„Da brauchst’ einen guten Magen“

Systemisch orientierte Prozessberater in der Wahrnehmung ihrer Kunden


Masterarbeit, 2010

121 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Hintergrund und Zielsetzung
1.1. Anregungen zum Forschungsgegenstand
1.2. Zielsetzung
1.3. Die Rolle des Autors

2. Die Systeme
2.1. Das Kundensystem - die Media-Analyse
2.1.1. Hintergrund
2.1.2. Besonderheiten der Media Analyse
2.1.3. Der MA – Erneuerungsdialog
2.2. Das Beratersystem
2.2.1. Hintergrund
2.2.2. Zugangshinweise für systemische Orientierung :
2.3. Das Beratungssystem
2.3.1. Die Prozessarchitektur
2.3.2. Erste Ergebnisse

3. Systemisch orientierte Beratung
3.1. Quellen systemisch orientierter Beratung
3.2. Theoriegeleitete Denkmodelle
3.2.1. Autopoiesis
3.2.2. Rekursivität
3.2.3. Blinde Flecken
3.2.4. Blinde Flecken verkleinern
3.2.5. Feedback und Feedback-Arten
3.3. Arbeitsmodelle
3.3.1. Zirkularität
3.3.2. Kommunikation
3.3.3. Kontext
3.4. Interventionen
3.4.1. Interventionsverständnis
3.4.2. Irritationen
3.4.3. Ankoppelung
3.5. Weitere Aspekte
3.5.1. Neutralität und Allparteilichkeit
3.6. Abgrenzung zur klassischen Beratung
3.7. Beratung – ein schwieriges Unterfangen

4. Methodik
4.1. Beschreibung der Untersuchungsinstrumente
4.1.1. Leitfaden-Interviews als wissenschaftliche Technik
4.1.2. Durchführung der Leitfaden-Interviews
4.1.3. Die Auswahl der Interviewpartner
4.1.4. Der Gesprächsleitfaden
4.1.5. Vorbereitung der Auswertung
4.2. Auswertungsmethode
4.2.1. Die qualitative Inhaltsanalyse
4.2.2. Strukturierung
4.2.3. Zusammenfassung
4.2.4. Darstellung der qualitativen Inhaltsanalyse

5. Ergebnisse: Die Kunden-Wahrnehmungen
5.1. Darstellung der Ergebnisse
5.1.1. Eingangshaltungen der Kunden
5.1.2. Externe bringen Neutralität ein
5.1.3. Arbeitstechniken
5.1.4. Sicht auf die Berater
5.1.5. Positiv wahrgenommene Interventionen
5.1.6. Verstörende Irritationen
5.1.7. Andere Erfolgsfaktoren
5.1.8. (Zwischen)Resultate des Erneuerungsdialoges
5.2. Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
5.3. Diskussion der Ergebnisse
5.3.1. Kommunikation – Zirkularität – Kontext
5.3.2. Intervention – Irritation – Verstörung
5.3.3. Ankoppelung
5.3.4. Autopoiesis – Rekursivität
5.3.5. Beobachtung – blinder Fleck

6. Ausblick und Schlussfolgerungen

7. Quellenverzeichnis
7.1. Verzeichnis Internetquellen, Zeitungen und sonstige Quellen
7.2. Literaturverzeichnis

1. Hintergrund und Zielsetzung

1.1. Anregungen zum Forschungsgegenstand

In der theoretischen Literatur sowie in den Praxishandbüchern zur systemischen Beratung nehmen das Thema der Beobachtungen – insbesondere 1. und 2. Ordnung – sowie der Themenkreis der blinden Flecken von Systemen einen prominenten Platz ein. Sie werden aus vielen unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen theoretischen Bezügen diskutiert und beleuchtet. Stellvertretend für die Fülle an Artikeln und Beiträgen zu diesen beiden Themen sei an dieser Stelle das von Falko von Ameln herausgegebene Buch „Organisationsberatung beobachtet – Hidden Agendas und blinde Flecken“ (Ameln, 2009) angeführt, das sowohl die Beobachtung als auch die blinden Flecken programmatisch im Titel trägt und in dem sich allein 6 Beiträge von Autoren wie von Ameln, Kühl, Mohe, Wimmer und Moldaschl explizit zu den Fragen der Beobachtung und blinden Flecken finden.

Der Verein Media-Analysen gab im Jahr 2008 systemisch orientierten Mediatoren den Auftrag, einen sogenannten „Erneuerungsdialog 10“ zu begleiten. Der Autor dieser Untersuchung konnte an einer der Großveranstaltungen dieses Erneuerungsdialoges als Gast und somit als Beobachter teilnehmen. Der Autor war abgesehen vom Besuch dieser Großveranstaltung in keiner Weise in den „Erneuerungsdialog 10“ involviert.

Im Zuge dieser Veranstaltung konnte der Autor einige Beobachtungen von nonverbalen Äußerungen der Teilnehmer (wie Seufzen, Sesselscharren und nahezu kollektive gleichzeitige Versenkung in mobile Kommunikationsmittel) als Reaktionen auf Handlungen, Aussagen, Interventionen und Interventionsversuchen der Berater machen, die ihn zur vorliegenden Arbeit angeregt haben.

