Die Rolle von Imitation im Geschäftsmodell-Innovationsprozess. Eine empirische Analyse


Bachelorarbeit, 2012

115 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNISI

TABELLENVERZEICHNIS

ABKURZUNGSVERZEICHNISVI

EINLEITUNG

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 Das Geschaftsmodell
2.2 Geschaftsmodell-innovation
2.3 Imitation
2.3.1 Analogien
2.3.2 Strategische Ausloser von Analogien
2.3.3 Mehrwertvon Analogien und Imitation
2.4 Propositionen

3 forschungsdesign. methoden UND SAMPLING
3.1 Datenerhebung
3.2 Auswahl der Interviewpartner
3.3 Entwicklung des Interviewleitfadens
3.4 Durchfuhrung der Interviews
3.5 Auswertung
3.5.1 Erstellungdes Suchrasters
3.5.2 Extraction
3.5.3 Aufbereitung und Analyse der Daten

4 empirische befunde zur rolle der imitation bei der geschaftsmodell-innovation
4.1 INHALTSBEZOGEN
4.2 Strategische Ausloser und Konsequenzen von Imitation
4.2.1 Strategische Ausloser der Imitation
4.2.2 Konsequenzen
4.3 Prozessbezogen

5 ZUSAMMENFASSUNG UND HYPOTHESEN

6 HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FUR GRUNDER

7 GRENZEN DER ARBEIT UND WEITERE FORSCHUNGSBEREICHE

8 ANHANG
8.1 Anhang A: Interviews mit Grundern
8.2 Anhang B: Investoren-Interview
8.3 Anhang C: Umfrage
8.4 Anhang D: Ubersichtderempirischen Befunde
8.5 Anhang E: Literatur-Erweiterung

9 LITERATURVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis

ABBILDUNG 1: FORSCHUNGSFRAGE

ABBILDUNG 2: BUSINESS MODEL CANVAS NACH OSTERWALDER (2005)

ABBILDUNG 3: VORTEILE DER GESCHAFTSMODELL-INNOVATION

ABBILDUNG 4: DB-WACHSTUM DURCH GESCHAFTSMODELL-INNOVATION

ABBILDUNG 5: ANALOGIEN NACH GASSMANN UND ZESCHKY

ABBILDUNG 6: IMITATIONSPROZESS NACH GASSMANN UND ZESCHKY

ABBILDUNG 7: VERLAUF DER EMPIRISCHEN FORSCHUNG

ABBILDUNG 8: KONTINUUM DER STRATEGISCHEN ENTSCHEIDUNG

ABBILDUNG 9: DER ERWEITERTE IMITATIONSPROZESS

ABBILDUNG 10: DER GESCHAFTSMODELL-INNOVATIONSPROZESS

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: UBERBLICK UBER DEN MEHRWERT VON IMITATION

Tabelle 2: UBERSICHT INTERVIEWPARTNER

Tabelle 3: DAS SUCHRASTER

Tabelle 4: INHALTSBEZOGENE ANALYSE

Tabelle 5: UBERSICHT UBER DIE ART DER IMITATION

Tabelle 6: DIE PROBLEMLOSER

Tabelle 7: DIE KUNDENNUTZENMAXIMIERER

Tabelle 8: MEHRWERT DER IMITATION

Tabelle 9: EINFLUSS VON CROSS-INDUSTRIE-INNOVATION AUF DEN

Tabelle 10:INNOVATIONSGRAD

Tabelle 11:VERGLEICH DER IMITATIONSPROZESSE

Tabelle 12:UBERSICHT DER EMPIRISCHEN BEFUNDE

Tabelle 13:GESCHAFTSMODELL IN DER LITERATUR NACH GEORGE & BOCK GESCHAFTSMODELL IN DER LITERATUR NACH BADEN-FULLER & MORGAN

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Globalisierung, Deregulierung und technologische Veranderungen erhohen den Wettbewerbsdruck und verandern die Wettbewerbslandschaft (Casadesus- Masanell & Ricart 2010; Wirtz 2010; Wirtz, Schilke & Ullrich 2010). Vor allem die rapide Ausbreitung und Weiterentwicklung des Internets verandert die Art und Weise der Produktion, Konsumption und Kommunikation zwischen Produ- zenten und Konsumenten (Afuah & Tucci 2003; Teece 2010). Eine Studie von IBM (2006) konnte zeigen, dass die erfolgreichsten und am schnellsten wach- senden Firmen solche sind, die Geschaftsmodell-Innovation betreiben, um auf Veranderungen im kompetitiven Umfeld zu reagieren.

Geschaftsmodell-Innovation ist eine wichtige Aktivitat, um im globalen Wett- bewerb zu bestehen (Hamel & Valikangas 2003). Mehrere Autoren sind der Meinung, dass selbst Produktinnovationen von Geschaftsmodellinnovationen begleitet werden mussen, um erfolgreich zu sein. (Chesbrough 2010; Johnson Christensen & Kagermann 2008; Teece 2010). Ohne die Anpassung des Ge- schaftsmodells an das neue Produkt, wird Letzteres mit hoher Wahrscheinlich- keit kein kommerzieller Erfolg (Chesbrough 2010; Johnson et al. 2008; Teece 2010).

Trotz der in der Wissenschaft anerkannten hohen Relevanz der Geschaftsmo­dell-Innovation ist sie bisher wenig erforscht. Spatestens seit den Forschungen uber Cross-Industry-Innovation (Brunswicker & Hutschek 2010; Enkel & Gassmann 2010; Gassmann & Zeschky 2008) ist bekannt, dass Imitation im In- novationsprozess stattfindet und auf diesem Weg radikal Neues erfunden wird. Entsprechende Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Imitation uber Indust- riegrenzen hinweg das Risiko minimiert, die Kosten senkt und gleichzeitig den Innovationsgrad erhoht (Brunswicker & Hutschek 2010; Enkel & Gassmann 2010; Gassmann & Zeschky 2008).

Insbesondere im Geschaftsmodell-Innovationsprozess ist die Rolle der Imitation unklar. Dabei gibt es viele erfolgreiche Unternehmen, die bewusst das

Geschaftsmodell bestehender Unternehmen imitiert haben. Ryanair hat bei- spielsweise das Geschaftsmodell des amerikanischen Pioniers fur ,,Low-Cost- Airlines" Southwest ubernommen und in Europa etabliert (Shenkar 2010): ,,All we have done is copy Herb Kelleher's [Anm. d. Verf.: Grunder von Southwest] succesful model." (Michael O'Leary, CEO Ryanair Holdings, in: Shenkar 2010, S. 65).

