Die Europäische Union als Partner von Konkordaten und Kirchenverträgen


Seminararbeit, 2004

31 Seiten, Note: 13 Punkte (gut)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Die Europäische Union als Partner von Konkordaten und Kirchenverträgen

I. Einführung

II. Wieviel Kirche braucht Europa?

III. Das Staatskirchenrecht Europas und seine Entwicklung
1. Das Grundrecht der Religionsfreiheit
2. Die institutionell-organisatorische Beziehung zwischen Staat und Religionsgemeinschaft
3. Staatskirchenrecht
4. Das Konkordat

IV. Von der Europäischen Gemeinschaft (EG) zur Europäischen Union (EU)
1. Der Europarat
2. Die Europäischen Gemeinschaften
a) Montanunion
b) EWG und Euratom
2.1 Kirche und Religion in der Europäischen Gemeinschaft
2.2 Die Stellung der Kirche innerhalb der EG vor “Maastricht”
2.3 Die Schlussakte von Helsinki
3. Die Europäische Union
3.1 Der “Vertrag von Maastricht” und die Kirchen
a) Nationale Identität
b) Die Stellung der Kirche in den Mitgliedstaaten der EU
4. Die staatskirchenrechtlichen Systeme der EU
a) Staatskirchen mit besonderen staatlichen Privilegien
b) (Laizistische) Trennungssysteme
c) Kooperationssysteme zwischen Staat und Kirche
5. Der Amsterdamer Vertrag
6. Die Grundrechtscharta der Europäischen Union vom 08.12.2000
6.1 Ausdruck der Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten
7. Dialog Kirchen - EU

V. Aussicht - “Quo vadis, Europa?

Literaturverzeichnis

Die Europäische Union als Partner von Konkordaten und Kirchenverträgen

I. Einführung

Das “Gesicht Europas” befindet sich auf vielfältige Art und Weise im Wandel. In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts war Europa durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges geprägt, die Europas Bevölkerung mit einem “Teppich” globalen und persönlichen Elends übersäten. Nie wieder, dessen war man sich nach der Überwindung der unfassbaren Schreckens- und Greueltaten des Krieges einig, sollte Europa von Krieg und Zerstörung heimgesucht werden. Die Idee eines “vereinten Europa” sollte hierzu die nötige Sicherheit geben.

Robert Schumann, damaliger französischer Außenminister, sprach sich erstmals in einer Rede am 09. Mai 1950 für eine solche Einheit aus. Dieses Datum gilt als Geburtsstunde der heutigen Europäischen Union und wird jährlich als Europatag gefeiert. Im Westen Europas gründete man zunächst diverse Einrichtungen, aus denen später der Europarat und die Europäische Union (EU) wurden.1

In der Tat leben die Staaten Europas seit nunmehr über 50 Jahren neben- und miteinander in Frieden, was angesichts der weltpolitischen Lage durchaus keine Selbstverständlichkeit ist und seine Höhepunkte unter anderem in der Überwindung eines politischen Ost-West-Antagonismus, der Öffnung der Grenzen, dem Fall der Berliner Mauer, der Wiedervereinigung Deutschlands und einer gemeinsamen europäischen Währung fand.

Betrachtet man die Aussöhnung und den Zusammenschluss zur Einheit (Vertrag über die Europäische Union vom 07.02.1992)2 der europäischen Völker, stößt man neben den politischen und völkerrechtlichen Bemühungen der europäischen Regierungen unwillkürlich auf die christliche Herkunftseinheit der konfessionell gespaltenen Kultur Europas, die von Politikern, die der Kirche verbunden sind, immer wieder als Grund der politischen Einigung Europas in Anspruch genommen wird.3 Auf diesem Fundament der religiösen Herkunftsidentität können und sollen Institutionen zur politischen Sicherung einer gemeinschaftlichen Zukunft Europas errichtet werden.4 Der Blick auf die Kirchen scheint daher notwendig, um das Streben nach Einheit in einer friedvollen Auseinandersetzung verstehen zu können.

II. Wieviel Kirche braucht Europa?

Die Frage nach der Einheit der Völker Europas ist maßgebend geprägt von der Rolle der Kirche(n) innerhalb dieses Entwicklungsprozesses. Hier begegnen uns zwangsläufig zwei historische Daten: Das erste Datum ist das Wormser Konkordat vom 23. November 1122, das zweite ist der Amsterdamer Vertrag vom 02. Oktober 1997. Beide Daten sehen die Kirchen in der öffentlichen Verantwortung für das Gemeinwohl und sind für die Geschichte des westlichen Abendlandes fundamental bezeichnend.5 So bestimmt beispielsweise das Wormser Konkordat als abschließender Kompromiss des Investiturstreits die grundsätzliche Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt.

