Die vertragsrechtliche Gestaltung am Musiktheater unter Berücksichtigung freier Gastspielverträge und den tarifvertraglichen Absprachen NV Bühne und Haustarife


Diplomarbeit, 2011

78 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Eingrenzung
1.1.1 Performing Arts – Klassifizierung

2. Künstler und Kunst – Begriffsbestimmung
2.1 Der Kunstbegriff im Sinne des Steuerrechts
2.1.1 Gewerbliche oder freiberufliche Kunst – Abgrenzung
2.1.2 Freie Kunst
2.2 Freie Kunst als Grundrecht
2.2.1 Der Kunstbegriff im Sinne des Bundesverfassungsgerichtes
2.3 Der Kunstbegriff im Sinne des Bundessozialgerichtes
2.4 Der „Künstlerbericht“ der Bundesregierung
2.5 Fazit

3. Exkurs: Vertragsrecht am Theater im Wandel der Geschichte
3.1 Theater in der griechischen Antike
3.2 Theater in der römischen Antike
3.3 Theater vom Mittelalter bis zur Neuzeit
3.3.1 Theaterrecht und Theatergesetze
3.3.2 Das bürgerliche Theater
3.3.3 Gründung des Bühnenvereins und der Bühnengenossenschaft
3.3.4 Bildung eines Bühnenschiedsgerichtes
3.4 Das neuzeitliche Theater des 20. Jahrhunderts
3.4.1 Das Theater im Nationalsozialismus
3.4.2 Das Theater nach dem 2. Weltkrieg

4. Theaterorganisation
4.1 Rechtsformen
4.1.1 Der Eigenbetrieb – der Regiebetrieb
4.1.2 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
4.1.3 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
4.1.4 Der Verein
4.2 Daten und Fakten
4.3 Organisationsaufbau am Theater
4.3.1 Von der Idee zur Produktion

5. Die heute maßgeblichen Vertragsformen
5.1 Der Werkvertrag
5.1.1 Die Eingliederung
5.1.2 Das Unternehmerrisiko
5.1.3 Kündigung – Vergütung
5.1.4 Steuer- und Sozialabgaben, Urlaub, Entgeltfortzahlung
5.2 Der Dienstvertrag
5.2.1 Der freie Dienstvertrag
5.2.2 Vergütung – Kündigung
5.2.3 Steuer- und Sozialabgaben, Urlaub, Entgeltfortzahlung
5.3 Der Arbeitsvertrag
5.3.1 Der Arbeitnehmerbegriff
5.3.2 Bühnenarbeitsvertrag als Zeitvertrag
5.3.3 Der Beschäftigungsanspruch
5.3.4 Steuer- und Sozialabgaben, Urlaub, Entgeltfortzahlung

6. Umsatzsteuerpflicht und Sozialabgaben
6.1 Die Umsatzsteuerpflicht und die Befreiung von der Umsatzsteuer
6.2 Die Künstlersozialversicherung (KSV) – Künstlersozialkasse (KSK)

7. Der (freie) Gastspielvertrag

8. Der Normalvertrag Bühne (NV Bühne)
8.1 Der Geltungsbereich des § 1 NV Bühne
8.1.1 Anrufung der Gerichte
8.1.2 Solomitglieder in Gastspielverträgen
8.2 Vertragsschluss
8.3 Vertragsinhalt
8.4 Rechte und Pflichten aus dem Dienstvertrag
8.4.1 Mitwirkungspflicht
8.4.2 Rechteübertragung
8.4.3 Arbeits- und Ruhezeiten
8.4.4 Erreichbarkeit
8.4.5 Nebenbeschäftigung
8.4.6 Vergütung – Aufwendungsersatz
8.4.7 Sondervergütung
8.4.8 Sonstige Ansprüche
8.5 Ordnungsausschuss – Hausordnung
8.6 Opernchor- und Tanzgruppenvorstand
8.7 Urlaub
8.7.1 Freie Tage
8.7.2 Arbeitsbefreiung
8.8 Zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung
8.9 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

9. Haustarifvertrag

10. Arbeitsrecht am Theater im Wandel der Zeiten – Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Klassifizierung der Theaterformen/Performing Arts

Abbildung 2: Theaterbetriebsformen – Organisation eines Theaters

Abbildung 3: Produktionsschema eines Theaters

1. Einleitung

„Der Applaus ist das Brot des Künstlers“ – so sagt es bekanntermaßen der Volksmund. Dass dies nicht die ganze Wahrheit sein kann, wird freilich spätestens dann deutlich, wenn man den opulenten Lebensstil einiger sogenannter „Weltstars“ mit dem beispielsweise wesentlich bescheideneren Lebensstil weit weniger bekannter „No-Name-Künstler“[1] vergleicht.