Vorliegende Arbeit untersucht den Geschaftsmodell-Innovationsprozess und die damit verbundenen Imitationsaktivitaten von Grundern im Internet-Bereich. Die Fokussierung auf diese Grunder hat zwei Vorteile: Erstens entwickeln meist Grunder das Geschaftsmodell ihres Unternehmens und sind Geschaftsmodell- Innovation betreffend daher Experten (Johnson 2010). Zweitens haben Grunder wenig Ressourcen zur Verfugung, mussen also im Innovationsprozess effizient arbeiten (Osterloh 2012) und sind zusatzlich hohem Risiko ausgesetzt (Nobel 2011). Risikominimierung und Effizienzsteigerung der Innovationsaktivitat sind strategische Ausloser fur Imitation (Enkel & Gassmann 2010; Gassmann & Zeschky 2008). Aus diesem Grund ist zu vermuten, dass Grunder auch im Ge- schaftsmodell-Innovationsprozess haufig imitieren.

Eine im Rahmen dieser Arbeit durchgefuhrte Umfrage unter 886 Grundern von Start-ups bestatigt diese Vermutung und kam bei einer Rucklaufquote von uber 10 % zu dem Ergebnis, dass ca. 60 % der Grunder aus der Internetbranche bei der Geschaftsmodell-Innovation imitieren. Dieses reprasentative Ergebnis ver- deutlicht die Relevanz der Imitation im Geschaftsmodell-Innovationsprozess.

Die fehlende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Geschaftsmodell- Innovationsprozess (Voelpel, Leibold & Tekie 2004) und der damit zusammen- hangenden Rolle der Imitation in Verbindung mit der Relevanz in der Praxis ergibt eine Forschungslucke, die diese Arbeit zu schlieteen beansprucht, indem sie folgende Forschungsfrage beantwortet: Welche Rolle spielt Imitation im Geschaftsmodell-Innovationsprozess von Start-ups?

Zur Bearbeitung der Fragestellung werden im Folgenden Inhalt, Ergebnis und Prozess als Dimensionen der Imitation fokussiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Forschungsfrage

Mithilfe einer empirischen explorativen Forschung wird die Forschungsfrage beantwortet. Dazu werden sieben Experteninterviews durchgefuhrt, die an- schlieteend mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet werden. Die sieben Experten konnten im Rahmen der Befragung der 886 Internet-Start-ups identi- fiziert werden.

Im zweiten Kapitel wird die theoretische Grundlage fur die explorative For- schungsarbeit gelegt. Vor allem Definitionen von Geschaftsmodell und Ge- schaftsmodell-Innovation sowie Imitation stehen hier im Vordergrund. Im drit- ten Kapitel werden aus den Erkenntnissen der theoretischen Auseinanderset- zung Propositionen extrahiert, um sie dann im Verlauf der empirischen Arbeit zu uberprufen.

Das vierte Kapitel beinhaltet neben methodischen Erlauterungen, eine Darstel- lung und Aufbereitung der Ergebnisse aus der empirischen Forschung. Am Schluss des Kapitels werden die formulierten Propositionen auf ihre Richtigkeit uberpruft. Das funfte Kapitel bildet den Schluss der Arbeit mit einer Zusammen- fassung und Diskussion der Ergebnisse sowie einem Ausblick auf weitere mogli- che Ansatze in diesem neuen Forschungsfeld. Besonderes Augenmerk wird hier auf die Formulierung konkreter Handlungsempfehlungen fur Grunder gelegt.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Das Geschaftsmodell

Um Internet-Firmen und ihre Wertschopfung verstehen und analysieren zu konnen, bedarf es einer Integration mehrerer theoretischer Perspektiven uber Wertschopfung (Amit & Zott 2001). Das Geschaftsmodell-Konzept macht diese Integration moglich und erleichtert die Analyse der Wertschopfung von Unter- nehmen, insbesondere Internet-Firmen (Amit & Zott 2001; Shafer, Smith & Lin­der 2005). Allerdings hat ,,the concept of business models [...] no established theoretical grounding in economics or in business studies" (Teece 2010, S. 175).

Laut Linder und Cantrell (2000) konnen 99 % der befragten Fuhrungskrafte das Geschaftsmodell ihrer Firma nicht eindeutig definieren. Der Begriff Geschafts­modell wird oft genutzt, jedoch mitunter verschiedene Modelle, wie bspw. das Umsatzmodell, damit assoziiert (Linder & Cantrell 2000).

Es fehlen ein generischer Begriff und eine einheitliche Definition des Ge- schaftsmodell-Konzepts (Morris, Schindehutte & Allen 2005). Einige Arbeiten zeigen, in welchem fragmentierten Zustand sich die Forschung um das Ge­schaftsmodell-Konzept befindet (George & Bock 2011; Zott, Amit & Massa 2011)[1]. Im Folgenden wird versucht, das Geschaftsmodell-Konzept zu definie­ren und anschlieteend fur die weitere Untersuchung zu operationalisieren.

Generell soll der Geschaftsmodell-Begriff die essenziellen Fragen einer jeden Geschaftstatigkeit beantworten konnen: Wer macht was mit wem, warum, wo, wie und wie viel, um Kunden ein Produkt oder Service anzubieten (Mitchell & Coles 2003).

Das Geschaftsmodell soll eine Geschichte erzahlen, wie die Unternehmung funk- tioniert (Magretta 2002).