Für die europäische Geschichte entscheidend jedoch ist, dass selbst nach den Konfessionskriegen und ihrem verfassungsrechtlichen Ergebnis der weltanschaulichen Neutralität des Staates die Kirche niemals privatisiert, sondern immer in öffentlicher Verantwortung blieb.6

Der moderne Staat selbst bleibt auf die Anerkennung seiner Bürger angewiesen. Es ist daher Aufgabe des Staates, die religiösen Überzeugungen seiner Bürger seinerseits anzuerkennen und zu schützen. Hierbei handelt es sich keineswegs um einen schlichten verfassungsrechtlichen Opportunismus, sondern um das geistesgeschichtlich verwurzelte Zusammenspiel der großen europäischen Strömungen der griechisch-römischen, christlichen und aufklärerischen Tradition. Der Kirchenartikel des Amsterdamer Vertrags anerkennt prinzipiell dieses Zueinander, das zweifelsohne als Merkmal europäischer Identität benannt werden kann.7

Die Bürger eines Staates nämlich sind auch die Gläubigen der Gemeinden. Eine Institutionalisierung der Kirchen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kirche letztlich immer die Gemeinschaft ihrer Gläubigen ist. Sie bestimmen einerseits den Staat mit, stehen andererseits jedoch unter seiner Gewalt. Der freiheitlich-demokratische Staat kommt deshalb nicht umhin, will er die Belange seiner Bürger ernst nehmen, die Existenz der Kirchen in eigenem Interesse anzuerkennen und sein Verhältnis zu ihnen rechtlich zu regeln und die von den Staatsbürgern getragenen Glaubenseinrichtungen zu schützen.8

Ein vereintes Europa steht also in direkter Abhängigkeit zu den Gläubigen der christlichen Kirchen, die historisch an einer europäischen Gemeinschaft partizipieren, die außerdem einen europäischen Einigungsprozess nicht unerheblich mitgestalten und die vor allem auch einen Großteil des Volkes eines geeinten Kontinents darstellen. Ohne die christlichen Kirchen und ihre Religion wäre eine Europäische Union daher nicht denkbar und bliebe in Anbetracht der Historie ein surrealer Gedanke einer staatsphilosophischen Abstraktion.

III. Das Staatskirchenrecht Europas und seine Entwicklung

Immer schon haben Religionen und Religionsgemeinschaften einen prägenden Einfluss auf die menschliche Gesellschaft ausgeübt. Es ist daher logische Konsequenz, wenn viele Staaten die Tätigkeiten der Religionsgemeinschaften und der Religion im Allgemeinen spezifischen, rechtlich geregelten Normen unterwerfen.

Will man nun die vertraglichen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den christlichen Kirchen erläutern, muss man zunächst die vertraglichen Vereinbarungen der einzelnen europäischen Mitgliedstaaten und den Kirchen betrachten. Diese rechtlichen Vereinbarungen bezeichnet man als Staatskirchenrecht.

Das Staatskirchenrecht der einzelnen Staaten selbst stellt kein einheitliches und systematisch zusammengefasstes Einheitswerk dar, vielmehr handelt es sich um die Zusammenfassung der unter dem Thema “Religion“ in verschiedenen Rechtstexten verstreuten Normen. Vereinfacht kann man zwei Hauptbereiche unterscheiden:

- Das Grundrecht der Religionsfreiheit
- Die institutionell-organisatorische Beziehung zwischen Staat und Religions-gemeinschaft

1. Das Grundrecht der Religionsfreiheit

Es ist durch politische und kirchliche Autoritäten im Laufe der vergangenen Jahrhunderte immer wieder versucht worden, die religiöse Überzeugung der Gesellschaft zu beeinflussen, ja sie gar zu bestimmen. Es entstanden demnach Länder und Staaten, in denen eine einzige Religion gelebt wurde. Das Prinzip, wonach der Landesherr bestimmte, welcher Religion/Konfession seine Untergegebenen anzugehören haben (cuius regio, eius religio), wurde durch den Augsburger Religionsfrieden 1555 begründet und währte in Westeuropa bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts.9 Diese religiöse Einheitlichkeit wurde als stabilisierender Faktor für Gesellschaft und Staat erachtet. Friedrich (“der Große”) von Preußen schließlich brach schon im Jahr seines Regierungsantritts (1740) mit den Prinzipien der einen Landesreligion und erklärte, dass in seinen Staaten “jeder nach seiner Façon selig werden solle”.10

In den kommunistischen Staaten des 20. Jahrhunderts mit einer atheistischen Ideologie hat man versucht, durch staatliche Gesetze jegliche religiöse Betätigung zu behindern oder sogar zu verbieten.

