Werbewirkung in der dritten Dimension

Eine quantitative Studie zum Einfluss der Präsentationsweise (2D vs. 3D) auf die Wirkung von Kinowerbung


Masterarbeit, 2012

86 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Grundlagen 3D
2.1. Begriffsabgrenzung
2.2. Technische Grundlagen
2.3. Problemfelder

3 Rezeption und Wirkung von Werbung
3.1. Definition
3.2. Die Bedeutung des Involvements
3.2.1. Die Rolle der Akzeptanz
3.2.2. Die Rolle von Aktivierung & Aufmerksamkeit
3.3. Das Elaboration-Likelihood-Model
3.4. Problematik der Werbewirkungsmessung
3.5. Forschungsstand 3D Werbung

4 Ableitung der Hypothesen

5 Konzeption der empirischen Untersuchung
5.1. Untersuchungsdesign
5.2. Erhebungsmethode
5.3. Stimulus
5.4. Operationalisierung der Variablen
5.4.1. Operationalisierung der Werbewirkung
5.4.2. Operationalisierung des Involvements
5.5. Fragebogendesign
5.6. Rekrutierung der Teilnehmer
5.7. Ablauf des Experiments

6 Ergebnisse
6.1. Stichprobenbeschreibung
6.2. Prüfung der Hypothesen
6.2.1. Hypothese H1
6.2.2. Hypoyhese H2
6.2.3. Hypothese H3
6.2.4. Hypothese H4
6.3. Ergebnisse der RTR-Messung
6.4. Beurteilung der Brille

7 Diskussion
7.1. Diskussion der Ergebnisse
7.2. Kritik
7.3. Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungen

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Prinzips des räumlichen Sehens

Abbildung 2: Schematische Darstellung des Helioth-Wheatstone-Stereoskops

Abbildung 3: Verbindung zwischen Werbeträgerkontakt, Werbewirkung und Werbeerfolg

Abbildung 4: Elaboration-Likelihood-Model

Abbildung 6: Freie Erinnerung nach Gruppen

Abbildung 7: Aufmerksamkeits-Potential der Spots nach Gruppen

Abbildung 8: Gestützte Spoterinnerung nach Gruppen

Abbildung 1: Polaritätenprofil Haribo

Abbildung 2: Polaritätenprofil Audi

Abbildung 6: Mittlere Bewertung des Werbeblocks durch RTR

Abbildung 7: Zusammenhang zwischen Logo-Einblendungen und Gefallen

Abbildung 13: 3D-bedingte Probleme nach Gruppen

Tabelle

Tabelle 1: Zeitlicher Aufbau des Stimulusmaterials

Tabelle 2: Mittelwerte der Multi-Item-Skalen des Involvements mit Reliabilitätswerten

Tabelle 3: Vergleich der Untersuchungsgruppen hinsichtlich der Erinnerungsleistung

Tabelle 4: Mittelwertvergleich gestützte Detailerinnerung nach Gruppen

Tabelle 5: Mittelwertvergleich erlebter Emotionen

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der ganzen Arbeit auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung, wie z. B. Teilnehmer/Innen, verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung beider Geschlechter.

1 Einleitung

Rund 30 Milliarden Euro werden Jahr für Jahr in Deutschland für Werbung ausgegeben. Allein 2011 lagen die Brutto-Investitionen in diesem Bereich - also für Honorare oder Gehälter, Werbemittelproduktion sowie mediale Verbreitung - bei 29,92 Milliarden Euro und somit auf „hohem Niveau an der Stagnationslinie“ (ZAW, 2012, S.10).

Das Ergebnis dieser horrenden Summen bekommt man nahezu allgegenwärtig zu spüren: Im Schnitt 6.000 Werbe-Eindrücke prasseln täglich auf deutsche Konsumenten ein. Gerade einmal drei davon werden bewusst erinnert. So lauten die Ergebnisse einer Studie des Instituts für Marketing und Kommunikation aus dem Jahre 2004 (Handelsblatt, 2004). Gemäß des anhaltend hohen Niveaus an Werbe-Investitionen in den letzten Jahren (vgl. hierzu ZAW, 2012, S.14) ist von einer Verminderung der täglichen Dosis an Werbeinformation aktuell nicht auszugehen. Kroeber-Riel und Esch (2011) rechnen hingegen sogar mit einer Steigerung der Überbelastung von Rezipienten durch Information. Der jährlich wachsenden Informationsüberbelastung steht dabei die begrenzte Kapazität der Informationsverarbeitung des Menschen gegenüber. Gerade einmal fünf Prozent der angebotenen Werbeinformation erreichen demnach ihre Empfänger (S.21).

„Die Informationsfülle ist so fantastisch hoch, dass man laut schreien muss, um gehört zu werden“

(John Naisbitt, US-amerikanischer Trend- und Zukunftsforscher)

Beim Konsumenten scheint im täglichen Werbe-Dschungel jedoch vielmehr Qualität denn Quantität zu punkten. Nicht etwa die Lautstärke oder Penetranz seien entscheidend, sondern vielmehr die Akzeptanz der Werbung (Handelsblatt, 2004). Diese Tatsache stellt die Werbebranche vor immer neue Herausforderungen. Denn gerade durch das Übermaß an Werbeinformation sieht sich die Branche oft nur wenig interessierten Rezipienten gegenüber. Werbung wird kaum mehr bewusst wahrgenommen, das Beteiligungsniveau oder Involvement[1] ist gering (vgl. Kroeber-Riel & Esch, 2011).

Um diesen Problemen entgegenzutreten werden in der werblichen Kommunikation immer neue Wege eingeschlagen, um ein Produkt gegenüber anderen hervorzuheben und nachhaltig im Gedächtnis der Konsumenten zu verankern. Technische Neuerungen werden dabei als willkommene Möglichkeit genutzt, um Werbung in unbekannter oder ungewohnter Form zu präsentieren. Eine derartige Möglichkeit und regelrechte „Trendwende“ (ZAW, 2012, S.358) in der Werbewelt wurde 2009 mit dem Einzug von 3D in die deutschen Kinos in Gang gesetzt. Nicht nur für krisengebeutelte Kinobetreiber scheint 3D das Allheilmittel zu sein, auch für die Werbeindustrie eröffnen sich bis dato nicht vorhandene Formen und Möglichkeiten, ihre Produkte dem Konsumenten buchstäblich näherzubringen.

Dabei ist der durch James Camerons „Avatar“ (2009) ausgelöste 3D-Trend nicht der erste Versuch in der Filmgeschichte, das dreidimensionale Kinoerlebnis zu etablieren. Vielmehr erlebt die Branche derzeit ein Déjà-vu der besonderen Art. Bereits in den 50er- und 80er-Jahren wurde auf die neue Technik gesetzt, um die dritte Dimension auf und damit wieder mehr Menschen vor die Kinoleinwand zu bringen. Doch was sich in der Vergangenheit als temporäre Erscheinung entpuppte, verspricht diesmal - dank verbesserter, digitaler Technik - von Bestand zu sein. Auch drei Jahre nach dem Filmstart von 3D-Epos „Avatar“ erweisen sich 3D-Filme als Publikumsmagneten und sorgen für volle Ränge und Kassen. Sogar ein weiteres Wachstum des Trends wird prognostiziert (vgl. Nielsen, 2012).