Eine fur diese Arbeit geeignete Definition konnten Osterwalder et al. (2005) entwickeln:

A business model is a conceptual tool that contains a set of elements and their relationships and allows expressing the business logic of a specific firm. It is a description of the value a company offers to one or several segments of cus­tomers and of the architecture of the firm and its network of parnter for creat­ing, marketing, and delivering this value and relationship capital, to generate profitable and sustainable revenue streams. (Osterwalder, Pigneur & Tucci 2005, S. 10)

Ausgehend von dieser Definition operationalisierte Osterwalder (2004) das Ge- schaftsmodell und unterteilte es in die folgenden neun Geschaftsmodell-Blocks, sogenannte ^Buildings Blocks ofBusiness Model" (Abbildung 2):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Business Model Canvas nach Osterwalder (2005)2

- Value Proposition (VP): alle Produkte und Dienstleistungen, einzeln oder im Bundel, die ein Unternehmen anbietet und fur den Kunden einen Wert dar- stellen.
- Customer Segment (CS): Zielgruppen, fur die eine Unternehmung ihre Wert- schopfung anbieten will.
- Channels (CH): Wie und woruber wird das Produkt oder die Dienstleistung vertrieben und wie und wo kommt die Unternehmung in Kontakt mit ihren Kunden?
- Customer Relationship (CR): Welche Verbindung zum Kunden wird gewahlt?
- Key Activities (KA): alle Aktivitaten und Ressourcen, die eine Unternehmung einsetzt, um fur den Kunden einen Wert zu schaffen. o Key Resources (KR): alle internen Ressourcen, die benotigt werden, um die Value Proposition zu erfullen.
- Key Partners (KP): externe Partner, die notwendig sind, um fur den Kunden Wert zu schaffen.
- Cost-Structure: monetare Darstellung aller Mittel, die zur Wertschopfung eingesetzt werden.
- Revenue-Model (RV): Wie und durch welche Einkommensstrome erwirt- schaftet die Unternehmung Geld?

Im Folgenden werden die einzelnen ,,Building Blocks of Business Model" als Elemente des Geschaftsmodells bezeichnet. Diese Modulariserung des GM- Konzepts ist fur die empirische Forschung hilfreich, da nun die Entwicklung jedes GM-Elements abgefragt werden kann. Fur die spatere Analyse des GM werden die Elemente in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe bilden kun- denorientierte GM-Elemente, also VP, CH, CR, CS, die zweite Gruppe produk- tionsorientierte Elemente, also KA, KR, KP, RV.

Osterwalder (2004) konnte mit seiner Arbeit ein Konzept erstellen, das die Ana­lyse, Evaluation und Neuschaffung eines Geschaftsmodells erleichtert (Chesbrough 2010).

Die Relevanz von Geschaftsmodell-Innovationen fur Firmen wird im Folgenden erlautert.

2.2 Geschaftsmodell-lnnovation

Einige Autoren sehen die Fahigkeit eines Unternehmens, die Regeln des Wett- bewerbs radikal zu verandern, als wichtigen Wettbewerbsvorteil (Govindarajan & Gupta 2001; Kim & Mauborgne 1992, 1999). Insbesondere Geschaftsmodell- Innovationen sind fur ein solches Anliegen geeignet (Govindarajan & Gupta 2001; Kim & Mauborgne 1999; Markides 1997, 2006, 2008; McGrath 2010; Mitchell & Coles 2003; Teece 2010).

Teece (2010) formuliert dies folgendermateen: „[...] business model innovation can itself be a pathway to competitive advantage" (S. 173). Auch Chesbrough (2010) ist sich der Bedeutung von Geschaftsmodell-Innovation bewusst: „A company has at least as much value to gain from developing an innovative busi­ness model as from developing an innovative new technology" (S. 354). Damit hebt er Geschaftsmodell-Innovation auf das gleiche Niveau wie technologische.

Auch in der Praxis ist die Bedeutung von Geschaftsmodell-Innovation sehr hoch. Uber 55 % der befragten Manager gaben bei einer Umfrage der Economist Intel­ligence Unit 2005 an, dass ,,new business models will be a greater source of com­petitive advantage than new products and services" (Economist Intelligence Unit 2010, S. 9).

Eine Studie von IBM (2006), im Rahmen derer weltweit 765 CEOs befragt wur- den, bestatigt die Vorteilhaftigkeit von Geschaftsmodell-Innovation. Folgende Abbildung fasst die genannten Vorteile zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Vorteile der Geschaftsmodell-Innovation3

Des Weiteren konnte diese Studie zeigen, dass Unternehmen, die sich starker auf Geschaftsmodell-Innovation fokussieren, ein groteeres Wachstum ihres De- ckungsbeitrags vorweisen konnten (IBM 2006).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung4: DB-Wachstum durch Geschaftsmodell-Innovation4

Geschaftsmodell-Innovation ist vor allem als Kommerzialisierungswerkzeug fur eine technologische Innovation sehr relevant (Chesbrough 2010; Chesbrough & Rosenbloom 2002; Johnson et al. 2008; Teece 2010) - oder noch drastischer ausgedruckt: ,,The economic value of a technology remains latent until it is com­mercialized in some way via a business model." (Chesbrough 2010, S. 354)

Auch Teece (2010) ist der Meinung, dass ,,great technological achievements commonly fail commercially because little attention has been given to designing a business model to take them to market properly." (S. 192) Produktinnovationen sollten demnach immer an eine Uberprufung des Geschaftsmodells gekoppelt sein. Sollte das Geschaftsmodell nicht zum neuen Produkt passen, muss es not- wendigerweise neu entwickelt und implementiert werden, damit die technolo­gische Innovation kommerziell erfolgreich wird (Johnson et al. 2008). Daher bedarf es einer starkeren Konzentration auf Geschaftsmodelle und Geschafts­modell-Innovation (Chesbrough 2010).

Johnson et al. (2008) geben zu bedenken, dass Geschaftsmodell-Innovationen nicht immer sinnvoll sind, konnten neben der Kommerzialisierung technologi- scher Innovationen jedoch vier strategische Umstande identifizieren, die Ge­schaftsmodell-Innovation notwendig machen:

(1) Moglichkeit, eine bis dahin unerreichte Zielgruppe zu erreichen (Bsp. Ta­ta Nano),
(2) um eine technologische Innovation zu kommerzialisieren oder eine be- stehende Technologie auf einem anderen Markt zu kommerzialisieren,
(3) neue oder unbefriedigte Kundenbedurfnisse erfullen (FedEx),
(4) um auf ,,low-end disrupter" (Johnson, Christensen & Kagermann 2008) zu reagieren,
(5) um aufVeranderungen in der Wettbewerbsstruktur zu reagieren (Hilti).

Wie und wo Geschaftsmodell-Innovation betrieben werden kann, haben Govin- darajan und Gupta (2001) erforscht. Sie zeigen drei Bereiche im Geschaftsmo- dell auf, in welchen die Regeln des Wettbewerbs verandert werden konnen (S-4):

(1) radikale Veranderung der Wertschopfungskette (Dell),
(2) Neuerfindung des angebotenen Kundennutzens (TetraPak),
(3) Neuerfindung oder Neuentdeckung des Kundensegments (Canon im Ko- pierermarkt).

Veranderungen werden vor allem dann notwendig, wenn sich das Marktumfeld disruptiv andert (Doz & Kosonen 2010; Rindova 2001; Sosna, Trevinyo- Rodriguez & Velamuri 2010), d. h., im kompetitiven Umfeld ist GM-Innovation ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.

