Der U-Boot Mythos in Deutschland


Magisterarbeit, 2006

135 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Mythen
2.1 Der.klassische’Mythos
2.2 Der.moderne’Mythos
2.3 Heldenmythen-Opfermythen
2.4 Folgen von Mythologisierung: Erinnerung und Geschichtsschreibung

3. Das U-Boot in Deutschland
3.1 Von der Utopie zur Wirklichkeit: Das Tauchboot
3.2 Ein Produkt der Moderne
3.3 Die „Waffe des Schwachen“

4. Die Entstehung des U-Bootmythos Historische Entwicklung
4.1. Flottenpolitik im Deutschen Kaiserreich, Marinepropaganda und gesellschaftliche Ausgangslage 1914
4.2 Erster Weltkrieg: Aus derNot geboren
4.3 U-Boote zwischen den Weltkriegen: Verbot und Apologetik
4.4 Zweiter Weltkrieg:derTraditionverpflichtet

5. Erklarungsversuche fur die ,Faszination U-Boot’
5.1 Materie
5.2 Psychologische Momente
5.2.1 Allgemeine Faktoren
5.2.2 Sexuelle AufladungderThematik
5.3 Metaphorik und Propaganda

6. Das U-Boot Bild in der DDR

7. Wirkt der Mythos heute weiter?

8. Abbildungen

9. Literaturverzeichnis u. Medien

1. Einleitung

Im Jahre 1972 wurde das letzte Deutschland verbliebene U-Boot vom Typ VII C als ,Erinnerungsstatte U 995’ vor dem Marine-Ehrenmal in Laboe bei Kiel fur die interessierte Offentlichkeit zur Besichtigung freigegeben. Innerhalb der ersten funf Tage zwangten sich 10 000 Besucher durch das enge Boot. Zweieinhalb Jahre spater hatten bereits eine Million Menschen das Museumsboot besichtigt.[1] Auch das Technik-Museum Wilhelm Bauer in Bremerhaven, ein U-Boot vom Typ XXI, ebenfalls aus dem Zweiten Weltkrieg, vermeldet ahnlich hohe Besucherzahlen. Dort besichtigen im Schnitt an jedem Offnungstag ca. 1000 Menschen das Boot.[2]

Zwischen 1945 und 2000 sind in der BRD mindestens 237 Bucher erschienen, welche sich mit dem U-Boot-Krieg befassen, wobei hier einschrankend erwahnt werden muss, dass keine Zeitschriften oder Aufsatze bei der Zahlung berucksichtigt wurden.

Lothar-Gunther Buchheims Roman Das Boot, sowie dessen Verfilmung durch Wolfgang Petersen 1981, waren - nicht nur auf nationaler Ebene - Bestseller bzw. Kassenschlager.[3] „Die Startauflage betrug 50.000. Es folgten seither im Hardcover und Taschenbuch uber 40 Auflagen. Im deutschen Sprachraum wurden allein bis Ende der 1980er Jahre uber eine Million Bucher verkauft.“[4] Diese Zahlen legen die Vermutung nahe, dass kaum ein anderes Thema des Zweiten Weltkrieges bis heute in Deutschland derartig popular ist, wie der U-Boot-Krieg. Das ist auch insofern bemerkenswert, da die U-Boot-Fahrer nur einen Bruchteil der deutschen Soldaten ausmachen, die im Zweiten Weltkrieg gekampft haben. „Insgesamt haben etwa 18 Millionen Manner zwischen 1939 und 1945 zu den bewaffneten Formationen des Deutschen Reiches gehort.“[5] Etwa 40 000 waren U-Boot-Fahrer, knapp 30 000 von ihnen kamen wahrend der Kampfhandlungen ums Leben.

1985 schrieb ein Spiegel-Mitarbeiter im Rahmen eines Berichtes uber die Ausstrahlung der Fernsehfassung von Das Boot, „daG keine Waffe die Deutschen so fasziniert, wie der ,Knuppel des armen Mannes’, das U-Boot.“[6]

Woher kommt diese Faszination und wie lasst sie sich erklaren? Kann man das Faszinosum ,U-Boot’ ausschlieGlich auf die Ereignisse in der jungsten - oder jungeren - deutschen Vergangenheit zuruckfuhren? Zwei Kriege endeten fur Deutschland bekanntlich in einer totalen Niederlage, die die U-Boot-Flotte mit einschloss. Trotzdem sind ihre Reste in Bremerhaven, Laboe und - nicht zu vergessen - U 1 im Deutschen Museum in Munchen auch heute noch Publikumsmagnete. Das ist auch insofern erstaunlich, da hier letztendlich an zweimaliges, militarisches Scheitern erinnert wird.

Die vorliegende Arbeit hat sich daher zum Ziel gesetzt aufzuzeigen, dass die Ereignisse in den beiden Weltkriegen 1914-1918 sowie 1939­1945 zwar notwendige, aber keinesfalls hinreichende Grunde darstellen, um das nachhaltige Interesse der Deutschen an ,ihren’ U- Booten zu erklaren.

Der alleinige Verweis auf den jeweiligen Verlauf des U-Boot-Krieges greift fur einen umfassenden Erklarungsansatz zu kurz. Vielmehr stellt die Bearbeitung des Themas zusatzliche Fragen an gesellschaftlich- soziale und damit politische Rahmenbedingungen der jeweiligen Zeit. Die Rezeptionsphasen wahrend der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und spater ab 1945 in beiden deutschen Staaten, mussen vor jenem Hintergrund ebenfalls einer genaueren Untersuchung unterzogen werden.

Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Zeit vor 1914 gelegt, da hier das Fundament fur die spatere Mythenbildung geschaffen wurde.

Der ,U-Boot-Mythos’ soil demnach so weit wie moglich in seine Bestandteile zerlegt werden, wobei die ihn bedingenden Mechanismen herausgeschalt werden sollen. Ferner soll das Stutzkorsett des ,U-Boot- Mythos’ in seiner Eigenschaft als Makrostruktur, bestehend aus einem in sich verknupften Geflecht von Ikonen, Zuschreibungen und emotional-intendierten Allegorien, offen gelegt werden.

Das Anschauungsobjekt - also das U-Boot als Unterwasserfahrzeug - bietet offenbar eine Fulle von Konnotationen und Zuschreibungen und ist zudem Projektionsflache fur menschliche Sehnsuchte und Angste. Das Objekt ,U-Boot’, in seiner Eigenschaft als materieller Nukleus im vorliegenden Kontext, kann und darf nicht durch den von ihm mitgestalteten Ereignisverlauf im historiographischen Sinne separiert werden. Daher soll in dieser Arbeit ein moglichst umfassender, interdisziplinarer Erklarungsansatz fur den U-Boot-Mythos versucht werden, der hinsichtlich der gesamten Bandbreite seiner Wirkung auf den Menschen hin behandelt wird.[7] Der im funften Kapitel diesbezuglich unternommene Versuch, der Faszinationskraft einer auch fur die Insassen lebensbedrohlichen Kriegsmaschine auf den Grund zu gehen, ist aufgrund der Komplexitat der Thematik in mehrere Unterpunkte unterteilt. Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass diese lediglich eine Orientierungshilfe darstellen und keinerlei AusschlieGlichkeit im Sinne einer scharfen Unterteilung der behandelten Gegenstande sein konnen. Einige der behandelten Topoi lassen sich aufgrund ihrer Vielschichtigkeit nicht eindeutig zuordnen.

Inwieweit politische Vorgaben oder Wertevorstellungen die Rezeption von Geschichte und damit auch eine Tradierung von Mythen beeinflussen konnen, zeigt ein Blick auf den Umgang mit dem Thema ,U-Boot-Krieg’ in der DDR. Dass fur eine Anderung des Blickwinkels auf den Forschungsgegenstand nicht immer nur politische, sondern auch kulturelle Grunde ursachlich sein konnen, wird im letzten Kapitel herausgearbeitet. Der Umgang der seit 1956 wieder eine eigene U-Boot-Flotte unterhaltenden BRD mit der jener Vergangenheit sowie die offentlichen Reaktionen auf Buchheims Roman, sind m. E. geeignete Indikatoren, an denen sich die Intentionen, welche im vorliegenden Fall mit der Rezeption von Vergangenheit verknupft sind, aufzeigen lassen. Erschwerend aber auch reizvoll ist der Umstand, dass der interdisziplinare Ansatz der vorliegenden Arbeit, trotz der groGen Fulle an deutschsprachiger U-Bootliteratur noch nirgendwo in dieser Form behandelt worden ist. Perspektivisch gesehen wird daher in der vorliegenden Arbeit der Blickwinkel auf ein noch zu beschriftendes Blatt innerhalb der Rezeption des Unterwasserkrieges gelenkt, was hinsichtlich der eingangs genannten Fulle an Publikationen zumindest verwundert.[8]

Im Jahre 2001 ist vom kanadischen Marinehistoriker Michael Hadley ein Buch mit dem im vorliegenden Rahmen viel versprechenden Titel Der Mythos der deutschen U-Bootwaffe erschienen.[9] Allerdings stellt dieser Titel keine Ubersetzung des Originaltitels dar. Dieser lautet Count not the dead nach einem Gedicht mit dem Titel Tod furs Vaterland, das Friedrich Holderlin 1796 verfasst hat. Hadleys Buch zeichnet sich durch eine detaillierte Auflistung samtlicher in Deutschland erschienener U-Boot-Literatur der letzten 100 Jahre aus. Leider klingt bei ihm teilweise ein leicht militaristischer Unterton durch, was durch seine Aussage im Vorwort, er selbst sei ein „Lehnstuhl-U-Bootfahrer“ entsprechend bestatigt wird.[10] Trotz der genannten Mangel, stellt Der Mythos der deutschen U-Bootwaffe aufgrund der immensen Fulle an Detailinformationen zu Autoren und Inhalten eine fur die vorliegende Arbeit wichtige Quelle dar.