So galt der Star-Tenor Luciano Pavarotti schlechthin als der erfolgreichste Klassikstar aller Zeiten. Für den Auftritt während der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien zusammen mit seinen Tenorkollegen Placido Domingo und José Carreras erhielt Pavarotti Medienberichten zufolge eine Brutto-Gage von 300.000 Dollar, die angesichts des großen Erfolges der Veranstaltung in Nachverhandlungen auf 1,5 Millionen Dollar erhöht wurde. Bei einem späteren Auftritt der drei Tenöre 1994 in Los Angeles erhielt jeder von ihnen bereits eine Gage von 2 Millionen Dollar.[2] Von solch „astronomischen Gagen“ für einen einzigen Auftritt ist ein Künstler im herkömmlichen Musiktheater letztlich unerreichbar entfernt. Zum Vergleich betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen der bei der Künstlersozialversicherung (KSV) versicherten Künstler im Jahr 2004 gerade einmal 11.078 Euro (am 01.01.2004, Quelle: KSV, Hrsg.: BM für Gesundheit und Soziale Sicherung, Bonn 2005).[3]

Sicherlich hat Rolf Bolwin, der Direktor des Deutschen Bühnenvereins recht, wenn er sagt: „ … wer an einem Theater oder in einem Orchester arbeitet, für den ist das nicht nur Broterwerb, sondern auch Berufung; es ist die Lust auf ein Arbeitsfeld, das wie nur wenige andere Kreativität und Phantasie verlangt …“.[4] Diese Berufung und Lust auf ein kreatives Arbeitsfeld setzt aber immer auch die soziale und existenzielle Absicherung des Künstlers voraus und erfordert somit nicht nur von Seiten der Theater und Konzertdirektionen immer auch eine wirtschaftliche und rechtsorientierte Betrachtung.

Die künstlerische Tätigkeit dient daher zunächst einmal wie jede andere Arbeit auch grundsätzlich dem Broterwerb und der Existenzsicherung, der Applaus allein sichert verständlicherweise kaum die Existenz des Künstlers, sondern stärkt allenfalls sein Ego. Übt also ein Künstler seine Kunst aus, tut er dies mitunter natürlich immer auch im Hinblick auf seine Gage, auf die er in der Regel einen rechtlichen Anspruch hat. Rechte und Pflichten werden zwischen Künstlern und Theaterbetrieben oder Konzertveranstaltern, genauso wie in anderen Beschäftigungsverhältnissen auch, arbeitsvertraglich geregelt.

1.1 Eingrenzung

Die vorliegende Arbeit verdeutlicht zunächst, wer überhaupt als Künstler gilt und insbesondere im Rahmen der Rechtsprechung und des Gesetzes als Künstler angesehen wird. Zum besseren Verständnis folgt ein Exkurs über die historischen Hintergründe und über die Entstehung und Entwicklung der Vertragsverhältnisse mit und zwischen Künstlern und Theaterbetrieben. Im Hauptteil der Arbeit wird dann die heute übliche vertragsrechtliche Gestaltungspraxis am Musiktheater unter Berücksichtigung freier Gastspielverträge und den tarifvertraglichen Absprachen NV Bühne und Haustarife erörtert. Hierbei wird sich zeigen, dass Künstlerverträge nicht selten ebenso vielfältig und einfallsreich wie die Kunst an sich sind und sich Künstler, Bühnenverbände, Theaterbetriebe und Tarifpartner sehr oft schwer damit tun, ihre Interessen vertraglich zu regeln beziehungsweise gefundene Regelungen im Einvernehmen anzuwenden. Dies wiederum ruft nicht selten die Arbeitsgerichte auf den Plan und zwingt sie dazu, Rechtsklarheit zu schaffen, wie dies an einigen BAG- und Schiedsgerichts-Urteilen ersichtlich wird.

1.1.1 Performing Arts – Klassifizierung

Jeder von uns hat in irgendeiner Form bereits einmal eine Theateraufführung besucht oder gesehen, und seitdem die Musical-Theater wie Pilze aus dem Boden sprießen, hat auch jeder von uns eine gewisse Vorstellung von den „Brettern, die die Welt bedeuten“. Vertraglich gesehen müssen diese „Bretter, die die Welt bedeuten“ jedoch näher klassifiziert werden: Theater ist nicht gleich Theater.