Allerdings lassen die meisten Studien zur Geschaftsmodell-Innovation eine Be- schreibung des entsprechenden Prozesses vermissen. Die genannten Studien definieren das Phanomen und seine Relevanz, ohne konkret zu beschreiben, wie ein idealtypischer Prozess aussehen konnte (Voelpel et al. 2004).

Nachdem das Geschaftsmodell-Konzept definiert und die Relevanz der Ge­schaftsmodell-Innovation verdeutlicht wurde, stellt sich die Frage, wie Start-ups ihr spezielles Geschaftsmodell entwickelt haben. Im Produkt-Innovations- prozess wenden viele Firmen das Konzept der Analogie an, um Probleme im Innovationsprozess durch Imitation einer bereits erfolgreichen Losung zu bear- beiten (Brunswicker & Hutschek 2010; Enkel & Gassmann 2010) - mit dem Ergebnis, das Risiko zu reduzieren und den Innovationsprozess effizi- enter zu gestalten. Da Start-ups generell einem hohen Risiko (Nobel 2011) aus- gesetzt sind und meist wenig Ressourcen zur Verfugung haben, konnte Imitati­on auch im Geschaftsmodell-Innovationsprozess hilfreich sein. Um der eingangs formulierten Forschungsfrage nachzugehen, bedarf es zunachst einer theoreti- schen Definition des beschrieben Imitationsverhaltens.

Zunachst sollen relevante Aspekte aus der Theorie zur Imitation im Produkt- Innovationsprozess herausgearbeitet werden, um anschlieteend Ruckschlusse auf die GM-Innovation zu ziehen.

2.3 Imitation

Imitation ist eine normales menschliches Verhalten, um Fahigkeiten wie Spra- che, Verhalten und Tradition zu erlernen (Shenkar 2010). Auch in der Ges- chaftswelt ist dieses Verhalten omniprasent:

Imitation is a common form of behavior that arises in a variety of business domains. Firms imitate each other in the introduction of new products and processes, in the adaption of managerial methods and organizational forms, and in market entry and the timing of investment. (Lieberman & Asaba 2006, S. 366)

Selbst grotee Unternehmen, die als Innovatoren gefeierte werden, benutzen Imi­tation als Alternative und Erganzung zur Innovation (Shenkar 2010). Wal-Mart, Apple, Toy'R'us und viele andere globale Unternehmen haben imitiert (Gavetti, Levinthal & Rivkin 2005; Shenkar 2010) und die Wissenschaft ist sich nicht ei- nig, wer erfolgreicher ist: der First-Mover oder der ihn imitierende Fast- Follower (Buisson & Silberzahn 2010).

Unternehmen imitieren andere Unternehmen durch die Verwendung von Ana- logien.

2.3.1 Analogien

Analogien werden bei den meisten Firmen implizit oder explizit verwendet, um die Problemlosungsansatze anderer Firmen zu imitieren (Gavetti, Levinthal & Rivkin 2005). Laut Kalogerakis et al. (2010) ist Analogie ein allgegenwartiger Mechanismus bei kreativer Problemlosung und daher uberall dort zu finden, wo Probleme entstehen (S. 431).

Analogie bedeutet „the transfer of knowledge from one domain that usually al­ready exists in memory to the domain to be explained" (Gassmann & Zeschky 2008, S. 97). Es mussen also Ahnlichkeiten zwischen der Imitationsquelle und dem Imitationsziel gefunden werden (Brunswicker & Hutschek 2010, S. 686) gefunden werden. Die kognitive Psychologie unterscheidet dabei zwischen oberflachlicher und struktureller Ahnlichkeit (Gavetti et al. 2005). Die Verwen- dung von Analogie beruht auf der Hypothese, dass ein neues Problem mithilfe einer bestehenden Losung eines analogen Problems gelost werden kann (Schild, Herstatt & Luthje 2004, S. 3) Im weiteren Verlauf wird das imitierende Unter- nehmen als Imitationsziel und das imitierte Unternehmen als Imitationsquelle bezeichnet.

Analogien sind Werkzeuge, um bestehendes Wissen aus einem Feld auf ein neu­es zu ubertragen (Abbildung 5), und damit Grundvoraussetzung fur eine erfolg- reiche Imitation (Gassmann & Zeschky 2008). Gassmann und Zeschky (2008) konnten empirisch belegen, wie Unternehmen Analogien anwenden, um zu imi- tieren. Neben weichen Erfolgsfaktoren fur Analogien wie z. B. generelle Offen- heit fur andere Losungsansatze und „willing to challenge own technologies as a premise for analogical thinking to work" (Gassmann & Zeschky 2008) konnten sie einen konkreten Prozess identifizieren (Abbildung 5): „[...] the firms identi­fied the analogy only by (a) in a first step analysing the problem in detailand (b) in a second step embarking on deliberate search effort tofind analogues solutions" (S. 103).

Die Autoren konnten diesen Prozess weiter differenzieren und entwickelten aus der empirischen Untersuchung ein vier- bzw. funfstufiges Verfahren (Abbildung 6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung6: Imitationsprozess nach Gassmann und Zeschky 6

In diesem Prozess ist der Abstraktionsgrad - die Unterscheidung zwischen na- her und ferner Analogie - ein wichtiger Indikator und entscheidet uber die An- zahl der potenziellen Losungen und den Innovationsgrad:

[...] near analogies are more easily identified than far analogies, as near analo­gies often entail obvious surface similarities such as similar design, while far analogies typically entail similarities in the structural relationship between source and target attributes. (Gassmann & Zeschky 2008, S. 98)

Imitation kann ebenso innerhalb einer Branche bzw. Industrie erfolgen. Jedoch ist insbesondere die ferne Analogie, also die Imitation uber Industriegrenzen hinweg, Gegenstand vieler Studien und Forschungsprojekte (Enkel & Gassmann 2010; Gassmann, Daiber & Enkel 2011; Gassmann, Zeschky, Wolff & Stahl 2010). Sie wird auch als Cross-Industry-Innovation bezeichnet (Enkel & Gassmann 2010):

[...] in cross-industry innovation, already existing solutions from other indus­tries are creatively imitated and retranslated to meet the needs of the compa­ny's current market or products. Such solutions can be technologies, patents, specific knowledge, capabilities, business processe, general principle, or whole business models" (S. 256)

Neben dem Abstraktionsgrad, also der Unterscheidung zwischen naher und fer­ner Analogie, kann der Imitationsgrad bestimmt werden. Er gibt an, wie stark man sich an der Imitationsquelle orientiert und ist in Anlehnung an Kalogerakis et al. (2010) ein Kontinuum zwischen (1) expliziter und (4) adaptiver Imitation:

[...] a transfer can contain (1) a whole or partial biological system, (2) a biolog­ical structure, or (3) a biological principle. And on the fourth level of transfer a biological system just gives inspiration for a technological solution (Kalogerakis et al. 2010, S. 422).