AuGerdem erwahnenswert ist die Studie des Amerikaners Timothey P. Mulligan Die Manner der deutschen U-Bootwaffe 1939-1945.[11] Sie richtet ihr Augenmerk auf die U-Boot-Fahrer selbst, ihre Herkunft, ihre Zusammensetzung und ihre Ausbildung. Aber auch bei Mulligan ist eine leicht tendenziose Darstellung zu beobachten. Allzu leicht lasst er sich von der Apologetik in den Berichten ehemaliger U-Boot-Fahrer vereinnahmen. Besonders deutlich wird dies im Kapitel ,Unparteiliche Dienstleistung. Die Kriegsmarine und der Nationalsozialismus’:[12] Hier bescheinigt er einigen ehemaligen Kommandanten „entschiedene NS- Gegner“ gewesen zu sein.[13] Abgesehen davon, dass die Behauptung von der NS-Gegnerschaft der U-Boot-Fahrer selbst einen Teil des Mythos darstellt, so wird seine Wortwahl den vielen in den Konzentrationslagern ermordeten tatsachlichen Regimegegnern, bzw. ihrem Andenken, in keiner Weise gerecht.[14]

In diesem Rahmen heben sich die Schriften des Kieler Professors Michael Salewski von allen ubrigen von mir gesichteten Abhandlungen zur deutschen Marinegeschichte angenehm ab und daher bilden seine Studien ein wichtiges Fundament fur die vorliegende Arbeit.[15] Der U-Boot-Mythos ist kein Siegermythos. Die Verknupfung von deutscher Opferbereitschaft und technischer Innovation ist dazu geeignet, alte Heldenmythen und deutsche Ingenieursleistung auf besondere Weise in Wechselwirkung treten zu lassen.

Zum besseren Verstandnis der Materie scheint es mir einleitend geboten, Mythenformen und deren Aufgaben in einer Sozialgemeinschaft zu skizzieren.

2. Mythen

2.1 Der.klassische’Mythos

Der Mythos ist ein fester Bestandteil der menschlichen Geistes- und Kulturgeschichte.[16] „Mythen gehoren zum Leben der Menschen, ohne Mythen kann der Mensch ebenso wenig leben, wie eine Pflanze ohne Wurzeln.“[17]

Ein Mythos im ,klassischen’ Sinne wurde ursprunglich immer dann bemuht, wenn ein von Unerklarlichkeiten so weit als moglich befreites Weltbild geschaffen werden sollte, denn „menschliches Dasein ist seit je mit Phanomenen konfrontiert, die ungeklart oder kaum kalkulierbar sind und Unbehagen bereiten.“[18] Um dem Menschen in jenen unvermeidlichen und unerklarbaren oder extremen Situationen Ruckhalt und Handlungssicherheit zu bieten, gibt es grundsatzlich zwei Moglichkeiten:

Man kann versuchen zu einer rationalen Erklarung fur das Vorkommnis zu kommen, oder man ummantelt das Ereignis mit mythischen Erzahlungen, deren Bilder allgemein verstandlich sind und daher helfen, das Vorkommnis in einen akzeptablen Kontext innerhalb der bekannten Welt einzuordnen. Viele dieser Mythenbilder, beispielsweise der griechischen Sagenwelt, sind uns bis heute nach fast 3000 Jahren noch immer gelaufig.[19]

Mythen wurden von den Griechen meist dann herangezogen, wenn es fur sie keine anderen hinreichenden Erklarungen fur bestimmte naturliche Phanomene oder Ereignisse gab.[20] Somit stellen sie, wie Hans Barth bemerkt, eine Art ,vorwissenschaftlicher Wissenschaft’ dar.[21] In diesem Sinne verstoGen Mythen - vom heutigen Standpunkt aus betrachtet - stets auch gegen die wissenschaftlichen Standards der faktischen Genauigkeit und sinnhaften Wahrheit.

Naturphanomene und andere Vorgange, die auf der Erde stattfinden, konnten erst in der Neuzeit durch das geistige Rustzeug, das die Aufklarung den Menschen zur Verfugung stellte, im eigentlichen Sinn begriffen werden.[22]

Das Beispiel des griechischen Sonnengottes Helios ist fur das Verstandnis dieser ursprunglichen Funktion des Mythos aufschlussreich.

Die Griechen wussten noch nichts von der Eigenrotation der Erde und ihrer Bewegung um die Sonne. Dass die Sonne jeden Tag im Osten auf- und im Westen untergeht, erklarten sie sich unter zu Hilfenahme eines Bildes, das wesentliche Elemente enthielt, welche den Menschen des griechischen Altertums gelaufig waren: ,Zum Uberbrucken grower Distanzen eignet sich am besten der Pferdewagen.’

Folglich fahrt in der griechisch-mystischen Sagenwelt der Gott Helios einen Sonnenwagen uber den Himmel. „Vier Feuer schnaubende, gleiGend schaumende, goldene Rosse sind diesem Wagen vorgespannt.“[23] Eine Himmelsuberquerung dauert demnach exakt von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang.

In diesem Bild sind also menschliche Erfahrung - ,ein Pferdewagen ist schnell’ - sowie Beobachtung - ,die Sonne geht auf, wandert uber das Firmament und geht wieder unter’ - zusammen in die Beschreibung des Deutungsobjektes ,Sonne’ eingeflossen. Durch die Personifizierung des Laufes der Sonne ergibt sich aber auch die Moglichkeit, Ereignisse wie Morgen- oder Abendrot mit Emotionen zu beladen, die innerhalb des eigenen Kulturkreises durch Bilder und Metaphern leicht vermittelt werden konnten.

Das Ende der mythisch-orientierten Betrachtungsweisen schien mit der Epoche der Aufklarung gekommen. Naturphanomene wurden erklarbar, biologische und chemische Prozesse in der Natur sogar teilweise determinierbar. Durch diese ,Entzauberung der Welt’, wie Max Weber es formulierte, welche die Reduzierung des Daseins auf der Erde auf rein empirische und mathematisch-logische Aspekte meint, gabe es fur Mythen eigentlich keinen Platz mehr. Die mythisch gepragte Deutungshoheit verblasst zugunsten der emotionslos - rationalen. Allerdings kann der Mensch ohne die ihm innewohnende Emotionalitat nicht mehr in seiner Gesamtheit erfasst werden. Zum Mensch-Sein gehort neben dem Logos auch die Fahigkeit zu trauern, zu lieben usw.; alles Aspekte, welche durch mythisches Denken beruhrt werden.

Zudem sprechen Mythen im Gegensatz zum wissenschaftlich - rationalen Denken sowohl die Erkenntnis als auch Emotionen in einem einzigen Akt an. Damit erreichen sie den Menschen auf der grofetmoglichen Bandbreite seines Seins. Hierin liegt eine Erklarung dafur, warum Mythen den Menschen nachhaltig zu fesseln vermogen: Keine noch so klare Gedankenfuhrung kommt gegen die Kraft auf, wie sie mythischen Bildern zu Eigen ist.[24] Der Mythos deckt somit eine Dimension der Realitat ab, der alleine mit dem Verweis auf ,Rationalitat’ nicht beizukommen ist.

Die Lucken, die das aufgeklarte Denken hier lasst, haben in der Neuzeit folglich nicht zu einem Verschwinden, sondern zu einer Verwandlung und damit Wiederkehr des mythischen Denkens in modifizierter Form gefuhrt. Der so genannte ,Alltags-Mythos’ ist - vereinfacht ausgedruckt - an die Stelle des klassischen Mythos getreten und hat in der aufgeklarten Welt des modernen Alltags seinen Platz eingenommen. Die durch ihn eingefuhrten mentalitatsspezifischen Leitbilder sind zudem in der Lage, kollektives Handeln und Erleben zu pragen oder nachhaltig zu beeinflussen.[25]

2.2 Der .moderne’ Mythos

Eine der vielen Folgen der Aufklarung war und ist der Verlust religiosen Denkens. Der franzosische Soziologe Georges Sorel kommt zu dem Schluss, dass das Fehlen religioser Momente im menschlichen Leben gleichbedeutend mit dem Verlust fur das Gefuhl des ,Erhabenen’ ist. Der Argumentation seiner 1908 publizierten Schrift Ober die Gewalt folgend, verliert aber eine Gesellschaft ohne diese Form der Emotionalitat ihre Moral und damit auch ihre Fahigkeit zur Verteidigung.[26]

Barth schreibt in seiner 1959 veroffentlichten Schrift uber die Gewalttheorie Sorels hierzu: „Nur dieses Gefuhl (das Erhabene - N.S.) erschafft den Geist des Opfers und der Hingabe, den der Soldat im Angriff und in der Verteidigung an den Tag legt.“[27] Um fur den Verlust des Religiosen - und damit des Erhabenen - Ersatz zu finden, bringt Sorel als Losung eine Konstruktion ins Spiel, die er als ,sozialen Mythos’ bezeichnet.[28] Diese ,moderne’ Variante des Mythos ist kraft seiner evozierten Bilder in der Lage, erneut eine quasi-religiose Gemeinschaft zu erzeugen. Seine Wirkungsmachtigkeit entfaltet sich jenseits der Rationalitat, weil er Menschen auf einer emotionalen Ebene anspricht und sie dadurch im Innersten trifft und fesselt. Dieses gemeinsame ,Erleben von Gefuhlen’ erzeugt eine nicht zu unterschatzende Kraft fur die Bildung neuer Sozialgemeinschaften: „Der Mythos setzt der Vereinzelung des Menschen ein Ende.“[29] Allein seine Verbreitung stellt bereits einen kommunikativ-integrativen Akt dar. Selbst moderne Mythen werden haufig mundlich, innerhalb einer Sprachgemeinschaft bzw. eines sozialen Verbandes weitergegeben, denn genau “wie Marchen, Sage, Legende und Fabel gehort der Mythos zu den Volkerzahlungen.“[30]