Eine weitere Inspiration zur Findung der Fragestellung war das Buch „Every Day Gets a Little Closer“ von Irvin D. Yalom und Ginny Elkin. Darin wird ein halbes Jahr jede Sitzung der psychoanalytischen Therapie der Klienten Elkin aus zwei Perspektiven beschrieben – aus der des Therapeuten und der der Klientin. Der Therapeut zeichnet nach jeder Sitzung seine Vermutungen über die Wirksamkeit und Nützlichkeit seiner Interventionen und seiner psychoanalytischen Deutungen auf. Parallel schreibt die Klientin nach jeder einzelnen Sitzung dieses Zeitraumes ihre Wahrnehmungen und Beobachtungen auf: was sie als hilfreich und förderlich, aber auch als hinderlich und störend erlebt hat. Dies stellt eine parallele Beobachtung über einen längeren Zeitraum dar, in der massive Unterschiede zwischen den Wahrnehmungen des Therapeuten und der Klientin sichtbar werden: Interventionen, die der Therapeut für besonders gelungen hält, werden von der Klientin zum Teil als arrogant und überheblich wahrgenommen. Die Klientin hingegen hält kleine, in Nebensätzen verborgene Ermutigungen und Komplimente für nützlich und förderlich – diese finden sich kaum jemals in den Protokollen des Therapeuten (vgl. Yalom, 1974, z.B. S.50-52). Es lassen sich zum Teil stark unterschiedliche bis diametrale Zuschreibungen zu den Interventionen erkennen.

Tatsächlich scheint dieses Setup von Yalom geeignet, die Wahrnehmungen der Klientin in einer Form zu erfassen, die auch als „Beobachtung“ des therapeutischen Prozesses verstanden werden kann. Diese Beobachtungen werden mittels der gesammelten Protokolle als Feedback der Klientin transparent und zugänglich gemacht und können dazu genützt werden, blinde Flecken des Therapeuten ein wenig zu reduzieren.

Diesen Aspekt versucht auch die vorliegende Arbeit zu nützen: die Gewinnung einer spezifischen, bislang in der Literatur wenig beachteten Form von Feedback der Kunden und Teilnehmer am Beratungsprozess.

1.2. Zielsetzung

Zielsetzung ist es, mittels qualitativer Forschung bislang verborgene Wahrnehmungsmöglichkeiten der Kunden in einem ausgewählten Beratungsprozess zugänglich zu machen und damit möglicherweise Anregungen für weitere vertiefende Forschungsprojekte zu geben und auch Erkenntnisse für die eigene beraterische Praxis zu gewinnen.

Um diese Zielsetzungen zu erreichen lauten die Kernfragen dieser Arbeit: Welche Beobachtungen machen die Teilnehmer, die Kunden des systemisch orientierten Beratungsprozesses zum „Erneuerungsdialog 10“? Und welche Irritationen werden wahrgenommen? Welche dieser Irritationen werden als nützlich irritierend (im Sinne von: zu einem gewünschten Ergebnis beitragend) gesehen und welche werden als vorwiegend oder ausschließlich unproduktiv störend wahrgenommen?

1.3. Die Rolle des Autors

Der Zugang des Autors zu den befragten Führungskräften war aufgrund spezifischer Voraussetzungen möglich. Da diese möglicherweise einen Einfluss auf die von den Befragten wiedergegebenen Beobachtungen haben (z.B. in Bezug auf Vollständigkeit, sozial erwünschte Antworten und/oder Selbstoffenbarung (vgl. Reinecke, 1991)), seien diese Voraussetzungen an dieser Stelle kurz skizziert.

Der Autor ist seit 2004 in unterschiedlichen Funktionen für den Verein Media-Analysen tätig: Von 2004 bis 2008 war er Vorsitzender des Programmausschusses und seit 2008 ist er Vorsitzender des Kontrollausschusses. Darüber hinaus besteht mit allen Befragten ein spezielles Vertrauensverhältnis, das aus ehemaligen oder aufrechten Kunden-/Dienstleisterbeziehungen, ehemaligen Arbeitsverhältnissen und/oder der gemeinsamen Zugehörigkeit zu Vereinen und Interessensvertretungen in der Werbe- und Medienbranche resultiert.

Dieses Vertrauensverhältnis hat wahrscheinlich dazu beigetragen, dass einzelne Interviews mit Führungskräften der ersten Ebene zustande kamen. Andererseits besteht dadurch das Risiko, dass spezifische Aspekte der wiedergegebenen Beobachtungen besonders betont, weggelassen oder verfremdet wurden. Der Aspekt der willentlichen und unwillentlichen Verfremdung der Wiedergabe in der Interviewsituation in Form von sozial erwünschten Antworten kann auch bei Interviews zwischen einander unbekannten Personen einen Einfluss haben – allerdings vermutlich einen anderen (ebd., S.26).

Zudem sei darauf verwiesen, dass der Autor mehrere Ausbildungen in systemisch orientierten Beratungsformen durchlaufen hat. Seine beraterischen Präferenzen liegen bei Modellen mit kurzzeittherapeutischen und hypno-systemischen Ansätzen (u.a. Steve de Shazer und Prof. Dr. Gunter Schmidt), die daher gelegentlich als Referenz verwendet werden. Es ist auch nicht auszuschließen, dass auch einige Gesichtspunkte durch die Brille dieser beraterischen Prädisposition betrachtet werden – und die damit einhergehenden Verzerrungen immanent sind.

2. Die Systeme

2.1. Das Kundensystem - die Media-Analyse

2.1.1. Hintergrund

2.1.1.1. Inhalt und Aufgabe

In Österreich wurden im Jahr 2009 für klassische Werbung 2,70 Milliarden Euro aufgewendet. Unter klassischer Werbung werden in der Aufstellung Focus Media Research die Werbeaufwendungen für elektronische Medien (TV, Hörfunk), Print (Tageszeitungen, regionale Wochenzeitungen/Illustrierte, Fachzeitschriften) und Sonstige (Kino, Außenwerbung, Gelbe Seite, Online) verstanden. Die Aufwendungen für Print betrugen 2009 1,53 Milliarden Euro, das sind mit 56,7% mehr als die Hälfte (vgl. Focus Media Research, 2010).