Das Theater teilt sich in drei klassische Sparten, das Sprechtheater oder Schauspiel, das Tanztheater oder Ballett und das Musiktheater. Große Theaterbetriebe vereinen teilweise die Sparten Oper - Schauspiel - Ballett und werden als sogenannter „Drei-Sparten-Betrieb“ geführt, dem ein Orchester, ein Opernensemble, eine Ballettkompagnie sowie ein Schauspielensemble mit den jeweiligen Direktionen angehört (Generalmusikdirektor, Chordirektor, Ballettdirektor, Schauspieldirektor) und der zusammenfassend von der Intendanz als oberste Theaterleitung verwaltet und gelenkt wird.

Das Musiktheater verbindet die dramatische Handlung, welche durch Bewegung und Sprache ausgedrückt wird, mit Musik. Hierzu gehören die Oper, das Singspiel, die Operette und das Musical. Als vierte Sparte wird in jüngerer Zeit zunehmend das Kinder- und Jugendtheater genannt.[5]

Unter dem international allgemein üblichen Überbegriff „Performing Arts“ (Ausübende oder Darstellende Kunst) kann daher folgende Klassifizierung festgelegt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Klassifizierung der Theaterformen/Performing Arts[6]

Quelle: in Anlehnung an Hoegl (1995), S. 9

Es leuchtet ein, dass die Bedürfnisse der verschiedenen Sparten und der darin beschäftigten Personen stark differenzieren: Während beispielsweise die Oper immer auch ein Orchester benötigt, kann ein Sprechtheater hierauf getrost verzichten. Das Ballett hingegen benötigt Musik, die unter Umständen aber auch von einem Tonträger eingespielt werden kann und nicht zwingend die Anwesenheit eines kompletten Klangkörpers (Orchester) erfordert.

Genauso vielschichtig daher auch die Bedürfnisse der jeweiligen Künstler: Der Opernsänger benötigt vor der Vorstellung beispielsweise ein Einsingzimmer mit Klavier, um durch Stimmübungen die Stimme „warmzusingen“, während der Schauspieler lediglich einen Raum benötigt, in dem er vor der Vorstellung den Körper lockern kann. Der Balletttänzer hingegen braucht einen Tanzraum mit elastischem Tanzboden und gegebenenfalls mit Ballettstange und Spiegelwand, um durch Dehnübungen für die Vorstellung die Muskulatur aufzulockern und zu dehnen. Diese Beispiele könnten noch vielfach weitergeführt werden. Insgesamt wird deutlich, dass in den verschiedenen Sparten die jeweilige Kunstausübung ihre eigenen individuellen Bedürfnisse hat, insofern gestalten sich auch die jeweiligen Verträge entsprechend individuell. Alle Sparten und die damit verbundenen vertraglichen Regelungen daher detailliert zu erörtern, würde für die vorliegende Arbeit zu weit führen. Betrachtet werden sollen hier hauptsächlich die arbeitsvertragsrechtlichen Gestaltungsformen am Musiktheater zwischen Künstler und Theaterbetrieb, deren individuell-rechtliche Einordnung durch den Normalvertrag (NV) Bühne als vertragliche Institution für festangestellte Ensemblemitglieder sowie die Gastspielverträge für externe Ensembles und Haustarife für freischaffende Gast-Künstler. In Deutschland arbeiten mehr als 38.000 Menschen fest angestellt an Theatern und Orchestern, hinzu kommen zahlreiche Gastverträge.[7] Neben den künstlerischen Berufen am Musiktheater „auf der Bühne“ gibt es natürlich noch zahlreiche weitere künstlerisch/technische und nichtkünstlerische Berufe „hinter der Bühne“.

Zu denken ist hier beispielsweise an die Masken- und Kostümbildner, die Tontechniker, die Bühnenbildner, die Damen und Herren der Schneiderei, die Reinigungskräfte, die Verwaltungsangestellten in den künstlerischen Betriebsbüros, die Bühnentechniker, die Souffleusen, die Inspizienten, die Dramaturgen, die Pförtner, die Kassierer, die Garderobieren usw., um hier nur einige zu nennen. Die arbeitsvertragsrechtlichen Gestaltungen für diese Berufe am Musiktheater können in der vorliegenden Arbeit aufgrund der gebotenen Kürze nur teilweise am Rande berücksichtigt beziehungsweise müssen ganz vernachlässigt werden. Im Fokus dieser Arbeit sollen insbesondere die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen Bühne und ausführendem Künstler stehen.