Im Unterschied zum intellektuell-abstrakten Diskurs der Theorie sowie der Utopie zeichnet sich auch der ,moderne’ Mythos durch komprimierte und mitreiGende Bilder aus. Sie reprasentieren eine Ganzheit von Werten, Zielen und Wunschen, die eine Anzahl von Menschen zu geschichtlich wirksamen Einheiten, zu sozialen Bewegungen, zusammenzufassen vermag. „Solche Orientierungen wirken vorwiegend implizit unterhalb der BewuGtseinsschwelle und modellieren in unverbundenen Einzelaspekten die Wirklichkeitserfahrung von Gruppen.“[31]

Mythen sind demnach in der Lage, eine Art ,kollektives Imaginaire’ - im Sinne des Alltags-Mythos - zu erzeugen, so dass durch sie Wahrnehmungen, Werte, Selbstbilder und Rollenzuschreibungen fur eine Gesellschaft gepragt werden konnen. Dabei ist die „plastische Kraft des Mythos (...) in einem Zwischenraum der UnbewuGtheit und Implizitheit verankert, der ,tacit dimension’ (Polanyi) unseres rationalen Daseins.“[32]

Ein weiteres Merkmal von Mythen stellt die Wiederholung von bestimmten Grundmustern dar. Diese „durch Wiederholung gehartete und zur Wiederholung auffordernde Kristallisationspunkte der Erfahrung“ sind im Falle des deutschen U-Boot-Mythos von nicht unerheblicher Bedeutung.[33] SchlieGlich unterschieden sich alleine, schon rein auGerlich betrachtet, Strategien und Verlauf des U-Boot- Krieges in den beiden Weltkriegen des letzten Jahrhunderts nur marginal. Lothar Gunther Buchheim spricht bezogen auf den Zweiten Weltkrieg ganz plakativ von einer „trotzigen Wiederholung[1]'.[34] Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Bezeichnung einer Geschichte oder Erzahlung als ,Mythos’ entlarvend wirkt, indem einerseits ihr Wahrheitsgehalt in Frage gestellt wird und sie andererseits aber dadurch gleichzeitig in ihrer (massen-) wirksamen emotionalen Faszinationskraft bestatigt wird. Diese Faszinationskraft wird nach Murray Edelman hauptsachlich dadurch erreicht, dass eine Reflektion von Inhalten nicht stattfindet. Er bezeichnet den politischen Mythos als „eine von einer groGen Gruppe von Menschen geteilte Uberzeugung, die nicht hinterfragt wird und Ereignissen und Handlungen einen bestimmten Sinn verleiht.“[35] Damit kann man die Aufgabe der ,modernen’ Mythen als die einer sozial - integrativen Klammer verstehen. Ihre besondere Starke liegt darin, dass die dort hervorgerufenen und fixierten emotionalen Zustande allgemein anerkannt und daher frei von jeder Art von Rechtfertigungsdruck sind. Welche Gegenstande oder Themenbereiche konnen von modernen Mythen besetzt werden? ,Ratselhafte’ Naturphanomene scheiden vor dem Hintergrund der Erkenntnisse, die die moderne Wissenschaft erbracht hat, aus. Auch Mythen, die aus herrschaftslegitimatorischen Grunden weitergegeben wurden, waren nach der Franzosischen Revolution zunehmend obsolet, da das an die Macht strebende Burgertum seine Legitimationsgrundlage im aufgeklarten Bild vom ,befreiten Menschen’ hinreichend erfullt sah. Sabine Behrenbeck weist darauf hin, dass es im Prinzip stets die gleichen Felder sind, in denen Mythen gebildet werden:

„Es gibt (...) typische Themen, die in mehreren Kulturen mythisiert werden. Dazu gehoren die Grunderfahrungen menschlicher Existenz, wie Zeugung, Geburt, Statuswechsel, Lebenskampf, Leiden und Tod oder die Ursprunge sozialer Ordnungen und Institutionen.“[36] Hier kommt hinzu, dass der formale Inhalt einer mythischen Geschichte kaum erklaren kann, was diese letztlich ausmacht. Die Wahl des Mythengegenstandes ist also sozusagen frei wahlbar. Dabei ist die Erkenntnis wichtig, festzustellen, „daG der Mythos kein Objekt, kein Begriff oder eine Idee sein kann; er ist eine Weise des Bedeutens, eine Form.“[37]

Dennoch steht weiterhin die Frage im Raum, weshalb bestimmte Dinge mythifiziert werden und andere nicht. Peter Burke geht zur Klarung dieser Frage von folgender These aus: Es gibt Individuen, die, wie er es nennt, ,mythogener’ sind als andere.[38] Dasselbe gilt, behaupte ich, fur Objekte wie das U-Boot. Laut Burke existieren gewisse Kongruenzen zwischen bestimmten Personen und gelaufigen Stereotypen des Helden oder Schurken, welche die Phantasie der Menschen anregen. Im vorliegenden Fall kann man die Aussage noch weiter treiben und z.B. die morphologische Erscheinungsform eines - mythifizierten - Objekts mit einbeziehen. Die Ahnlichkeit mit einem Tier beispielsweise, fuhrt dazu, dass die dem Tier zugeschriebenen stereotypen Eigenschaften auf das Objekt selbst transferiert werden.

Betrachtet man ein deutsches U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg im Trockendock, so drangt sich beim Betrachten des Buges unweigerlich die Assoziation mit einem Hai auf, sofern man den markanten Kopf des Tieres als Vorlage nimmt. Die Gefahrlichkeit des Hais fur den ungeschutzten Schwimmer wird dabei auf die leblose Technik des Unterseebootes ubertragen. Nun weist das Boot in seiner Eigenschaft als Unterwasserjager plotzlich auch Raubtiereigenschaften auf, es wird beseelt, zum lebendigen Organismus, zum ,stahlernen Hai’.[39] Ebenfalls zu Geltung kommen bei der Mythologisierung solche Mechanismen, die „zur Assimilation der individuellen Lebensgeschichte an ein bestimmtes Stereotyp aus jenem Stereotypenrepertoire“ beitragen, „das zum sozialen Gedachtnis der jeweiligen Kultur gehort.“[40] Auf diese Weise werden aus Gangstern Robin Hoods und aus deutschen U-Boot Fahrern Wikinger, oder, aus der Perspektive der Seemacht England, einfach nur Piraten.[41]

Das Erzeugen von Mythen sowie eine beabsichtigte Instrumentalisierung durch die den offentlichen Diskurs dominierende Interessengruppe spielt hierbei ebenfalls eine wesentliche Rolle. Dabei ist es egal, ob dies durch staatlich motivierte Kriegspropaganda zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Siegeswillens geschieht oder durch die Interessen anderer Gemeinschaften, wie die der ehemaligen U- Boot-Fahrer nach 1945, die - im Prinzip bis heute - den eigenen Untergang nicht wahrhaben wollen und diesen durch die ausschlieGliche Verbreitung von ,Sieger-Literatur’ wegzueskamotieren versuchen.[42]

Diese politische Dimension des Mythos war bereits den Griechen bekannt. Schon Platon war der Ansicht, dass der Begriff Mythos selbst als ,lugenhaft’ bezeichnet werden muss, wobei er jedoch gleichzeitig nicht zu betonen vergaG, „daG ein Mythos als ,Luge zum Nutzen des Staates’ durchaus notwendig sein kann“[43]. In beiden Weltkriegen finden sich hierzu jede Menge Beispiele, da hier durch den Einsatz propagandistischer Mittel gezielt gelogen wurde, um die Bevolkerung uber den tatsachlichen Stand der Dinge im Unklaren zu lassen und den angeblich nahenden Sieg zu suggerieren.

Lange Zeit war man im aufgeklarten Europa der Meinung, dass Mythen ein Relikt aus vergangenen, langst uberwundenen Zeiten darstellen. Angefangen von den ersten Mythenkritikern im 6. Jahrhundert v. Chr. im alten Griechenland bis hin zu den Rationalisten samtlicher Epochen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, mythisches Dunkel mit aufklarerischem Licht zu vertreiben, haben Ideologiekritiker mythisches Bewusstsein als Betrug am reinen Sachverhalt zu entlarven versucht. Zwar ist diese Erkenntnis im Bezug auf die Mechanismen und Funktionsweisen des Mythos von Bedeutung, verschwunden ist dieser dadurch jedoch nicht. Im Gegenteil:

„Die Konjunktur des Mythos steigt mit der Krise der verschiedenen abendlandischen ,Wahrheitscodes’.“[44] Unter letztere fallen z.B. das abstrakt-begriffliche Denken, bestimmte Formen rationaler Weltaneignung, das Bewusstsein unbeschrankter Machbarkeit und ein alles umgebender Fortschrittsoptimismus.[45]

Die Entstehungszeit des U-Boot-Mythos in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts kann geradezu paradigmatisch fur eine Phase der absoluten Technik- und Fortschrittsglaubigkeit gewertet werden. Beide wurden in ihren Grundfesten bereits wahrend des Krieges und noch einmal nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 erschuttert, als das ganze AusmaG der so genannten ,groGen Schlachten’ des Ersten Weltkrieges, vor allem jene an der Westfront, detailliert bekannt wurde.

Die Degradierung des ,Homo sapiens sapiens’ vom angenommenen Individuum mit freiem Willen, das sich aus der ,selbstverschuldeten Unmundigkeit’ (Immanuel Kant) befreit hatte, zum automatisierten Schlachtvieh, dessen Opfergang in vielen Fallen, auch vom militarischen Standpunkt aus, vollig sinnlos war, schuf ein tiefes Unbehagen in der abendlandischen Geisteskultur.[46] Der Kriegsmythos vom ,ritterlichen’ Kampf, Mann gegen Mann, bei dem stets der starkere und mutigere, also der bessere Kampfer ehrenvoll siegt, wurde im Verlauf des Ersten Weltkrieges ebenso zerstort wie der Glaube an den Fortschritt und die Unschuld der ,neutralen’ Naturwissenschaften.[47] Trotz oder gerade wegen dieser bis dato nicht fur moglich gehaltenen Grausamkeit der modernen Kriegfuhrung war dies der geeignete Boden, auf dem die ,neuen Mythen’ bereitet werden konnten. Die sich formlich aufdrangende Erkenntnis der offensichtlichen Sinnlosigkeit des Massensterbens an allen Fronten verlangte nach einer weiterreichenden Sinnkonstruktion.