2.3.2 Strategische Ausloser von Analogien

Grunde zu imitieren sind vielfaltig. Aus strategischer Perspektive haben Lie- bermann und Asaba (2006) jedoch folgende Ausloser identifizieren konnen:

1. Informationbasierte Imitation tritt auf ,,where firms follow others that are perceived (sometimes erroneously) as having superior information" (Lieberman & Asaba 2006, S. 368). Informationsbasierte Imitation findet meist in sehr jungen Markten, in denen hohe Unsicherheit herrscht und sich die Wettbewerbslandschaft erst aufbaut, statt.

2. Rivalitatsbasierte Imitation tritt auf ,,where firms imitate others to main­tain competitive parity or limit rivalry" (Lieberman & Asaba 2006, S. 368) Diese Art von Imitation findet meist in relativ etablierten Markten unter relativ niedriger Unsicherheit mit mehreren vergleichbaren Konkurren- ten, die die gleichen Ressourcen sowie eine ahnlichen Marktposition aufweisen, statt.

In Erweiterung dazu werden in der Literatur folgende zusatzliche Ausloser be- sprochen. Strategische Intention, der Wille neue Ideen und Wissen zu adap- tieren, ist eine wichtig Vorraussetzung fur erfolgreiche Imitation: ,,Firms need strategic intent, that is, the will to question own technologies and the will to adapt new knowledge." (Gassmann & Zeschky, 2008, S. 102). Meist wird die Suche nach Analogien durch ein spezifisches Problem stimuliert (Gassmann & Zeschky 2008, S. 98). Weil u.a. der Wissensstand der Industrie nicht ausreicht, um ein spezifisches Problem zu losen (ebd.).

Neben dem Prozess und den strategischen Auslosern von Imitation konnte die Wissenschaft zahlreiche Vorteile und Konsequenzen von Imitation identifizie­ren. Im Folgenden soll ein Uberblick uber den Mehrwert von Imitation gegeben werden.

2.3.3 Mehrwert von Analogien und Imitation

Die Fahigkeit eines Unternehmens, Analogien im Innovationsprozess anwenden zu konnen, ist ein Wettbewerbsvorteil (Gassmann & Zeschky 2008). Dies ist u. a. damit zu begrunden, dass Analogie die Effizienz der Innovationsaktivitaten stei- gert (Gassmann & Zeschky 2008; Herstatt & Engel 2006; Kalogerakis et al. 2010).,,Making use ofexisting solution elements may also help to cut development costs and to speed up the process of new product ideation" (Kalogerakis et al. 2010, S. 419). Zudem senkt Imitation uber Analogie das Risiko der Innovations­aktivitaten (Brunswicker & Hutschek 2010; Enkel & Gassmann 2010; Gassmann & Zeschky 2008). Brunswicker und Hutschek (2010) begrunden die Risi- koreduktion folgendermateen:

[...] technologies that are already tested and utilised in other industries can significantly impact a firms innovation performance if adapted to the firms context. In addition, tested technological solutions of other industry domains can increase the efficiency and lower the risk of innovation activities (Brunswicker & Hutschek 2010, S. 687).

Imitation uber Analogien, steigert nicht nur die Effizienz bei gleichzeitiger Risikoreduktion, sondern,,simultaneously having greatimpactin terms ofradical innovations" (Gassmann & Zeschky 2008 S. 104). Vor allem Analogien uber Industriegrenzen hinweg erhohen den Innovationsgrad und damit die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis des Innovationsprozesses eine radikale Innovation ist (Enkel & Gassmann 2010; Gassmann & Zeschky 2008; Gavetti et al. 2005): „Far, or structural analogies serve as the base for mental leaps and can lead to radical innovation" (Gassmann & Zeschky 2008, S. 98). Auch Schild et al. (2004) unterstutzen diese These insofern, als ,,breakthrough innovations are more likely to result from far analogies between distant domains." (Schild et al. 2004, S. 3).

Diese Erkenntnisse uber Imitation und Analogie und ihren Mehrwert stammen im Wesentlichen aus der Produkt- und Prozessinnovationsforschung. Imitation in Bezug auf Geschaftsmodell-Innovation wurde von einigen Forschern wahrge- nommen (Enkel & Gassmann 2010; Gavetti et al. 2005), aber nicht gesondert untersucht.

Tabelle 1: Uberblick uber den Mehrwertvon Imitation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gavettie et al. (2005) beschreiben, wie Manager Analogien auch bei der Strate- gie-Entwicklung anwenden, um Analogien zu fruheren Projekten zu finden:

Reasoning by analogy is a common form of logic among business strategist.

Facing a novel opportunity or predicament, strategist think back to some simi­lar situation they have face or heard about, and they apply the lessons from thta previous experience. Analogies - to the past, to other firms or industries, and to other competitive settings like sports or war - come up frequently in strategy discussions (Gavetti et al. 2005, S. 693).

Auch wenn Gavetti et al. (2005) den Begriff Geschaftsmodell nicht explizit er- wahnen, benennen sie viele Beispiele, wie Firmen das Geschaftsmodell eines etablierten Unternehmens durch Analogie imitiert haben.[2] Da der Geschaftsmo- dell-Innovationprozess wissenschaftlich noch nicht fundiert ist (Voelpel et al. 2004; Zollenkop 2006), konnen noch keine Aussagen getroffen werden, ob, wie und warum Unternehmen Imitation bei der Geschaftsmodell-Innovation einset- zen. Baden-Fuller und Morgan (2010) legen nahe, dass sich Geschaftsmodelle zur Imitation eignen, ohne konkret auf den Prozess oder auf die Konsequenzen einzugehen (Baden-Fuller & Morgan 2010). Folglich ist bezuglich des Mehr- werts von Imitation im Rahmen von Geschaftsmodell-Innovation noch kein fun- damentales theoretisches Wissen vorhanden.

