Berufswahl: Die Herausforderung in der Jugend


Hausarbeit, 2012

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung: Berufswahl als Spannungsfeld zwischen Werden und Wollen

2. Adoleszenz und die Herausfindung Identitätsfindung

3. Berufliche Identitätsfindung
3.1. zur identitätsstiftenden Wirkung der Arbeit
3.2. Entwicklung einer beruflichen Identität
3.3. Berufswahl als Entscheidung?

4. Sozialisationsfaktoren der Berufswahl
4.1. Die Bedeutung der Sozialisation für die Berufswahl.
4.2. Geschlechtsspezifische berufliche Identität
4.3. Herkunftsmilieu/ familiale Sozialisation für den Beruf

5. Herausforderungen der Berufswahl
5.1. Berufsausbildungskompetenz
5.2. Kongruenz und Diskrepanz zwischen Wünschen und Möglichkeiten

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Berufswahl als Spannungsfeld zwischen Werden und Wollen

„Nie ist das menschliche Gemüt heiterer gestimmt, als wenn es seine richtige Arbeit gefunden hat.“ sagte schon Alexander von Humboldt . Verdeutlicht werden soll dadurch, dass die Wahl eines Berufs nicht ohne reifliche Überlegungen passieren sollte, sondern insofern sorgfältig getroffen werden muss, dass sie über das spätere Wohlbefinden bestimmt. Die Entscheidung, welchen Beruf man ausüben möchte, ist in der Regel eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben eines Menschen; schließlich sind damit möglicherweise Konsequenzen verbunden, die den Menschen bis zum Rentenalter begleiten. Wer sich für das Erlernen eines bestimmten Berufes entscheidet, entscheidet sich gleichzeitig auch gegen das Erlernen anderer Berufe und bestimmt so den eigenen Lebensweg, ohne vielleicht zu wissen, wie es bei einer anderen Wahl gewesen wäre.

Nichtsdestotrotz findet diese schwierige und auswirkungsreiche Entscheidung in der Regel in der Schulzeit statt, einer Zeit, in denen es Jugendlichen oft nicht so leicht fällt, eine bewusste Entscheidung zu treffen und den Übergang von der Schule in die Berufsausbildung oder das Studium zu meistern. Es findet in dieser Zeit nicht nur eine Ablösung zu den Eltern statt, auch eine zunehmende Verwurzelung in Peer Gruppen, erste Liebeserfahrungen und die Konfrontation mit der Frage, wer man denn eigentlich ist und sein möchte, sind prägende Erfahrungen, die der Jugendliche in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt nun erlebt. All diese neuen Erfahrungen und Eindrücke müssen verarbeitet werden. Die Persönlichkeitsentwicklung, die sich im Jugendalter vollzieht, macht aus ihm - im positiven Fall - einen autonomen Menschen, der selbstständig Entscheidungen trifft, die sein Leben in der wünschenswerten Weise beeinflussen. Dazu gehört insbesondere auch die Wahl eines geeigneten Berufes. Der Übergang von der Schule in das Berufsleben ist durch eine Entwicklung zu erheblich mehr Eigenverantwortung, Selbstdisziplin sowie durch eine Verkürzung der Freizeit gekennzeichnet und beendet so die Kindheit.

Die Berufswahl ist deshalb ein wichtiger Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung im Jugendalter. In Auseinandersetzung mit den eigenen Interessen, Fähigkeiten und den Anforderungen des Arbeitsmarktes muss eine richtige Entscheidung getroffen werden, die den eigenen Wünschen entspricht. Dass das eigene Ziel, das der Jugendliche sich setzt auch erreicht wird, steht aber nicht fest. Nicht immer ist eine Kongruenz zwischen den eigenen Bedürfnissen und Kompetenzen sowie äußeren Umständen vorzufinden. Auch die Enttäuschung darüber, dass der gewünschte Beruf nicht erlernt werden kann, ist möglicher Bestandteil einer Persönlichkeitsentwicklung. Dies ist oft nicht leicht für den Betroffenen und kann als Belastung erlebt werden. Des Weiteren wird nicht immer eine persönlich als richtig empfundene Entscheidung getroffen, was dadurch gezeigt wird, dass es zu einer Pluralität der Lebensverläufe gekommen ist, in der auch Studienabbrüche, Zweitausbildungen und spätere Umorientierungen keine Seltenheit mehr sind. Es können also Diskrepanzen zwischen den eigenen Zielen und Fähigkeiten auftreten, und innerhalb dieses Spannungsfeldes zwischen dem eigenen Werden und den eigenen Wünschen sowie der Umwelt findet die Berufswahl statt.