Werbetreibende Unternehmen erwarten für die Entscheidung über ihre Werbeinvestition möglichst objektive, vergleichbare Daten über die zu erwartende Reichweite ihrer Werbeschaltung. Dazu wurden 2009 vier verschiedene Reichweitenstudien durchgeführt: der Teletest zur elektronischen Messung der TV-Reichweiten, der Radiotest zur Erhebung der Hörfunksendungen, die Regioprint zur Erhebung der Reichweiten der (insbesondere regionalen) Gratiszeitungen. Kaufzeitungen und Kaufzeitschriften wurden primär in der Media-Analyse erhoben.

Laut ihrem Selbstverständnis ist die MA „die größte Studie zur Erhebung von Printmedienreichweiten in Österreich und liefert darüber hinaus fundierte Einblicke in die Lebensverhältnisse und in die Konsumwelt der Österreicher.“ (Media-Analyse, 2010) Eine Fülle von unterschiedlichen Fragen (Besitzdaten, Einstellungen und Interessen, Anschaffungswünsche, Konsumgewohnheiten, Mobilität etc.) „heben den Wert der Studie weit über den einer reinen Reichweitenerhebung hinaus. So stellt sich die Media-Analyse als eine der größten soziologischen Studien Österreichs dar.“ (ebd.)

Nicht nur vom Umfang der Studie sondern auch von der Qualität und Wertigkeit stellt die MA einen hohen Anspruch:

„[…], dass die Media-Analyse - trotz mancher berechtigter (und auch manch unberechtigter) Kritik - ein wirklich international anerkanntes Spitzeninstrument der Medienmessung ist, das sich insbesondere durch hohe Kontinuität, Stabilität, Validität und Fairplay unter den Medien auszeichnet. Die MA hat sich als die beste und ‚härteste Währung’ am Markt der werbetreibenden Wirtschaft bewiesen und wird dies auch in Zukunft sein.“ (ebd., Vorwort des Präsidenten).

2.1.1.2. Historische Entwicklung der Media Analyse

Im Jahr 1965 wurde die erste Media Analyse durchgeführt und bereits in der ersten Studie wurde ein Allmedia-Ansatz (Printmedien, TV, Hörfunk, Kino) konzipiert. Damals war sie die einzige Erhebung von Medienreichweiten. In mehreren Anpassungsschritten wurde sie zum aktuellen Modell entwickelt: Ganzjahresstudie (1988), jährliche Durchführung (1992), Integration der Konsum-Analyse (2001) sind wesentliche Entwicklungsschritte, die wachsende Bedürfnisse der Werbekunden widerspiegeln. (ebd.)

Auch das Konkurrenzumfeld der MA hat sich wesentlich verändert, indem große Mediengattungen eigene Studien lanciert haben.

Seit 1981 werden die Fernsehreichweiten in eigenen Studien erhoben. Seit der Einführung einer elektronischen Messung der TV-Reichweiten im Jahr 1991 argumentieren die im Teletest gemessenen TV-Sender damit „sekundengenaue, personenbezogene Nutzungsdaten für alle Fernsehkanäle“ und damit sehr „harte Daten“ zur Verfügung zu stellen. Im Vergleich dazu werden die Ergebnisse der MA aus der Befragung von den Agenturen und den TV-Sendern häufig als „weiche“ Daten bezeichnet. (vgl. Koschnik, 2010) 1993 wurde der Radiotest eingeführt, in dem die Hörfunkreichweiten telefonisch erhoben werden. (ebd.)

Da sich die MA in ihren Statuten auf die Erhebung der Reichweiten für Printtitel von (nahezu ausschließlich) Kauftiteln verständigt hatte, führten 1999 die regionalen Gratisprintmedien eine eigene Studie, die Regioprint, ein. (ebd.)

Alle diese zusätzlichen Studien haben in der einen oder anderen Form zu Diskussionen in der und über die MA geführt. Beispielhaft sei Koschnick zitiert: „Seit 2008 wird wieder verstärkt über eine Reform der Media-Analyse diskutiert. Vor allem die Nicht-Ausweisung der Gratiszeitungen in der MA führt bei vielen Mediaentscheidern dazu, dass sie durch die MA den relevanten Printmarkt nicht mehr als realitätsnah abgebildet betrachten.“ (ebd.).

Trotz all dieser neuen Studien wurde und wird die MA weiter als All-Media-Studie durchgeführt, um eine rudimentäre Vergleichsmöglichkeit der Mediennutzung nach konsum- oder soziodemographischen Zielgruppen zu ermöglichen.

2.1.2. Besonderheiten der Media Analyse

2.1.2.1. Methodik

Pro Jahr werden im Rahmen der Media-Analyse rund 16.000 persönliche Interviews repräsentativ für die österreichische Wohnbevölkerung in Privathaushalten durchgeführt. Neue technische Möglichkeiten und auch veränderte Lebensgewohnheiten der Österreicher haben zu einer Reihe von tiefgreifenden methodischen Anpassungen insbesondere in den letzten Jahren geführt (vgl. Media-Analyse, 2010).