2. Künstler und Kunst – Begriffsbestimmung

Um die vertragsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Theater mit Künstlern näher beleuchten zu können, stellt sich zunächst die Frage, wer überhaupt Künstler ist, was den Menschen zum Künstler macht und wer sich als solcher bezeichnen darf oder kann. Vereinfacht gesagt ist logischerweise der Künstler, der Kunst ausübt. Aber was ist Kunst eigentlich? Diese überaus schwierige Frage beantwortet zum Beispiel Rudolf Kuhr, der Philosoph und Querdenker, wie er sich selbst bezeichnet in seiner Betrachtung wie folgt: „… Im weitesten Sinne ist Kunst wohl alles, was vom Menschen geschaffen wurde und keinem bestimmten praktischen Zweck dient …“[8]. Ohne diese Sichtweise weiter philosophisch vertiefen zu wollen, stößt eine solche Verallgemeinerung allerdings dann schnell an ihre Grenzen, wenn die Kunst des einen noch lange nicht die Kunst des anderen ist - und umgekehrt.

Treffender und tiefgründiger sagt es daher Adorno in seinen Aphorismen: „Kunst ist Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein.“[9] Denkt man Adornos Ansatz weiter, könnte sich vereinfacht gesagt vielleicht im weitesten Sinn ein gemeinsamer Nenner finden lassen: Kunst ist, was jeder individuell dafür hält. Hier schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei der Frage, wer aber dann letztlich Künstler ist? Diese Frage mussten sich des Öfteren auch schon die Spruchkörper diverser Gerichte stellen. Klar und deutlich – wenngleich sehr vereinfacht - sagt es das Künstlersozialversicherungsgesetz: Im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes ist gemäß § 2, S. 1 KSVG derjenige Künstler, „der Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt“. Dass diese doch sehr weit gefasste Verallgemeinerung durchaus Unklarheiten aufwirft und Probleme schafft, zeigt sich beispielsweise im Steuerrecht. Das Steuerrecht sieht den Kunst- und Künstlerbegriff daher wesentlich differenzierter. Da der selbstständige, freiberufliche Künstler im Sinne des § 18 I Nr. 1 EStG im Gegensatz zu anderen selbstständigen Unternehmern – und als solcher gilt der selbstständig freiberufliche Künstler auch – zur Förderung von Kunst und Kultur steuerrechtlich diverse Annehmlichkeiten genießt – beispielsweise ist er von der Gewerbesteuer befreit - führt nicht selten dazu, dass viele Unternehmer dem Fiskus gegenüber vorgeben, Künstler zu sein.

2.1 Der Kunstbegriff im Sinne des Steuerrechts

Bisweilen werden daher Streitigkeiten zwischen einem (vermeintlichen) Künstler und der Finanzverwaltung vor den Finanzgerichten ausgetragen. Diese haben dann zu klären, wer eine selbstständige künstlerische Tätigkeit im Sinne des Steuerrechts ausübt und wer nicht. Es zeigt sich, dass der Kunstbegriff nur schwerlich allgemeingültig definiert werden kann. Die klare Rechtsfindung, inwieweit es die Finanzbehörden in den jeweilig unterschiedlichen Sachverhalten nun tatsächlich mit Kunst zu tun haben oder eben nicht ist auch für die Finanzgerichte oft ein schwieriger Drahtseilakt. Dennoch verwendet der Gesetzgeber den Begriff der Kunst oder der künstlerischen Tätigkeit. Folglich blieb den Gerichten nichts anderes übrig, als bei der Anwendung der Gesetzte Wertungen anzustellen und darüber zu entscheiden, ob sie es mit Kunst zu tun haben oder nicht, ohne dabei die nötige Freiheit der Kunst und deren Ausübenden zu beschneiden. Darüber hinaus gibt es keinen allgemeinen Kunstbegriff im Steuerrecht.[10] Dies erleichtert nun nicht gerade die Arbeit der Finanzgerichte, wie man sich vorstellen kann. Es bleibt somit manchmal nicht aus, im Zweifel Sachverständige mit der Frage zu betrauen, wann ein Steuerpflichtiger Kunst schafft und damit eben zum Künstler wird. Versuche der Rechtsprechung, das Wesen künstlerischer Tätigkeit zu bestimmen, münden letztlich immer wieder in verallgemeinernde Kennzeichnungen und Merkmale. Die daraus entstandene Judikatur ist folglich lediglich eine Bündelung von Einzelfallentscheidungen. Seit 1991 aber geht der Bundesfinanzhof dann von einer künstlerischen Tätigkeit aus, „… wenn die Arbeiten des Steuerpflichtigen nach ihrem Gesamtbild eigenschöpferisch sind und über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreichen.“[11]

Die im Sinne des Bundesfinanzhofes „über die hinreichende Beherrschung der Technik hinausgehende bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe“, die es zu erreichen gilt, macht deutlich, dass hier insbesondere der Kunstbegriff von der gewerblichen Tätigkeit abgegrenzt werden sollte.