„Die modernen Mythen verwandeln pure Faktizitat in Sinnstrukturen. Sie reduzieren politische Handlungsspielraume im BewuGtsein der Allgemeinheit auf schroffe Gegensatze wie gut - bose - tapfer - feige, ehrenvoll - verachtenswert.“[48] Damit wurde durch den vagen Verweis auf ein wie auch immer geartetes Heldentum das tatsachlich vorherrschende Grauen des Krieges kaschiert.[49] Gerade in einer gesellschaftlichen und damit bald auch personlich- menschlichen Ausnahmesituation, wie sie ein Krieg zweifellos immer darstellt, kommt der instrumentalisierten Mythenbildung und der Verwendung dadurch geschaffener Ikonen sowohl in der individuellen als auch der kollektiven Erinnerung eine zentrale Bedeutung zu. Der Akt des Totens bzw. des Getotet-Werdens, im Fokus des mythologischen Sprachterminus ,siegen’ bzw. ,opfern’ genannt, stellt den Dreh- und Angelpunkt von (Kriegs-) Mythologisierungen dar.

In der Religionswissenschaft wird angenommen, dass ein Mythos, insbesondere, wenn er in der Welt der Gotter spielt, „Strukturelemente menschlichen Handelns widerspiegelt. In diesem Sinne lassen sich in der Mythologie Grunderfahrungen des Menschen tiefenpsychologisch ausdeuten. Dem Totungsakt kommt eine zentrale Funktion zu.“[50] Im Krieg wird das Toten selbst in den Rang einer Art ,heiligen Handlung’ erhoben. Was im Frieden schlicht als ,Mord’ bezeichnet wird, ist im Krieg fur das Vaterland, die Nation oder das Volk ausdrucklich erwunscht.

Das Toten ist aber nicht nur ein primarer Zielpunkt einer jeden kriegerischen Aktion. Dem Tod selbst ist ein dichotomischer Charakter zu Eigen. Er markiert nicht nur das Ende einer bestehenden, durch den Getoteten reprasentierten alten Ordnung, sondern dadurch gleichzeitig auch einen Neubeginn.

„In vielen Mythen bildet daher die Demonstration uberlegener Fahigkeiten und die damit einhergehende Neuverteilung von Macht die zentrale Botschaft. Kriegerische Gewalt wird zum Schopfungsakt einer neuen Ordnung, deren Legitimist sich im Erfolg manifestiert.“[51] Wer fur sein Vaterland totet und sich zu diesem Zweck opfert, ist in diesem Rahmen ein ,Held’. Die Heldenverehrung ist ein Phanomen, das sich in vielen Kulturen und religiosen Strukturen findet. Haufig wird dabei das Ereignis eines bestimmten einzelnen bewaffneten Kampfes - bzw. einer Schlacht - aus der groGen Anzahl kriegerischer Konflikte herausgehoben. Erreicht wird dadurch eine Art ,Uberzeitigkeit’, die diesen Kampf und seine Protagonisten in den Kopfen der Adressaten aus dem Lauf der Geschichte herausragen lasst.

Die positivistische Konnotation von Mythos als ,ungenaue Erzahlung’ wird abgeschwacht zu Gunsten einer Geschichte mit symbolischer Bedeutung, die von stereotypen Begebenheiten und uberlebensgroGen Figuren - Helden oder Schurken - Gebrauch macht.[52] Dies geschieht ganz im Sinne Sorels, wenn dieser schreibt, dass der Mythos genau den Glauben erzeuge und festige, aus dem die groGen Taten der Geschichte hervorgehen.[53] Derjenige, der solche Taten vollbringt, wird zum Helden hochstilisiert.

Allerdings ist der Begriff ,Heldentum’ oder ,Held’ aus heutiger Sicht erklarungsbedurftig. Was macht einen ,Helden’ aus, welche Eigenschaften werden ihm zugeschrieben?

2.3 Heldenmythen - Opfermythen

Ein Heldenmythos zielt nicht darauf ab, Ikonen der Bewunderung zu liefern, sondern das Heldentum selbst soll hierdurch jedermann zuganglich gemacht werden. Dabei soll der Mythos „zur Nachahmung oder Teilhabe fuhren, nicht zur passiven Kontemplation.“[54] Der Heldenkult selbst kann formal als ,kulturelles Deutungsmuster’ (Rene Schilling) begriffen werden, denn er praformiert Wahrnehmungen, interpretiert Erfahrungen und soll dadurch Verhalten motivieren.[55] Den ,Helden’ an sich gibt es nicht. Geschichten, die sich um ihn ranken, sind nach Schilling „immer die diskursive Zuschreibung eines oder mehrerer Beobachter, also eine narrativ verfasste soziale Konstruktion.“[56]

Das schon in den klassischen Mythen des Altertums vorkommende Moment des ,Helden’, der oftmals uber ubermenschliche Krafte oder/und uber dementsprechend hohe geistige Gaben verfugt, mit deren Hilfe er sich gegen scheinbar ubermachtige Gegner erwehren muss und kann, bildet ein weiteres Merkmal, das den klassischen Mythos mit dem modernen verbindet.

Auch in der Bibel findet sich eine derartige Beschreibung, die eine bis heute gelaufige Allegorie darstellt: Der Kampf Davids gegen Goliath, in dem sich der korperlich weit unterlegene David durch List, Mut und Geschicklichkeit gegen Goliath durchsetzt und diesen totet. Bis heute hat dieses Bild in unserem Kulturkreis einen festen Platz, wenn es um die Beschreibung eines auf den ersten Blick ungleichen Kampfes geht. Im U-Boot-Mythos stellt dies eines der grundlegenden Elemente dar: Mit einem 750 Tonnen schweren Boot und 45 Mann Besatzung in der Lage zu sein, ein Schlachtschiff von 32 000 Tonnen und 2500 Mann Besatzung zu versenken.

Das Bild des ,Helden’ selbst ist nicht per se eindeutig festgelegt und unterlag im Laufe der Jahrhunderte stets einem Wandel. Jede Epoche hat ihre eigenen Erfordernisse, was das Bild des Helden angeht. Heute lassen sich drei verschiedene Heldentypen grundsatzlich unterscheiden:

Zum einen der ,Held’ gottlichen Ursprungs, der als Weltengrunder fur die Menschen unerreichbar, nur den eigenen Bedurfnissen gemaG lebte. Zum zweiten die ,Helden’, die den Status von Halbgottern besaGen und drittens schlieGlich, der ,Held’ menschlichen Ursprungs, der aufgrund der ihm zugeschriebenen Leistungen fur das Gemeinwesen verehrt wurde. Das Bild des burgerlichen ,Opferhelden’, der sein Leben fur das Vaterland und dessen Ziele gibt, kam erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf:

„Im Krieg durch den ,Heldentod’ fur das Vaterland ein ,Held’ zu werden, dieses Ideal wurde vornehmlich jungen Menschen in Deutschland seit den Freiheitskriegen 1813/14 und 1815 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gepriesen und von vielen ernst genommen.“[57] Die Mythen, die sich um die Taten dieser ,Helden’ ranken, verlaufen nicht linear, sondern stellen Zugestandnisse und gleichzeitige Instrumentalisierungen an die sich verandernden Realitaten der Neuzeit durch die jeweils Herrschenden dar.

So ist die ,Entdeckung’ des einfachen Soldaten als ,Helden’ im deutschsprachigen Raum hauptsachlich dem Umstand der Einfuhrung der allgemeinen Wehrpflicht geschuldet, welche im Zuge der so genannten ,PreuGischen Reformen’ im Rahmen der Befreiungskriege 1813 in Deutschland (PreuGen) umgesetzt wurde.

Begonnen hatte die Entwicklung des ,Opferhelden’ in Europa in den Revolutionsheeren Frankreichs am Ende des 18. Jahrhunderts. Der Staat, in dem erstmals das Burgertum die drei Gewalten beherrschte, stellte nun an seinen mannlichen Burger eine existenzielle Forderung: Das Opfer des eigenen Lebens fur eine Idee und somit fur den Staat. Aber es stellt naturgemaG kein leichtes Unterfangen dar, einen jungen Menschen zum Opfer des eigenen Lebens fur ein abstraktes Ziel zu bewegen.

Um den mannlichen Staatsburger dennoch fur diesen ,Dienst’ an der Gemeinschaft bzw. politischen und sozialen Ordnung zu gewinnen, musste ihm der Erwerb gesellschaftlicher Ehre und politischer Handlungschancen in Aussicht gestellt werden, die bis dato dem adligen Offizierskorps vorbehalten waren.

Mit der Stiftung des ,Eisernen Kreuzes’ durch Friedrich Wilhelm III. wurde jener Kreis auf formaler Ebene durchbrochen. Jedem Soldaten konnte dieser Orden ungeachtet seines sozialen Standes und seiner Herkunft fur besondere militarische Leistungen verliehen werden.

