Stigmatisierung durch Kastration am Beispiel von Petrus Abaelardus


Hausarbeit, 2011

19 Seiten, Note: 2.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kurzbiographie und historischer Kontext des Petrus Abaelardus

3. Stigmatisierung durch Kastration
3.1. Erläuterung Stigmatisierung/Selbststigmatisierung
3.2. Auswirkung auf das Selbstbild Abaelardus'
3.3. Auswirkung auf sein Charisma
3.4. Auswirkung auf seine Gelehrtentätigkeit

4. Fazit: Vergleich der Stigmatisierung vor und nach der Kastration

5. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung:

Meine Hausarbeit im Grundkurs Charisma behandelt das Thema Stigmatisierung am Beispiel von Petrus Abaelardus. Meinen Schwerpunkt lege ich bei dieser Ausarbeitung auf die Bedeutung der Kastration, welche ihm im Jahre 1114 durch den Kanoniker Fulbert, Onkel seiner Schülerin und Geliebten Heloise, widerfahren ist.

Die genaue Fragestellung ist, welche Bedeutung die Kastration im Bezug auf seine Stigmatisierung einnahm.

Meine These zur Beantwortung dieser Fragestellung lautet „Die Kastration manifestierte Petrus Abaelardus' Stigmatisierung und machte ihn zum Philosophen Gottes“.

Meine Arbeit ist folgendermaßen gegliedert. Nach der Einleitung beginne ich mit einer Biographie von Petrus Abaelardus, sowie einer kurzen Einbettung in den historischen Kontext. Dieses soll die zeitliche Einordnung der Kastration und deren Folgen für sein Leben aufzeigen.

Der Hauptteil gliedert sich in vier Unterpunkte: Zuerst werde ich zuerst das Phänomen der Stigmatisierung und der Selbststigmatisierung erläutern um dann in den nächsten drei Punkten unter Rückbezug auf die Fragestellung und die These die Auswirkungen der Kastration auf die Stigmatisierung und dann sowohl auf sein Selbstbild, sein Charisma und auch auf seine Gelehrtentätigkeit analysieren.

Im Fazit werde ich die Fragestellung und die These wieder aufgreifen, sie beantworten und eine eigene Einschätzung abgeben.

Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, welche enormen Auswirkungen die Kastration auf das weitere Leben von Petrus Abaelardus hatte.

Meine verwendete Literatur besteht aus Sammelbänden, übersetzten Quellen, Zeitschriftenartikeln und Sekundärliteratur, welche die Werke und das Leben von Petrus Abaelardus behandeln. Die übersetzte Quelle ist die Historia Calamitatum (Briefe in autobiographischen Zügen von Petrus Abaelardus) von Eberhard Brost und beschreibt die Leidensgeschichte und den Briefwechsel mit seiner Schülerin und Geliebten Heloise. Auf dieses Buch werde ich mich größtenteils stützen, da es das Leben von Petrus Abaelardus sehr authentisch wiedergibt.

2. Kurzbiographie und historischer Kontext des Petrus Abaelardus

Petrus Abaelardus wurde im Jahre 1079 in Le Pallet bei Nantes geboren. Er war der älteste Sohn des Ritters Berengar und seiner Frau Luzia. Abaelardus hatte fünf Geschwister. Die Zeit seiner Geburt Ende des 11. Jahrhunderts und dann fortführend das 12. Jahrhundert wird oft als „epochaler Aufbruch in der abendländischen Geschichte“[1] beschrieben. Zu begründen ist dieses in einer Umakzentuierung des Schwerpunktes im Selbstbild der Menschen. Zu dieser Zeit erschufen die Menschen ein diametral anderes Bild ihrer selbst, sie fingen an sich selbst ins Zentrum des Denkens zu stellen und als „oberstes Ziel der Schöpfung“[2] zu sehen. Grane bezeichnet diese Zeit daher auch als „Renaissance des 12. Jahrhunderts“.[3] Auch theologisch und religiös gab es einige Veränderungen. So steht nach Ernst in der Religion und Kirche nun vorallem die „Wahrheit“ im Vordergrund, welche „nicht erst im Lichte der Heiligen Schrift“ aufgeht, sondern welche der Mensch mit seiner Vernunft mittlerweile ganz erschlossen habe.[4]

Diese Zeit der Frühscholastik wurde zudem auch rückblickend als eine „erste Aufklärung“[5] bezeichnet. Darauf hatte auch Petrus Abaelardus in seinem späteren Leben als Gelehrter großen Einfluss.