Ursprünglich wurde die Befragung mittels eines Papierfragebogens durchgeführt, seit 2005 wurde „zu 100% auf CAPI/CASI (Computer Assisted Personal Interviews/Computer Assisted Self Interviews) umgestellt, wobei der gesamte Komplex der Printmedienabfrage nun vom Respondenten selbst beantwortet wird (CASI)“ (ebd.).

Die stetig sich verändernden Konsum- und Marktgegebenheiten führten zunehmend auch zu einer immer schwierigeren Erreichbarkeit der Respondenten in den bis 2008 ausschließlich per Zufallstichprobe gezogenen Zielhaushalten. Im Jahr 2008 wurde das „Extended Random Sampling“ eingeführt, ein gemischtes Samplingverfahren mit einem hohen Anteil an Zielpersonen an Zufallsadressen (rund 80%). Die restlichen rund 20% der Zielpersonen werden mittels Quotavorgaben von den Interviewern selbständig an „ortsnahen Adressen“ im Samplingpoint ausgewählt.

Trotz all dieser methodischen Anpassungen wird zum Beispiel vom Generalsekretär des VÖZ (Verbandes Österreichischer Zeitungen) in einem Interview in der Tageszeitung „Die Presse“ formuliert: „Soll man messen oder befragen? Dass sie auf einer Befragung beruhe, sei derzeit die ‚größte Schwäche’ der Media Analyse.“ (Die Presse, 27.8.2008)

2.1.2.2. JIC - Joint-Industry-Commitee

Eine der Besonderheiten der Media-Analyse ist ihre Organisation als JIC, als Joint-Industry-Commitee. In dieser Organisationsform sitzen Beteiligte mit diametral unterschiedlichen Interessen in den Gremien der MA: Die Vertreter der Printmedien, der konkurrierenden elektronischen Medien, sowie deren aller wichtigste Auftraggeber, die Mediaagenturen.

An der Media-Analyse 08/09 nahmen teil

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 1: Teilnehmer an der Media-Analyse. (Media-Analyse, 2009, S.6f)

Die Vertreter der Printmedien als Anbieter von Werbefläche erwarten von der MA möglichst hohe Reichweiten der Printmedien im allgemeinen und der Titel des eigenen Verlagshauses im Besonderen, um im intermedialen Wettbewerb (dem Wettbewerb mit TV und Radio) und dem intramedialen Wettbewerb (mit den unmittelbaren Konkurrenzblättern) sich als Mediengattung auch einen möglichst hohen Anteil an den Werbeinvestitionen zu sichern und möglichst gute Argumente für die Preiswürdigkeit ihrer Angebote an Inseraten zu haben.

Die Mediaagenturen hingegen sind an einer möglichst exakten, realitätsnahen Abbildung der Reichweiten und der daraus errechneten Kontaktschancen für Werbemaßnahmen interessiert. Von Seiten der Agenturen wird wiederholt die Vermutung ventiliert, dass mit den aktuell eingesetzten Methoden der persönlichen Befragung und mit den zur Reichweitenerhebung verwendeten Fragen das tatsächliche Nutzungsverhalten von Printmedien nicht sehr exakt abgebildet wird und die Reichweiten eher zu hoch abgebildet werden.

Zusätzlich sind in den Entscheidungsgremien auch noch Vertreter der elektronischen Medien TV und Radio vertreten, da im Rahmen der Ausrichtung der Media-Analyse als All-Media-Studie auch die Daten der Spezialstudien Teletest für TV und Radiotest für Hörfunk in den Datensatz der Media-Analyse fusioniert werden. Das Interesse der Vertreter der elektronischen Medien in den Gremien ist primär auf die Stärkung der eigenen Mediengattungen im Wettbewerb mit Print gerichtet.

Diese stark divergierenden und für die Medien auch vitalen Interessen sind der Hintergrund für ein stetig hohes Konfliktpotential und ein traditionell Konflikt durchwobenes Arbeiten in den Organisationsstrukturen und Gremien der MA.

2.1.2.3. Der Verein und seine Organe

Laut Statuten sind dem Präsidium „die Führung der Vereinsgeschäfte übertragen“. In der Wahrnehmung der Mitglieder der MA wird das Präsidium „als eigentlicher Ort der Grundsatzdiskussionen angesehen, dort kann ein inhaltlicher Austausch stattfinden, dort werden die zentralen Entscheidungen vorbereitet“ (Konfliktkultur – Kulturkonflikt, 2008, S.11).

Der Vorstand hat laut Statuten eine Fülle von Aufgaben. Hier seien nur die für den Hintergrund der vorliegenden Arbeit relevanten und zu einem besseren Verständnis beitragenden ausgewählt: Die Aufnahme und der Ausschluss von Mitgliedern, die Entscheidung über die Form der Veröffentlichung, das Verhängen von Ordnungsmaßnahmen (vgl. Media-Analyse, 2010). Die Sitze im Vorstand sind mit 28 limitiert und auf Grund der Fülle von Teilnehmern, die ihre Interessen in der MA direkt vertreten wollen, eine begehrte aber knappe Ressource. In der Wahrnehmung der Teilnehmer der MA erfolgt „die Zusammensetzung des Vorstands […] strategisch entsprechend den wahrgenommenen Machtverhältnissen in den Subgruppen. […] Der Vorstand wird als Interessensvertretungsorgan der jeweiligen Mitglieder wahrgenommen (Pfründesicherung), es wird bezweifelt, ob er eine allparteiliche Perspektive im Sinne des Auftrages der Organisation wahrnehmen kann.“ (Konfliktkultur – Kulturkonflikt, 2008, S.11)