Nun könnte man sagen, das persönliche Glück in der richtigen Arbeit zu finden, wie es das Sprichwort oben postuliert, ist eine psychologische Angelegenheit und die Persönlichkeitsentwicklung samt Berufswahlprozess eher ein entwicklungspsychologischer Gegenstand. Soziologisch ist dies jedoch auch von Interesse, weil der Berufswahlprozess erstens sozialgeschichtlich mit zunehmender Differenzierung der Arbeitswelt überhaupt erst eine Rolle spielte. In vormodernen Gesellschaften, in denen die Kinder meist ungefragt den Betrieb oder Hof der Eltern übernahmen und in deren Fußstapfen traten, stellte sich dieses Problem der Suche eines geeigneten Berufs nicht. Zweitens ist in der modernen Gesellschaft, wie es die Individualisierungsthese beschreibt (vgl. Beck, 1986, S.216f.), jeder für sich selbst verantwortlich und hat den Anspruch, eigene Entscheidungen aus verschiedenen Auswahlmöglichkeiten zu treffen. Drittens hängen die Persönlichkeitsentwicklung und besonders die Entwicklung der beruflichen Identität eng mit der Anpassung in soziale Rollen bzw. der Sozialisation zusammen.

Die folgenden Ausführungen sollen sich deshalb zuerst mit der eher entwicklungspsychologischen Frage beschäftigen, wie Jugendliche eine Identität entwickeln und es zur Herausbildung einer beruflichen Identität kommen kann. Anschließend werden soziologische Konzepte herausgearbeitet und es wird darauf eingegangen, welche Sozialisationsfaktoren die Berufswahl beeinflussen. Des Weiteren sollen auch die Herausforderungen und Schwierigkeiten aufgezeigt werden, welche der Jugendliche im Übergang von der Schule in die Berufswelt zu meistern hat.

2. Adoleszenz und die Herausforderung Identitatsfindung

Im Gegensatz zur Pubertät, bei der das entwicklungsphysiologische Heranreifen des Kindes zum geschlechtsreifen Menschen betrachtet wird, umfasst der Begriff Adoleszenz die Entwicklung der kognitiven Funktionen, die sich beim Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter vollziehen. Einerseits bildet sich in dieser Zeit besonders die Intelligenz heraus: Das Gedächtnis erreicht den Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit, nummerisches und strategisches Denken verbessern sich enorm, es sind große Fortschritte des Abstraktionsvermögens feststellbar und das Selbstreflexionsvermögen steigt (vgl. Fend, 2005, S.118). Andererseits beginnen außerdem, oder vielleicht auch deswegen, neue psychische Strukturbildungen. Es geschehen sowohl psychologische als auch soziale Umbrüche. Der Jugendliche orientiert sich nun nicht mehr hauptsächlich an den Eltern, sondern integriert sich in Peer Groups, das heißt an Menschen ähnlichen Alters. Vor allem in der mittleren Adoleszenzphase, die etwa zwischen dem 15. und 17. Lebensjahr vorherrscht, bildet sich langsam ein „Ich-Ideal“, also die Vorstellung dessen, wie man gern sein möchte, heraus, welches in der späten Adoleszenzphase, die etwa zwischen dem 18. und dem 20. Lebensjahr in aktiver Identitätsarbeit mündet (vgl. Fend, 2005, S.93). Das bedeutet, dass eine Auseinandersetzung mit der eigenen Person stattfindet und der Jugendliche sich mit der Frage nach dem eigenen Wesen beschäftigt sowie Ziele und Wünsche für das eigene Leben entwickelt. Das Orientieren an Vorbildern und Idolen sowie die Entwicklung eigener Interessen sind unter anderem wichtige Voraussetzungen für das Entwickeln einer Identität. Ziel ist es, solche Idole und Ideale zu entwickeln, an die der Jugendliche glauben kann und die ihm eine Perspektive vermitteln können, wonach er streben kann.

Erikson, der sich hauptsächlich mit der psychosozialen Entwicklung des Menschen auseinandergesetzt hat, sieht ebenfalls die Identitätsfindung als wichtigste Entwicklungsaufgabe der Adoleszenz. Die Bewältigung bestimmter Entwicklungsaufgaben geschieht nach Erikson aufgrund von Krisenbewältigung: Phasenspezifische Krisen, die ihren Ursprung in der sozialen Umwelt des Individuums haben, werden dadurch gelöst, dass das Individuum eine Entscheidung zugunsten der möglichen Alternativen trifft. Die Identitätsfindung wird gefördert, wenn alternative Identitätsmöglichkeiten exploriert und ausprobiert werden. Wird dagegen an unmittelbar vorgegebenen Identitätsinhalten festgehalten oder diese unreflektiert übernommen, kann es zu subjektivem Entfremdungserleben und fehlender Identifikation gegenüber sozialen, beruflichen und wertbezogenen Inhalten kommen (vgl. Zoelch/Thomas, 2010, S.101). Die Entwicklungsaufgabe Identitätsfindung meint also einen spezifischen Zuwachs an Persönlichkeitsreife, „den das Individuum am Ende der Adoleszenz der Fülle seiner Kindheitserfahrungen entnommen haben muss, um für die Aufgaben des Erwachsenenlebens gerüstet zu sein“ (Erikson, 2003, S.123).