Schon früh erkannte sein Vater die enorme wissenschaftliche Begabung in Dialektik und Rhetorik und ließ Petrus Abaelardus daher von Kindesbeinen an in diesen Bereichen unterrichten. Auch Abaelardus selber zeigte enormes Interesse an der Wissenschaft und gab sogar seine Erstgeborenenrechte an seine Brüder ab um sich dieser vollends zu widmen[6]. Sein erstes Studium begann Abaelardus schließlich im Alter von 16 Jahren im Jahre 1095. So zog es ihn nach Loches, wo er bei Roscelin von Compiègne Dialektik studierte. Nach fünf Jahren zog er schließlich 1100 nach Paris um bei Wilhelm von Champeaux, welcher zu dieser Zeit den Dialektik-Lehrstuhls innehatte, zu studieren. Wilhelm von Champeaux vertrat, ganz im Gegensatz zu Abaelardus' erstem Lehrer Roscelin von Compiègne, wissenschaftlich gesehen einen sehr realistischen Standpunkt. Da Abaelardus als junger Student seinen Lehrer aufgrund mehrerer Disputationen in enorme Bedrängnis brachte, kam es zu Streitigkeit mit Wilhelm von Champeaux und schließlich zum Bruch der beiden Männer.[7]

Als Folge dieses Streits gründete Abaelardus, unter Mithilfe von Stephan Garlandus, welcher zu dieser Zeit Kanzler Philipps I. war, im Jahre 1102 im Alter von erst 23 Jahren eine eigene Schule für Logik, welche bei Studenten auf große Zustimmung stieß.[8]

Überanstrengung und eine daraus resultierende Krankheit zwangen Abaelardus aber im Jahre 1105 zu einem mehrjährigen Aufenthalt in seiner Heimat Le Pallet. Bei der Erkrankung handelte es sich vermutlich um eine Organtuberkulose, die auch in seinem späteren Leben erneut aufbrach.[9]

Wieder genesen kehrte er 1108 nach Paris zurück und studierte erneut bei Wilhelm von Champeaux, dieses mal allerdings Rhetorik und nicht wie zuvor Dialektik. Nach kurzer Zeit kommt es zu einer erneuten Auseinandersetzung mit seinem Lehrer. Dieses Mal allerdings brachte Abaelardus Wilhelm von Champeaux in einer öffentliche Disputation dazu, seine Lehre von den Universalien zu widerrufen.[10]

Leif Grane vermutet in seinem Buch sogar, Abaelardus sei nicht wegen des Lernens an den Lehrstuhl von Wilhelm von Champeaux zurückgekehrt, sondern nur, um seine fachliche Überlegenheit in einer Disputation zu beweisen.[11] Dieses ist allerdings nicht näher zu belegen, da Abaelardus in seiner Historia Calamitatum schreibt, er gehe „jetzt wieder zu Wilhelm, um Rhetorik bei ihm zu hören“.[12]

Nach weiteren Streitigkeiten verließ Abaelardus im Jahre 1109 schließlich Paris und eröffnete, nach kurzen weiteren Lehrtätigkeiten, eine eigene Schule auf dem Berg Genovefa bei Paris. Dieses hatte einen so enormen Erfolg, dass selbst der Nachfolger von Wilhelm von Champeaux, welcher mittlerweile seinen Lehrstuhl aufgegeben hatte, Abaelardus' Vorlesungen besuchte. Die Ruhe währte allerdings nur kurz, da Wilhelm von Champeaux erwirkte, dass sein Nachfolger verabschiedet, und jemand eingesetzt wurde, der nicht verpflichtet war, Abaelardus lehren zu lassen.[13]

Daraufhin verließ er Paris erneut, und begann 1113 ein Studium der Theologie unter Anselm von Laôn. Dieses ist insofern interessant, da Abaelardus sich in seinem bisherigen Leben ausschließlich der Philosophie und der Logik gewidmet hatte. Begründen tut Abaelardus diesen Schritt in seiner Historia Calamitatum mit der Aussage, „Anselm von Laôn galt seit alters her als die größte theologische Autorität überhaupt“.[14] Wie bei seiner Lehre unter Wilhelm von Champeaux kommt es aber auch mit Anselm von Laôn zu Streitigkeiten. Abaelardus kritisiert ihn als eine „aus der Ferne herrlich reichen Baumkrone, die sich beim Nähertreten als der von Jesus verfluchte und verdorrte Feigenbaum erwiesen habe“.[15] Diese Arroganz brachte Abaelardus' Kommilitonen dazu, ihn zu zwingen, Vorlesungen über das Buch Ezechiel zu halten. Diese wurden ein voller Erfolg bei den Studenten und begründeten seinen Ruf als Theologen.[16]