In den modernen Gesellschaften jedoch hat sich zunehmend die Überzeugung durchgesetzt, dass sich der Staat solcher Beeinflussungen auf die Religion der Menschen zu enthalten habe. Die Bestimmung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, welche primär als Recht des Individuums gegenüber dem Staat verstanden wird, in religiösen und weltanschaulichen Angelegenheiten frei von staatlichen Vorgaben seine Überzeugung zu gewinnen und zu vertreten (individuelle Religionsfreiheit) dient hierzu.

Die Glaubens- und Gewissensfreiheit wird in manchen Staaten auch als Recht der Religionsgemeinschaften verstanden (korporative Religionsfreiheit). Die korporative Religionsfreiheit ermöglicht allen (auch “fremden“) Religionsgemeinschaften, Gottes-häuser zu bauen, religiöse Feiern abzuhalten, Unterricht zu erteilen, für ihre Überzeugung in der Öffentlichkeit zu werben etc. – dies natürlich stets in den Schranken der für alle geltenden öffentlichen Ordnung.

Die Glaubens- und Gewissensfreiheit aber stellt nicht nur ein individuelles Freiheitsrecht gegenüber dem Staat dar, sondern gilt auch gegenüber den Religionsgemeinschaften. So darf keine Religionsgemeinschaft noch irgendeine andere Gruppierung Menschen zu einer bestimmten Glaubenshaltung, Mitgliedschaft, zur Teilnahme an Gottesdiensten, am Religionsunterricht oder ähnlichem verpflichten oder zwingen.

Es ist Aufgabe des Staates, die Gesellschaft aktiv zu schützen, wenn eine Religionsgemeinschaft mit physischer oder psychischer Gewalt die individuelle Religionsfreiheit einzuschränken versucht.

Die Glaubens- und Gewissensfreiheit beziehungsweise die Religionsfreiheit gilt heute in den meisten Staaten als substanzielles Grundrecht des Einzelnen und wird als solches auch geschützt. In vielen Staaten findet es sich daher auch bereits in den Grundrechtskatalogen der jeweiligen Verfassungen wieder.

2. Die institutionell-organisatorische Beziehung zwischen Staat und Religions-gemeinschaft

Viele Staaten regeln in ihrem Recht ein besonderes institutionelles Näheverhältnis zu bestimmten Religionsgemeinschaften und wirken auch teilweise auf deren Organisation ein. Nicht selten sind einzelne Religionsgesellschaften, die bestimmte Kriterien erfüllen, von diversen Staaten mit Privilegien ausgestattet.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz beispielsweise, aber auch in skandinavischen Ländern (lutherisches Staatskirchentum), in England (anglikanische Staatskirche), in vielen Ländern der Orthodoxie (z. B. Griechenland, Russland) und in einigen islamischen Ländern haben einzelne Religionsgemeinschaften teil am Recht der jeweiligen Staaten. Dies äußert sich in einer Vielzahl möglicher Verbindungen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften, so zum Beispiel:

- steuerliche Begünstigungen, zum Beispiel Steuerfreiheit der Religionsgemein-schaften oder steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Religions-gemeinschaften
- Recht der Religionsgemeinschaften, mit staatlicher Hilfe Steuern zu erheben (Kirchensteuer)
- „Staatsbeiträge“ = finanzielle Beiträge des Staates an Religionsgemeinschaften allgemein oder an bestimmte Aufgaben von Religionsgemeinschaften (z. B. soziale, pädagogische, kulturelle, denkmalpflegerische Aufgaben)
- Recht zur Wahrnehmung der Seelsorge in staatlichen Anstalten (Krankenhäuser, Heime, Gefängnisse, Militär)
- Religionsunterricht an öffentlichen Schulen
- Theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten
- Anerkennung der religiösen Trauung als zivilrechtliche Eheschließung

In der Regel beruht jedoch der staatliche Schutz der Sonn- und Feiertage dagegen nicht auf institutionellen Beziehungen des Staates zu einzelnen Religionsgemeinschaften, sondern stellt vielmehr eine Rücksicht gegenüber dem religiösen Bedürfnis der Bevölkerungsmehrheit dar. Sonn- und Feiertage, die nicht oder kaum als religiös oder soziokulturell eingestuft werden, unterliegen weniger dem Staatsschutz. In der Tat machen vereinzelte Staaten dann auch immer wieder Gebrauch davon, diese Sonn- und Feiertage quasi “preiszugeben” (man denke hier beispielsweise an Laden-öffnungszeiten, Arbeitsschutzgesetze etc.).