Bevor auf die empirischen Befunde eingegangen wird, werden im Folgenden zunachst die Erkenntnisse aus der Theorie uber Geschaftsmodell-Innovation und Imitation zusammengefasst und zu Propositionen verarbeitet. Diese Propo- sitionen dienen im spateren Verlauf zur Analyse der empirischen Daten.

2.4 Propositionen

Imitationsaktivitaten konnen aus strategischer Perspektive nach Liebermann und Asaba (2006) in zwei Kategorien eingeteilt werden. Unternehmen imitieren andere Unternehmen entweder, weil vermutet wird, dass die Imitationsquelle mehr Informationen besitzt als das Imitationsziel (informationsbasierte Imita­tion), oder um den Status quo zu erhalten (rivalitatsbasierte Imitation). Das In- ternetumfeld ist relativ jung, sehr dynamisch und mit hoher Unsicherheit behaf- tet (Amit & Zott 2001; Kollmann 2006; Wirtz et al. 2010). Da das vorliegende Sample ausschlietelich aus Internet-Start-ups besteht, kann folgende Proposition abgeleitet werden:

#1 Grunder in der Internetbranche sind sehr groteer Unsicherheit ausgesetzt und wenden daher informationsbasierte Imitation an.

Aus den diversen Studien zu Imitation im Produkt-Innovationsprozess (Brunswicker & Hutschek 2010; Enkel & Gassmann 2010; Gassmann & Zeschky 2008; Herstatt & Engel 2006; Kalogerakis et al. 2010) konnten mehrere strate- gische Ausloser und Konsequenzen herausgearbeitet werden. In Verbindung mit den Erkenntnissen von Gavetti et al. (2005) und Enkel und Gassmann (2010) kann folgende zweite Proposition entwickelt werden:

#2 Der Geschaftsmodell-Innovationsprozess verhalt sich ahnlich dem Produktinnovationsprozess in Bezug auf strategische Aus­loser und Konsequenzen der Imitation.

Daran anschlieteend konnen die Vorteile (Tabelle 1) von Imitationsaktivitaten im Produkt-Innovationsprozess auf den GM-Innovationsprozess ubertragen werden. Daraus ergeben sich zwei weitere Proposition:

#3a Branchenubergreifende Imitation bzw. ferne Analogien im Ge- schaftsmodell-Innovationsprozess erhohen den Innovationsgrad und bringen radikale Innovationen hervor.

#3b Imitation im Geschaftsmodell-Innovationsprozess steigert die Effizienz und senkt das Risiko der Innovationsaktivitat.

Ein weiterer Vorteil sind die kommunikative Komponenten von Analogien. Nach Kalogerakis, Lu und Herstatt (2010) sowie Gavetti et al. (2005) kann folgende Proposition abgeleitet werden:

#4 Imitation von Geschaftsmodell-Elementen verbessert die Kom- munikation mit den Stakeholders

3 Forschungsdesign, Methoden und Sampling

Es konnte gezeigt werden, dass sich der Groteteil der Imitationsforschung in den Wirtschaftswissenschaften auf Produktimitation konzentriert (Brunswicker & Hutschek 2010; Enkel & Gassmann 2010b; Gassmann & Zeschky 2008; Gassmann et al. 2010; Herstatt & Engel 2006). Geschaftsmodell-Innovation spielt in diesen Studien keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle, weshalb uber Imitationsaktivitaten in Geschaftsmodell-Innovationsprozessen kaum etwas bekannt ist und die Forschungsfrage vorliegender Arbeit nach der Rolle der Imi­tation im Geschaftsmodell-Innovationprozess von bisherigen Studien nicht be- antwortet werden kann.

Diese Forschungslucke versucht vorliegende Arbeit mit einem explorativen For- schungsansatz zu schlieteen. Es wird uberpruft, ob Imitation im GM- Innovationsprozess junger Internet-Start-ups eine Rolle spielt und wie sie in den GM-Innovationsprozess integriert wird. Imitation, insbesondere Ge- schaftsmodell-Imitation ist eine gute Alternative und eine Bereicherung im Ge- schaftsmodell-Innovations-Prozess (Shenkar 2010), somit hat die hier bespro- chene Forschungsfrage eine hohe Relevanz fur Praxis und Wissenschaft.

Nach Eisenhardt (1989) ist es in Forschungsfeldern ohne wissenschaftlich fun- dierte Theorien angebracht, einen qualitativen Forschungsansatz zu wahlen, insbesondere dann, wenn das Erkenntnisinteresse auf eine Beantwortung von „Wie"- und „Warum"-Fragen abzielt (Edmondson & Mcmanus 2007; Eisenhardt & Graebner 2007). Die empirische Forschung verlauft in Anlehnung an Glaser und Laudel (2010) in acht Schritten (Abbildung 7).

3.1 Datenerhebung

In dieser Arbeit wird die Geschaftsmodell-Entwicklung bei Start-ups untersucht. Das Spezialwissen uber den Geschaftsmodell-Innovationsprozess liegt bei den Grundern und Geschaftsfuhrern der Start-ups und kann uber Experteninter- views gut erschlossen werden (Eisenhardt & Graebner 2007; Glaser & Laudel 2010):,,Interviews are a highly efficient way to gather rich, empirical data, espe­cially when the phenomenon of interest is highly episodic and infrequent" (Eisenhardt & Graebner 2007, S. 28).

Deshalb werden fur die Datenerhebung in diesem Fall Experteninterviews durchgefuhrt. Qualitative Forschung, insbesondere in Form von Experteninter­views, hat viele Schwachpunkte, wie z. B. Subjektivitat oder willkurliche Aus- wertung. Allerdings ist es im Interesse der Forschungsfrage, die subjektive Mei- nung des Experten uber die Grunde der Geschaftsmodell-Imitation zu erfahren. Daher kann und sollte man in diesem Fall Subjektivitat nicht versuchen auszu- schlieteen. Durch ein regelgeleitetes Vorgehen (Leitfragen, Suchraster bei der Auswertung) und einen moglichst transparenten Auswertungsprozess wird versucht, die Schwachen von Experteninterviews vor allem in der Auswertung zu beseitigen (Jager & Reinecke 2009).