Mit den Besucherzahlen steigt auch das Interesse der Werbeindustrie. Durch den 3D-Boom erreicht Kinowerbung im wahrsten Sinne des Wortes eine neue Dimension. Im zweiten Jahr in Folge kann das Kino als Werbemedium ein überdurchschnittliches Wachstum erzielen (vgl. Nielsen, 2012). Die Filmtheater in Deutschland erwirtschaften 2011 einen Netto-Werbeumsatz von 85 Millionen Euro und damit ein Plus von 13,7 Prozent. Sie übertreffen damit sogar das Vorjahresergebnis von +4,1 Prozent noch um ein Vielfaches und liegen deutlich über dem durchschnittlichen Werbewachstum der Medien von einem Prozent. Im Jahr 2011 war das Kino damit das am stärksten wachsende Werbemedium. Dieser Trend wird sich laut Prognosen auch im kommenden Jahr fortsetzten (ZAW, 2012, S.358).

Den wesentlichen Grund für diesen Erfolg sieht der Branchenverband FDW Werbung im Kino e.V. neben einem neuen Buchungssystem in der Bereitschaft der Kunden, zunehmend höherpreisige Produkte - wie eben 3D-Spots - zu platzieren. Ob sich diese Mehrausgaben auch in einem Mehrwert im Sinne einer erhöhten Werbewirkung niederschlagen, lässt sich allerdings bisher nicht eindeutig beantworten. Der Grund: Bislang hat sich die Forschung auf dem Terrain der Stereoskopie mit Zurückhaltung bewegt. Zwar gibt es einige wissenschaftliche Studien zur Wirkung und Rezeption von 3D-Filmen, die Forschung zu 3D-Werbefilmen steht jedoch noch gänzlich am Anfang. Ausgehend von den vorliegenden Forschungsergebnissen aus dem Bereich der 3D-Filme herrscht allerdings ein einheitlicher Tenor: Durch die dreidimensionalen Darstellung wird eine größere Realitätsnähe erreicht. Im Vergleich zur konventionellen Darstellung wirken 3D-Bilder damit deutlich immersiver und involvierender (vgl. Kim & Biocca, 1997; Wegener & Jockenhövel, 2009). Übertragen auf die Werbewirkung könnte die höhere Ich-Beteiligung sich in einem elaborierteren Verarbeitungsniveau niederschlagen und somit Erinnerung, Einstellung und Bewertung der Spots gegenüber der Präsentation in 2D begünstigen.

Trotz technischen Fortschritts bleiben negative Begleiterscheinungen, wie beispielsweise Augenschmerzen oder Schwindel während der Rezeption, auch weiterhin bestehende Probleme. Diese physischen Unannehmlichkeiten könnten eine konträre Wirkung haben und größere Distanz zum Gezeigten schaffen (Wegener & Jockenhövel, 2009).

Vor dem Hintergrund der lückenhaften Forschungslage zu Werbefilmen in 3D scheint eine genauere Untersuchung sinnvoll und eine empirische Überprüfung notwendig, um den expliziten Zusammenhang von Präsentationsweise und Werbewirkung von Kinospots zu beleuchten. Obwohl inzwischen der Markt für Heimkinogeräte und Fernseher mit 3D-Technologie stark aufgeholt hat, soll sich der Fokus dieser Arbeit ausschließlich auf Kinowerbespots mit moderner, digitaler Technik richten, da hier nach wie vor die beste Qualität stereoskopischer Präsentationen erreicht wird. Konkret steht daher folgende Forschungsfrage im Mittelpunkt:

Welchen Einfluss hat die Präsentationsweise eines Kino-Werbespots (2D vs. 3D) auf dessen Wirkung beim Rezipienten?

Aufbau der Arbeit:

Die vorliegende Arbeit wird sich in zwei Abschnitte gliedern: Der erste, theoretische Teil soll zunächst eine kurze Einführung in die technischen Grundlagen der digitalen Stereoskopie und der damit verbundenen Problematik bieten (Kapitel 2). Darüber hinaus sollen grundlegende Begriffe und Modelle der Werbewirkung sowie der aktuelle Forschungsstand dargelegt werden (Kapitel 3), um anschließend die Hypothesen abzuleiten (Kapitel 4).

Im zweiten Abschnitt dieser Arbeit wird eine Beschreibung der Konzeption und Durchführung der empirischen Untersuchung vorgenommen (Kapitel 5). Darauf folgt die Auswertung der Ergebnisse und Überprüfung der Hypothesen (Kapitel 6), die mit einer Diskussion der Ergebnisse abschließt (Kapitel 7).

1

2 Grundlagen 3D

Um die Wirkprinzipien dreidimensionaler Darstellungen nachvollziehen zu können, sollen im nachfolgenden Abschnitt nach einer begrifflichen Abgrenzung die technischen Grundlagen der Stereoskopie beleuchtet und damit verbundene, mögliche Problemfelder aufgezeigt werden.

2.1. Begriffsabgrenzung

Umgangssprachlich werden die Begriffe „3D“ und „Stereoskopie“ häufig synonym verwendet. Bei genauerer Betrachtung muss allerdings zwischen dem Rezeptionserlebnis und der dahinterstehenden Technik unterschieden werden:

Spricht man vom dreidimensionalen Film, oder kurz 3D, bezieht sich dies eigentlich auf das Erleben einer Illusion während der Rezeption eines 3D-Films. Die per se flachen Bilder werden scheinbar von der zweidimensionalen Kinoleinwand losgelöst und im Kopf des Betrachters zu einem dreidimensionalen Bild zusammengesetzt.

Die spezielle Technik, welche hinter diesem Phänomen steht, wird als Stereoskopie bezeichnet. Das Prinzip beruht auf der menschlichen Fähigkeit des binokularen Sehens, bei dem in das linke und rechte Auge des Betrachters jeweils unterschiedliche zweidimensionale Bilder aus zwei leicht abweichenden Betrachtungswinkeln eingehen. So entsteht der Eindruck räumlicher Tiefe, welche physikalisch gar nicht vorhanden ist (vgl. Brewster, 1856). Um diese Illusion technisch zu erzeugen, wurden in der Geschichte der Stereoskopie verschiedene Verfahren entwickelt, die im nächsten Abschnitt vorgestellt werden sollen.

2.2. Technische Grundlagen

Während Verfechter der gegenwärtigen digitalen 3D-Technologie von der Revolution des Films sprechen, gerät bisweilen in Vergessenheit, dass das dreidimensionale Kino bereits eine lange Entwicklung durchlaufen hat, deren Ursprünge sogar vor den Anfängen des Ton- und Farbfilms liegen.