Ganz in diesem Sinne war dann knapp 100 Jahre spater der Inhalt des Schreibens vom Marinekabinett an den Chef des Admiralstabes der Marine vom 16. und 21. September 1914, wonach das Eiserne Kreuz erster Klasse (E.K. I) „ohne Unterschied des Ranges und Standes an Angehorige der Marine als einer Belohnung der auf dem Kriegsschauplatz erworbenen Verdienste verliehen werden“ sollte.[58] Die besondere Leistung des Fuhrerhelden besteht in der Regel in dem Gewinn einer bedeutenden Schlacht. Er war gewohnlich Feldherr oder General und verfugte uber eine intensive militarisch - qualifizierende Ausbildung. Hinzu kam, dass dieser aufgrund seiner meist adligen Herkunft uber ein nicht unerhebliches MaG an materiellem Wohlstand verfugen musste.[59] Nimmt man beide Merkmale zusammen, so ergibt sich daraus ein ,Heldentum’, das als ,privilegiert’ oder ,exklusiv’ bezeichnet werden kann.

Die andere Form von Heldentum kann hingegen von jedem Burger erbracht werden, der bereit ist, fur sein Vaterland zu sterben. Diese besonders gewurdigte Leistung des ,Heldentods’ ist ein Merkmal, das kein exklusives Heldentum bedingt. Sie ist vielmehr inklusiv, jeder Soldat hat nun die Moglichkeit, ein ,Held’ zu werden. Die sich auf diese Weise quasi selbst opfernden Helden konnen eine Vorbildfunktion einnehmen, da sie sich ohne Rucksicht auf personliche Nachteile fur das Allgemeinwohl einsetzen.

Uber den ,Heldentod’ der ,Opferhelden’ wurde im Ersten Weltkrieg in bilderreichen und emotionalisierten Geschichten berichtet; sie wurden gezielt mythifiziert. Ein Grund fur den Erfolg dieser Beschreibungen liegt darin, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts weite Teile der Bevolkerung den Krieg als eine naturliche Erscheinung internationaler Politik sowie als Nationenschmiede und Drillstatte fur mannliche Tugenden wie Tapferkeit und Selbstaufopferung sahen.[60] Als Beispiele konnen hier der so genannte ,Rote Baron’, namentlich der Pilot Manfred von Richthofen, und Otto Weddigen, der Kapitan von U-9 (bzw. ab 1915 U-29), aufgefuhrt werden. Beiden ist gemeinsam, dass sie fur Deutschland kampften und bereits zu Lebzeiten AuGergewohnliches bzw. Neuartiges auf soldatischem Gebiet geleistet hatten. Bei der ,Ausubung ihrer Pflicht’ fanden sie allerdings schlieGlich den Tod, was ihr Ansehen postum noch weiter steigerte. Sie waren nun ,Helden fur Deutschland’. Der Tod dieser Helden ist dabei unabdingbar, kein Uberlebender bekommt auch nur annahernd die Aufmerksamkeit, wie sie den Toten zuteil wird.

Dem den Krieg uberlebende U-Boot - Kommandanten Lothar Arnauld de la Periere, der Weddigen, was die Anzahl der von ihm versenkten Schiffe betraf, quantitativ uberholt hatte, wurden nicht annahernd so viele Gedichte, Postkarten oder gar Namenspatenschaften gewidmet wie Weddigen.[61] Auch wurde er nie in einem Zusammenhang mit Figuren wie Theodor Korner zitiert.[62] Erst das Opfer des eigenen Lebens verlieh diese hohere Weihe des Heldentums. Dem U-Boot- Kommandanten Otto Weddigen wurde daher der Rang Korners erst nach seinem Tod zuerkannt.

Die den Opferhelden zugeschriebenen ,Leistungen fur das Allgemeinwesen’, aufgrund derer sie letztlich primar erinnert werden, sind stets an gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen ihrer Entstehungszeit gebunden. Wenn sich diese Rahmenbedingungen andern, konnen diese ,Helden’ nicht mehr erinnert werden. Das Kriegsende am 8. Mai 1945 markiert als ,Stunde Null’ einen Neuanfang, der weitestgehend auf die bis dahin gultige 130 Jahre alte, preuGisch- militaristisch’ gepragte Werteordnung verzichtet, anders als dies noch 1918 der Fall war. „Seit 1945 sind der Krieg und die damit verbundene Leistung des ,Heldentodes’ keine anerkannten Werte mehr in der Bundesrepublik, denn die Rahmenbedingungen einer durchgreifenden Militarisierung der Gesellschaft sind nicht mehr gegeben.“[63] Allerdings trifft diese Feststellung m. E. lediglich auf den individualisierten Opferhelden zu, nicht auf das Kollektiv der gefallenen U-Boot-Fahrer, wie ein Blick auf das U-Bootehrenmal in Moltenort bei Kiel zeigt.[64] Dort sind samtliche in beiden Weltkriegen gefallenen U-Bootfahrer namentlich auf Bronzetafeln aufgefuhrt, wenngleich hinzugefugt werden muss, dass Gedenktage dort nicht mehr von offizieller Seite, sondern nur noch privat, z.B. von Veteranenverbanden abgehalten werden.

Die Anziehungskraft, die die Boote und ihre Besatzungen auf die ,entmilitarisierte’ deutsche BRD-Zivilgesellschaft nach wie vor ausuben, ist erstaunlich.

Die Erinnerung an den U-Boot-Krieg wird dabei von Topoi beeinflusst, die nachweislich der NS-Propaganda-Terminologie entstammen.[65] Wenn sich Teile dieser ideologisch aufgeladenen Sprache hier in bestimmten Nischen gehalten haben, liegt die Frage auf der Hand, ob und inwieweit Mythen in der Lage sind, das Geschichtsbild einer bestimmten Epoche zu pragen oder gar zu gestalten. Fur Jan Assmann ist der Mythos daher „eine Geschichte, die man sich erzahlt, um sich uber sich selbst und die Welt zu orientieren, eine Wahrheit hoherer Ordnung, die nicht einfach nur stimmt, sondern daruber hinaus normative Anspruche stellt und formative Kraft besitzt.“[66] Diese ,Spatfolgen’ von Mythen mussen einer genaueren Analyse unterzogen werden, will man zu einem Erklarungsansatz fur das bis heute gepragte Bild vom U-Boot - Krieg in der deutschen Offentlichkeit finden. Neue Mythen werden in diesem Sinne nachweislich ,gemacht’. Sie sind schlieGlich auch etwas, das sich zah halt, sozusagen wider alle kritischen und aufklarerischen Anstrengungen nicht ,aus den Kopfen’ weicht. Eine Art „rentinenter Bodensatz der kollektiven Erinnerung.“[67]

2.4 Folgen von Mythologisierung: Erinnerung und Geschichtsschreibung

Seitdem in den Kulturwissenschaften die Ansicht daruber, in welcher Beziehung Geschichte und Erinnerung zueinander stehen, einen grundlegenden Wandel erfahren hat, mussen auch Mythen unter dem Aspekt der moglichen Beeinflussung von nach wissenschaftlichen Kriterien betriebener Geschichtsschreibung gesehen werden:

Im Bezug auf den U-Boot-Mythos ist dieser Sachverhalt insofern von besonderer Wichtigkeit, da die Erinnerung an Deutschlands Unterwasserkriege bis heute primar weniger von Fakten, als vielmehr von den bereits angesprochenen Ikonen mit entsprechender Konnotation gepragt wird. Emotionsbeladene Stereotype konnen so zu einer realen Erinnerung umgedeutet und im kollektiven Gedachtnis verankert werden.[68] Durch den oben beschriebenen mythenspezifischen Vorgang der Bilder - Generierung besteht auGerdem die Gefahr, dass sich diese ikonographierten Darstellungen zu, als ,authentisch’ aufgefassten, Geschichtsbildern im historiographischen Sinne sozusagen ,verselbstandigen’ konnen. Damit wird der Begriff des Mythos „hier nicht in der Gegenuberstellung Fiktion (Mythos) versus Realitat (Geschichte), sondern durch dessen Funktion bestimmt. Denn Vergangenheit, die durch das kulturelle Gedachtnis erinnert wird, umfaGt ununterscheidbar Mythos und Geschichte.“[69] [70] Handelt es sich aber hierbei um einen ,modernen’ Mythos, so ist dieser bereits in einer zuvor bestimmten Art und Weise ,aufgeladen’, welche seine Funktion bestimmt.

Betrachtet man alleine die in der BRD zum Thema ,U-Boot-Krieg’ veroffentlichten Bucher, fallt auf, dass die meisten von ehemaligen U- Boot-Fahrern selbst verfasst wurden. Das verstarkt zwar einerseits eine Form von Authentizitat durch eine nicht zu leugnende ,Augenzeugenschaft’ der Autoren, andererseits aber wurden diese Bucher stets mit dem Ziel einer apologetischen Auslegung des Stoffes - nicht zuletzt unter dem Eindruck der eigenen Erfahrungen - verfasst, was das ,dabei gewesen sein’ zur reinen Kosmetik verblassen lasst.[70] Die Frage, inwieweit die Mechanismen des kollektiven Gedachtnisses uberhaupt auf den Prozess der Geschichtsschreibung Einfluss nehmen, wurde erst in den letzten Jahren eingehender erforscht. Ein Ergebnis stellt hierbei die Erkenntnis dar, dass Wahrnehmung und Erinnerung stets selektiv und damit weit vom Anspruch einer objektiven Wiedergabe der zu berichtenden Ereignisse entfernt sind. Hinzu kommt, dass das Individuum zwar Erinnerung „in einem wortlich plastischen Sinne“ hat, dass aber das, was erinnert wird, nicht allein von ihm und seinem Bild des geschichtlichen Ereignisses, sondern auch von der Sozialgemeinschaft bestimmt wird, in der er lebt.[71] Die Ausrichtung des kollektiven Gedachtnisses ist somit an den Bedurfnissen der Sozialgemeinschaft der Gegenwart orientiert, nicht an der Faktizitat der Vergangenheit.

