aichingers Texte fortwährend geprägt von dem „Wissen um die performative Kraft der Sprache und um die Verkoppelung von Macht und Diskurs“ sowie getragen von dem Verlangen, dagegen zu protestieren: „Die wenigsten können sich wehren.

[...]


1 Vilém Flusser, zit. nach Seidler 2004: 11

2 vgl. Lorenz 1999: 38

3 Komfort-Hein 2001: 33

4 Reichensperger 1991

5 Herrmann/ Thums 2001: 10

6 vgl. Seidler 2004: 5

7 zit. nach Hetzer 1999: 67

8 ebd.

9 ebd.

10 Hetzer 1999: 68

11 zit. nach Blasberg 2001: 39

12 ebd.: 46

13 vgl. ebd.: 39

14 zit. nach Hetzer 1999: 36

15 vgl. ebd.

16 Blasberg 2001: 40

17 Lorenz 1999: 31

18 zit. nach Thums 2000: 223

19 vgl. Heidelberger-Leonard 1999: 160f

20 Sartre, zit. nach Blasberg 2001: 46

21 Herrmann/ Thums 2001: 65

22 vgl. ebd.: 21 1945 noch ungefähr 5.000 Juden

23 vgl. Blasberg 2001: 55

24 vgl. ebd.: 55f

25 ebd.: 56

26 vgl. ebd.

27 ebd.: 57

28 vgl. Heidelberger-Leonard

29 Heidelberger-Leonard 1999: 158

30 Thums 2000: 220. Die größere Hoffnung weist nach Hetzer (1999: 33) autobiographische Züge auf, die Aichinger nie explizit bestritten hat. Im Gegensatz zu Hetzer spricht Seidler (2004: 5) nicht von einer autobiographischen Darstellungsform, da Aichinger ihre eigenen Erlebnisse auf ein Kind projiziert, das jünger ist, als sie selbst während der Zeit des Nationalsozialismus war.

31 Thums 2000: 221

32 vgl. Thums 2001: 221

33 vgl. Thums 2000: 222

34 Aichinger, zit. nach Komfort-Hein 2001: 34

35 Thums 2000: 225

36 ebd.: 221

37 vgl. Blasberg 2001: 43

38 Heidelberger-Leonard 1999: 167

39 ebd.: 164

40 ebd.: 165

41 Thums 2000: 228f

42 zit. nach Heidelberger-Leonard 1999: 167

43 vgl. ebd.: 157

44 Young 1997: 16

45 ebd.: 29

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Kindheit und Kinderblick in Ilse Aichingers "Die größere Hoffnung"
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für deutsche Sprache und Literatur II)
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
35
Katalognummer
V208383
ISBN (eBook)
9783656358398
ISBN (Buch)
9783656358770
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kindheit, kinderblick, ilse, aichingers, hoffnung
Arbeit zitieren
Nina Jeanette Hofferberth (Autor:in), 2008, Kindheit und Kinderblick in Ilse Aichingers "Die größere Hoffnung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208383

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