Bereits 1838, ein Jahr bevor Daguerre erste Fotos entwickelte, entwarf Charles Wheatstone das Stereoskop, mit dem erste dreidimensionale Bilder betrachtet werden konnten. Das Gerät macht sich das Prinzip des räumlichen Sehens des Menschen zu Nutze, welches darauf basiert, dass unsere Augen jederzeit zwei voneinander getrennte Bilder wahrnehmen, die durch den Augenabstand perspektivisch leicht divergieren (siehe Abbildung 1). Erst im Gehirn werden beide Bilder zu einem dreidimensionalen Gesamtbild zusammengesetzt (Lipton, 1982, S.21-23). Wheatstones Apparatur simulierte dieses Prinzip, indem jedem Auge über eine Spiegelvorrichtung ein individuelles Bild, auch Halb- oder Teilbild genannt, gezeigt wird, das sich vom anderen leicht perspektivisch unterscheidet (siehe Abbildung 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Prinzips des räumlichen Sehens: Durch den Abstand beider Augen zueinander wird ein Objekt aus zwei leicht divergierenden Blickwinkeln wahrgenommen (eigene Darstellung).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Schematische Darstellung des Helioth-Wheatstone-Stereoskops [2] . Zwei Spiegel L und R sind so arrangiert, dass sie die Bilder der beiden Stimuli S getrennt für das rechte und linke Auge reflektieren (vgl. Kaufman, 1974, S.270).

Das Grundprinzip ist denkbar einfach. Zu Beginn waren es noch einfache, gezeichnete Bilder, doch schon bald wurde das Verfahren mit der Fotografie und später dem Film kombiniert. Waren bei Wheatstones Stereoskop die Projektion und Betrachtung der Halbbilder noch in einem Gerät vereint, was die Nutzung nur durch Einzelpersonen zuließ, wurden schon bald Techniken entwickelt, die massentaugliche Vorführungen von 3D-Filmen ermöglichten. Durch die Einführung von 3D-Brillen konnten schließlich die Halbbilder auf Leinwand projiziert und von mehreren Menschen gleichzeitig gesehen werden. Die Trennung der Halbbilder für das rechte und linke Auge des Betrachters basierte dabei auf dem Einsatz von unterschiedlichen, mit Filtern versehenen Gläsern in den Brillen. Im Verlauf der Zeit haben sich verschiedene Systeme von 3D-Brillen entwickelt, von denen sich heute hauptsächlich drei durchsetzen konnten (vgl. Lipton, 1982, S.31-36):

Anaglyphen-Verfahren:

Beim Anaglyphen-Verfahren erfolgt die Trennung der übereinander gelagerten Halbbilder durch Farbfilter. Das rechte und linke Halbbild sind dabei in Komplementärfarben (meist Rot mit Grün oder Blau) eingefärbt und können mit nur einem Projektor an die Leinwand geworfen werden. Durch eine spezielle Anaglyphenbrille mit entgegengesetzt eingefärbten Gläsern oder Farbfolien, werden die Halbbilder derart gefiltert, dass beide Augen zwei unterschiedliche Bilder sehen, welche sich im Gehirn wieder zu einem dreidimensionalen Gesamtbild zusammensetzten.

Farbanaglyphes 3D findet auch heute noch als kostengünstige und vielseitige Alternative Anwendung, weil die Brillenrahmen meist nur aus Pappkarton gefertigt werden und das System auf jeder Leinwand, jedem Bildschirm und auch im Printbereich genutzt werden kann. Allerdings kann es aufgrund der Filter zu unerwünschten Verfärbungen kommen. Weiterhin wird das Auge durch die Farbüberlagerungen stark beansprucht, sodass es schnell zu Ermüdung der Augen oder Kopfschmerzen kommen kann.

Shutter-System:

Beim Shutter-System werden die Halbbilder mit hoher Frequenz abwechselnd von zwei Projektoren an die Leinwand geworfen. Der Zuschauer blickt durch eine Shutterbrille, die im selben Takt abwechselnd den Blick für das linke und rechte Auge freigibt. Dies wird durch die speziellen Flüssigkristallflächen der Gläser ermöglicht, die durch elektrische Impulse abwechselnd durchsichtig beziehungsweise abgedunkelt werden.

Die Anfälligkeit dieses Verfahrens besteht darin, dass der 3D-Effekt nur bei absoluter Synchronität der Frequenzen erfolgen kann und schnelle Bewegungen im Film abgehackt erscheinen können. Das Prinzip findet auch bei heutigen 3D-Systemen in manchen Kinos und einer Großzahl der aktuellen 3D-Fernseher Anwendung.

Polfilter-System:

Beim Polarisationsfilter-System, kurz Polfilter-System, werden die Bilder für das rechte und linke Auge von zwei separaten Projektoren kontinuierlich an die Leinwand geworfen. Die Lichtwellen, die normalerweise gleichmäßig in alle Richtungen schwingen, werden durch einen Filter auf eine bestimmte Schwingungsebene beschränkt. Der Zuschauer trägt in seiner Brille ebenfalls Filter, die jeweils nur für die entsprechende Schwingungsebene durchlässig sind. Für das rechte Auge erscheint das Bild des linken Projektors daher nur schwarz und umgekehrt.

Im Vergleich zum Anaglyphen-Verfahren ist dieses System, ebenso wie die Shutter-Technik, erheblich farbechter, jedoch kommt es durch die verwendeten Filter insgesamt zu einem Lichtabfall. Das Polfilter-System wird heute in den meisten Kinos auch für die moderne digitale 3D-Projektion eingesetzt.

Neueste technische Errungenschaften haben auch zu der Markteinführung von brillenlosen Systemen geführt. Da diese Systematik noch in der Entwicklungsphase steckt und hauptsächlich im Bereich des 3D-Fernsehens eingesetzt wird, findet sie in dieser Studie keine Anwendung und soll daher auch nicht genauer betrachtet werden.

2.3. Problemfelder

Ungeachtet des technischen Fortschritts hat sich am Grundprinzip der Stereoskopie und damit auch an der grundlegenden Problematik nichts verändert: Trotz beständiger Verbesserungsbemühungen lassen sich visuelle Beschwerden beim Zuschauer - wie Kopfschmerzen oder Ermüdung der Augen - wohl nie gänzlich ausschalten. Grund dafür ist der menschliche Sehmechanismus.

Wenn in der realen Welt ein nahes Objekt fokussiert werden soll, müssen sich die Augen zunächst zueinander drehen, bis sich ihre beiden Blickachsen genau auf Höhe des Objekts schneiden. Dieser als Konvergenz bezeichnete Prozess geht mit einer Akkommodation einher, bei der die Sehmuskulatur die Brechkraft der elastischen Linse so anpasst, dass das betrachtete Objekt scharfgestellt wird. Beim Sehen eines 3D-Films werden diese natürlichen, ineinandergreifenden Prozesse gehemmt. Soll ein Objekt, das im 3D-Film scheinbar im Raum vor der Leinwand schwebt, fokussiert werden, drehen sich die Augen automatisch auf die Stelle im Raum und unterliegen damit der optischen Täuschung. Da das Objekt nämlich tatsächlich in voller Schärfe direkt auf die Leinwand projiziert wird, erscheint das Objekt trotz der erfolgten Akkommodation unscharf. Um das Objekt scharf im Raum sehen zu können, muss also die Akkommodation bewusst von der Konvergenz abgekoppelt werden und auf die Leinwand erfolgen. Diese erzwungene Trennung der normalen Sehabläufe über die Länge eines ganzen Films kann zu einer Überanstrengung der Augen führen (z.B. Yano, Emoto & Mitsuhashi, 2004; Miyashita & Uchida, 1990). Ähnliche Irritationen können durch unbeabsichtigte Unschärfen im Filmmaterial, falsche Abstände der Halbbilder oder Asynchronität derselben auftreten (Lambooij, Ijsselsteijn & Heynderickx, 2007a; Kooi & Toet, 2004). Unangenehm können zudem perspektivische Unschärfen aufgrund einer zu geringen Tiefenschärfe sein. Der Mensch ist vom normalen räumlichen Sehen gewohnt, seinen Blick auf jedes beliebige Objekt scharf stellen zu können. Falls manche Bildbereiche jedoch bereits durch die Aufnahme unscharf sind, kann dies zu Irritationen führen. Bei den meisten nativ in 3D gedrehten Filmen wird daher von vornherein eine möglichst hohe Tiefenschärfe angestrebt. Trotzdem können diese Probleme vor allem bei nachträglich konvertierten 2D-Filmen entstehen (Lambooij, Ijsselsteijn & Heynderickx, 2007b).

Abgesehen von den Herausforderungen des stereoskopischen Sehens ist nicht zu vernachlässigen, dass nach Kaufman (1974) acht Prozent der Weltbevölkerung aufgrund von Fehlstellungen der Augen oder sonstigen Sehfehlern überhaupt nicht in der Lage sind, stereoskopische Bilder zu sehen. Aktuelleren Zahlen des britischen Eye Care Trust (2010) zufolge, die auf Untersuchungen der britischen Bevölkerung basieren, liegt dieser Wert sogar bei zwölf Prozent.

Entgegen bisherigen Forschungsergebnissen, die einen starken immersiven und involvierenden Effekt von 3D-Filmen beschreiben (Wegener & Jockenhövel, 2009), liegt die Vermutung nahe, dass physische Unannehmlichkeiten während der Rezeption eine konträre Wirkung haben können und mitunter eine größere Distanz zum Filmgeschehen schaffen. Für Werbespots in 3D könnte dies einen unerwünschten Aufmerksamkeitsfokus oder gar Reaktanz bedeuten, was die Werbewirkung schmälern oder im negativen Sinne beeinflussen würde. Aus diesem Grund legt diese Arbeit ein besonderes Augenmerk auf die durch 3D bedingten Störfaktoren und untersucht deren möglichen Einfluss auf die Werbewirkung.

3 Rezeption und Wirkung von Werbung

Bisherige Forschungsergebnisse zu 3D-Filmen haben immer wieder die steigernde Wirkung der dreidimensionalen Darstellung auf die Aufmerksamkeit und das Involvement der Rezipienten herausgestellt. Gleichzeitig werden die Konstrukte als maßgebende Faktoren für die Wirkung von Werbung angesehen (vgl. Engelhardt, 1999, S.24-26; Kroeber-Riel & Esch, 2011, S.195-203). Das nachfolgende Kapitel soll diese Zusammenhänge zeigen. Dafür wird zunächst der Begriff der Werbewirkung eingegrenzt und definiert, anschließend werden die Rollen wichtiger Determinanten der Werbewirkung - insbesondere Involvement, Akzeptanz, Aktivierung und Aufmerksamkeit – erläutert. Die Zusammenhänge dieser Konstrukte werden schließlich mit Hilfe eines zentralen Modells der Werbewirkung, dem Elaboration-Likelihood-Model von Petty und Cacioppo, verdeutlicht. Abschließend wird der aktuelle Forschungsstand zur Wirkung dreidimensionaler Kinowerbung vorgestellt.

3.1. Definition

Das Phänomen der Werbewirkung ist so komplex und facettenreich, dass sich im Verlauf der Zeit eine Vielzahl an Definitionen entwickelt hat, welche je nach Fachbereich und Untersuchungsansatz variiert. Der Großteil der Forschungsliteratur unterscheidet zwischen Werbewirkung im engeren Sinne bzw. der vorökonomischen Wirkung, und Werbewirkung im weiteren Sinne, welche auch den Werbe erfolg und damit die ökonomische Wirkung einschließt (Engelhardt, 1999, S.10ff). Während Letztere vor allem für den Fachbereich der Betriebswirtschaftslehre von Relevanz ist, befasst sich die Kommunikationswissenschaft hauptsächlich mit Werbewirkung im engerem Sinne. Betrachtet werden somit alle Kriterien der Werbewirkung, welche als Ursache für Werbeerfolg in Betracht gezogen werden können und diesem vorgelagert sind (siehe Abbildung 3). Werbewirkung im engeren Sinne ist dabei eine „notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Werbeerfolg“ (Engelhardt, 1999, S.30).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Verbindung zwischen Werbeträgerkontakt, Werbewirkung und Werbeerfolg (Engelhardt, 1999, S.30)

Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht wird also eine Vielzahl von Variablen summiert, die in unterschiedlicher Ausprägung für die Werbewirkung relevant sein können. Betrachtet man die zugrundeliegenden Prozesse auf Seiten des Rezipienten, so wird häufig zwischen drei Ebenen oder Komponenten der Werbewirkung ausgegangen:

Der kognitiven Ebene werden alle Werbewirkungskriterien zugeordnet, die sich auf das Wissen des Konsumenten und die zugehörigen Prozesse bezieht, also auf die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Information. Die affektiven Wirkungen umfassen alle Kriterien, die sich mit der emotionalen Seite des Rezipienten befassen und beinhalten damit Elemente wie Interesse, Einstellung und Bewertung. Die konative Ebene beschreibt das Verhalten oder eine Verhaltensabsicht des Konsumenten wie beispielsweise die Absicht, ein beworbenes Produkt zu kaufen (vgl. Moser, 1997, S.272). Zusammengefasst kann Werbewirkung im engeren Sinne wie folgt definiert werden:

Unter Werbewirkung einer medienvermittelten Kommunikation versteht man affektive, kognitive und konative Reaktionen von Personen, die auf die Rezeption spezifischer Medienangebote zurückgeführt werden kann und eine kontingente Veränderung von Einstellung, Meinung oder Verhalten zur Folge hat. (vgl. Zurstiege, 2007, S.173)

3.2. Die Bedeutung des Involvements

Die Werbewirkung wird durch sogenannte Wirkungsdeterminanten beeinflusst, die auch als „Indikatoren der Werbesituation“ beschrieben werden können (Engelhardt, 1999, S.11). Abgesehen von Art und Häufigkeit der Werbung, sind auch die Rezeptionssituation und die Person des Rezipienten selbst bedeutsam und beeinflussen die Werbewirkung. Daneben spielt ein weiteres Konstrukt eine entscheidende Rolle: Das Involvement (vgl. Engelhardt, 1999, S.24-26; Kroeber-Riel & Esch, 2011, S.195-203). Dieses Konzept ist für die vorliegende Untersuchung von zentraler Bedeutung und soll daher genauer ausgeführt werden.

Der Begriff wurde in der Forschungsliteratur vielseitig verwendet, eine einheitliche Definition fehlt jedoch bislang. Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive kann unter Involvement die „Ich-Beteiligung, das innere Engagement, mit dem sich ein Individuum einem Sachverhalt oder einer Aufgabe widmet“ (Krugmann, 1965, S.349f) verstanden werden. Bezogen auf die Mediennutzung kann die Auseinandersetzung mit dem Medium oder dem Inhalt dabei sowohl auf emotionaler, als auch auf kognitiver Ebene ablaufen (vgl. Böcking, 2008, 82ff) und zur Erinnerung und Persuasion von Medieninhalten beitragen (Kim & Biocca, 1997).

Das Konstrukt des Involvements wurde 1965 erstmals von Krugman in die Werbewirkungsforschung eingeführt und revolutionierte bisherige Ansätze grundlegend (vgl. Kloss, 2007, S.86). Wurde bisher von einem aktiven Rezipienten als zwingende Vorraussetzung für die Wirkung werblicher Kommunikation ausgegangen, konstatiert Krugman diesen potentiellen Effekt auch für passive Rezipienten. Folglich kann es auch ohne aktive Beteiligung (low involvement) des Rezipienten zu einer Werbewirkung kommen. Gemäß dieser Überlegungen unterscheidet Krugman zwischen „high involvement“ und „low involvement“ (1965, S.355). Diese Unterscheidung beschreibt zwei Extrempole; betrachtet man Involvement jedoch als inneren Vorgang, sind die Ausprägungen graduell abzustufen (Kroeber-Riel & Esch, 2011, S.195).

Im Rahmen der Werbewirkungsforschung zählt das Involvement nach Trommsdorf (1995) zu den „wichtigsten Konstrukten zur Beschreibung, Erklärung, Prognose und Beeinflussung des Käuferverhaltens“ (S.1067). Dabei tragen verschiedene Faktoren zum Entstehen von Involvement bei. Entsprechend unterscheidet man auch zwischen verschiedenen Dimensionen von Involvement (vgl. Engelhart, 1999, S.24f; Kroeber-Riel & Esch, 2011, S.196f):

- Person: Werte, Motive, Persönlichkeitszüge, Erfahrungen und Lebenssituation (u.a.) (persönliches Involvement)
- Produkt: Risiko (vor allem durch den Preis bedingt) und Nutzen des Kaufs, Interesse auf Seiten des Rezipienten (u.a.) (Produktinvolvement)
- Marke: Image und Bekanntheit (u.a.) (Markeninvolvement)
- Medium: Gestaltung, Einsatz von Bild, Text und Ton und Zielgruppenpassung (Medieninvolvement)
- Situation: persönliche Situation (Zeitdruck, Entscheidungssituation), aktuelle Anlässe (z.B. Geburtstag oder Hochzeit) (Situationsinvolvement)

Zusammenfassend kann man auch zwischen persönlichem, reizabhängigem (Produkt, Marke und Medium) und situativem Involvement unterscheiden. Die verschiedenen Einflussgrößen wirken dabei nicht getrennt voneinander, vielmehr bedingen und beeinflussen sie sich gegenseitig. So könnte ein Informationsprozess durch reizabhängiges Involvement, wie beispielweise einer besonders auffällig gestalteten Werbung, ausgelöst und die Aufmerksamkeit auf das beworbene Produkt gelenkt werden. Anders herum könnte auch das persönliche Interesse für ein bestimmtes Produkt erst die Aufmerksamkeit für entsprechende Werbung und damit reizabhängiges Involvement bedingen.

3.2.1. Die Rolle der Akzeptanz

Im engen Zusammenhang mit dem Konstrukt des Involvements steht die Akzeptanz der Werbung. Unter Akzeptanz wird im Zusammenhang der Werbewirkungsforschung „die Zustimmung der Umworbenen zur Werbemittelgestaltung, das Gefallen an der Art und Weise wie die Werbebotschaft präsentiert wird“ verstanden (Kroeber-Riel & Esch, 2011, S.341). Gleichbedeutend kann auch von der Haltung oder Einstellung zum Werbemittel gesprochen werden. Ausschlaggebend für das Erreichen von Akzeptanz ist vor allem eine glaubwürdige und gefällige äußere Gestaltung. Innere Gegenargumente oder Irritationen hingegen können die Werbeakzeptanz beeinträchtigen. Gerade angesichts der wachsenden Informationsüberbelastung kommt es in zunehmenden Maße auf einen gefälligen Auftritt an, frei nach dem Motto „Gefallen geht über Verstehen“ (ebd. S.342). Wenn also die Aufmachung, das Gefallen der Werbung, über dem Inhalt der Botschaft steht, wird deutlich, von welch zentraler Bedeutung dieses Konstrukt im Zusammenhang mit der Werbewirkung ist. Wie stark jedoch die Akzeptanz den Werbeerfolg beeinflusst, hängt wesentlich vom Involvement ab: „Je geringer das Involvement der Umworbenen, umso stärker wirkt sich die gefällige Gestaltung des Werbemittels aus“ (ebd. S.342). Dem engen Zusammenhang zwischen Involvement-Niveau und der Verarbeitung von peripheren Merkmalen, wie der äußeren Gestaltung der Werbemittel, widmen sich auch Petty und Cacioppo (1983) in ihrem Modell zur Werbewirkung, worauf in Abschnitt 3.3 dieser Arbeit eingegangen wird.

Darüber hinaus wird das Werbegefallen (Ad-Liking) als einer der wichtigsten Prädiktoren für die Erzeugung von Aufmerksamkeit gesehen. Zu diesem Schluss führen die Ergebnisse der American Advertising Research Foundation (Du Plessis, 2005, S.144f). Das Konstrukt soll daher im nachfolgenden Abschnitt genauer erläutert werden.

3.2.2. Die Rolle von Aktivierung & Aufmerksamkeit

Häufig wird das Involvement in der Werbewirkungsforschung auch mit der Aktivierung des Rezipienten gleichgesetzt. Laut von Engelhardt (1999) versetzt die Aktivierung „den Organismus in einen Zustand der Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit“ (S.67). Er unterscheidet dabei zwischen tonischer, von tagesperiodischen Einflüssen abhängiger und phasischer Aktivierung. Letztere meint kurzfristige, durch bestimmte Reize bedingte Aktivierungsschwankungen. Sie ist die Variante, die für die Werbewirkung von Interesse ist, da sie auch durch Werbemittel oder darin enthaltene Elemente initiiert werden kann. Aufmerksamkeit wiederum, kann als Folge der vorübergehenden Erhöhung der Aktivierung gesehen werden und führt „zu einer Sensibilisierung des Individuums (z.B. Konsument) gegenüber bestimmten Reizen (z.B. Werbemittel)“ (ebd.). Starke Aktivierung ist demnach mit hohem Involvement verbunden und regt den Rezipienten dazu an, sich auf gedanklicher oder emotionaler Ebene mit einem Produkt, einer Dienstleistung oder einer Aktivität auseinanderzusetzen (Kroeber-Riel & Esch, 2011, S.195). Aktivierung und Aufmerksamkeit können somit als leistungssteigernde Faktoren bezüglich der Informationsaufnahme angesehen werden und sind folglich von zentraler Bedeutung für die Werbewirkung. Zudem wurde empirisch mehrfach belegt, dass der Rezipient stärker aktivierende Werbemittel besser erinnert, als weniger stark aktivierende (vgl. Eysenck, 1982, S.66). Geht man also davon aus, dass Werbespots in 3D auf Grund ihrer Neuartigkeit und der realitätsnahen Darstellung ihre Rezipienten mehr aktivieren als herkömmliche Werbespots, kann in der Folge von einer gesteigerten Erinnerungsleistung ausgegangen werden. Allerdings sind Aktivierung und Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang zwar notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingungen für den Erfolg von Werbung. Gerade durch eine zu starke Aktivierung können auch negative Wirkungen wie Bumerang- oder Vampireffekte verursacht werden, bei denen es zu einer Ablenkung oder Fehlinterpretationen der Werbebotschaft kommt (vgl. Kroeber-Riel & Esch, 2011, S.249ff). Weiterhin könnte es gerade durch die technikimmanenten Probleme mit 3D zu Beeinträchtigungen von Akzeptanz, Aufmerksamkeit und infolgedessen auch Involvement kommen (z.B. durch Schwindel oder Augenschmerzen).

3.3. Das Elaboration-Likelihood-Model

Die Thematik der Werbewirkung ist so vielschichtig wie ihr Forschungsgegenstand selbst. Daher ist es unmöglich, ein einheitliches Wirkungsmodell, ein Totalmodell, zu entwerfen, dass alle Wirkungsdeterminanten berücksichtigt. In der Tradition der Werbewirkungsforschung wurde daher vielmehr das Ziel verfolgt, Teilwirkungen zu untersuchen und schematisch darzustellen (vgl. Engelhardt, 1999, S.16). Von besonderer Relevanz ist im Rahmen dieser Arbeit daher ein Modell, das Anknüpfungspunkte von der klassischen Werbewirkungsforschung zur aktuellen 3D-Forschung liefert und die Überlegungen zu Akzeptanz, Aktivierung, Aufmerksamkeit und Involvement berücksichtigt. Einen solchen zentralen Anknüpfungspunkt liefert das Elaboration-Likelihood-Model von Petty und Cacioppo (1983).

Bereits Krugman (1965) beschreibt, dass in Abhängigkeit des Involvement-Niveaus unterschiedliche Verarbeitungsmechanismen der dargebotenen Informationen zum tragen kommen (S.355). Diese Grundidee greift das Elaboration-Likelihood-Modell von Petty und Cacioppo (1983) auf, indem es von zwei unterschiedlichen Arten der Verarbeitung einer Information (Elaboration) ausgeht: Der zentralen und der peripheren Route der Informationsverarbeitung. Welcher Weg dabei eingeschlagen wird, hängt vom Niveau des Involvements des Rezipienten ab.

a) Bei hohem Involvement konzentriert sich der Rezipient im Allgemeinen auf den Inhalt der Werbebotschaft. Er setzt sich intensiv mit den dargebotenen Informationen auseinander, wägt Vor- und Nachteile ab und fällt sein Urteil auf Basis der besseren Argumentation. Es zählt die Qualität der Argumente, nicht die Quantität. Die äußere Aufmachung der Werbebotschaft hat keinen entscheidenden Einfluss. Sie kann zwar die Wirkung einer überzeugenden und glaubwürdigen Argumentation unterstützen, jedoch nicht eine gegebenenfalls schwache inhaltliche Ausgestaltung überspielen. Petty und Cacioppo sprechen in diesem Zusammenhang von dem zentralen Weg der Informationsverarbeitung oder Beeinflussung. (vgl. Kroeber-Riel & Esch, 2011, S.343)

b) Im Gegensatz dazu kommt bei geringem Involvement die Annahme „Gefallen geht über Verstehen“ zum Tragen. Informationen werden hier nur wenig elaboriert verarbeitet, der Rezipient hat kaum Anhaltspunkte für eine rationale Urteilsbildung. Seine Haltung hängt vielmehr von gefühlsmäßigen Entscheidungen und der gefälligen Aufmachung oder Gestaltung der Botschaft ab. Der äußere Eindruck zählt wesentlich stärker als das Verständnis der Werbebotschaft. Die Forscher sprechen im Zusammenhang mit diesem Beeinflussungsstil von dem peripheren Weg der Informationsverarbeitung. (vgl. Kroeber-Riel & Esch, 2011, S.343).

Abbildung 4: Elaboration-Likelihood-Model (eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Modell zählt zu den relationalen Stufenmodellen der Werbewirkung, da es die Verarbeitung von Werbereizen in Relation zu rezipienten-spezifischen Konstrukten setzt. In Abhängigkeit der internen Vorgänge des Umworbenen kann die Reizverarbeitung auf den unterschiedlichen Routen erfolgen, die unter Umständen auch parallel aktiv sind (vgl. Sieglerschmidt, 2008, S.61). Bei der Wahl der Verarbeitungsroute steht das Involvement als entscheidender Faktor im Mittelpunkt der Betrachtung und ist wiederum von der Motivation und Fähigkeit des Rezipienten zur Informationsverarbeitung abhängig. Unter diesen Begriffen werden beispielsweise Faktoren wie die persönliche Relevanz, Vorwissen des Rezipienten oder Art und Stärke der Reizes summiert (vg. ebd. S62ff). Als zwingende Voraussetzung für die Informationsverarbeitung muss jedoch zunächst die Wahrnehmung der entsprechenden Information gesehen werden. Hier schließt sich der Kreis zu Akzeptanz, Aktivierung und Aufmerksamkeit, die als bedeutende, jedoch nicht als zwingende Faktoren für die Wahrnehmung von Information angesehen werden können und somit überhaupt erst die Grundlage für eine Informationsverarbeitung schaffen.

3.4. Problematik der Werbewirkungsmessung

Den Ebenen zur Werbewirkung entsprechend gliedern sich die Verfahren der Erhebung in gedächtnisbezogene, emotionsbezogene und verhaltensbezogene Vorgehensweisen. Der nachfolgende Abschnitt soll aus der Fülle der verschiedenen Methoden zur Erfassung von Werbewirkung jene vorstellen und kritisch würdigen, die für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung sind.

Messung von Gedächtniswirkungen:

Zur Messung von Gedächtniswirkungen sind in der Tradition der Werbewirkungsforschung vor allem drei Verfahren geläufig: Die freie Erinnerung (free oder unaided recall), die gestützte Erinnerung (aided recall) und das Wiedererkennen (recognition). Die gängigsten Testverfahren hierzu werden nachfolgend vorgestellt. (vgl. hierzu Engelhardt, 1999, S.78ff)

a) Recognition-Tests basieren auf der Wiedererkennung von Marken oder Produkten, die in einem zuvor rezipierten Werbestimulus enthalten waren. Um Verzerrungen zu kontrollieren, besteht die Auswahl sowohl aus Marken oder Produkten, die tatsächlich im Stimulus enthalten waren, als auch aus solchen, die es nicht waren. Die Tests kommen in erster Linie im Print-Bereich zum Einsatz, finden aber auch in anderen Bereichen Anwendung. Der Methode wird eine hohe Reliabilität nachgesagt, jedoch unterliegen die Ergebnisse häufig dem Phänomen der sozialen Erwünschtheit (vgl. Nieschlag, 1994, S.646). Um ihre guten Gedächtnisleistungen unter Beweis zu stellen, neigen Befragte dazu, unwahre Aussagen zu machen (Prestige-Effekt) (ebd.). Carryover - oder Spillover-Effekte können weiterhin dazu führen, dass bekanntere oder aktuellere Marken häufiger erinnert werden als weniger oder nicht bekannte Marken – ganz unabhängig von dem eigentlichen Werbestimulus (vgl. Engelhardt, 1999, S.31). Darin zeigt sich die Schwäche des Testverfahrens: Bis heute ist nicht eindeutig geklärt was tatsächlich gemessen wird. Während einige Forscher das Verfahren der Messung von kognitiven Behaltensleistungen zuordnet, argumentieren andere, dass mit dem Verfahren lediglich erhoben wird, was ein Proband als beachtenswert empfindet. Krugman zufolge ermittelt der Test vielmehr das Aufmerksamkeitspotential eines Werbemittels (1985, S. 49ff). Insgesamt kann die Validität des Testverfahrens als kritisch eingestuft werden.

b) Recall-Tests basieren im Vergleich dazu nicht auf Wiedererkennung, sondern auf Erinnerung. Differenzierter wird oft zwischen aided und unaided Recall unterschieden. Die Verfahren unterscheiden sich hinsichtlich der Erinnerungshilfen, die ein Proband erhält, und wollen gleichermaßen erfassen, inwieweit bestimmte Werbestimuli erinnert werden. Die Testverfahren folgen dabei in ihrer Reihenfolge dem Elaborationsniveau der Probanden: Zunächst wird anhand des unaided Recalls ermittelt ob bzw. an welche Werbemittel sich der Versuchsteilnehmer erinnert. Im weiteren Verlauf werden immer mehr Erinnerungshilfen angeboten, zunächst durch die Nennung von Produktkategorien oder Markennamen (produkt- bzw. markengestützter Recall). Wird eine beworbene Marke erinnert, schließen sich detaillierte Fragen an, um die Erfüllung des Werbeziels zu überprüfen. Die Schwäche dieser Testverfahren besteht vor allem in der unterschiedlichen Fähigkeit der Informationsaufnahme und –wiedergabe der Befragten. Weiterhin kann durch das Phänomen der Forced Exposure die Aufmerksamkeit der Probanden auf Grund der Experimentalsituation unnatürlich gesteigert werden. Versuchsanordnungen unter möglichst natürlichen Bedingungen können diesem Problem entgegnenwirken. Ebenfalls kritisch abzuwägen ist, ob die Erinnerungsleistungen tatsächlich auf der Rezeption des Werbemittels oder auf bereits zuvor gelernten Informationen beruhen.

Um Wirkungen auf das Langzeitgedächtnis zu überprüfen, wird in der klassischen Werbewirkungsforschung häufig ein Untersuchungsdesign gewählt, bei dem 24 Stunden oder mehr zwischen dem Stimulus und der Befragung liegen (vgl. MediaRes & Aproxima 2011a). Von dieser Methode des „Day-after-Recalls“ wird in dieser Studie Abstand genommen, um etwaige Einflüsse, die zwischen Rezeption und Befragung liegen, auszuschließen.

Messung von Einstellung, Bewertung &Akzeptanz:

„Die Wahrnehmung der objektiven Informationen eine Werbemittels wird stark davon beeinflusst, was sich der Rezipient aufgrund seiner aktuellen Bewusstseinslage, seiner subjektiven Einstellung und seiner Motive davon erwartet“ (Engelhardt, 1999, S.72). Die Beurteilung von werblicher Information kann demnach nicht auf rein rationaler Ebene geschehen, sondern wird in entscheidendem Maße von subjektiven Empfindungen und vermittelten Emotionen getragen. Oft ist schon die erste gefühlsmäßige Anmutung entscheidend dafür, ob ein Werbemittel weiter beachtet wird oder nicht. Die Erfassung von Einstellungen, Bewertungen und Akzeptanz erfordert die Beachtung vieler verschiedener Indikatoren, deren Werbewirkungsrelevanz unterschiedlich diskutiert wird. Typische Indikatoren sind dabei etwa Gefallen, Überzeugung, Relevanz, Aktualität, Sympathie, Glaubwürdigkeit oder Verhaltensabsicht (vgl. ebd. S.85f). Die Erfassung dieser Konstrukte setzt voraus, dass die zugrundeliegenden inneren Vorgänge auch tatsächlich verbalisiert werden können, was gleichzeitig einen entscheidenden Kritikpunkt darstellt. Nichtsdestotrotz wurden verschiedene Verfahren zur Erhebung entwickelt. Eine gängige Erhebungsmethode sind klassische Like-Dislike-Fragen, bei denen – je nach Operationalisierung und Interpretation - Gefallen bzw. Nicht-Gefallen oder auch Akzeptanz der Werbung erhoben werden. Häufig werden auch Polaritäten-Profile eingesetzt, bei denen mehrere gegensätzliche Adjektivpaare zur Bewertung des Werbemittels gegenübergestellt werden. Allen Erhebungsmethoden gemein ist die Operationalisierung durch mehrere Items, die jedoch häufig nicht eindimensional sind oder die untersuchte Dimension nur unzureichend abdecken.