3. Staatskirchenrecht

Der Begriff des Staatskirchenrechts beinhaltet in der Regel einen Komplex von staatlichen Normen, die das Rechtsverhältnis des Staates zu seinen Kirchen und Religionsgesellschaften regelt. Hierbei handelt es sich also weder um staatliches Kirchenrecht, noch um das Recht einer Staatskirche. Die Bezeichnung selbst jedoch ist nicht unangefochten, geht es doch heute gerade nicht nur um die Kirchen im Sinne der christlichen Religionsgemeinschaften, sondern vielmehr auch um nicht-christliche Religionsgemeinschaften, ja um religiöse Überzeugungen schlechthin. Den Begriff “Kirche“ als Synonym für jegliche religiöse Institution zu verstehen, ist zweifelhaft. Es handelt sich bei dem Begriff des “Staatskirchenrechts” auch nicht um eine Kirche, die von staatlichen Organen geleitet wird, wie man fälschlicherweise annehmen könnte.

Auf der Suche nach Alternativen wurden bisher vor allem die Begriffe ‚Religionsrecht‘ und ‚Religionsverfassungsrecht‘ zur Diskussion gestellt. Diese konnten sich bisher aber noch nicht klar durchsetzen.

Mit dem Begriff des Staatskirchenrechts ist das staatliche Recht gemeint, das vom staatlichen Gesetzgeber im Blick auf die Kirche(n) oder Religionsgemeinschaften erlassen wurde. Es ist einseitiges Recht.

Das Staats-Kirchen-Vertragsrecht (oder Vertragsstaatskirchenrecht) hingegen beinhaltet das Recht, welches staatliche und kirchliche Autoritäten gemeinsam setzen, indem sie miteinander einen Vertrag schließen. Zwingende Voraussetzung für dieses Recht ist, das Staat und Kirche(n) sich partnerschaftlich gegenseitig als souveräne Vertragsparteien, anerkennen.

4. Das Konkordat

Das Konkordat ist ein spezieller, mit völkerrechtlichem Rang ausgestatteter Staatskirchenvertrag eines oder mehrerer Staaten mit dem Heiligen Stuhl, also dem Papst und der römischen Kurie.11 Der ‚Heilige Stuhl‘ wird seit einigen Jahrhunderten von der Völkergemeinschaft in seiner Eigenschaft als Repräsentant der katholischen Gesamtkirche als Völkerrechtssubjekt anerkannt. Dies geschieht jedoch unabhängig vom 0.44 km² großen Vatikanstaat, der seinerseits aufgrund der Lateranverträge von 1929 ebenfalls als Völkerrechtssubjekt anerkannt ist. Die Katholische Kirche ist damit als einzige Religionsgemeinschaft der Welt in der Lage, völkerrechtliche Verträge abschließen zu können, was von anderen nichtkatholischen Religionsgemeinschaften als gravierende Bevorzugung empfunden und nicht ohne einen gewissen “Neid” gesehen wird.

[...]


1 Wijlens, S. 229

2 Geiger, Seite 1

3 Essener Gespräche, Seite 107

4 Essener Gespräche, Seite 107

5 Homeyer

6 Homeyer

7 Homeyer

8 Campenhausen, § 2, S. 3

9 Gmür/Roth, S. 69, Rn. 250

10 Gmür/Roth, S. 98, Rn. 361

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Die Europäische Union als Partner von Konkordaten und Kirchenverträgen
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Forschungsstelle für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht)
Note
13 Punkte (gut)
Autor
Jahr
2004
Seiten
31
Katalognummer
V207187
ISBN (eBook)
9783656342632
ISBN (Buch)
9783656342915
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
europäische, union, partner, konkordaten, kirchenverträgen
Arbeit zitieren
Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH) Jürgen Möcke (Autor:in), 2004, Die Europäische Union als Partner von Konkordaten und Kirchenverträgen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207187

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Europäische Union als Partner von Konkordaten und Kirchenverträgen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden