Phonetische Untersuchung der Attraktivität von Stimmen verschiedener Sprecher sowie von Dialekt versus Hochsprache

Was macht eine Männerstimme für Frauen interessant?


Magisterarbeit, 2010

135 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Gliederung

Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

2 Stimme
2.1 Phonation und akustische Artikulation
2.2 Einfluss des Testosteronspiegels auf die männliche Stimme
2.3 Frequency Code nach Ohala (1994)

3 Attraktivität der Stimme
3.1 Welche Stimmen finden Frauen attraktiv?
3.2 Auditive, visuelle und visuell-auditive Bewertungssituationen
3.3 Beziehungen zwischen Stimme und Persönlichkeitsattributen
3.3.1 Einfluss der wahrgenommenen Reife auf Persönlichkeitsurteile
3.4 Beziehungen zwischen Stimme und physischer Attraktivität
3.4.1 Einfluss der shoulder-to-hip-ratio
3.4.2 Einfluss der fluktuierenden Asymmetrie
3.4.3 Maskulinität
3.4.4 Wahrnehmung von Größe und Gewicht

4 Neue Ansätze nach Zuta (2007)
4.1 Grundfrequenz (F0)
4.2 Formantfrequenzen
4.3 Pausen
4.4 Hesitationen
4.5 Sprechgeschwindigkeit
4.6 Artikulationsgeschwindigkeit

5 Dialekt versus Hochdeutsch
5.1 Einleitung
5.2 Begriffserklärungen
5.3 Dialektkompetenz und –gebrauch
5.3.1 Geschlecht und Dialekt
5.3.2 Alter und Dialekt
5.4 Prestige des Hochdeutschen
5.5 Einstellungen gegenüber Dialektsprechern
5.5.1 Assoziationen zwischen Dialekt und sozialer Schicht
5.5.2 Stereotype

Eigenes experimentelles Vorgehen

6 Vorüberlegungen

7 Hypothesen

8 Methode
8.1 Sprachmaterial
8.1.1 Auswahl der Dialektgebiete
8.1.2 Sprecherauswahl
8.1.3 Aufnahmen der Sprecher
8.1.4 Stimulusherstellung
8.2 Durchführung des Perzeptionsexperiments
8.2.1 Versuchspersonen
8.2.2 Durchführung
8.2.3 Matched-Guise-Technik
8.2.4 Bewertungsskalen der Stimme
8.3 Akustische Analysen

9 Ergebnisse und Diskussion
9.1 Bewertungen der Stimmen
9.1.1 Bewertungen der hochdeutschen Stimmen
9.1.2 Vergleich Hochdeutsch – Dialekt
9.1.3 Einfluss des Geschlechts
9.1.4 Zwischendiskussion
9.2 Ergebnisse der akustischen Analysen
9.2.1 Grundfrequenz
9.2.2 Pausen
9.2.3 Hesitationen
9.2.4 Sprechgeschwindigkeit
9.2.5 Artikulationsgeschwindigkeit
9.2.6 Zwischendiskussion

10 Diskussion

11 Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang
A.1 Anredebogen
A.2 Die erste Seite des Fragebogens
A.3 Die letzte Seite des Fragebogens
A.4 Durchschnittliche Bewertung aller Sprecher zur 1. Frage:
Vergleich Hochdeutsch/Dialekt
A.5 Mittlere Grundfrequenzen der hochdeutschen Stimuli
aller 30 Sprecher
A.6 Tabelle aller akustischen Ergebnisse
A.7 Vergleich der hochdeutschen und dialektalen Stimuli: Mittlere
Dauer der pausenfreien Abschnitte
A.8 Vergleich der Bewertungen zur körperlichen Attraktivität zwischen
Hochdeutsch und Dialekt
A.9 Vergleich der Bewertungen zur Attraktivität der Persönlichkeit

zwischen Hochdeutsch und Dialekt

1 Einleitung

Die zentralen Punkte dieser Studie bestehen in der Attraktivität der männlichen Stimme und dem Einfluss des Dialekts auf diese Attraktivität. Trotz des Titels dieser Arbeit, wurde sich auf die männliche Stimme als Fokus beschränkt, da selbst die Wahl eines der beiden Geschlechter zu zahlreichen möglichen Untersuchungspunkten führt. Die männliche Stimme als Untersuchungsgegenstand wurde zum einen aus Interesse gewählt und zum anderen, weil angenommen werden kann, dass es leichter fällt genügend männliche Dialektsprecher zu finden, die sowohl im Alltag überwiegend Dialekt sprechen, als aber auch das Hochdeutsche ausreichend beherrschen.

Die entscheidende Idee zu dieser Arbeit entstand dann im Laufe eines Kurses mit dem Titel „Folk linguistics oder Was Laien so über Sprache denken und wissen“ des germanistischen Seminars der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel. Dort wurde unter anderem darauf eingegangen, dass das linguistische Laienwissen die Bewertungen einzelner Varietäten beeinflussen kann und durch Sprache bestimmte Vorurteile und Stereotype entstehen.

Die Stimme eines Menschen dient als Träger vielerlei Informationen, die nicht nur aus dem Inhalt und der Intention des Gesagten bestehen, sonder auch Hinweise zum Sprecher enthalten. So kann die Stimme eines Sprechers dem Hörer nicht nur Informationen zum Geschlecht oder Gefühlszustand des Sprechers verraten, sondern löst beim Hörer vor allem aber auch ein stereotypes Bild aus, das dem Hörer Informationen zur Persönlichkeit oder zum äußeren Erscheinungsbild des Sprechers liefert. Diese Stereotype scheinen durch bestimmte akustische Hinweise der Stimme verursacht zu werden, die zwar unbewusst aber allgemein gültig verarbeitet werden, da sich Beurteiler in den meisten Dingen einig sind. Allerdings zeigen viele Untersuchungen auch, dass diese stereotypen Vorstellungen oft nicht mit der Realität übereinstimmen, andere dagegen wiederum Gültigkeit besitzen. Außerdem hat sich gezeigt, dass ein Dialekt ebenfalls bestimmte Assoziationen auslöst, die in den meisten Fällen nicht unbedingt positiver Art sind. Demnach müssten diese negativen Einstellungen und Assoziationen im zweiten Schritt theoretisch auch Einfluss auf die Bewertung der Attraktivität der Stimme ausüben. Dieser Einfluss soll unter anderem in dieser Arbeit untersucht werden, indem von Sprechern jeweils eine hochdeutsche und eine dialektale Sprachprobe bewertet, ausgewertet und analysiert werden soll. Dabei ist es aber wichtig, dass die Hörer nicht merken, dass jeder Sprecher wiederholt vorkommt. Neben der Frage, ob ein Dialekt die stimmliche Attraktivität eines Mannes verändert, soll auch allgemein geklärt werden, welche akustischen Hinweise im Sprachsignal charakteristisch für eine attraktive Männerstimme sind und ob sich diese akustischen Parameter in den dialektalen Versionen ändern. Führen demnach alleine die (durch den Dialekt ausgelösten) stereotypen Vorstellungen zu wahrscheinlich negativeren Bewertungen, oder werden die durch Veränderungen der akustischen Parameter unterstützt? Untersucht werden soll allerdings nicht, inwieweit die von den Hörern vermuteten Urteile zur Persönlichkeit oder zum Äußeren des Sprechers tatsächlich mit der Realität übereinstimmen.

1.1 Gliederung

Im ersten Hauptteil dieser Arbeit wird auf theoretische Grundlagen der Phonetik, der Attraktivitäts- und der Dialektforschung eingegangen. Zunächst gibt es ein einführendes Kapitel zur menschlichen Stimme, in dem auf die Phonation und akustische Artikulation, den Einfluss des Testosteronspiegels auf die männliche Stimme und Ohalas (1994) frequency code eingegangen wird. Das darauf folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Attraktivität der Stimme. Dort wird die Frage geklärt, welche Stimmen Frauen attraktiv finden. Im Besonderen sollen hier aber die Beziehungen zwischen der Stimme und Persönlichkeitsattributen und der Stimme und der physischen Attraktivität ermittelt werden. Das nächste Kapitel befasst sich dann mit relativ neuen Forschungen von Vivien Zuta (u.a. aus dem Jahr 2007), die die akustischen Merkmale von attraktiven Männerstimmen untersucht hat. Dabei wird nicht auf einen speziellen akustischen Parameter und seine Auswirkungen auf besondere Persönlichkeitseigenschaften oder Aussehensvorstellungen geschaut, sondern vielmehr auf ein größeres Gesamtbild verschiedener Faktoren. Das letzte Kapitel des ersten Hauptteils befasst sich dann schließlich mit verschiedenen Punkten zum Dialekt und Hochdeutschen. Neben den Begriffserklärungen wird unter anderem auf Dialektkompetenz und –gebrauch, das Prestige des Hochdeutschen und die Einstellungen gegenüber Dialektsprechern eingegangen.

Der zweite Hauptteil besteht aus der eigenen empirischen Untersuchung und den vermuteten Hypothesen. Zunächst wird hier besonders auf genauere Erklärungen zum Sprachmaterial und zum Perzeptionsexperiment eingegangen. Danach folgt die Vorstellung der eigenen empirischen Ergebnisse der Fragebogenauswertungen und der akustischen Analysen. Im Anschluss darauf gibt es eine Gesamtdiskussion und einen Ausblick für weiterführende Studien.

Theoretische Grundlagen

und Forschungsüberblick

2 Stimme

Im folgenden Abschnitt soll einleitend auf Allgemeines bezüglich der Stimme eingegangen werden, um die nötigen Grundlagen und Voraussetzungen für den Rest der Arbeit zu gewährleisten.

2.1 Phonation und akustische Artikulation

Durch die Atmung wird der subglottale Luftdruck geliefert, der die Stimmlippen im Kehlkopf in klangerzeugende Schwingungen versetzt. Währenddessen wirken sich Veränderungen des Ansatzrohres, das heißt des Rachen-, Mund- und Nasenraums, klangmodifizierend aus (Pompino-Marschall 2003:18). Die Funktionen des Kehlkopfs sind vielfältiger Art. Seine primäre Aufgabe besteht darin die Luftröhre am oberen Ende vom Rachen- und Mundraum abzutrennen. Zum einen dient dieser Abschluss als Schutz vor eindringender Nahrung und Flüssigkeit, zum anderen kann er aber auch einen erhöhten Druck im Brustkorb herbeiführen, der der Darmentleerung, dem Erbrechen und dem Heben schwerer Gegenstände dient. Für diese Magisterarbeit ist aber die sekundäre Aufgabe des Kehlkopfes von größerer Bedeutung.

Seine Funktion für die lautsprachliche Kommunikation schließlich besteht in der kontrollierten Stimmtonerzeugung (Phonation) durch die schwingenden Stimmlippen, wobei durch die Kehlkopfmuskulatur im Zusammenspiel mit dem Druck der ausgeatmeten Luft das Auftreten, die Geschwindigkeit, die Stärke und die Form dieser Schwingung und somit die Stimmhaftigkeit, die Stimmtonhöhe, die Lautstärke und die Stimmqualität kontrolliert werden können.

(Pompino-Marschall 2003:31)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1: Schema der Quelle-Filter-Theorie: das Spektrum des Quellsignals besteht aus der Grundfrequenz (100 Hz) und deren Harmonische. Der modulierte Vokaltrakt (Filter) filtert das Quellsignal. An den Lippen (und Nase) wird das fertige Sprachsignal ausgestrahlt (Reetz 2003:134).

Die Quelle-Filter-Theorie (siehe Abb. 2.1) besagt, dass das Vibrieren der Stimmlippen ein Quellsignal erzeugt, das durch das Ansatzrohr (Filter) gefiltert wird. Die akustischen Eigenschaften des Ansatzrohres richten sich nach den Stellungen der Artikulatoren und modifizieren das Quellsignal unterschiedlich. Das Ansatzrohr lässt bestimmte Frequenzen (die Eigen- bzw. Resonanzfrequenzen) verstärkt durch, während andere Frequenzen des Quellsignals stark gedämpft werden (Pompino-Marschall 2003:106). Das Quellsignal besteht aus der Grundfrequenz und deren Harmonischen (Vielfache der Grundfrequenz), so dass auch Energie in den höheren Frequenzen vorhanden ist. Die Eigen- bzw. Resonanzfrequenzen sind die Frequenzen, mit denen ein Körper bevorzugt schwingt. Alle Frequenzen, die in der Nähe der Resonanzfrequenzen liegen, werden verstärkt, während die anderen Frequenzen stark gedämpft werden. Diese kaum gedämpften Frequenzbänder, die starke Energie aufweisen, heißen Formanten. Im Spektrogramm lassen sich Formanten als Balken mit der stärksten Schwärzung erkennen, während sie im Spektrum die Maxima darstellen. Allerdings werden die Formanten durch die Form des Vokaltrakts gegeben, genauer gesagt durch die Stellung der Artikulatoren und sind damit keine Eigenschaft des Sprachsignals. Die Position der Formanten wird durch die Stellung der Artikulatoren herbeigeführt und diese Formantposition wiederum ist entscheidend für den wahrgenommenen Sprachlaut (ist es ein [o] oder [a]). Die ersten beiden Formanten sind für die Qualität und die Verständlichkeit des Vokals wichtig. Die vertikale Höhe des Zungenrückens und die Lage der Zunge zwischen Glottis und Lippen legen die Frequenz des ersten Formanten fest. Ein niedriger erster Formant ist dann gegeben, wenn der Zungenrücken hoch ist und eine lange Strecke zwischen der Glottis und den Lippen besteht. Bei den Vokalen mit niedrigen ersten Formanten handelt es sich um die hohen Vokale [i, y, u, ɪ, ʏ, ʊ], während die tiefen und offenen Vokale [a, ɑ, ɒ, æ] hohe erste Formanten haben. Der zweite Formant wird durch die horizontale Position der Zunge bestimmt. Die vorderen Vokale [i, y, ɪ, ʏ, e, ø, ɛ, æ] haben eine hohen zweiten Formanten, während die hinteren Vokale [u, o, ᴐ, ɑ] einen tiefen zweiten Formanten vorweisen können (Reetz 2003:131-139).

2.2 Einfluss des Testosteronspiegels auf die männliche Stimme

Männer haben im Gegensatz zu Frauen einen längeren Vokaltrakt und einen größeren Kehlkopf. Der Vokaltrakt eines Mannes ist 15% länger als der Vokaltrakt einer Frau (Klatt & Klatt 1990:825). Die Grundfrequenz, das heißt wie oft die Stimmlippen in der Sekunde schwingen, ist unter anderem sehr stark abhängig von der Größe der Stimmlippen. Die Stimmlippen der Männer sind zwischen 17 und 24 mm lang und ihre durchschnittliche Grundfrequenz liegt bei circa 120 Hz. Währenddessen sind die Stimmlippen der Frauen nur zwischen 13 und 17 mm lang und die Grundfrequenz beträgt somit im Durchschnitt 230 Hz (Pompino-Marschall 2003:35). Die Grundfrequenz einer Frau kann somit bis zu 1,7 Mal höher sein als die eines Mannes (Klatt & Klatt 1990:825). Kinder haben insgesamt einen viel kürzeren Vokaltrakt, kleineren Kehlkopf und kürzere Stimmlippen und ihre durchschnittliche Grundfrequenz ist mit circa 400 Hz noch sehr hoch (Pompino-Marschall 2003:35). Die Grundfrequenz ist somit der wichtigste Faktor in der Geschlechtererkennung, wenn keine physischen Anhaltspunkte herangezogen werden können. Die Grundfrequenzen sind sexuell dimorph, das heißt unterscheiden sich stark bei Frauen und Männern, werden aber während der Pubertät bei Frauen und Männern tiefer. Allerdings vollzieht sich diese Veränderung bei den Männern schneller und viel stärker. Während der Pubertät verursachen Androgene[1] in der Anatomie des männlichen Stimmapparats, dass dieser maskuliner wird, indem die Stimmlippen schneller wachsen als der restliche Teil des Körpers (Hollien 1960). Aus diesem Grund wird eine tiefer werdende Stimme bei Jungen während der Pubertät immer mit einem ansteigendem Testosteronlevel assoziiert (Dabbs & Mallinger 1999:802). Pedersen, Moller, Krabbe & Bennett (1986) fanden heraus, dass es eine Korrelation von r = -0.35 zwischen Testosteron und Grundfrequenz gibt. Teilnehmer dieser Studie waren 19 junge Männer im Alter von 16 bis 19.5 Jahren. In einer weiteren Studie zu diesem Thema von Dabbs & Mallinger (1999) wurden von 61 Männern und 88 Frauen Speichelproben entnommen und anhand dieser die Testosteronspiegel der Teilnehmer gemessen. Um die Grundfrequenzen messen zu können, wurden alle Teilnehmer gebeten die Zahlen 1 bis 10 und die Vokale a, e, i, o und u in ein Mikrophon zu sprechen. Die durchschnittliche Tonhöhe bei Männern maß 99 Hz, während die der Frauen 181 Hz betrug. Bei den Männern wurde ein durchschnittlicher Testosteronspiegel von 9.63 ng/dl (SD = 2.61) und bei den Frauen ein durchschnittlicher Testosteronspiegel von 1.78 ng/dl (SD = 0.68) gemessen. Eine Korrelation zwischen Testosteron und Tonhöhe ergab signifikante Werte von r(59)=-0.26, p<0.05 für die männlichen Sprecher und nicht signifikante Werte von r(86)=0.11, n.s. für die Frauen.

Es gibt zwei Erklärungen für eine Verbindung zwischen Testosteron und Tonhöhe. Zum einen aus einem psychologischen Grund, der darin besteht, dass Testosteron den Sprechstil beeinflussen kann, indem der Sprecher seine tiefe Stimme benutzt um andere Menschen zu beeinflussen. Der weitaus entscheidendere Grund ist physiologisch und wurde bereits kurz angesprochen. Ein höherer Testosteronspiegel verändert die Größe, Länge und Tension (Spannung) der Stimmlippen.

2.3 Frequency Code nach Ohala (1994)

Der „Frequency Code“ nach Ohala (1994) geht davon aus, dass die Wahrnehmung eines Sprechers stark vom Gebrauch der Grundfrequenz abhängt. Der Sprecher kann mit Hilfe der Grundfrequenz erreichen, dass der Hörer ihn auf eine bestimmte Art und Weise wahrnimmt (zum Beispiel selbstsicher oder nervös und groß oder klein). Es werden dabei starke Parallelen zum Tierreich gezogen. Im Tierreich hat der Angreifer ein selbstsicheres Auftreten, auch wenn er teilweise nur so tut als wäre er selbstsicher. Dieses selbstsichere Auftreten wird von einer rauen Stimme begleitet, die durch eine tiefe Grundfrequenz gekennzeichnet ist. Dagegen haben Tiere, die sich nicht aggressiv oder drohend verhalten, eher ein demütiges Auftreten und eine Stimme mit einer hohen Grundfrequenz (Ohala 1994:329). Fast immer haben die großen Tiere tiefere Stimmen als die kleinen Tiere (knurren oder bellen im Gegensatz zu jaulen oder wimmern). Diese Tiefe der Stimme wird bei Tieren mit Aggression und Dominanz assoziiert (Morton & Page 1992). Tiere versuchen ihre Gegner einzuschüchtern, indem sie sich so groß wie möglich machen. Zum Beispiel macht eine Katze einen Katzenbuckel und sträubt ihren Schwanz, während ein Hund seine Nackenhaare und seinen Schwanz aufrichtet und ein Vogel seine Flügel ausbreitet und sein Gefieder aufplustert. Damit signalisieren sie ihrem Gegenüber, dass die Größenvorteile auf ihrer Seite wären, wenn es zu einem eventuell bevorstehenden Kampf kommen könnte. Auch die Stimme erfüllt diesen Zweck, indem eine Stimme mit einer tiefen Grundfrequenz einem anderen Individuum den Eindruck von einem großen Sprecher vermittelt. Auch bei Menschen vermittelt eine tiefe Stimme den Eindruck von Aggression, Dominanz und Selbstbehauptung, während eine hohe Stimme mit Höflichkeit und Unterordnung assoziiert wird. Ohala zieht hier eine Verbindung zu den typischen Intonationsverläufen von Fragen und Aussagen. Seiner Meinung nach beinhaltet eine Frage die Voraussetzung, dass der Fragende vom Wohlwollen und der Kooperation einer weiteren Person abhängig ist, da er um eine Information oder Hilfe bittet. In diesem Fall kommt er mit seiner hohen Stimme dem Weinen eines Verlierers sehr nahe. Die typische Grundfrequenzkontur einer Frage steigt gegen Ende des Satzes stark an. Dagegen ist die Person, die eine Aussage macht nicht abhängig von einer Information oder einer anderen Person. In diesem Fall will der Sprecher mit seiner Aussage seine Meinung kundtun, verstärken, verfeinern oder jemandem widersprechen. Er macht einen selbstständigen Eindruck und verwendet eine Grundfrequenzkontur, die eher fällt (Ohala 1994:330f.). An dieser Stelle soll nicht weiter auf die Wahrnehmung der Grundfrequenz eingegangen werde. Zahlreiche Ergebnisse der Studien zu diesem Thema folgen im Verlauf der Arbeit.

3 Attraktivität der Stimme

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass attraktiven Menschen positivere Eigenschaften zugeschrieben werden als weniger attraktiven Menschen (Miller:1970; Byrne, London & Reeves:1968). Die Attraktivität eines Menschen setzt sich aus den verschiedensten Parametern zusammen, allerdings ist die Attraktivität des Gesichts am hervorstechendsten und ist somit am meisten untersucht worden. In einer Studie von Riggio, Widaman, Tucker & Salinas (1991) wird die Attraktivität des Gesichts als eine statische Variable angesehen, ebenso wie körperliche Attraktivität und Styling (zum Beispiel Kleidung, Körperpflege, Haarschnitt). Hinzu kommen aber auch dynamische Variablen, wie zum Beispiel Konversationfähigkeit, Sinn für Humor und expressives Verhalten (Riggio, Widaman, Tucker & Salinas:1991).

Es gibt verschiedene Formen zwischenmenschlicher Anziehung. Die stärkste Form ist die sexuelle Anziehung, die entsteht, wenn jemand als potentieller Ehe- oder Datingpartner in Frage kommt. Darüber hinaus entsteht auch Anziehung zu Freunden und Mitarbeitern und ganz besonders zu Menschen, mit denen es zu einer ersten Begegnung kommt. In all diesen zwischenmenschlichen Begegnungen beeinflussen die statischen und dynamischen Variablen den Gesamteindruck einer Person. Es stellte sich heraus, dass die Gesichtsattraktivität und die Ausdrucksfähigkeit die wichtigsten Beurteilungsfaktoren der Attraktivität sind. Dagegen haben die Variablen Körper und Kleidung nur einen geringen Einfluss auf die Gesamtattraktivität einer Person (Riggio et al.:1991). So hängen zum Beispiel die kommunikativen Fähigkeiten einer Person mit der Attraktivität der Stimme, auf die in dieser Arbeit genau eingegangen werden soll, zusammen.

Es hat sich herausgestellt, dass Eindrücke nicht nur von visuellen, sondern auch von auditiven Merkmalen abhängen, deshalb gehen Zuckerman & Driver (1989) von einem Attraktivitäts-Stereotyp[2] aus, der sowohl ein visuelles als auch auditives Phänomen darstellt. Um von einem Attraktivitäts-Stereotyp der Stimme sprechen zu können, ist es wichtig den Einfluss der stimmlichen Attraktivität auf Persönlichkeitseindrücke zu untersuchen und unter den Hörern muss es in Bezug auf die stimmliche Attraktivität Übereinstimmungen geben (Zuckerman & Miyake 1993: 119). In diesem Zusammenhang haben Zuckerman & Driver (1989) und Zuckermann, Hodgins & Miyake (1990:97) gezeigt, dass sich die Beurteiler einig sind (durchschnittliche Zuverlässigkeit = .85), ob eine Stimme attraktiv ist oder nicht. Die Zuverlässigkeit der Übereinstimmungen zur physischen Attraktivität war nur etwas höher (.90). Kramer (1964) versteht unter „stereotypen Stimmen“ diejenigen Stimmen, die einen Stereotyp bezüglich eines Persönlichkeitsmerkmals übermitteln, ohne dass dieser Stereotyp notwendigerweise Beweiskraft hat. Es hat sich gezeigt, dass stimmliche Hinweise dazu beitragen, wie Menschen die Persönlichkeiten anderer Menschen einschätzen. Deshalb passiert es, dass verschiedene Menschen eine Stimme hören und dieselben Rückschlüsse zur Persönlichkeit dieses Menschen ziehen, ganz egal, ob der Besitzer dieser Stimme diese Charaktereigenschaften besitzt oder nicht (Aronovitch 1976:208).

3.1 Welche Stimmen finden Frauen attraktiv?

Viele Studien haben gezeigt, dass Frauen ihre Partner nach Anzeichen auswählen, die die Qualitäten des Mannes verraten (Johnstone 1995; Bruckert, Liénard, Lacroix, Kreutzer & Leboucher 2006).

So zeigen die Ergebnisse einiger Studien, dass Frauen Männerstimmen attraktiv finden, die durch eine mittlere oder starke Grundfrequenzvariation (Ray, Ray & Zahn 1991; Zuckerman & Miyake 1993) gekennzeichnet sind, die reif wirken (Zuckerman, Miyake & Elkin 1995), eine tiefe Grundfrequenz haben und/oder nicht monoton sind (Zuckerman & Miyake 1993). Ungewöhnlich scheint, dass nach einer Untersuchung von Raines, Hechtman & Rosenthal (1990) Männerstimmen attraktiv sind, die Unterwürfigkeit ausstrahlen. Denn eine Studie von Collins (2000) besagt, dass eine männliche Stimme mit einer hohen durchschnittlichen Grundfrequenz (avgF0) auf Frauen unattraktiv wirkt. Außerdem wird in dieser Untersuchung erklärt, dass eine tiefe durchschnittliche Grundfrequenz (avgF0) mit starker Dominanz assoziiert wird. Erklären lässt sich das dadurch, dass Frauen auf der Suche nach starken und dominanten Männern sind (Barber 1995).

Oguchi & Kikuchi (1997) fanden bei einer Befragung von japanischen Studenten heraus, dass die Männerstimmen als attraktiv bewertet wurden, die, im Gegensatz zu weniger attraktiven Stimmen, eine signifikant tiefere Stimme haben. Auch Collins (2000) stellte fest, dass niederländische Frauen tiefere Männerstimmen als signifikant attraktiver bewerten. Auch als in einer Studie Frauen und Männer gebeten wurden eine ‚sexy‘ Stimme zu simulieren, zeigte sich, dass davon ausgegangen wird, dass eine ‚sexy‘ Stimme tief sein muss, denn alle senkten ihre Stimme um 20-25 Hz (Tuomi & Fischer 1979).

Riding, Lonsdale & Brown (2006) untersuchten, wie sich Manipulationen der durchschnittlichen Grundfrequenz (avgF0) und der Varianz der Grundfrequenz (varF0) auf die stimmliche Attraktivität auswirken. Der Grundstock der Manipulationen bestand aus 9 Aufnahmen (alle 9 studentischen Sprecher mussten die Frage beantworten, wie sie ihr Hauptfach gefunden haben), die auf 9 Arten manipuliert wurden. Die drei möglichen Stufen der avgF0 (erhöht, normal, verringert) wurden mit den drei möglichen Stufen der varF0 (erhöht, normal, verringert) kombiniert, so dass insgesamt 81 Stimuli entstanden. Die Stimmen mussten von 54 Frauen auf 7stufigen Skalen (7 war die höchste Stufe) bewertet werden. Alle 9 Sprecher insgesamt hatten eine durchschnittliche Grundfrequenz (avgF0) von 117.29 Hz (die Werte gingen von 130.68 Hz bis 105.09 Hz; SD = 7.10 Hz) und eine durchschnittliche Varianz der Grundfrequenz (varF0) von 10.93 Hz (von 16.03 Hz bis 7.73 Hz). Es hat sich gezeigt, dass Stimmen mit mittleren (4.70) oder tiefen (4.71) durchschnittlichen Grundfrequenzen (avgF0) auf Frauen attraktiver wirken als Stimmen mit hohen (3.98) durchschnittlichen Grundfrequenzen (avgF0). Außerdem sollte untersucht werden, ob eine mittlere Varianz der Grundfrequenz (varF0) attraktiver beurteilt wird als eine niedrige oder große Varianz. Allerdings konnte hier nur eine ganz leichte Tendenz zur Bestätigung dieser Vermutung gefunden werden. Brown, Strong & Rencher (1974) konnten mit ihren Resultaten bestätigen, dass eine mittlere varF0 besser bewertet wird als eine hohe varF0. Interessant ist zum Vergleich das Ergebnis einer Studie von Addington (1968), das Stimmen mit einer erhöhten varF0 als ästhetisch und dynamisch bezeichnet, aber gleichzeitig auch als feminin.

Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen in der fruchtbaren Phase ihres Menstruationszyklus maskulinere Gesichtszüge (Penton-Voak & Perrett 2001) und Gerüche (Grammer 1993) bevorzugen. Das sind neben der Stimme nur zwei weitere Präferenzen, die bei einem Mann durch Androgene verursacht werden und bei Frauen die Gewissheit bringen, ob ein möglicher Partner ihre Anforderungen an eine hohe genetische Qualität mit sich bringt (Andersson 1994). Allerdings hat eine Untersuchung von Penton-Voak & Perrett (2001) gezeigt, dass Frauen Androgen-abhängige Merkmale bei einem Mann mehr bevorzugen, wenn es sich bei diesem Mann nur um einen vorrübergehenden Sexpartner handelt und nicht um einen Mann für eine ernste und langfristige Beziehung. Da die tiefe Stimme eines Mannes auch ein Androgen-abhängiges Merkmal darstellt, ist die Beurteilung einer Männerstimme auch hier von der menstrualen Phase und der Beziehungswahl (kurzfristig oder langfristig) einer Frau abhängig (Puts 2005: 390). In der Studie von Puts (2005) zu diesen Themen wurden 142 Männerstimmen aufgenommen und manipuliert. Es entstanden von jeder männlichen Versuchspersonen 3 Stimuli, indem die Tonhöhen manipuliert wurden: gesteigert um einen Halbton, gesenkt um einen Halbton und unverändert. Die ursprünglichen Aufnahmen entstanden, indem die Männer vor einem Bildschirm saßen und ein Video von einer Frau sahen, der sie sich dann im Anschluss vorstellen und beschreiben sollten (ohne sie persönlich zu sehen). Den männlichen Teilnehmern wurde versprochen, dass sie ein Abendessen mit einer Frau aus einem Nebenzimmer gewinnen könnten. Außerdem wurden die Männer in einem Fragebogen gebeten, anzugeben wie viele weibliche Geschlechtspartner sie im vergangenen Jahr hatten. Anschließend durften 111 Frauen die Stimuli hören und bewerten, indem jede Frau 30 beziehungsweise 31 Stimuli der insgesamt 332 entstandenen Stimuli beurteilen musste und darauf geachtet wurde, dass nur höchstens eine Aufnahme jedes Sprechers und eine ausgewogene Anzahl an gesteigerten, gesenkten und unveränderten Stimuli vorkam. Vor den Bewertungen wurde jede Frau mit der geschehenen Aufnahmesituation vertraut gemacht (auch damit, dass den Männern ein Abendessen mit einer Frau versprochen wurde), ihnen wurde der Aufbau und Ablauf des folgenden Experiments erklärt und sie wurden gebeten, die Attraktivität jeder männliche Stimme zu bewerten, indem sie eine Unterscheidung zwischen einer möglichen kurzzeitigen, rein sexuellen Begegnung (One-Night-Stand) und einer ernsten, langfristigen Partnerschaft machen sollten. Ihre Bewertung gaben sie ab, indem sie auf einer Skala von „extrem unattraktiv“ bis „extrem attraktiv“ irgendwo eine Markierung machen sollten (Werte von 0 bis 100). Außerdem mussten die Frauen angeben, wann der Beginn ihrer letzten Periode war und wie lange ihr Menstruationszyklus ist. Durch diese Angaben wurde berechnet, ob sich die Frauen zu dieser Zeit gerade in einer fruchtbaren oder unfruchtbaren Phase ihres Menstruationszyklus befanden und sie wurden dann in die zwei Gruppen „fruchtbar“ und „unfruchtbar“ eingeteilt. 38 Frauen (gaben an 6 Tage vor bis 1 Tag nach der Ovulation zu sein) befanden sich danach in der „fruchtbar“-Gruppe, während 98 Frauen in der „unfruchtbar“-Gruppe waren. Durch die verschiedenen Bedingungen entstanden 4 Attraktivitäts-Scores: kurzfristig/fruchtbar, kurzfristig/unfruchtbar, langfristig/fruchtbar, langfristig/unfruchtbar. Eine Regressionsanalyse zeigte eine geringe aber signifikante lineare Beziehung zwischen den unmanipulierten Tonhöhen und jeder der 4 Attraktivitäts-Scores. Die Werte der linearen Beziehungen zwischen F0 und den Attraktivitätsurteilen sind p=.003, β=-.27 und r²=.07 bei kurzfristig/fruchtbar; p=.036, β=-.17 und r²=.03 bei langfristig/unfruchtbar; p=.023, β=-.22 und r²=.05 bei kurzfristig/unfruchtbar und p=.006, β=-.26 und r²=.07 bei langfristig/fruchtbar. Es gibt signifikant negative lineare Beziehungen zwischen der F0 der Äußerungen der Männer und den Beurteilungen der Frauen. Frauen bevorzugen demnach Stimmen mit einer tiefen Tonhöhe. Bei der Auswertung der weiteren statistischen Ergebnisse zeigte sich, dass die Stimuli der kurzfristig/fruchtbar-Bedingung + gesenkter Tonhöhen signifikant höhere Attraktivitätsbeurteilungen erhielten als es die erhöhten (paired t(106)=2.09, p=.020) desselben Sprechers taten (siehe Abb. 3.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.1: Three-way interaction zwischen den Pitch-Manipulationen, den Beziehungskontexten und der Fruchtbarkeit [F(1,106)=3.24, p=.037]: Die Tonhöhenmanipulationen beeinflussen die Attraktivitätsurteile nur in der kurzfristig/fruchtbar-Phase (Puts 2005:393).

Außerdem gab es kaum einen großen Unterschied in den Attraktivitäts-Scores zwischen gesenkten und gesteigerten Stimuli in der langfristig/fruchtbar-Phase (t(106)=0.37, n.s.), der kurzfristig/unfruchtbar-Phase (t(109)=1.11, n.s.) und der langfristig/unfruchtbar-Phase (t(106)=0.47, n.s.). Interessant ist auch, dass eine signifikante Wechselbeziehung zwischen den Tonhöhen-Manipulationen und der Beziehungsart (F(1,106)=8.61, p=.002) gefunden wurde. Es scheint, als hätte die Tonhöhe einen größeren Effekt auf kurze, meist rein sexuelle Beziehungen als auf langfristige Partnerschaften. Das könnte auch erklären, warum die Männer mit den tieferen Stimmen angaben im letzen Jahr mehr Beziehungen gehabt zu haben. Nach den Ergebnissen dieser Studie bevorzugen Frauen also sexuelle Beziehungen mit Männern, die eine tiefe Stimme haben und diese sexuellen Beziehungen sollen in der fruchtbaren Phase ihres Menstruationszyklus stattfinden. Der Grund dafür liegt darin, dass Frauen unbewusst auf der Suche nach den perfektesten Genen für ihren Nachwuchs sind und die tiefe Stimme als Anzeichen für eine gute genetische Qualität sehen. Allerdings haben Penton-Voak & Perrett (2001) herausgefunden, dass Männer mit einem hohen Testosteronspiegel, demnach wahrscheinlich Männer mit einer hohen genetischen Qualität, eher viele Partnerschaften haben und wenig Energie in ihre Beziehungen stecken. Das ist dann wiederum laut Puts (2005:394) der Grund dafür, dass Frauen in ihren fruchtbaren Phasen zwar solche Männer bevorzugen, aber auch eher für sexuelle Beziehungen und nicht für langfristige, ernste Beziehungen.

3.2 Auditive, visuelle und auditiv-visuelle Bewertungssituationen

1987 ließ Driver anlässlich seiner Doktorarbeit, die nicht veröffentlicht wurde (vgl. Zuckerman & Driver 1989), die stimmliche und physische Attraktivität von 200 Sprechern beurteilen, indem die Hörer standardisierte Anfangsszenen eines Bewerbungsgesprächs bewerten mussten. Es stellte sich heraus, dass sich die Hörer hinsichtlich der stimmlichen Attraktivität (.86) und der physischen Attraktivität (.88) sehr einig waren. Die sechsundfünfzig Sprecher, die in Bezug auf stimmlicher und physischer Attraktivität die höchsten beziehungsweise niedrigsten Werte erhielten, wurden anhand von Adjektiven genauer bewertet. Hierbei gab es drei verschiedene Entscheidungsebenen: Stimme, Gesicht und Stimme in Verbindung mit Gesicht. Ein Ergebnis dieser Studie ist, dass der Effekt auf die stimmliche beziehungsweise physische Attraktivität stärker ausgeprägt ist, wenn die Hörer die jeweilige Attraktivität aufgrund einer Einzelbedingung (nur Stimme oder nur Gesicht) bewerten müssen und nicht aufgrund der Stimme in Verbindung mit dem Gesicht.

In einer späteren Studie versuchten Zuckerman & Driver (1989) Probleme der eben genannten Studie von Driver (1987) zu beheben. Auch in dieser Studie wurden die Effekte der Attraktivität der Stimme und der äußeren Erscheinung auf die Persönlichkeitsbeurteilungen untersucht. Im Gegensatz zur Driver-Studie bestand der Inhalt der Stimulussätze nicht nur aus Auszügen eines Bewerbungsgesprächs, da die Gefahr besteht, dass die Hörer bei einem Bewerbungsgespräch stärker auf die Stimme achten als in anderen Situationen. Zuckermann & Driver (1989:70) nahmen deshalb nicht nur die Stimuli der Driver-Studie (Studie 1) aus dem Jahre 1987, sondern verschiedene Textbeispiele für ihre neuen Stimulussätze (Studie 2). In Studie 1 wurden 200 Personen (Studenten) mit einer Videokamera aufgenommen, die einen Standardtext vorlesen mussten. Bei dem Text handelte es sich genauer gesagt um ein Bewerbungsgespräch für eine freie Arbeitsstelle, einen kurzen Lebenslauf und eine Beschreibung seiner bzw. ihrer Qualifikationen. Der Text der Studie 2 bestand dagegen aus zufällig ausgewählten Ausschnitten verschiedener Romane, die von weiteren 200 Sprechern (Studenten) vorgelesen wurden. Im Gegensatz zur ersten Studie sollten die Hörer hier nicht nur die stimmliche und physische Attraktivität beurteilen, sondern auch die „stimmliche Attraktivität“ der Inhalte der wahllos ausgewählten Romanpassagen. Das diente als Sicherheit, um mögliche Effekte durch die zufällig ausgewählten Texte aufzudecken. Außerdem wurden in der zweiten Untersuchung nicht nur die Personen mit den höchsten Werten der Attraktivitätsbeurteilungen berücksichtigt, um keine Effekte im Voraus auszuschließen. Die Attraktivität der Stimme und des Gesichts wurde in Studie 1 von 10 Hörern (5 Männer, 5 Frauen) beurteilt, während in der zweiten Studie 14 Hörer ihre Urteile abgeben durften, um einen gewissen Grad an Zuverlässigkeit unter den Hörern zu gewährleisten, da der Schwierigkeitsgrad durch die Beurteilung verschiedener Texte erhöht wurde. Die Urteile mussten anhand einer siebenstelligen Adjektivskala (1 = sehr unattraktiv; 7 = sehr attraktiv) getroffen werden. Während in der Studie 1 die Zuverlässigkeit der stimmlichen bei .86 und der physischen Attraktivität bei .88 lag, ergeben sich in der zweiten Studie Werte von .84 für die stimmliche Attraktivität und .93 für die physische Attraktivität. Die errechnete Zuverlässigkeit der Attraktivität der Romanausschnitte liegt bei .83. Darüber hinaus zeigt sich, dass diese Attraktivität schwach, aber positiv (r = .17) mit der stimmlichen Attraktivität korreliert.

Neben der Attraktivitätsbeurteilung wurden auch die Persönlichkeiten der insgesamt 400 Sprecher (Studie 1 + Studie 2) bewertet. Diese Bewertung erfolgte anhand von 10 Adjektiven und 3 Kanälen (Stimme, Gesicht, Stimme + Gesicht). Die Adjektive setzten sich aus den drei Dimensionen Dominanz (kraftvoll, dominant, scheu), Leistung (kompetent, faul, fleißig) und Liebenswürdigkeit (einfühlsam, sympathisch, streitsüchtig, herzlich) zusammen und wurden durch fünfstellige Skalen bewertet (1 = überhaupt nicht für die Person zutreffend; 3 = etwas zutreffen für die Person; 5 = voll zutreffend für die Person). Durch die Attraktivitätsurteile wurden die Sprecher in Gruppen für starke, mittlere und niedrige Level der stimmlichen beziehungsweise physischen Attraktivität unterteilt. Die Ergebnisse zeigen, je höher die Attraktivität, je höher sind auch die Werte in den Kategorien Dominanz, Leistung und Liebenswürdigkeit (siehe Tab. 3.1 und 3.2).

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Tab. 3.1: Durchschnittliche Bewertungen der stimmlichen Attraktivität (niedrig, mittel, hoch) in der auditiven und visuell-auditiven Bedingung.

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Tab. 3.2: Durchschnittliche Bewertungen der physischen Attraktivität (niedrig, mittel, hoch) in der visuellen und visuell-auditiven Bedingung. Je höher die physische Attraktivität bewertet wurde, desto höher fallen auch die Urteile in den Bereichen Dominanz, Leistung und Liebenswürdigkeit aus (vgl. Zuckerman & Driver 1989:77).

Die Effekte auf die stimmliche und physische Attraktivität scheinen geringer zu sein, wenn die Hörer unter der visuell-auditiven Bedingung beurteilen müssen, als wenn sie nur die visuelle oder auditive Bedingung zur Verfügung haben (Zuckerman & Driver 1989:77). Hörer, die den Sprecher sehen und hören, werden durch die stimmliche Attraktivität weniger beeinflusst, als wenn sie den Sprecher nur hören. Ebenso beeinflusst die physische Attraktivität den Hörer viel stärker, wenn er den Sprecher nur sieht, nicht aber hört und sieht. Wenn ein Hörer Stimme plus Gesicht wahrnehmen kann, setzt sich sein Urteil aus beiden Stereotypen zusammen, die Wirkung jedes einzelnen Stereotyps wird geringer (Zuckerman & Driver 1989:80). In Studie 1 hat die stimmliche Attraktivität einen größeren Einfluss auf die Dominanz, während die physische Attraktivität eher einen Effekt auf die Liebenswürdigkeit ausübt. Allerdings wiederholten sich diese Ergebnisse nicht in der zweiten Studie. Die Autoren äußern die Vermutung, dass der Grund das unterschiedliche Stimulusmaterial sein könnte. In der 1. Studie bestand die Aufgabe der Sprecher darin, in einem Bewerbungsgespräch Interesse an einem Jobangebot zu signalisieren. Diese zwischenmenschliche Situation verlangt vom Sprecher ein großes Maß an Engagement, das als eine Art Dominanz aufgefasst werden kann. Dominanz bedeutet, dass eine Person eine andere dominiert, es handelt sich demnach um ein aktives Verhalten. Liebenswürdigkeit dagegen ist ein passives Verhalten. Eine Person wird von einer anderen gemocht. In der 2. Studie wurden im Gegensatz zur 1.Studie wahllos ausgewählte Abschnitte aus diversen Romanen verwendet, die keine Botschaft an eine andere Person senden beziehungsweise zwischenmenschlich nicht bedeutungsvoll sind. Der Sprecher wirkt dadurch eher passiv und strahlt für den Hörer weniger Anzeichen für Dominanz in der Stimme aus (Zuckerman & Driver 1989:80).

3.3 Beziehungen zwischen Stimme und Persönlichkeitsattributen

Stimmliche Attraktivität wird genauso wie physische Attraktivität mit positiven und begehrenswerten Persönlichkeitseigenschaften des Sprechers verbunden (Zuckerman & Driver 1989; Berry 1992, Berry 1990 a). Dabei wurde festgestellt, dass der Einfluss der stimmlichen Attraktivität auf Persönlichkeitsurteile größer zu sein scheint als der Einfluss der physischen Attraktivität (Zuckerman & Driver 1989). Wie genau Hörer die Persönlichkeit der Sprecher einschätzen können, hängt nach Scherer (1972:208) von drei Faktoren ab. Der erste Faktor besteht in der Existenz einer stabilen Beziehung zwischen Stimme und Persönlichkeit. Zweites muss der Hörer fähig sein die relevanten stimmlichen Anzeichen, die spezifische Persönlichkeitsmerkmale übertragen, zu isolieren und richtig aufzunehmen. Der dritte Punkt setzt sich daraus zusammen, dass der Grad der Übereinstimmung zwischen dem realen und dem aus Eindrücken gefolgerten Miteinander von Stimme und Persönlichkeit hoch sein muss.

Wenn ein fremder oder bereits bekannter Mensch auf einen anderen Menschen freundlich wirkt (äußerlich und/oder stimmlich), wird dieser sich ihm gegenüber anders verhalten als gegenüber einem Menschen, der einen negativen Eindruck hinterlässt. Je nachdem wie unsere Erwartungen gegenüber einer Person sind, verhalten wir uns auch dementsprechend unterschiedlich (Berry 1992). Berry (1990:143) stellt die Vermutung auf, dass die Erwartungen anderer von dem Sprecher übernommen und verinnerlicht werden können, so dass sich Sprecher mit attraktiven Stimmen selber als bestimmend und warmherzig und Sprecher mit eher unattraktiven Stimmen als demütig und weniger liebenswürdig und warmherzig empfinden. Außerdem konnte nicht bestätigt werden, dass die stimmliche Attraktivität Beurteilungen der Charaktereigenschaften vorhersagen kann, die vorher von den Sprechern selbst und Freunden getroffen wurden (Berry 1990:152).

3.3.1 Einfluss der wahrgenommenen Reife auf Persönlichkeitsurteile

Zuckerman, Miyake & Elkin (1995) untersuchten in ihrer Studie den Einfluss der Reife auf zwischenmenschliche Eindrücke. Die Reife des Gesichts und die Reife der Stimme korrelieren bei Männern bei r = .52 (im Vergleich der Wert der Frauen: .32) (Zuckerman, Miyake & Elkin 1995:259). Es zeigt sich, dass reifere Stimmen und Gesichter (visuelle bzw. auditive Bedingung) bei den Beobachtern Eindrücke von mehr Dominanz und Herzlichkeit und weniger Verträglichkeit hervorrufen. Allerdings üben beide Bedingungen keinen Einfluss auf die Gewissenhaftigkeit aus (Zuckerman, Miyake & Elkin 1995:267). Nach Montepare & Zebrowitz-McArthur (1987) zeichnet sich eine reife Stimme durch eine niedrigere Tonhöhe und mehr Klarheit aus. Zuckerman, Miyake und Elkin (1995:268f.) sehen darin den Grund, warum die Sprecher mit den reiferen Stimmen als weniger neurotisch (beziehungsweise ruhiger und entspannter) eingeschätzt werden. Im Gegensatz dazu werden Menschen mit reiferen Gesichtern als neurotischer beurteilt, da angenommen wird, dass Erwachsene im Gegensatz zu Kindern nervöser und besorgter sind. Die Stimme ist nach den Ergebnissen dieser Studie ein geeigneter Indikator für Reife als das Gesicht, so dass der Einfluss der Reife auf zwischenmenschliche Eindrücke in einer visuell-auditiven Situation hauptsächlich auf der Stimme basiert. Stimmliche Attraktivität und Reife korrelieren in dieser Studie (Zuckerman, Miyake & Elkin 1995:259) bei Männern (r = .59) stärker als bei Frauen (r = .47). Nach Betrachtung weiterer Ergebnisse einer Studie von Berry (1990) lässt sich annehmen, dass zumindest bei den Männern hier tendenziell eine positive Korrelation besteht. Allerdings weichen deren Ergebnisse (Männer: r = .39; Frauen: r = -.18) stark von den eben genannten ab.

Berry (1992) hatte den Verdacht, dass stimmliche Attraktivität und stimmliche Reife dieselben Dimensionen beeinflussen und deshalb aufeinander einwirken. Aus diesem Grund wurden Stimulus-Stimmen ausgewählt, die entweder attraktiv/reif, attraktiv/unreif, unattraktiv/unreif oder unattraktiv/reif waren. Die Einteilung geschah, indem zum Beispiel zu den attraktiven Stimmen nur die Stimmen gezählt wurden, die zu den oberen 25% der attraktivsten Stimmen gewählt wurden. Auch die Gruppe der unattraktiven Stimmen bestand aus den unteren 25% der Attraktivitätsbeurteilungen. Vorher wurden die Stimmen auf 9-stufigen Skalen nach Attraktivität (1 = sehr unattraktiv, 9 = sehr attraktiv) und Reife bewertet. Die Stimmen der Attraktivitäts-Skalen erhielten Werte von 1.80 bis 6.21 und einem Mittelwert von 4.12 (SD = .97). Auch die reifen beziehungsweise unreifen Stimmen wurden nach diesem Prinzip ausgewählt. Sie erhielten Werte von 2.34 bis 7.53, mit einem Mittelwert von 5.54 (SD = 1.23). Außerdem hinterlassen sehr attraktive Stimmen beim Hörer einen Eindruck von Aufrichtigkeit und Herzlichkeit, wohingegen sehr reife Stimmen kaum aufrichtig oder herzlich erscheinen (Berry 1990a, Berry 1992). So wirken attraktive und gleichzeitig reife Stimme oft eher weniger aufrichtig und herzlich, während genauso attraktive und gleichzeitig unreife Stimmen herzlich und aufrichtig eingeschätzt werden (Berry 1992). Kindliche Stimmen lassen den Sprecher kraftloser (M = 2.79) wirken als reife Stimmen (M = 4.25, F (1, 35) = 97.36, p< .0001). Attraktive/reife Stimmen bekommen viel höhere Kraft-Beurteilungen als attraktive/unreife Stimmen (F = 66.10, p< .0001). Außerdem erhalten unattraktive/unreife Stimmen negativere Beurteilungen als unattraktiv/reife Stimmen (F = 28.11, p< .04). Die unattraktiv/reifen und attraktiv/unreifen Stimmen wurden eher neutral bewertet, indem sie Werte in der Mitte der Skala zugewiesen bekamen. Der erwartete Einfluss der stimmlichen Attraktivität auf Kompetenz-Urteile wurde bestätigt (F(1,37) = 49.53, p< .0001). Reifere Stimmen (M = 4.16) erhielten ebenfalls höhere Kompetenz-Urteile als unreife Stimmen (3.78), F (1,37) = 6.38, p< .02. Die Herzlichkeit wirkt signifikant auf die stimmliche Attraktivität (F (1,38) = 13.54, p< .0007) und die stimmliche Reife (F (1,38) = 119.51, p< .0001) eines Menschen ein. Attraktive Stimmen (M = 4.25) werden als herzlicher wahrgenommen als unattraktive Stimmen (M = 3.57). Und auch unreife beziehungsweise kindliche Stimmen (M = 4.67) erhielten größere Herzlichkeitswerte als reife Stimmen (M = 3.16). Auch eine Kombination aus gleichzeitig unattraktiv/reifen Stimmen der Männer löste bei den Hörern einen Eindruck von fehlender Herzlichkeit aus (M = 2.9). Dennoch stieg der Grad der Herzlichkeit, wenn die Stimme zwar weiterhin unattraktiv, aber gleichzeitig unreifer war (M = 4.3). Unübertroffen in der Herzlichkeit waren dennoch Männerstimmen, die attraktiv und gleichzeitig unreif klangen (M = 4.9). Sobald eine ebenso attraktive Stimme gleichzeitig reifer erschien, wirkte sie auf die Hörer schon lange nicht mehr so herzlich (3.37) (Berry 1992). Interessant ist, dass attraktive Stimmen (M = 4.57) höhere Aufrichtigkeits-Urteile bekamen als unattraktive Stimmen (M = 3.80). Das ist besonders stark bei den weiblichen Hörerinnen der Fall, F (1,21) = 18.61, p< .0003. Außerdem scheinen kindliche Stimmen (M = 4.45) aufrichtiger zu wirken als reife Stimmen (M = 3.92). So klingt eine attraktive Stimme, die ebenfalls reif ist, weniger aufrichtig als eine attraktiv/unreife Stimme (F (1,39) = 13.00, p< .009). Dagegen hat der Grad der Reife keinen signifikanten Einfluss auf die Aufrichtigkeits-Bewertungen einer unattraktiven Stimme, F (1,39) = .88, ns. Im Großen und Ganzen wirken attraktive Stimmen auf die Hörer demnach als kompetenter, aufrichtiger, herzlicher und kraftvoller als unattraktive Stimmen. Währenddessen werden unreife Stimmen als weniger kompetent, weniger stark und dennoch herzlicher und aufrichtiger bewertet als reife Stimmen (Berry 1992).

3.4 Beziehungen zwischen Stimme und physischer Attraktivität

Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit eine Beziehung zwischen der Stimme und der physischen Attraktivität eines Mannes besteht. Bei Männern korreliert die Attraktivität des Gesichts positiv mit der Attraktivität der Stimme (Saxton, Caryl & Roberts 2006).

3.4.1 Einfluss der shoulder-to-hip-ratio

Männer mit attraktiven Stimmen haben sehr oft auch attraktive Körper. Hughes, Dispenza & Gallup (2004) stellten fest, dass es eine Beziehung zwischen attraktiven Männerstimmen und ihren Oberkörpermaßen, genauer gesagt dem Verhältnis der Schulter zur Hüfte (SHR à shoulder-to-hip ratio), gibt. Die Androgene, die während der Pubertät den Anstieg des Verhältnisses von der Schulter zur Hüfte verursachen, sind auch gleichzeitig verantwortlich für die Veränderung des Stimmapparats eines Mannes während der Pubertät (Hughes, Harrison & Gallup 2002). Der Körperbau des Menschen ist sexuell dimorph, das bedeutet, dass Männer im Vergleich zu Frauen zum Beispiel einen breiteren Oberkörper haben und die SHRs größer sind. Der Grund dafür ist ein höherer Androgenspiegel bei Männern, der für einen Anstieg an Muskelmasse und dem Wachstum des Skeletts (z.B. breiter werdende Schultern) während der Pubertät zuständig ist (Kasperk et al. 1997). Außer der 72 männlichen Teilnehmer dieser Studie (Hughes, Dispenza & Gallup 2004) nahmen auch 77 Sprecherinnen teil, um die Beziehung zwischen stimmlicher Attraktivität und WHR (waist-to-hip ratio) zu untersuchen. In den folgenden Ergebnissen der Studie von Hughes et al. (2004) wird aber nur auf die SHRs der männlichen Sprecher eingegangen. Neben ihrer Funktion als Sprecher dienten die Teilnehmer in dieser Studie auch als Beurteiler der anderen Stimmen, indem sie diese auf einer 5-stufigen Skala (1 = sehr unattraktiv, 5 = sehr attraktiv) bewerten mussten. Um die Beziehung zwischen Attraktivität der Stimme und den SHRs untersuchen zu können, wurden die Maße des Schulterumfangs und des Hüftumfangs genau bemessen. Außerdem wurden die Teilnehmer geben einen Fragebogen über ihre sexuelle Vorgeschichte auszufüllen, der Fragen zum Alter ihres ersten Geschlechtsverkehrs, Anzahl der Geschlechtspartner und Anzahl der Partner, die in einer anderen festen Beziehung waren, enthielt. Damit sollten die vermuteten Beziehungen zwischen Attraktivitätsurteilen und sexuellem Erfolg untersucht werden. Es zeigte sich eine positive Korrelation zwischen den Attraktivitätsurteilen der Stimme, die die Frauen abgaben und der SHR (r =.503, p<.01). Frauen bewerteten die Stimmen von Männern mit einem größeren SHR als attraktiver. Die SHRs korrelierte negativ (r = -.419, p<.05) mit dem Alter des 1. Mals und positiv mit der angegebenen Anzahl der Geschlechtspartner (r =.533, p<.01) und der Anzahl der Sexpartner, die in einer anderweitigen Beziehung steckten (r =.449, p<.01). Zusätzlich wurde eine negative Korrelation zwischen den Attraktivitätsurteilen der beurteilenden Frauen und dem berichteten Alter des ersten Geschlechtsverkehrs der Männer festgestellt (r = -.410, p<.05). Dagegen gibt es positive Korrelationen zwischen den Attraktivitätsurteilen und der, von den Männern angegebenen, Anzahl der Geschlechtspartner (r =.491, p<.01) und der Anzahl der sexuelle Beziehungen zu Menschen aus anderen Beziehungen (r =.353, p<.05). Männer die positivere Attraktivitätsurteile bekamen, hatte ihren Angaben nach früher Sex, mehr sexuelle Beziehungen und auch mehr sexuelle Erfahrungen mit Menschen, die in einer anderen festen Beziehung standen. Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Frauen das sexuelle Verhalten der Männer aufgrund der Männerstimmen besser bewertet haben als die Männer das sexuelle Verhalten anderer Männer. SHR ist besser geeignet das sexuelle Verhalten von Männern zu bestimmen als die Stimme.

3.4.2 Einfluss der fluktuierenden Asymmetrie

Hughes, Harrison & Gallup Jr. (2002) untersuchten, ob eine Beziehung zwischen Urteilen zur stimmlichen Attraktivität und der fluktuierenden Asymmetrie (FA) besteht. Eine fluktuierende Asymmetrie besteht, wenn der Körper eines Menschen nicht symmetrisch ist. Genauer gesagt handelt es sich um Abweichungen von der bilateralen Körpersymmetrie (Unterschiede zwischen linker und rechter Körperhälfte), die durch störende Einflüsse während der Entwicklung von der Eizelle bis zum geschlechtsreifen Alter verursacht werden. Diese Störungen werden durch Umweltstress und das Erbgut ausgelöst und der Körper zeigt, wie gut er darauf reagieren kann. Dadurch ist die fluktuierende Asymmetrie ein guter Indikator für eine gute körperliche Verfassung und geeignetes Erbgut (Hughes, Harrison & Gallup Jr. 2002; Thornhill & Gangestad 1999). Laut Thornhill & Møller (1997) ist eine niedrige fluktuierende Asymmetrie ein Anzeichen für eine stabile genetische, mentale und physische Gesundheit. Gangestad & Thornhill (2003) fanden heraus, dass die Tendenz dahin geht, dass symmetrische Männer (niedrige FA) mehr maskuline Merkmale besitzen, zum Beispiel breitere Kiefer und längere Kinns. Bei der Partnersuche ist die Symmetrie ein wichtiger Faktor, da sie Hinweise für die genetische Qualität verrät. Während ihrer fruchtbaren Phase finden Frauen den Geruch von symmetrischeren Männern attraktiver, weil sie in dieser Phase besonders anfällig auf Pheromone reagieren, die die gute körperliche Verfassung des Mannes verraten (Thornhill & Gangestad 1999). Hughes, Harrison & Gallup Jr. (2002) sind auch der Ansicht, dass die Stimme ein wichtiger Faktor bei der Partnerwahl darstellt, ganz besonders während einer Begegnung in der Nacht, wenn körperliche Merkmale nur schwer sichtbar sind. Wie bereits erwähnt suchen Frauen in den Männerstimmen Hinweise, die sie mit erwünschten körperlichen Attributen der Männer in Verbindung bringen.