3.5. Forschungsstand 3D Werbung

Wie bereits angedeutet wurde, ist der Forschungsstand zur Wirkung von Kinowerbung in 3D äußerst defizitär. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit lagen keine Ergebnisse aus akademischer Forschung vor. Lediglich zwei Marktforschungsstudien beschäftigten sich mit der unterschiedlichen Wirkung von 3D-Werbung im Kino im Vergleich zur konventionellen 2D-Version.

Die Studie CineMonitor ist eine kontinuierlich durchgeführte, deutschlandweite Befragung von MediaRes und Aproxima (2011a) im Auftrag des Fachverbands FDW Werbung im Kino e.V. Die Teilnehmer dieser Feldstudie werden in den Kinos rekrutiert und mittels Day-After-Recall-Methode ein bis drei Tage nach dem Kinobesuch telefonisch befragt. Die aktuelle Befragung CineMonitor 2011 umfasst zwei Erhebungen (18.03.-27.07.2010 und 16.09.-30.11.2011) mit 1000 beziehungsweise 1007 Teilnehmern. Ziel der Studie ist es, die Kinonutzung und Werbeakzeptanz zu untersuchen. Ein Frageblock zu 3D-Werbung wurde erst in der aktuellsten Studie aufgenommen und stellt nur einen Teil der Erhebung dar. Insgesamt kommt die Studie zu dem Schluss, dass 3D-Werbespots aus Sicht der Kinobesucher unterhaltsamer (61 % der Befragten), realistischer (67 %) und wirkungsvoller (80 %) sind. Hinsichtlich Informationsgehalt und Glaubwürdigkeit konnten keine Unterschiede zwischen den Versionen festgestellt werden (vgl. MediaRes & Aproxima, 2011b). In einer zweiten Befragungswelle wurde weiterhin festgestellt, dass Kinowerbespots in 3D deutlich häufiger erinnert und signifikant besser bewertet werden. Bei der ungestützten Erinnerung erzielten 3D-Spots eine durchschnittliche Erinnerungsrate von zwölf Prozent und damit mehr als doppelt so viel wie ihre Mitbewerber in 2D (5 %). Bei der gestützten Erinnerung wurden 3D-Spots im Schnitt von 52 Prozent der Kinobesucher erinnert und liegen damit ebenfalls über dem durchschnittlichen Wert von Spots in 2D (40 %). Die bessere Erinnerung wird von einer deutlich besseren Bewertung der dreidimensionalen Spots flankiert: Auf einer Schulnotensklala von 1 bis 6 erzielen 3D-Spots mit einer Durchschnittsnote von 2,2 einen besseren Wert als 2D-Spots mit 2,9 (vgl. MediaRes & Aproxima, 2012).

Die Studie liefert erste Einblicke in Thematik der 3D-Werbung, allerdings fehlt eine theoretische Einordnung oder Untermauerung. Somit verbleiben die Daten auf rein deskriptiver Ebene. Des Weiteren ist die Vorgehensweise wenig transparent und in keinster Weise standardisiert. So kann bei 28 Erhebungsorten und 81 Kinosälen weder von einer einheitlichen Erhebungssituation, noch von vergleichbarem Stimulusmaterial ausgegangen werden. Welche Spots tatsächlich Grundlage der Erhebung waren, wird an keiner Stelle offen gelegt. Ob Kinobesucher eines 2D-Films also dieselben Spots wie Besucher eines 3D-Films im Vorprogramm zu sehen bekamen bleibt unklar. Ein Vergleich der beiden Gruppen ist daher strenggenommen nicht gültig und nur wenig aussagekräftig.

Das Marktforschungsinstitut SKOPOS (2010) konzipierte eigens für eine 2D/3D-Vergleichsstudie einen fiktiven Spot für ein Fruchteis. Dazu wurden 312 Personen in zwei strukturgleiche Gruppen geteilt und nach einer Videovorführung des Spots befragt. Unter der 3D-Bedingung schnitt dabei nicht nur der Spot selbst, sondern auch das beworbene Produkt besser ab. Die 3D-Zuschauer empfanden den Spot als moderner, origineller und einzigartiger. Weiterhin fiel die Kaufwahrscheinlichkeit höher aus als in der Vergleichsgruppe. Die Effekte innerhalb der 3D-Gruppe waren bei Personen mit wenig 3D-Erfahrung ausgeprägter. Die Forscher vermuten einen Zusammenhang mit der Neuartigkeit der 3D-Technik und prognostizieren gleichzeitig eine Abmilderung des Effekts durch Gewöhnung.

Zwar scheint bei dieser Studie die Vergleichbarkeit der beiden Gruppen hergestellt, doch bleibt die genaue Methodik und Operationalisierung intransparent. Eine theoretische Fundierung fehlt auch hier. Weiterhin ist lediglich eine Kurzbeschreibung der Ergebnisse öffentlich zugänglich, die ohne konkrete Daten oder Zahlen vorgestellt wird.

Beide Studien weisen zum Teil auf eine deutliche Steigerungsfähigkeit der 3D-Version in Bezug auf die Erinnerungswerte und Beurteilung der Spots hin. Auf Grund erheblicher methodischer Defizite und fehlender theoretischer Kontextualisierung können die Ergebnisse jedoch nur bedingt zu einem Erkenntniszugewinn beitragen.

Damit erschöpft sich bereits die Liste an Studien zu Kinowerbung in 3D und verdeutlicht sowohl den Forschungsbedarf in diesem Bereich als auch den Pioniercharakter dieser Studie. Als Grundlage werden daher vor allem Erkenntnisse aus der klassischen Werbewirkungsforschung herangezogen. Ebenso dienen Ergebnisse aus der Forschung zu 3D-Kinofilmen, welche im Vergleich zur 3D-Werbeforschung deutlich weiter entwickelt ist, als Basis dieser Untersuchung.

[...]


[1] Zur Definition von Involvement, siehe Kapitel 3.2.

[2] Bereits vier Jahre vor der Entwicklung des Stereoskops durch Wheatstone, entwarf Helioth ein ähnliches Gerät. Der Name „Helioth-Wheatstone-Stereoskop“ soll den Beitrag Helioths zu dieser Entwicklung würdigen (vgl. Kaufman, 1974, S.269f).

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Werbewirkung in der dritten Dimension
Untertitel
Eine quantitative Studie zum Einfluss der Präsentationsweise (2D vs. 3D) auf die Wirkung von Kinowerbung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung)
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
86
Katalognummer
V207578
ISBN (eBook)
9783656349358
ISBN (Buch)
9783656354932
Dateigröße
4782 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
werbewirkung, dimension, eine, studie, einfluss, präsentationsweise, wirkung, kinowerbung
Arbeit zitieren
Veronika Anna Holler (Autor:in), 2012, Werbewirkung in der dritten Dimension, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207578

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