3.2 Auswahl der Interviewpartner

Im Sinne der Forschungsfrage sind diejenigen Experten, die den Prozess der Geschaftsmodell-Entwicklung initiiert und begleitet haben (Glaser & Laudel 2010). Um diese Personen identifizieren zu konnen, wurden vorab alle 1000 Grunder und Geschaftsfuhrer von Internet-Start-ups aus der Datenbank der Grunderszene (Vertical Media GmbH 2012), die uberwiegend aus Internet- Start-ups aus dem deutschsprachigen Raum besteht, per E-Mail befragt, ob sie sich bei der Geschaftsmodell-Entwicklung bewusst ein Beispiel an bestehenden Firmen und deren Geschaftsmodell genommen haben (Anhang C). Da das Ko- pieren und Imitieren unter Grundern und Unternehmern negativ bewertet wird, wurde die Frage bewusst neutral und sehr offen gestellt (Glaser & Laudel 2010).

Einige ungultige E-Mail-Adressen reduzierten die Inferenzpopulation auf 886, insgesamt antworteten 95 (ca. 10 %): 55 (58 %) mit Ja und 40 mit Nein (Anhang C). Durch diese groteflachige Umfrage konnte nicht nur die Relevanz der For­schungsfrage geklart werden, vielmehr diente sie als Filterfrage, um im Sinne der Forschungsfrage Experten fur Geschaftsmodell-Imitation zu finden.

Tabelle 2: Ubersicht Interviewpartner

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus den 55 Grundern, die angegeben haben, bewusst zu imitieren, wurden sie- ben Grunder mit Unternehmen aus sieben verschiedenen Markten im Internet selektiert. Auf diesem Weg wurde sichergestellt, dass die Interviewpartner be­wusst Imitation bei der Geschaftsmodell-Entwicklung angewandt haben.

Bevor naher auf die empirischen Ergebnisse eingegangen wird, sollen alle sie­ben Internet-Start-ups kurz vorgestellt werden.

Bonayou (Nr. 1) - von der PL Gutscheinsystem GmbH, bietet eine ,,wunschlos- glucklich"-Geschenkgutscheinkarte uber die firmeneigene Internetseite an.

Der Kunde kann die Hohe des Betrags und auch den Empfanger frei wahlen und erhalt eine schon verpackte Prepaid-Kreditkarte, die bei jeder MasterCard- Akzeptanz einlosbar ist (PL Gutscheinsysteme GmbH 2012). Vor ca. 18 Monaten wurde das Unternehmen von Patrick Loffler gegrundet und konnte inzwischen ein Investment uber 600 000 Euro sichern (Wohlert 2012).

Die Bonusbox GmbH (Nr. 2) - bietet fur E-Commerce-Shops ein Bonuspro- gramm uber FB an und verspricht, ,,Kaufer zu Kunden zu machen" (Bonusbox GmbH 2012). Das Unternehmen wurde u. a. von Robert Heesen im Marz 2011 gegrundet.

Die giftme Ltd (Nr. 3) - bietet Facebook-Nutzern die Moglichkeit, „Geld fur Gruppengeschenke, Barbecue Parties oder andere Zwecke einfach uber Facebook, Twitter und Co." (Giftme Ltd. 2012) zu sammeln. Das Unternehmen wurde u. a. von Philipp Herkelmann im Dezember 2010 gegrundet.

Die knusperreich GmbH (Nr. 4) - vertreibt ofenfrische Cookies uber die fir- meneigene Website. Zusatzlich kann/soll jeder Kunde in Zukunft sich seine ei- gene Keks-Mischung zusammenstellen konnen. Die Moglichkeit eines Keks-Abos wird angeboten (knusperreich GmbH 2012). Manuel Grossman grundete im Mai 2011 die knusperreich GmbH.

Pc-hilfe.de (Nr. 5) - ein Angebot der VO IT-Projects GbR, bietet Leadgenerie- rung fur IT-Dienstleister an. Auf der Homepage heitet es: ,,pc-hilfe.de bietet die Moglichkeit, exklusiv in Ihrer Stadt als IT-Dienstleister aufgefuhrt zu werden" (IT- Projects 2012). Fur die einzelnen Seiten betreibt pc-hilfe.de Suchmaschinenop- timierung. Vincent Osterloh grundete dieses Angebot im Juli 2011.

Die Shortbet GmbH (Nr. 6) - ist ein Wettanbieter, der Online-Wetten mit Social- Gaming-Funktionen verknupft (Mollmann 2012). Eine FB-App ermoglicht es den Benutzern, „to create their own bets on any topic, at anytime, anywhere and on any device. Leveraging high end social game mechanics and logics, players also get incentivized by honor, status and badges." (Shortbet GmbH 2012). Die Short- bet GmbH wurde im Juni 2011 von Martin Mollmann gegrundet.

Texas askm Poker (Nr. 7) - ist ein Angebot der OteetO's Ltd und bietet ,,Poker with a Trivia Twist" als FB-App an (O'Gorman 2012). Die Poker-Spieler loggen sich uber FB ein und konnen mit virtueller Wahrung Poker spielen, bei dem die Qualitat der Anfangshand abhangig von der Beantwortung einer Multiple- Choice-Frage ist. Fur dieses System wurde bereits ein Patentantrag eingereicht. Gegrundet wurde die OteetO's Ltd im November 2010 von Neal O'Gorman.

3.3 Entwicklung des Interviewleitfadens

Glaser und Laudel (2010) empfehlen, Experteninterviews als leitfadengestutzte Interviews durchzufuhren. Deshalb wurden aus den Erkenntnissen des Theorie- teils, sowie aus der Forschungsfrage und den Propositionen mehrere Leitfragen herausgearbeitet, die anschlieteend in konkrete Interviewfragen umgewandelt wurden. Dabei wurde beachtet, dass alle Fragen den Prinzipien Offenheit, Neut- ralitat, Klarheit und Einfachheit (Glaser & Laudel 2010) gerecht werden. Insbe- sondere wurde darauf geachtet, dass der Ausstrahlungseffekt durch die Anord- nung der Fragen minimiert wird (Glaser & Laudel 2010).

Der Leitfaden wurde in mehre Themen unterteilt (Anhang A). Am Anfang wird der Hintergrund des Interviewpartners abgefragt, um dann zu erfragen, wie die Geschaftsmodell-Entwicklung generell abgelaufen ist. Dieser leichte Einstieg in das Interview ist wichtig, um dem Interviewpartner Zeit zu geben, sich an die meist unbekannte Situation zu gewohnen (Glaser & Laudel 2010). Erst im drit- ten Teil des Interviews wird konkret auf Imitation bei der Geschaftsmodell- Entwicklung eingegangen. Hier soll der Interviewpartner den Prozess der Imita­tion darstellen. Im vierten Teil werden die Vorteile der Imitation bei der Ge­schaftsmodell-Entwicklung in vergleichbaren Einheiten abgefragt. Dies ermog- licht es, den konkreten Mehrwert der Imitation bei der Geschaftsmodell- Entwicklung zu erfassen und zu vergleichen. Der funfte Teil besteht wieder aus allgemeinen Fragen und schlietet mit der Moglichkeit, aus Sicht des Experten wichtige Themen und Aspekte zu nennen, die im Gesprachsverlauf nicht be- sprochen wurden.

Der Leitfaden wurde den Experten nicht vorab zur Verfugung gestellt, um zu vermeiden, dass sie sich auf das Gesprach vorbereiten. Allerdings wurde den

Interviewpartnern vorab der Business Model Canvas (Osterwalder & Pigneur 2010) geschickt, damit sie sich bei der Benennung der verschiedenen Ge- schaftsmodell-Elemente daran orientieren konnten. Das Business Model Canvas wurde gewahlt, da davon ausgegangen wurde, dass es in der Praxis sehr oft bei der Geschaftsmodell-Entwicklung angewandt wird.

3.4 Durchfuhrung der Interviews

Wegen zeitlicher und okonomischer Vorteile wurden die meisten Interviews am Telefon durchgefuhrt (Berg 2007). Kontroll- und Informationsverlust wurden in Kauf genommen, da sie als weitestgehend unbedenklich eingeschatzt wurden (Glaser & Laudel 2010). Die meisten Interviews wurden alleine durchgefuhrt und digital aufgezeichnet. Die Interviewdauer betrug zwischen 30 und 70 min, im Durchschnitt ca. 50 min.

Die Interviews wurden anschlieteend im Sinne der Forschungsfrage in die drei Bereiche inhaltsbezogene, ergebnisbezogene und prozessbezogene Aspekte unterteilt und zusammenfassend unter Anreicherung mit wortlichen Zitaten transkribiert (AnhangA).

3.5 Auswertung

Im Anschluss an die oben beschriebene Transkription fand eine regel- und theo- riegeleitete Auswertung gemate der qualitativen Inhaltsanalyse nach Glaser und Laudel (2009) statt. Die qualitative Inhaltsanalyse ist in vier Schritte unterteilt. Am Anfang steht die Erstellung eines Suchrasters. Der zweite Schritt beinhaltet die Extraktion relevanter Daten mithilfe des Suchrasters aus den vorliegenden Transkripten. Anschlieteend werden die extrahierten Daten aufbereitet und ausgewertet. Dieses regelgeleitete Verfahren soll die Gleichberechtigung des gesamten qualitativen Materials sicherstellen (Glaser & Laudel 2010).

3.5.1 ErstellungdesSuchrasters

Der erste Schritt der qualitativen Inhaltsanalyse ist die Erstellung eines Such- rasters, mit dessen Hilfe die Daten aus den Transkripten ubernommen werden konnen. AufBasis der Forschungsfrage, der ex ante aus der Theorie abgeleiteten Propositionen und des Fragebogens konnte ein Suchraster mit einem Katego- riesystem entwickelt werden (Tabelle 3). Um die Offenheit des Forschungspro- zesses sicherzustellen, wurde mehrmals bei gegebenem Anlass das Kategorien- system verandert (Glaser & Laudel 2010). Auf dieser Grundlage wurden zu- sammenfassende Protokolle jedes Interviews in Anlehnung an Mayring erstellt (Mayring 2002).

Tabelle 3: Das Suchraster

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.5.2 Extraktion

Das erstellte Suchraster diente dazu, alle fur die Beantwortung der Forschungs- frage relevanten Daten aus den Transkripten zu entnehmen und sie den Katego- rien im Suchraster zuzuordnen (Glaser & Laudel 2010). Dazu musste der Inhalt der Transkripte bezuglich Kategorisierung, Relevanz und Beschreibung inter- pretiert werden (Glaser & Laudel 2010; Mayer 2006).

Auf diese Art und Weise entstand umfangreiches Extraktionsmaterial zu rele­vanten Informationen, wodurch die Originalskripte nur bei Schwierigkeiten er- neut analysiert werden mussten.

3.5.3 Aufbereitung und Analyse der Daten

Mithilfe der Extraktionstabellen jedes einzelnen Interviews wurde nun eine Ubersichtstabelle (Anhang D) erstellt und dabei jeweils fallspezifische Begriffe und Aussagen generisch formuliert, ohne den Sinn zu verfalschen. Die Uber­sichtstabelle erlaubte es, vorab einige Muster in den Interviews zu erkennen. Die entdeckten Muster in der Ubersichtstabelle und die aus der Forschungsfra- ge entstehenden Fragen sowie die ex ante formulierten Propositionen waren Ausgangspunkt fur die Entwicklung mehrerer Vergleichstabellen. Uber die Ver- gleichstabellen konnten die entdeckten und die aus der Theorie erwartbaren Muster uberpruft werden. Unterschiede zwischen Empirie und Theorie wurden hier besonders beleuchtet.

Anschlieteend wurden diese Daten analysiert, um die Forschungsfrage, die Rolle von Imitation bei der Geschaftsmodellentwicklung, beantworten zu konnen. Die Ergebnisse aus der Extraktionstabelle, der Ubersichtstabelle und der Vergleich- stabelle wurden analysiert und mit den theoretischen Befunden verglichen und erweitert, um die empirischen Befunde mit der Theorie zu verbinden.

[...]


[1] Siehe Tabelle 12: Geschaftsmodell in der Literatur nach George & Bock.

[2] Merrill Lynch's hat sein Geschaftsmodell am Supermarkt orientiert und Toys’R’us hat Walmarts Geschaftsmodell imitiert (Shenkar 2010).

Ende der Leseprobe aus 115 Seiten

Details

Titel
Die Rolle von Imitation im Geschäftsmodell-Innovationsprozess. Eine empirische Analyse
Hochschule
Zeppelin University Friedrichshafen  (Institut für Innovation Management EADS)
Veranstaltung
Corporate Management and Economics
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
115
Katalognummer
V207771
ISBN (eBook)
9783656937180
ISBN (Buch)
9783656937197
Dateigröße
1366 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rolle, imitation, geschäftsmodell-innovationsprozess, eine, analyse
Arbeit zitieren
Simon Tüchelmann (Autor:in), 2012, Die Rolle von Imitation im Geschäftsmodell-Innovationsprozess. Eine empirische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207771

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