Die Werte der Asymmetrie wurden berechnet (Hughes, Harrison & Gallup Jr. 2002), indem von den Versuchspersonen zum Beispiel die Maße der Handgelenke, der Finger oder der Ellenbogen gemessen wurde. Die Gesamt-FA lässt sich berechnen, indem die Differenzen zwischen den linken und rechten Körperteilen durch die durchschnittliche Größe der Körperteile (beider Seiten) geteilt werden. Die Summe aller berechneter Körperteile ergibt die Gesamt-FA. Je größer die FA eines Körperteils, umso asymmetrischer ist dieser im Vergleich zwischen der linken und rechten Körperseite. Das bedeutet, je größer die Gesamt-FA, umso asymmetrischer ist das Äußere des Mannes. Um eine Beziehung dieser Ergebnisse mit der Attraktivität der Stimme untersuchen zu können, wurden die Stimmen der Versuchspersonen zusätzlich von Männern und Frauen auf einer 5-stufigen Skala nach ihrer stimmlichen Attraktivität bewertet. Es zeigte sich, dass die Bewertungen der Frauen und Männer miteinander korrelierten (r=.650, n=50, P<.01), sodass die Ergebnisse beider Geschlechter nicht getrennt voneinander betrachtet wurden. Auch Aronovitch (1976:216) zeigte, dass Männer und Frauen Männerstimmen sehr ähnlich bewerten und dass das Geschlecht der beurteilenden Person keine Auswirkung auf die Urteile hat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.2 Beziehung zwischen der Gesamt-FA und den Bewertungen zur stimml. Attraktivität (Hughes, Harrison & Gallup Jr. 2002:177).

Die Korrelation (in Abb. 3.2) der Studie von Hughes, Harrison & Gallup Jr. (2002) zwischen den Attraktivitätsurteilen zur Stimme und der Gesamt-FA (r=-.460, n=96, P<.01) zeigte, dass diese umgedrehte proportional zueinander sind. Stimmen von Männern mit größerer bilateraler Symmetrie bekamen höhere Attraktivitätsbewertungen als Stimmen von Männern mit asymmetrischen Körpern. Das bedeutet, dass die stimmliche Attraktivität sinkt, wenn die Asymmetrie steigt. Es hat sich demnach gezeigt, dass die Störungen während der Entwicklung nicht nur für die fluktuierende Asymmetrie verantwortlich sind, sondern auch sehr stark den auditiven Bereich betreffen, so dass die zwischenmenschliche Anziehung und die Perzeption davon beeinflusst werden (Hughes, Harrison & Gallup Jr. 2002).

3.4.3 Maskulinität

In einer Studie von Feinberg et al. (2008:233ff.) wurde untersucht, ob Frauen und Männer, die bei einem Mann maskuline Stimmen bevorzugen, auch maskuline Gesichter präferieren. Anders als bei den meisten anderen Studien handelt es sich bei dieser Untersuchung um eine Internetstudie, an der 1759 Menschen (17-40 Jahre, durchschnittliches Alter = 24.3 Jahre, SD = 6.042 Jahre; 1213 Frauen) teilnahmen, die durch die Medien und andere Online-Psychologieexperimente gewonnen wurden. Aus der Erfahrung zeigt sich, dass Internetstudien zur stimmlichen Attraktivität ebenso gut geeignet sind wie Laborstudien, die Präferenzen der Teilnehmer zu ermitteln. Es wurden 6 Männergesichter und 6 Männerstimmen maskuliner und femininer ( Tonhöhe ± 20 Hz) gemacht, um das Stimulusmaterial zu erhalten. Stimmen und Gesichter wurden getrennt voneinander bewertet und die Teilnehmer mussten sich in einem forced-choice-Test entweder für den maskulineren oder feminineren Stimulus entscheiden. Es zeigte sich, dass Männer und Frauen jeweils maskulinere Stimmen und Gesichter vorziehen (Tab. 3.3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3.3: Maskulinitäts-Präferenzen: Frauen und Männer beurteilen signifikant die maskulinen Stimmen und Gesichter positiver (Feinberg et al. 2008:237).

Die Präferenzen der Männer und Frauen für maskuline Stimmen korrelieren positiv und signifikant mit den Präferenzen für maskuline Gesichter (Frauen: r1213=.246, p<.0001; Männer: r547=.366, p<.0001). Allerdings gibt es eine signifikant höhere Korrelation zwischen den Präferenzen für stimmliche Attraktivität und Gesichtsattraktivität bei den Männern (Z=2.57, p=.010). Dennoch sind weitere Ergebnisse hinsichtlich attraktiver Männergesichter eher unterschiedlich. Es gibt Studien, die herausgefunden haben, dass Frauen maskuline (Johnston, Hagel, Franklin, Fink & Grammer 2001; DeBruine, Jones, Little, Boothroyd, Perrett, Penton-Voak 2006), durchschnittliche (Swaddle & Reierson 2002) oder feminine (Perrett, Lee, Penton-Voak, Rowland, Yoshikawa & Burt 1998) Gesichter bevorzugen.

Interessant ist, dass Frauen, die hormonelle Verhütungsmittel nehmen, nicht so stark auf Maskulinität geprägt sind. Die positive Korrelation zwischen den Präferenzen für maskuline Gesichter und maskuline Stimmen ist unter Frauen, die keine hormonellen Verhütungsmittel nehmen, signifikant stärker, als unter Frauen, die hormonelle Verhütungsmittel nehmen (z=2.134, p=.033) (Feinberg, DeBruine, Jones, Little 2008:237). Ein Bestandteil der meisten hormonellen Verhütungsmittel ist Progesteron, das bei Frauen die Vorliebe für femininere Stimmen (Puts 2005) und Gesichter (Welling, Jones, DeBruine, Conway, Law-Smith, Little & Feinberg 2007) auslöst. Präferenzen für maskuline Gesichter und maskuline Stimmen bestehen nur bei Frauen, die keine hormonellen Verhütungsmittel einnehmen. Denn andererseits gibt es keinen signifikanten Unterschied in den Korrelationswerten zwischen Frauen, die keine hormonellen Verhütungsmittel einnehmen und Männern (Feinberg, DeBruine, Jones, Little 2008:237f.).

3.4.4 Wahrnehmung von Größe und Gewicht

Collins & Missing (2003) und Bruckert et al. (2006) stellten fest, dass große Menschen dazu tendieren tiefe Formantfrequenzen und geringe Formantdispersionen zu haben. Allerdings wurden in einer weiteren Studie von Collins (2000) und in einer von Studie von van Dommelen & Moxness (1995) keine Korrelationen zwischen Formantfrequenzen und der Größe festgestellt. Interessant ist, dass Frauen nicht in der Lage zu sein scheinen die richtige Größe eines Mannes aufgrund seiner Stimme zu schätzen. Sie versuchen die Hinweise zur richtigen Größe durch die Intonation zu finden, doch das gelingt nicht. Auch die geschätzte Größe und die wirkliche Größe korrelieren nicht miteinander (p=0.16). Die Formantfrequenzen und Formantdispersionen, die tatsächlich Anzeichen für die wahre Größe liefern könnten, werden nicht zur Beurteilungsfindung genutzt (Bruckert et al. 2006).

Zahlreiche Studien zeigen, dass Frauen, indem sie Männerstimmen hören, fähig sind das Gewicht der Männer zu schätzen (Collins 2000, Bruckert et al. 2006, van Dommelen & Moxness 1995). Allerdings haben Bruckert et al. (2006) nicht herausgefunden, durch welche akustischen Parameter die richtigen Beurteilungen getroffen werden. Bei Bruckert et al. (2006) korrelierte das geschätzte Gewicht mit dem wirklichen Gewicht (Pearson Korrelation, p<0.05; r=0.4, N=26) der männlichen Sprecher. Van Dommelen & Moxness (1995) berichten von einer signifikant negativen Korrelation zwischen dem wirklichen Gewicht eines Sprechers und der Sprechgeschwindigkeit.

[...]


[1] Androgene: Männlichen Geschlechtshormone, die in bestimmten Zellen des Hodens und teilweise auch in der Nebennierenrinde gebildet werden. Androgene haben eine anabole Wirkung, indem sie im Körper zu einer verstärkten Synthese von Proteinen führen. Testosteron ist unter den Androgenen das wichtigste männliche Sexualhormon, das entscheidend an der Ausbildung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale beteiligt ist. Außerdem steuert es die sexuelle Aktivität und Potenz (Reuter 2004:103 und 2107; Niebuhr-Timpe, Haufe-Künkler & Axt-Gadermann 2009:34 und 664).

[2] Zu dem Begriff Stereotyp gibt es in Abschnitt 5.2.2 nähere Ausführungen.

Ende der Leseprobe aus 135 Seiten

Details

Titel
Phonetische Untersuchung der Attraktivität von Stimmen verschiedener Sprecher sowie von Dialekt versus Hochsprache
Untertitel
Was macht eine Männerstimme für Frauen interessant?
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Phonetik und digitale Sprachverarbeitung.)
Note
1,5
Autor
Jahr
2010
Seiten
135
Katalognummer
V207432
ISBN (eBook)
9783656356165
ISBN (Buch)
9783656357438
Dateigröße
2137 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stimme, Dialekt, Attraktivität
Arbeit zitieren
Janina Ohrtmann (Autor:in), 2010, Phonetische Untersuchung der Attraktivität von Stimmen verschiedener Sprecher sowie von Dialekt versus Hochsprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207432

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