Die methodische Qualitätssicherung und die methodische Weiterentwicklung obliegen laut Statuten dem Programmausschuss. Dort werden laut Statuten „Institutsauswahl, Fragebogenaufbau, Fragestellung, Durchführung und Auswertung der Untersuchung“ vorbereitet und dem Vorstand zur Entscheidung vorgelegt bzw. empfohlen. Neben dieser tatsächlichen methodischen Funktion hat sich der Programmausschuss zu einem Sammelbecken für Mitglieder entwickelt, die zumindest in einem entscheidungsvorbereitenden Gremium der MA ihre Interessen vertreten wollen. Dieser Zugang und die daraus resultierende hohe Anzahl von 28 Mitgliedern des Programmausschusses werden von den Teilnehmern wie folgt rezipiert:

„In diesem Gremium kommt es immer wieder zu Spannungen und Frustrationen, da für manche Diskussionen die notwendigen fachlichen Kompetenzen bei einzelnen Mitgliedern fehlen.“ (edb.)

Daneben gibt es noch weitere Ausschüsse und Organe (Kontrollausschuss, Geschäftsführung, Finanzausschuss etc.).

Eine Verdeutlichung der jeweiligen Größe der Interessensparteien, sowie eine Kategorisierung nach Zugehörigkeiten und den daraus resultierenden Hauptinteressensfeldern soll die folgende Übersicht geben.

Gremienzusammensetzung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 2: Teilnehmer an der Media-Analyse. (Media-Analyse, 2009, S.4f)

Methodische Weiterentwicklungen der MA müssen in diesen drei Gremien (vor allem Programmausschuss und Vorstand) entwickelt und beschlossen werden. Jede methodische Veränderung (wie z.B. Fragebogenänderungen, CASI/CAPI-Methodik, Samplingumstellungen, Veränderungen des Gewichtungsverfahrens, etc.) bedeutet naturgemäß einen Eingriff in den vertrauten Status Quo. Dies löst häufig Befürchtungen aus, dass die Reichweite eines Titels steigen oder fallen werde und damit Nachteile im intramedialen Wettbewerb entstehen könnten. Eine weitere Befürchtung, die methodische Entwicklungen in der Vergangenheit häufig verzögert oder unmöglich gemacht hat, ist, dass die Reichweiten von Print gesamt reduziert dargestellt würden, sowie, dass bestimmte Bevölkerungssegmente in der Adressziehung und auch von Interviewern systematisch zu viel oder zu wenig erreicht würden.

Vor diesem mit unterschiedlichen Interessen und unterschiedlichem Fachwissen aufgeladenen Hintergrund gewünschte und/oder notwendige Veränderungen zu verhandeln, führte in der MA und über die MA in der Vergangenheit wiederholt zu heftiger Kritik, zu langwierigen Diskussionen und zu jahrelangen Blockaden bei bestimmten Reformprojekten.

2.1.3. Der MA – Erneuerungsdialog 10

Am 19. September 2008 wurde erstmals die Öffentlichkeit über den so genannten „Erneuerungsdialog 10“ der MA informiert. Als Begründung wurde hauptsächlich „die Aufnahme von Gratis- und Onlinemedien in die Media-Analyse [angeführt …], der über "hybride bzw. kostenlose" Medienangebote Klarheit schaffen soll.“ Als weitere Ziele wurden formuliert: „Neue Spielregeln müssen entwickelt und Konsens über die Aufgaben, Methoden und Perspektiven der MA erarbeitet werden“, mit dem Ziel das„Vertrauen in die MA zu stärken und Klarheit über die zukünftigen Aufgaben sowie die dazu notwendigen Strukturen, Ressourcen und Methoden zu gewinnen“ (DerStandard.at, 19.9.2008)

Wie massiv das Vertrauen in die MA zum Teil auch öffentlich in Frage gestellt wurde, zeigt der folgende Kommentar des Chefredakteurs der „Presse am Sonntag“, Michael Fleischhacker, vom 4. Oktober 2010:

„Wenn die Media-Analyse (MA) erscheint, ist in der Branche kein Halten mehr. Obwohl inzwischen jeder weiß, dass es sich dabei um eine weitgehend sinnfreie Methode zur Ermittlung von Zeitungsreichweiten handelt, halten alle Beteiligten wacker durch. Irgendwo gewinnt ja jeder und sei es nur der Spitzenwert in der für die Luxustraktorenhersteller besonders wertvollen Zielgruppe der homosexuellen burgenländischen Bergbauern.“ (Die Presse, 4.10.2009, S.2)

In diesem Fall setzen von der MA ausgewiesene Reichweitenzuwächse eines Mitbewerbers heftige Emotionen frei. In weiterer Folge formuliert Fleischhacker noch „welchen Drogencocktail muss man sich eigentlich ins Hirn gestellt haben, um zu glauben“ und „die Werbekunden haben sich mit dem Betrug abgefunden, den die MA für sie darstellt“. (ebd.)

Dieser Kommentar in extremer Ausprägung erschien während des bereits laufenden „Erneuerungsdialoges 10“. Die transportierte Grundstimmung ist jedoch in vielfältiger und variabler Form seit mehreren Jahren präsent und war mit einer der Gründe für die Initiierung des „Erneuerungsdialoges 10“. Summierend wird die Haltung von Leskoschek, Vorstand der Styria Multi Media in einem Interview zusammengefasst: „Jeder [Printmedienvertreter] empfände die MA dann als perfekt, […] ließe sie ihn so stark erscheinen, wie er zu sein glaubt.“ (A3Boom, 2010, S.81)

2.2. Das Beratersystem

2.2.1. Hintergrund

Mit der Durchführung des Beratungsprojektes des Vereins Media Analysen wurde das Unternehmen „Kulturkonflikt – Konfliktkultur“ beauftragt. Mit diesem Unternehmen hatten einige Teilnehmer bereits Vorerfahrungen in einem anderen Prozess der Medienbranche (ÖAK – Österreichische Auflagenkontrolle) gesammelt.

Das Beratungsunternehmen „Konfliktkultur-Kulturkonflikt“ ist in seiner Selbstdarstellung auf der Website eindeutig als Mediations-Unternehmen positioniert. Die beiden Protagonisten des Unternehmens sind beide in universitären Kontexten in der Lehre und/oder Forschung zu Mediation tätig. Beide publizieren regelmäßig zu diesem Themenkreis.

Wie lässt sich nun die aktuelle Forschungsfrage zu dem Projekt als „systemisch orientiert“ vor diesem stark mediatorischen Hintergrund erklären? Den Zugang des Autors soll die folgende Auflistung von Zugangshinweisen verdeutlichen.

2.2.2. Zugangshinweise für systemische Orientierung :

Systemische Vernetzung: Von den auf der Website von „Konfliktkultur-Kulturkonflikt“ angeführten 12 Kooperationspartnern sind vier eindeutig dem Bereich Mediation zuzurechnen und weitere zwei dem Bereich „Sonstige“ (Hirnforschung bzw. Wirtschaft). Die verbleibenden sechs Kooperationspartner, das ist exakt die Hälfte, werden als systemisch orientierte Berater, Coaches, Therapeuten und Lehrende ausgewiesen. Darunter finden sich z.B. auch Weiterentwickler der systemischen Aufstellungsarbeit wie Mathias Varga von Kibéd. Zu klassischen Experten- und Strategieberatern findet sich hingegen keine einzige Vernetzung des beauftragten Beratungsunternehmens (vgl. konfliktkultur.com/personen, 2010).

Offene Prozessarchitektur: Als eine wesentliche Größe in systemischen Beratungsprozessen wird die Prozessarchitektur gesehen, in der festgelegt wird, „ dass etwas stattfindet und was stattfindet“ (Königswieser, 2008, S.56f, Hervorhebungen im Original), wobei das Spezifische an systemischen Prozessarchitekturen ihr offener und evolutionärer Zugang (gegenüber dem ‚hierarchisch durchkomponierten’ Zugang klassischer Strategieberatung (vgl. Nagel, 2001, S.18)) ist. Beim „Erneuerungsdialog“ lassen sich viele klassische Elemente systemischer Prozesse erkennen, wie die vereinfachte und verkürzte Darstellung der Prozessarchitektur zeigt (siehe Abschnitt ‎2.3.1). Die Arbeitsgruppen „Media-Server“ und „Regionalmedien“ wurden erst nach der Analyse und Großgruppe installiert – was dem offenen und evolutionären Anspruch Nagels entspricht, die Anliegen der „Subsysteme [im vorliegenden Fall der Stakeholder] in ausreichendem Maße“ in die Diskussion einzubeziehen (ebd. S. 19).

Systemische Aspekte: Wesentliche Aspekte systemischen Arbeitens wie Zirkularität, Kommunikation und Kontextbezogenheit (vgl. Schmidt, 2005, S.53) können an dem von „Konfliktkultur-Kulturkonflikt“ aufgesetzten Prozess klar herausgelesen werden. (Diese drei Begriffe und ihr Bezug zur systemischen Arbeit werden im Abschnitt ‎3.3 detaillierter vorgestellt.)

Selbstdefinition: In einem persönlichen Gespräch mit dem Autor dieser Untersuchung beschreibt ein hauptsächlich involvierter Berater seinen Teil der Beratungsarbeit als „Mediation natürlich vor einem systemischen Hintergrund“. Der Schwerpunkt der Leitfaden-Interviews fokussierte daher auch stark auf jene Veranstaltungen des „Erneuerungsdialoges“, die von diesem systemisch orientierten Berater geleitet wurden.

Aufgabenstellung des Erneuerungsdialoges: Ausgangspunkt des Projektes waren (wie vorab beschrieben) die zum Teil heftige Kritik an den Ergebnissen und der von einigen Stakeholdern als unverständlich empfundene Arbeitsstil der Media-Analyse. Die vom Präsidium definierte Aufgabenstellung für den „Erneuerungsdialog 10“ geht somit über eine reine Konfliktlösung hinaus und reicht weit in strategische Entwicklungsarbeit und Gestaltung einer gewünschten Zukunft hinein – Kernarbeitsfelder systemisch orientierter Beratung (vgl. Wimmer, 1999). Um es auch noch mit den Zielsetzungen systemischer Beratung abzugleichen: „Ziel systemischer Beratung ist es, langfristige und nachhaltige Lern- und Erneuerungsprozesse zu initiieren und zu begleiten, um Systeme (Organisationen) überlebensfähiger, erfolgreicher und effizienter zu machen“ (Königswieser, 2008, S.20).