Angesichts dessen untersagte ihm Anselm schließlich die Lehre und so kehrte Abaelardus 1114 als Schulvorsteher nach Notre-Dame in Paris zurück. Dort lehrte er jetzt Logik und Theologie, und brachte dadurch den Kanoniker Fulbert dazu, ihn als Hauslehrer seiner hochtalentierte Nichte Heloise anzustellen. Abaelardus verfiel ihrer „anmutigen Erscheinung […] und wissenschaftlichen Bildung“. Es sei gerade diese Kombination, welche die „Anziehungskraft besonders stark“ sein ließ.[17]

Es folgte eine Liebesbeziehung mit weitreichenden Konsequenzen, der sich alle bewusst waren, außer Fulbert, welcher derartige Andeutungen von Abaelardus' Studenten mit Begründung auf seine bisherige Lebensführung als absurd zurückwies.[18] Nach einer gewissen Zeit konnte Fulbert aber nicht mehr seine Augen vor der Liebesgeschichte verschließen und so wollte er die Liebenden voneinander trennen.

Als Heloise nun aber merkte, dass sie von Abaelardus schwanger war, entführte dieser sie und brachte sie bei seiner Schwester in der Bretagne unter. Hier gebar Heloise ihren Sohn Astralabius. Nun nahm das Unheil seinen Lauf. Abaelardus bat Fulbert zur Versöhnung die Eheschließung mit Heloise an, allerdings unter der Prämisse der Geheimhaltung, sodass sein Ansehen als Gelehrter bestehen bliebe. Heloise, welche zunächst aus diesen Gründen gegen die Ehe war, willigte schließlich ein.[19] Da sich Fulbert aber nicht an die Abmachung hielt, brachte Abaelardus Heloise als Schwester im Kloster Argenteuil unter. Dieser Schritt wurde von Fulbert dahingehend interpretiert, dass sich Abaelardus vor den ehelichen Pflichten drücken wollte, sodass er ihn schlussendlich in einer nächtlichen Aktion entmannen ließ.[20] Dieses stellt den zentralen Aspekt meiner Hausarbeit dar.

[...]


[1] Ernst, Stephan, Petrus Abelardus. Münster 2003, S. 12.

[2] Ebd.

[3] Grane, Leif, Peter Abelard, Philosophie und Christentum im Mittelalter. Göttingen 1969, S. 9.

[4] Ernst, Abelardus, S. 13.

[5] Ernst, Abelardus, S. 12.

[6] Niggli, Ursula, Peter Abelard als Dichter. Mit einer erstmaligen Übersetzung seiner Klagelieder ins Deutsche. Tübingen 2007, S. 14.

[7] Ernst, Abelardus, S. 19 f.

[8] Ernst, Abelardus, S. 20.

[9] Niggli, Abelard., S. 15.

[10] Brost, Abelard, S. 11.

[11] Grane, Abelard, S. 43.

[12] Brost, Abelard, S. 11.

[13] Grane, Abelard, S. 45.

[14] Brost, Abelard, S. 14.

[15] Niggli, Abelard., S. 16.

[16] Ernst, Abelardus, S. 21.

[17] Brost, Abelard, S. 19.

[18] Brost, Abelard, S. 22.

[19] Brost, Abelard, S. 33.

[20] Ernst, Abelardus, S. 22.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Stigmatisierung durch Kastration am Beispiel von Petrus Abaelardus
Hochschule
Universität Bielefeld
Veranstaltung
Charisma
Note
2.3
Autor
Jahr
2011
Seiten
19
Katalognummer
V208195
ISBN (eBook)
9783656356097
ISBN (Buch)
9783656357612
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sehr ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis, sicher in der deutschen Sprache, guter Ausdruck
Schlagworte
Geschichte, Petrus, Abaelardus, Petrus Abaelardus, Abaelard, Abelard, Abelardus, Mittelalter, Charisma, Vormoderne, Kastration, Stigmatisierung, Stigmatisation, Max Weber
Arbeit zitieren
Julian Stasik (Autor:in), 2011, Stigmatisierung durch Kastration am Beispiel von Petrus Abaelardus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208195

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