Die Auffassung, dass „die Konstitution und Zirkulation von Wissen und Versionen einer gemeinsamen Vergangenheit in sozialen und kulturellen Kontexten“ erst durch den Einsatz von medialen Elementen ermoglicht wird, bietet einen Eindruck, welchen Einfluss Mythen selbst auf die Wahrnehmung von Vergangenheit besitzen.[72] Die Einfuhrung und intensive Nutzung von politischer Propaganda seit Anfang des 20. Jahrhunderts sowie die Forcierung dieser (Des-) Informationspolitik durch die Nationalsozialisten, stellt somit nicht nur einen Eckpfeiler fur die Entstehung von Mythen dar, sondern - uber seine Funktion im kollektiven Gedachtnis - auch fur die Geschichtsschreibung und Tradierung spaterer Generationen.

Ein Merkmal hierbei ist, dass dabei nicht direkt in den Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens selbst in irgendeiner Form aktiv eingegriffen wird, z.B. mittels staatlicher Zensur oder vorsatzlicher Falschung, sondern dass der Historiker innerhalb einer Gesellschaft durch das dort ,vorhandene’ kulturelle Gedachtnis bereits entsprechend konditioniert worden ist. Bei der Erforschung der Grunde und Auswirkungen des Nationalsozialismus in Deutschland und dem von deutschem Boden ausgehenden Zweiten Weltkrieg begegnen sich historische Wahrheit, Mythos und Anspruch des Historikers unter besonders extremen Voraus- und Zielsetzungen, wobei die Wahrheit’ lediglich ein hypothetisch anzustrebendes Ideal darstellt und kein Faktotum im eigentlichen Sinne.[73] Der Kraft des Mythos kann sich auch der auf Neutralitat bedachte Wissenschaftler nur schwer entziehen, er fliefet deshalb stets in wissenschaftliche Deutungsarbeit mit ein. Als Beispiel kann hier die historische Aufarbeitung des deutschen Uran- Projekts im Zweiten Weltkrieg dienen:

Die Wissenschaftler und Physiker um Werner Heisenberg, die ab 1939 an einer deutschen Kernwaffe arbeiteten und bis Kriegsende keinen nennenswerten Erfolg oder Durchbruch erzielen konnten, wurden fur ihre Erfolglosigkeit postum geadelt: 1956 erschien das Buch Heller als Tausend Sonnen von Robert Jungk, in dem der Autor, mafegeblich unterstutzt von Heisenberg selbst, die Auffassung vertrat, die deutschen Wissenschaftler hatten aus moralisch-ethischen Bedenken heraus die Forschungen bewusst verschleppt, um Hitler keine derartig vernichtungsmachtige Waffe in die Hand zu geben.[74] Diese apologetische Auslegung der tatsachlichen Ereignisse wurde erst 1989 von dem amerikanischen Historiker Mark Walker widerlegt, der den Grund fur das deutsche Scheitern in Kompetenzstreitigkeiten, Ressourcenknappheit und schlicht falschen inhaltlichen Entscheidungen Heisenbergs fand.[75]

Der Blick ,von auGen’ kann also eine Moglichkeit sein, sich der Wirkungsmachtigkeit des kulturellen Gedachtnisses zu entziehen. Dabei ist es kein Widerspruch, dass Deutschland den Krieg verloren hat, obwohl es haufig heiGt: „die Sieger hatten Geschichte geschrieben. Und doch konnte man auch sagen: Die Sieger haben die Geschichte vergessen. Sie konnen sich's (sic!) leisten, wahrend es den Verlierern unmoglich ist, das Geschehene hinzunehmen; diese sind dazu verdammt uber das Geschehene nachzugrubeln, es wiederzubeleben und Alternativen zu reflektieren.“[76]

Doch die durch Propaganda generierten und von Nachkriegsapologeten bemuhten Bilder werden durch die Haufigkeit ihrer Wiederholung und stereotyper Verwendung im offentlichen Diskurs in ihrem Wahrheitsgehalt von den Adressaten nicht mehr genugend hinterfragt. „Tatsachlich lassen sich oft sehr leicht groGere Diskrepanzen zwischen dem Vergangenheitsbild, das Mitglieder einer bestimmten Gruppe teilen, und den erhaltenen Aufzeichnungen des vergangenen Lebens aufzeigen.“[77]

Fur den U-Boot Mythos gilt dies in verscharfter Form, denn hier wird die Erinnerung, an jene Episoden des Seekrieges 1914 - 1918, bzw. 1939 - 1945 vor allem durch subjektiv gefarbte Veroffentlichungen ehemaliger U-Boot-Fahrer bestimmt und nicht durch Arbeiten quellenkritisch arbeitender Historiker.

3. Das U-Boot in Deutschland

3.1 Von der Utopie zur Wirklichkeit: Das Tauchboot

Das Tauchen gehort - ebenso wie das Fliegen - zu den altesten Traumen der Menschheit. Die Uberwindung der Erdanziehungskraft, um dann wie ein Vogel durch die Luft zu gleiten, bzw. sich unter Wasser frei wie ein Fisch bewegen und uberleben zu konnen, hat Menschen seit je her fasziniert.[78]

Aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die technologische Entwicklung auf dem europaischen Kontinent so weit fortgeschritten, dass es dem Menschen moglich wurde, den zweidimensionalen Lebensraum von der Oberflache der Erde in der Vertikale nach oben und unten zu erweitern.

Im deutschsprachigen Raum wurde nach Planen des bayrischen Artillerie-Unteroffiziers Wilhelm Bauer 1850 in Kiel das erste voll funktionsfahige Tauchboot, der ,Brandtaucher’ gebaut[79] Die fur das Boot vorgesehene Aufgabe war keine wissenschaftliche, sondern - ganz nach den Befurchtungen Leonardo da Vincis - eine militarische:[80] Das Boot sollte unerkannt Brucken sprengen und Seeblockaden brechen. Allerdings versank der ,Brandtaucher’ bereits bei seiner ersten Fahrt am 1. Februar 1851 im Kieler Hafenbecken, wobei Bauer und seine zwei Mann starke Besatzung sich retten konnten.[81]

Trotz der nicht gerade als ,erfolgreich’ zu bezeichnenden Jungfernfahrt, setzte sich langsam die Erkenntnis durch, dass es nun technisch moglich war, einen Tauchapparat zu bauen, der nicht nur tauchte, sondern auch wieder aus eigener Kraft auftauchen konnte. Diese Feststellung hatte auf dem Gebiet des spateren Deutschen Reiches zunachst keine praktischen Auswirkungen, wie Eberhard Rossler feststellt: „Die von Wilhelm Bauer 1850 eingeleitete Entwicklung wirklich funktionsfahiger Tauchboote ging in den folgenden Jahrzehnten an Deutschland vorbei.“[82]

Folgerichtig fand der erste militarisch erfolgreich verlaufende Einsatz eines Tauchbootes wahrend des amerikanischen Burgerkrieges zwischen 1861 und 1865 in Nordamerika statt. Am 17. Februar 1864 wurde vor der Hafeneinfahrt von Charleston die USS Housatonic durch einen in den holzernen Rumpf gerammten Spierentorpedo versenkt.[83] Angebracht hatte die Sprengladung die von Konfoderierten gesteuerte CSS Hunley, ein Tauchboot, das mit der Muskelkraft von neun Mannern angetrieben wurde. Nach dem erfolgreichen Angriff versank dieses Unterwassertretboot mitsamt seiner Besatzung.[84] Die Konstruktion eines Tauchbootes, welches in der Lage war, eine hinreichend stabile Betriebssicherheit zu gewahrleisten, war erst durch eine Reihe im 19. Jahrhundert gemachter Erfindungen und Innovationen moglich.

„Erst die Kombination von Errungenschaften des spaten 19. Jahrhunderts, insbesondere einer Reihe von Erfindungen der Elektrotechnik, ermoglichte es, ein Schiff zu konstruieren, das selbststandig auf- und abtauchen und sich unter Wasser fortbewegen konnte.“[85]

[...]


[1] Zahlen nach: Wetzel, Eckard: U 995. Das Boot vor dem Marine-Ehrenmal in Laboe. Kiel, 1985.

[2] Ebd. S. 143.

[3] Buchheim, Lothar-Gunther: Das Boot; Munchen, 1973. Das Boot, Regie: Wolfgang Petersen, Deutschland, 1981.

[4] Holzer, Anton: Die oben, wir unten. ,Das Boot’, der Krieg, die Fotografie. Der U-Boot-Krieg als deutsche Heldengeschichte?; in: Holzer, Anton (Hg.): Mit der Kamera bewaffnet. Krieg und Fotografie, Marburg 2003, S. 118.

[5] Rass, Christoph: ,Menschenmaterial’. Deutsche Soldaten an der Ostfront. Innenansichten einer Infanteriedivision 1939 - 1945; Paderborn, 2003; S. 13.

[6] U-Boot-Krieg: Wahn der Wunderwaffe; Spiegel 11/85; 11. Marz 1985; S. 114.

[7] Es ist allerdings ein gewisses MaG an Wissen um die Beschaffenheit der Materie, also z.B des Tauchvorganges durch gezielte Nutzung von physikalischem Wissen vonnoten, um sich der potentiellen Gefahr, der man sich dabei aussetzt, auch bewusst zu sein. Ohne dieses Wissen hatte man hier vielleicht eine andere Art von Angst, die rein auf psychologischen Aspekten, wie beispielsweise ,Tiefenangst’ beruhen wurde.

[8] Entweder wird ausschlieBlich die technische Seite der U-Boote beschrieben, (z.B.: Rossler, Eberhard: Die neuen deutschen U-Boote; Munchen, 2004) oder aber es werden Romane haufig, nach einer wahren Begebenheit' (z.B.: Paterson, Lawrence: U 564 auf Feindfahrt. 70 Tage an Bord; Stuttgart, 2005) verfasst.
Eine umfassende Darstellung des U-Boot-Krieges fehlt bis heute. Ein Grund hierfur ist sicherlich in der Quellenlage zu sehen, denn die U-Boot-Akten sind bis heute in den Archiven des britischen Verteidigungsministeriums weitgehend unter Verschluss. Salewski, Michael: U-Bootkrieg: Historisches; in: ders.: Die Deutschen und die See; Studien zur deutschen Marinegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts; Stuttgart, 1998; S. 336.

[9] Hadley, Michael: Der Mythos der deutschen U-Bootwaffe, Hamburg 2001.

[10] Ebd.: S. 12.

[11]

Mulligan, Timothy P.: Die Manner der deutschen U-Bootwaffe, Stuttgart 2002.

[12] Ebd.: S. 224 ff.

[13] Ebd.: S. 226.

[14] Die offensichtliche Faszination, der die beiden nicht-deutschen Autoren in ihren Schriften Rechnung tragen, ist auch jenem Mythos geschuldet, der rund um den deutschen U-Boot-Krieg im angelsachsischen Raum und in den USA wirkt. Ein auGeres Zeichen, dass dort ebenfalls Mythen rund um den deutschen U-Boot-Krieg vorhanden sind, kann man daran ablesen, dass es im englischen Sprachgebrauch zwei Worte fur Unterwasserfahrzeuge gibt: .Submarine’ und ,U-boat’. Mit letzterem sind ausschlielGlich deutsche Tauchboote gemeint, wobei gleichzeitig ein negativer Subtext im Sinne von .schandliche Kriegfuhrung’ oder .Piratentum’ mitschwingt.

[15] Salewski, Michael: Die Deutschen und die See. Studien zur deutschen Marinegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts; Stuttgart, 1998.

[16] In Grabern von Neandertalern fanden sich neben menschlichen Uberresten auch Waffen, Werkzeuge und Tierknochen. Ein Umstand, der zu der Schlussfolgerung fuhrt, dass diese Urmenschen neben der sichtbaren, materiellen Welt noch eine weitere, nicht sichtbare fur existent hielten. Armstrong, Karen: Eine kurze Geschichte des Mythos; Berlin, 2005; S. 7 f.

[17] Voigt, Rudiger: Rituale und Symbole in der Politik, in: Symbole der Politik, Opladen, 1989; S. 9 - 37,

[18] S. 11; zit. nach: Behrenbeck; Sabine: Der Kult um die toten Helden. Nationalsozialistische Mythen, Riten und Symbole; Greifswald, 1996, S. 38, FuBnote 16.

Wust, Thomas: Urbanitat. Ein Mythos und sein Potential; Wiesbaden, 2004; S. 12.

[19] z.B. Gottervater Zeus, der, als weiBer Stier verkleidet, Europa entfuhrt, ist ein in politischen Karikaturen immer wiederkehrendes Bild.

[20] Die Griechen stehen hier auch als Platzhalter fur andere Volker und Reiche und ihre Nennung soll keine AusschlieBlichkeit bedeuten. Samtliche alten Hochkulturen waren von mythischen Geschichten und Bildern durchdrungen.

[21] Barth, Hans: Masse und Mythos. Theorie der Gewalt: Georges Sorel; Hamburg, 1956; S. 128.

[22] Erst unter dem Dach eines - angenommenen - mechanischen Weltbildes, war man in der Lage, bis dahin unerklarliche Vorkommnisse oder Ereignisse in die ,Sprache der Logik’, die Mathematik, zu ,ubersetzen’ und damit rational greifbar zu machen. Eine unmittelbare Folge davon war die Herausbildung und Etablierung der naturwissenschaftlichen Einzeldisziplinen, die dem Menschen weitere Erklarungsansatze fur Naturphanomene boten.

[23] Kohlmeier, Michael: Das groGe Sagenbuch des klassischen Altertums; Munchen 1999, S. 181.

[24] Der Mythos wird hier als Steuerungsmedium fur die Dynamik des Emotionalen verstanden. Ein Gedanke, der erstmalig von Ernst Cassirer im zweiten Teil seiner Schrift ,Philosophie der philosophischen Formen. Das mythische Denken’ im Jahre 1925 erortert wurde.

[25] Assmann, Jan u. Aleida: Mythos; in: Cancik, Hubert u.a. (Hg): Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, Bd. 4, Stuttgart 1998, S. 180.

[26] Sorel, Georges: Uber die Gewalt; Frankfurt, 1969.

[27] Barth: Masse; S. 69.

[28],Sozialer Mythos’ und ,Alltags’-Mythos subsumiere ich beide unter dem Oberbegriff des ,modernen Mythos’.

[29] Barth: Masse; S. 70.

[30] Behrenbeck: Kult; S. 40.

[31] Assmann: Mythos; S. 179.

[32] Ebd.: S. 185.

[33] Assmann: Mythos, S. 192.

[34] Buchheim, Lothar-Gunther: Die U-Boot-Fahrer. Die Boote, die Besatzungen und ihr Admiral; Munchen 1985, S. 30.

[35] Edelmann, Murray: Politik als Ritual. Die symbolische Funktion staatlicher Institutionen und politischen Handelns; Frankfurt, 1976, 3. Auflage 2005; S. 110.

[36] Behrenbeck: Kult; S. 41.

[37] Barthes, Roland: Mythen des Alltags; Frankfurt, 1964; S. 85.

[38] Burke, Peter: Geschichte als soziales Gedachtnis; in: Hemken, Kai-Uwe: Gedachtnisbilder. Vergessen und Erinnern in der Gegenwartskunst; Leipzig, 1996; S. 101.

[39] Abb. 1 und 2.

[40] Burke: Soziales Gedachtnis; S. 101.

[41] Valentiner, Max: U-38. Wikingerfahrten eines deutschen U-Bootes; Berlin, 1936.

[42] Z.B.: Kurowski, Franz (erschienen unter dem Pseudonym: Karl Alman): U 48. Das erfolgreichste Boot des Zweiten Weltkriegs, Herrsching o.a.; oder: Brennecke, Jochen: Haie im Paradies: Der Deutsche U-Boot-Krieg in Asiens Gewassern 1943-45. Dramatische Originalberichte Uberlebender und bisher unveroffentlichte Geheimdokumente; Munchen, 1976.

[43] Zit. nach: Dorner, Andreas: Politischer Mythos und symbolische Politik. Sinnstiftung durch symbolische Formen am Beispiel des Hermannsmythos; Wiesbaden, 1995, S. 19.

[44] Assmann: Mythos; S. 196.

[45] Der Zulauf, den die esoterische ,New Age’ - Bewegung heute hat, zeigt dies deutlich. Es existiert beim Menschen eine offensichtlich nicht zu leugnende grundsatzliche Sehnsucht nach dem Metaphysischen.

[46] Ausdruck dafur ist beispielsweise Karl Kraus Monumentaldrama ,Die letzten Tage der Menschheit’, das 1922 publiziert wurde. Kraus, Karl: Die letzten Tag Menschheit; Frankfurt, 1992.

[47] Das Haber-Bosch-Verfahren zur Ammoniaksynthese kann als Beispiel fur die Ambivalenz dienen, welche den ,neutralen’ Naturwissenschaften inne wohnt. Durch dieses chemische Verfahren wurde Deutschland von den Chilesalpeter- Lieferungen unabhangig und war dadurch von 1913 an in der Lage, seinen Kunstdungerbedarf autark zu decken. Allerdings lieBen sich mit Hilfe dieses neuen Verfahrens auch Nitrate fur Sprengstoffe erzeugen. (In deutschen Boden kommen keine naturlichen Nitratverbindungen vor.) Fritz Haber, seit 1911 Direktor des Kaiser Wilhelm Instituts fur physikalische Chemie, erhielt fur diese Leistung 1918 den Nobelpreis fur Chemie. Haber war aber auch die treibende Kraft auf wissenschaftlicher Seite fur den ersten Gasangriff in der Geschichte bei Ypern in Belgien durch deutsche Truppen. Bei diesem Chlorgasangriff am 22.April 1915 starben 5000 Soldaten sofort und 10 000 wurden verletzt.

[48] Behrenbeck: Kult; S. 46.

[49] Die Person der ,Schalek' in Karl Kraus ,Die letzten Tage der Menschheit' kann hier als Beispiel dienen. Sie kann als der Prototyp einer Kriegs - Journalistin betrachtet werden, die durch ihr Schreiben die Wirklichkeit verkehrt, verklart und somit letztlich auch den Boden fur Mythologisierungen bereitet. So bezeichnet sie beispielsweise das Elend und Sterben der Soldaten in den Schutzengraben als ,frei gewordenes Menschentum'. Kraus, Karl: Die letzten Tage der Menschheit, III. Akt, 2. Szene.

[50] Kroener, Bernhard R.: „Nun danket alle Gott“...“bis zur letzten Patrone". Schlachtenmythen als Bestandteil einer politisch instrumentalisierten kollektiven Erinnerungskultur am Beispiel von Leuthen, Sedan, Stalingrad; in: Altrichter, Helmut; Herbers, Klaus; Neuhaus, Helmut (Hg.): Mythen in der Geschichte; Freiburg, 2004; S.398.

[51] Kroener: „Nun danket alle Gott“; S. 398 f.

[52] Burke: Soziales Gedachtnis; S. 100.

[53] Sorel: Gewalt; S. 134 f; vgl. auch Barth: Masse; S. 70.

[54] Armstrong: Geschichte; S. 122.

[55] Schilling, Rene: Die ,Helden der Wehrmacht’ - Konstruktion und Rezeption; in: Muller, Rolf-Dieter; Volkmann, Hans-Erich: Die Wehrmacht. Mythos und Realitat; Munchen 1999; S. 551.

[56] Schilling, Rene: ,Kriegshelden’. Deutungsmuster heroischer Mannlichkeit in Deutschland 1813 - 1945; Paderborn, 2002; S. 23.

[57] Schilling: ,Kriegshelden’; S. 15 f.

[58] zit. nach: Scheerer, Thomas: Die Marineoffiziere der Kaiserlichen Marine. Sozialisation und Konflikte; Bochum, 2002; S. 120.

[59] Er benotigte ein Pferd, eine Rustung, Waffen, usw..

[60] Diese Form der Militarisierung trifft auf die meisten europaischen Gesellschaften zu, allerdings trat sie in PreulGen und damit im Deutschen Kaiserreich am offenkundigsten zu Tage.

[61] Arnauld de la Periere war der am hochsten dekorierte Marineangehorige des Ersten Weltkriegs. Bis heute ist er mit 194 versenkten Schiffen der ,erfolgreichste’ U-Boot-Kommandant uberhaupt.

[62] Wenn man so will, war der Dichter Theodor Korner (1792 - 1813) der ,Prototyp’ des burgerlichen, deutschen Opferhelden zwischen 1813 und 1945. Er war 1813 in den Reihen des Lutzowschen Freikorps im Kampf gegen Napoleon gefallen und verkorperte als junger und gebildeter Freiwilliger wahrend der Freiheitskriege und des Vormarz die Hoffnung auf gesellschaftspolitische Veranderungen unter burgerlichen Vorzeichen. Bis 1945 hielt diese Popularitat Korners an. RegelmalGig wurden an Korners Grab im mecklenburgischen Wobbelin Gedenkfeiern abgehalten, die dazu dienen sollten, Korner und sein Opfer fur Deutschland aktiv wach zu halten.

[63] Schilling: ,Kriegshelden'; S. 25.

[64] Nicht unterschlagen werden soll hier die Legende von der ,sauberen' Wehrmacht, die ebenfalls in diesen Opfer-Kontext gehort, wenngleich ihre Rolle weniger ,exklusiv' - im Gegensatz zur U-Boot-Elite - gesehen wird.

[65] Eine der ersten Veroffentlichungen zum Thema U-Boot Krieg nach 1945, war das Sachbuch ,Die Wolfe und der Admiral. U-Boote im Kampf. Triumph und Tragik' von Wolfgang Frank, Oldenburg, 1953. Eine 1990 (!) erschienene Film- Dokumentation uber den U-Boot-Krieg 1939 - 45: „Die Grauen Wolfe. Feindfahrten deutscher U-Boote.“, v. Karl Heinz J. Geiger, History Films, 1990. Als gefahrliche ,Graue Wolfe', die ,im Rudel jagen', wurden die U-Boote der deutschen Offentlichkeit prasentiert.

[66] Assmann, Jan: Das kulturelle Gedachtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identitat in fruhen Hochkulturen; Munchen, 1992; S. 76.

[67] Kuchenbuch, Ludolf; Sind Epochen notwendig(e) Mythen?; in: Altrichter, Helmut; Herbers, Klaus; Neuhaus, Helmut (Hg.): Mythen in der Geschichte, Freiburg, 2004; S. 32.

[68] Das kollektive Gedachtnis kann nach einer Klassifikation durch die Semiotiker der Moskauer-Tartuer Schule als „nicht-erblich vermitteltes Gedachtnis eines menschlichen Kollektivs" bezeichnet werden. Zit. nach: Erll, Astrid: Medium des kollektiven Gedachtnisses: Ein (erinnerungs-) kulturwissenschaftlicher Kompaktbegriff; in: dies.; Nunning Ansgar (Hg.): Medien des kollektiven Gedachtnisses.

[69] Konstruktivitat - Historizitat - Kulturspezifizitat; Berlin 2004; S. 4.

[70] Schilling: ,Kriegshelden’; S. 25, FulGnote 31.

[71] Das ,emotionale Erinnern’ lauft nach Harald Welzer stets nach folgendem Grundschemata ab: eine lebensbedrohliche Situation, ein automatisch ablaufendes Reaktionsmuster, mehrere Dimensionen von Gefuhlen, korperliche Veranderungen, selektive Wahrnehmung und kognitive Einordnung; vgl: Welzer, Harald: Das kommunikative Gedachtnis. Eine Theorie der Erinnerung; Munchen, 2002, S. 111 f. Burke: soziales Gedachtnis; S. 93.

[72] Erll: Medium; S. 4.

[73] Wolfgang Mommsen weist zu recht darauf hin, dass es im Prinzip wenig sinnvoll ist „von der einen Geschichte als objektiv vorgegebenem Gegenstandsbereich historischer Erkenntnis zu sprechen. Denn es ist uns weder aufgrund unseres begrenzten Erfahrungshorizonts, noch aufgrund der Struktur des historischen Erkenntnisprozesses moglich, die Idee der Geschichte in ihrer Totalitat zu fassen.“ Mommsen, Wolfgang J.: Der perspektivische Charakter historischer Aussagen und das Problem von Parteilichkeit und Objektivitat historischer Erkenntnis; in: Koselleck, Reinhart; Mommsen, Wolfgang J.; Rusen, Jorn (Hrsg.): Objektivitat und Parteilichkeit in der Geschichtswissenschaft; Munchen 1977; S. 445 f.

[74] Der so geschaffene Mythos hat neben der politischen auch noch eine ethische Ebene, die Heisenberg noch im Scheitern moralisch uber Robert Oppenheimer, den ,Vater der Atombombe’, stellt.

[75] Walker, Mark: Die Uranmaschine. Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe, Cambridge 1989.

[76] Burke: Soziales Gedachtnis; S. 103.

[77] Ebd.: S. 108.

[78] So berichtet Homer von Daidalos und Ikaros und deren Flucht mittels selbstgebauter Flugel von der Insel Kreta, Thukydides erzahlt von Tauchern, die wahrend der Belagerung von Syrakus eingesetzt waren.

Von Alexander dem GroBen existiert eine Darstellung, auf der ein Mann, vermutlich der Herrscher selbst, in einer Art Glasglocke, welche von einem Schiff herabgelassen wird, die Unterwasserwelt betrachtet. Abb. 3.

[79] Das Boot ist seit 1972 im militarhistorischen Museum in Dresden ausgestellt.

[80] Von Leonardo da Vinci wird berichtet, dass er Plane fur ein Tauchgerat zwar im Kopf hatte, diese aber nicht zur Ausfuhrung brachte, da er eine kriegerische Verwendung seiner Erfindung befurchtete: „Ich veroffentliche oder verbreite es nicht wegen der bosen Natur des Menschen, denn sonst wurden sie Morde auf dem Meeresgrund begehen." Zit. nach Broelmann, Jobst: U 1- die unsichtbare Waffe; in: Hashagen Ulf, Blumritt, Oskar; Trischler, Helmuth (Hg.): Circa 1903. Artefakte in der Grundungszeit des Deutschen Museums; Munchen 2003, S. 179.

[81] In jedem Buch, das die Geschichte des deutschen U-Bootes zum Thema hat, ist der ,Brandtaucher’ naturlich erwahnt. Auffallig ist, dass das offensichtliche Scheitern Bauers nicht auf etwaige konstruktive Mangel zuruckgefuhrt, sondern den Geldgebern und ihrem rigiden Sparkurs bei diesem Projekt angelastet wird. Es findet sich hier, selbst wenn der ,Brandtaucher’ tatsachlich nur deshalb gesunken sein sollte, eine Art U-Boot Mythos light: Der (deutsche) Erfindergeist hat nicht versagt, es lag auch nicht an der mangelnden Einsatzbereitschaft der Mannschaft, sondern das unangreifbare aber wirkungsmachtige Finanz- und GroBkapital hatte in seiner Unwissenheit den Untergang letztendlich verschuldet. Dieses Schema ist bis heute auf den U-Boot-Mythos anwendbar: Die Opferbereitschaft der U-Boot Fahrer wird nicht belohnt, weil die Fuhrung zu sehr zaudert, oder schlicht ,keine Ahnung’ hat, also unterm Strich und im Nachhinein uberfordert war. So z.B. auch bei Hadley: Mythos, S. 18; u.v.a. Buchheim. Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurde der Stoff sogar verfilmt: ,Geheimakte WB 1’ Regie: Alexander Golling, Deutschland 1942. Allerdings sinkt der ,Brandtaucher’ dort durch Sabotage eines Englanders und es wird bereits erkannt, dass dies die geeignete Waffe sei, um England in kunftigen Kriegen zu besiegen.

[82] Rossler, Eberhard: Geschichte des deutschen Ubootbaus. Band 1: Entwicklung, Bau und Eigenschaften der deutschen Uboote von den Anfangen bis 1943; Koblenz, 1986; S. 23. auch: Broelmann: U 1, S. 182.

[83] Am Bug des U-Boots war eine Lanze befestigt, die an ihrem Ende ein Pulverfass trug, das mit einem Zundmechanismus versehen war.

[84] Die ,Hunley’ wurde im August 2000 gehoben und liegt heute in einem Wasserbecken des Warren Lasch Conservation Centers in Charlston. Auch nach der Bergung bleibt die genaue Ursache des Untergangs unklar. Angaben nach: Dunmore, Spencer: Gesunkene U-Boote. Von der Hunley bis zur Kursk - Untergang, Verlust und Bergung; Munchen, 2002; S. 18 - 37. Koch, Klaus: Ein Schicksal in stabiler Seitenlage; SZ, 6./7. Dezember 2003.

[85] Ruger, Jan: Das U-Boot; in Geisthovel, Alexa; Knoch, Habbo; (Hg.), Orte der Moderne. Erfahrungswelten des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt/M, New York 2005. S. 261.

Ende der Leseprobe aus 135 Seiten

Details

Titel
Der U-Boot Mythos in Deutschland
Hochschule
Universität Bremen
Veranstaltung
Geschichte/Kulturgeschichte
Note
1,4
Autor
Jahr
2006
Seiten
135
Katalognummer
V208051
ISBN (eBook)
9783656353362
ISBN (Buch)
9783656354178
Dateigröße
5868 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
u-boot, mythos, deutschland
Arbeit zitieren
Nico Sutter (Autor:in), 2006, Der U-Boot Mythos in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208051

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