Vor diesem Hintergrund – der Fülle und Vielfalt an Zugangshinweisen auf systemisch orientiertes Arbeiten und der Fokussierung der Studie auf jene Veranstaltungen mit der stärksten systemischen Orientierung – scheint es gerechtfertigt, den untersuchten „Erneuerungsdialog“ unter systemisch orientierte Beratungsprojekte einzureihen. Es scheint dem Autor auch zulässig, die Ergebnisse der Studie als Hinweise für potentielle blinde Flecken bzw. für von Kunden wahrgenommene Stärken und Schwächen der systemisch orientierten Beratung zu lesen und diese Learnings in allfällige weitere Untersuchungen zu diesen Fragen bei rein systemisch orientierten Prozessen (sofern solche existieren) einzubeziehen. Diese Auffassung lässt sich auch von der aktuellen kritischen Selbstreflexion der systemischen Praxis stützen: „Offenkundig ist systemische Methodik also keine Voraussetzung für systemisches Arbeiten“ (Ameln, 2009, S. 118).

2.3. Das Beratungssystem

2.3.1. Die Prozessarchitektur

Da Prozessarchitekturen „einen Kern der systemischen Methodik“ (vgl. Ameln, 2009, S.117) für Veränderungsprojekte darstellen, wird die Prozessarchitektur aus den Aussagen der befragten Teilnehmer im folgenden Diagramm rekonstruiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 3 Vereinfachte Prozessarchitektur nach Aussagen der Befragten vom Autor rekonstruiert, bis inklusive Juli 2009)

Es finden sich klassische Designelemente von systemisch orientierten Beratungsprojekten, wie eine Analysephase mit einer Befragung der Stakeholder. Es gab im weiteren Verlauf zwei Großgruppenveranstaltungen, die der Rückspiegelung der Ergebnisse an nicht unmittelbar in die Entscheidungsfindung der MA involvierte Stakeholder (auch als „Elefantenrunde“ bezeichnet) dienten, sowie eine erweiterte Vorstandssitzung der MA, bei der ebenfalls Zwischenberichte an die nicht unmittelbar am Prozess Beteiligten gegeben wurde. Es wurden eine Steuerungsgruppe für die Steuerung des Prozesses installiert und Arbeitsgruppen für spezifische Aufgaben geschaffen (vgl. Königswieser, 2008, S.57ff).

2.3.2. Erste Ergebnisse

Der „Erneuerungsdialog 10“ wurde – wie im Punkt „Kundensystem“ ausführlicher beschrieben – eingeleitet, um bestimmte offene Fragen zu behandeln: Abdeckung eines größeren Segmentes von Print (Öffnung der MA für Gratismedien), die von vielen Seiten zum Teil vehement gestellte Vertrauensfrage, sowie auch die Richtung allfälliger methodischer Weiterentwicklungen (z.B. „Messen statt fragen“). Der Analyseprozess wurde jedoch grundsätzlich ergebnisoffen gestaltet: „Auf Grundlage dieser Analyse sollen dann die Problemfelder und Themen definiert werden, die im Rahmen des Erneuerungsprozesses bearbeitet werden müssen“ (Konfliktkultur - Kulturkonflikt, 2008, S.2).

Die Analysephase selbst wurde bereits als „als wichtiges, positives Signal gesehen […], dass die MA sich wieder stärker um einen Dialog und Kontakt mit ihren Mitgliedern aber auch mit ihren Stakeholdern im Umfeld bemüht.“ (ebd. S.2) Dies kann auch so interpretiert werden, dass der Analyseprozess bereits als ein erster Schritt in Richtung einer vertrauensbildenden Maßnahme wahrgenommen wurde.

Bereits aus der Analysephase konnte ein wesentlicher Impuls in der Frage der Öffnung für Gratismedien aufgenommen werden. Diese Frage war in den Gremien der MA in den letzten Jahren (systemisch interpretiert) in sehr routinierter Form von zwar wechselnden Personen mit immer gleichen System bewahrenden Argumenten und Verhaltensweisen behandelt worden – mit immer demselben Ergebnis: Beendigung der Diskussion zur Bewahrung des Status Quo. Zuletzt hatte häufig schon ein Verweis ausgereicht, wie oft das schon abschlägig diskutiert worden sei, um die Diskussion frühzeitig zu beenden.

Für diese bis dato langwierige Frage wurde recht rasch eine Lösung gefunden. Bereits am 13. Mai 2009 wurde im Branchendienst Horizont.at gemeldet: „Die Media Analyse öffnet sich – auch – Gratismedien. [Der] Vorstand der ARGE Media Analyse beschließt einstimmig bei einer [Stimm-]Enthaltung ‚einen großen Schritt’ – ab 15.000 ‚relevante Auflage’ können (Gratis-) Printtitel beitreten.“ (Horizont.at, 13. Mai 2009).

In einem späteren Statement beschreibt der MA-Präsident Helmut Hanusch die jahrelang unmögliche Aufnahme der Gratismedien als "überraschend unkompliziert" (MedienManager.at, 2. Dezember 2009).

Als ein weiteres Zwischenergebnis kann eine grundsätzliche Diskussion über ein vollkommen neues Setup von Medienforschung verstanden werden. Ein europaweit neues und nahezu einzigartiges Konzept eines „Media-Servers“ mit „Satellitenstudien“ für die einzelnen Mediengattungen wurde in einer Serie von Arbeitsgruppensitzungen entworfen und wird sowohl in den Gremien der MA als auch in der Fachöffentlichkeit freundlich diskutiert.

Aus (systemischer) Sicht des Autors gab es einen weiteren potentiell wesentlichen Impuls aus dem „Erneuerungsdialog“. Der Aspekt der Kommunikation in der MA wurde von den Beratern grundsätzlich hinterfragt, analysiert und neu beschrieben. Dazu wurde ein Konzept der „unterschiedlichen Systemlogiken“ in entwickelt. Als die drei Leitdifferenzen dieser Logiken wurden beschrieben „ Richtig – Falsch: bei der Diskussion um die Methoden […]“, „ Gewinn – Verlust: in den Auseinandersetzungen um sinkende Reichweiten, in der Auseinandersetzung um Kauf-Gratis[titel]“, „ Macht – Ohnmacht: bei Gremiendiskussionen, […] Entscheidungsprozessen, Beziehung zwischen Agenturen und Verlagen.“ (Konfliktkultur - Kulturkonflikt, 2008, S.14, Hervorhebungen vom Autor).