Der Begriff Identität drückt eine wechselseitige Beziehung aus, nämlich zwischen einem „dauernden inneren Sich-Selbst-Gleichsein“ und einem „dauernden Teilhaben an bestimmten gruppenspezifischen Charakterzügen“ (Erikson, 2003, S.124). Gemeint ist damit, dass einerseits die Identitätsentwicklung eine wachsende Fähigkeit ist, sich trotz Veränderungen in Übereinstimmung mit sich selbst zu erleben und andererseits ein Abgleich zwischen dem eigenen Selbstbild und dem Bild, das die soziale Umgebung hat, stattfindet. Das Wissen um die subjektive Einzigartigkeit sowie die Integration in bestimmte Gruppen in Verbindung mit der Abgrenzung von anderen Gruppen, ist also für die Identitätsbildung von Bedeutung. Außerdem beschreibt er Identität als „unmittelbare Wahrnehmung der eigenen Gleichheit und Kontinuität in der Zeit, und der Stil eigener Individualität, der aus der damit verbundenen Wahrnehmung resultiert, dass auch andere diese Gleichheit und Kontinuität erkennen“ (Erikson, 2003, S.18). Identität ist also in erster Linie subjektiv und selbst konstruiert und außerdem durch eine zeitliche und räumliche Kontinuität gekennzeichnet.

Die zunehmende Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung in Verbindung mit der kognitiven Fähigkeit, Einstellungen, Werte und Rollenmuster zu reflektieren, führen dazu, dass der Jugendliche sich mehr oder weniger bewusst mit sich selbst intensiv auseinandersetzt. Auf der einen Seite sind die umfassenden körperlichen, psychischen und sozialen Veränderungen eine Ursache dafür, dass der Wunsch nach einem stabilen Selbstentwurf besteht (vgl. Zoelch/Thomas, 2010, S.94). Auf der anderen Seite ist die soziale Umwelt eine Voraussetzung für die Beantwortung der Frage nach den eigenen Werten. Die Antwort auf die Frage nach der eigenen Identität wird nämlich durch eine reflektierte Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Erwartungen und kulturellen Traditionen entwickelt. Die Prozesse des Hinterfragens und der Integration in gruppenspezifische Charakterzüge beziehen sich auf Lebensfragen wie der beruflichen Zukunft, Partnerbeziehungen sowie religiöse und politische Standpunkte (vgl. Fend, 2005, S.409). Es geht darum, Position zu beziehen, Meinungsmuster, Präferenzen, Ziele und Werte aufzubauen, die eine Orientierung in dieser Welt ermöglichen.

Wichtig ist, dass der Identitätsbegriff von dem der Persönlichkeit oder der Rolle abgegrenzt wird. Ersteres fasst die unterschiedlichen indirekt und direkt beobachtbaren Merkmale eines Menschen zusammen. Bei der Rolle geht es um unterschiedliche Erwartungen, die die Umwelt an eine Person stellt. Beides ist von außen beobachtbar und objektiv beschreibbar (vgl. Zoelch/Thomas, 2010, S. 97). Ziel der Entwicklung im Jugendalter ist es jedoch, dass sich am Ende der Adoleszenz eine Ich-Identität herausgebildet hat, also eine selbstbestimmte Sicht auf das eigene Selbst, die durch eigene Erfahrungen ein Selbstverständnis erlangt hat, das nicht auf die Übernahme vorgegebener Rollenangebote der Herkunftsfamilie oder der Arbeitswelt reduziert ist (vgl. Friebel, 1985, S.35f.).

An den Jugendlichen sind während der Adoleszenz zahlreiche Entwicklungsaufgaben gestellt. Nicht nur die Ablösung aus dem Elternhaus, sondern vor allem auch die berufliche Orientierung und die Herstellung von Arbeitsvermögen sind Hauptaufgaben dieser Lebensphase. Es werden von dem Jugendlichen also sowohl Anpassungs- als auch Ablösungsleistungen gefordert (vgl. Friebel, 1985, S.29). Er löst sich also von der Kindrolle, entwickelt ein eigenes Selbstbewusstsein und kann sich dadurch schrittweise in die Arbeitswelt integrieren.

Der Zusammenhang zwischen der Identitätsentwicklung und der Berufswahl ist insofern vorhanden, dass die Entstehung der Identität und des Selbstbildes Voraussetzungen sind, damit der Jugendliche überhaupt erst seine Wünsche, Bedürfnisse und Werte erkennt und danach eine Entscheidung über die eigene Zukunft treffen kann. Des Weiteren bewirkt der Eintritt in ein bestimmtes Berufsfeld wiederrum ein situationsübergreifendes Selbstbild, das auch als Resilienzfaktor gewertet werden kann (vgl. Zoelch/ Thomas, 2010, S.97), was zur Folge hat, dass subjektiv empfundene Lebensereignisse, wie zum Beispiel der Umgang mit Bewerbungsabsagen, besser bewältigt werden können. Die Identität hilft der Person also auch dabei, sich innerhalb der Gesellschaft zu verorten.

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Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Berufswahl: Die Herausforderung in der Jugend
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Soziologie)
Veranstaltung
Berufswahl - Freiheit oder Last?
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
23
Katalognummer
V207616
ISBN (eBook)
9783656349570
ISBN (Buch)
9783656350552
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
berufswahl, herausforderung, jugend
Arbeit zitieren
Andrea Beckert (Autor:in), 2012, Berufswahl: Die Herausforderung in der Jugend, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207616

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