Aus Sicht der Berater – und sie unterlegen dies mit Zitaten aus ihren Interviews – habe das Aneinandervorbeireden mit Hilfe dieser drei abgegrenzten „Systemlogiken“ dramatische Folgen: „[…] ein systematisches Missverstehen ist die Folge.“ (ebd., S.15) Dies führe zu Aggression und Frustration und reduziere auch das Vertrauen.

Aus der Analysephase wurde von den Beratern noch eine Fülle an weiteren Impulsen in Form von Hypothesen gegeben. Unter anderem wurden folgende Erneuerungsimpulse formuliert (eine Auswahl): Reflexion des Kernauftrages der MA; Zusätzliche Kommunikations- und Informationsservices für die Mitglieder; Klärung der (tabuisierten) Beziehung zwischen Agenturen und Printmedien; Klärung der Gremienstrukturen und allfällige Verkleinerungen (vgl. ebd. S.3-20)

An konkreten Ergebnissen gibt es somit die Öffnung für Gratismedien und neue Reformprojekte bis hin zu revolutionären Neuerfindungen. Wie die Öffnung für Gratismedien in einem halben Jahr gesehen wird, wenn die Aufnahme einiger Gratistitel als Erklärung für ein allfälliges Sinken von Reichweiten verwendet werden könnte, lässt sich jetzt noch nicht absehen.

3. Systemisch orientierte Beratung

3.1. Quellen systemisch orientierter Beratung

Zum Verständnis der systemisch orientierten Beratung und der eingesetzten Denkmodelle scheint es hilfreich, einen kurzen Überblick über die historischen Quellen zu geben. Die Abgrenzung, was zu den historischen Quellen zu zählen sei und was nicht, ist auch nach einer umfangreichen Literaturrecherche nicht eindeutig. Je nach Vorverfasstheit des Autors und seiner eigenen Positionierung auf (oder auch außerhalb) der Landkarte der systemisch orientierten Beratungsformen werden verschiedene Wissenschafts- und Therapiefelder überhaupt und/oder unterschiedlich gewichtet als einfließende Quelle aufgezeigt.

Als Wissenschafts- und Therapiefelder, die systemische Beratungsformen maßgeblich beeinflusst haben, werden u.a. aufgeführt (in Klammer die am häufigsten genannten Bezugsautoren): Evolutions- und Erkenntnisbiologie (Bertalanffy, Maturana, Varela), radikaler Konstruktivismus (von Förster, von Glasersfeld), Chaostheorie und Kybernetik (Poincaré, Wiener, Ashby), Systemtheorie und Soziologie (Luhmann, Willke), Kommunikationstheorie (Bateson, Watzlawick), Systemische Familientheorie (insbesondere der Mailänder Schule wie Selvini Palazzoli und Boscolo, aber auch Stierlin) bis hin zur Familienrekonstruktion (Satir), Aufstellungsarbeit (Schönfelder, Hellinger), Kurzzeittherapie (Kim Berg, de Shazer) und Hypnotherapie (Erickson, Rossi) (vgl. Handler, 2007, S.85ff; Schlippe, 2007, S.17ff; Wresnik, 2006, S.21). Diese unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen beeinflussen sich zudem wechselweise und den systemisch orientierten Beratungsdiskurs (und dieser rekursiv die Quellwissenschaften).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 4 Quellen der systemischen Beratung nach Handler (2007), adaptiert und ergänzt vom Autor)

Die Problematik der sich aus dieser Unterschiedlichkeit der Wurzeln ergebenden Vielfalt wird von Handler aufgezeigt, indem er nach König und Volmer konstatiert, dass „sich im Grunde jeder auf systemische Überlegungen berufen kann, ohne, dass dabei eine eindeutige Konzeption erkennbar ist“ (Handler, 2007, S.86). Daraus folge laut Handler, „dass es auch ‚die’ systemische Beratung nicht gibt, sondern nur von unterschiedlichen Beratern ausgearbeitete Konzepte, die von diesen als ‚systemisch’ bezeichnet werden“ (ebd.) – oder eben auch nicht als systemisch tituliert werden, wie im vorliegenden Fall des in vielen Aspekten systemisch orientiert agierenden Mediationsunternehmens.

[...]

Ende der Leseprobe aus 121 Seiten

Details

Titel
„Da brauchst’ einen guten Magen“
Untertitel
Systemisch orientierte Prozessberater in der Wahrnehmung ihrer Kunden
Hochschule
ARGE Bildungsmanagement Wien
Veranstaltung
Coaching und Organisationsentwicklung
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
121
Katalognummer
V207725
ISBN (eBook)
9783656379546
ISBN (Buch)
9783656380429
Dateigröße
1165 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Mit Auszeichung
Schlagworte
sytemische Beratung, Fremdbild Berater, Organisationsentwicklung, Sichtweise Berater, Kundenwahrnehmung, systemische Beratung, Kundensystem Beratersystem, Kundensystem, Beratersystem, Prozessberater
Arbeit zitieren
Wolfgang Plasser (Autor:in), 2010, „Da brauchst’ einen guten Magen“ , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207725

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