2.1.1 Gewerbliche oder freiberufliche Kunst – Abgrenzung

Die so beschriebene künstlerische Tätigkeit gilt als freiberuflich im Sinne des § 18 I Nr. 1 EstG. Im Gegensatz hierzu wird die gewerbliche Tätigkeit gemäß § 15 II EStG anhand des Begriffes „Gewerbebetrieb“ definiert als „eine selbstständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen ist.“

Um schließlich die Wertungsungewissheiten des jeweiligen Falles zumindest annähernd einzugrenzen, hat der Bundesfinanzhof nunmehr den Kunstbegriff differenziert und in freie Kunst auf der einen Seite und Kunstgewerbe und Kunsthandwerk auf der anderen aufgeteilt.[12] Dies schafft für die Rechtsfindung in steuerrechtlichen Fragen zumindest einigermaßen Klarheit.

2.1.2 Freie Kunst

Ein Merkmal der freien Kunst ist, dass sie keinen Gebrauchszweck hat, wie dies beispielsweise bei Kunstmalern oder Musikern der Fall ist. „Die im Rahmen der freien Kunst ausgeübte Tätigkeit, die ausschließlich auf die Hervorbringung einer ästhetischen Wirkung gerichtet ist, ist auch nach allgemeiner Verkehrsauffassung als künstlerische Tätigkeit zu werten.“[13]

2.2 Freie Kunst als Grundrecht

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. …“ so sagt es Artikel 5 III GG. Demnach garantiert der Staat seinem Bürger in Form dieses Grundrechtes die freie Kunst-Ausübung. „Neutralität und Toleranz gegenüber einem pluralistischen Kunstverständnis können aber nicht von der Abgrenzung entbinden.“[14] Notwendig ist auch hier die Unterscheidung von Kunst und Nicht-Kunst.[15] Eine Differenzierung zwischen „höherer“ und „niederer“, „guter“ oder „schlechter“ Kunst allerdings liefe auf eine unstatthafte Inhaltskontrolle hinaus.[16] Artikel 5 III GG enthält damit ein Freiheitsrecht für alle Kunstschaffenden, das sie vor dem Eingriff der öffentlichen Gewalt in den Kunstbereich schützt. Im Gegensatz zur Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 I GG, die gemäß Art. 5 II GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre findet, hat die Verfassung keinen Vorbehalt für die Freiheit der Kunst vorgesehen. Eine Analogie zu Art. 5 II GG lässt sich angesichts des klaren Wortlauts und des Sachzusammenhangs aus Art. 5 III GG für den Kunstbegriff nur schwerlich herleiten.[17] Dass der Kunstbegriff jedoch freilich nicht schrankenlos sein kann, ergibt sich schon aus einer Abwägung von Verfassungswerten, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem „Mephisto-Urteil“ aufzeigt.

2.2.1 Der Kunstbegriff im Sinne des Bundesverfassungsgerichtes

Dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe blieb es nicht erspart, sich mit dem Kunstbegriff auseinanderzusetzen. In seinem viel zitierten „Mephisto-Beschluss“[18] von 1971 hatte sich das Bundesverfassungsgericht zum Kunstbegriff des Art. 5 III GG zu äußern. Die obersten Richter kamen zum Ergebnis, die Kunst sei ein Lebensbereich, der durch die vom Wesen der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale bestimmt ist; das Wesentliche der künstlerischen Betätigung – so die Richter weiter - sei die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht würden;[19] eine wertende Einengung des Begriffs sei mit der umfassenden Freiheitsgarantie des Art. 5 III GG nicht zu vereinbaren.[20] Gewährleistungsschranken sind damit lediglich dort gegeben, wo die Kunstfreiheit gegen andere verfassungsrechtlich geschützte Rechtswerte verstößt.[21] „Diese Schranken müssen sich mithin aus der Verfassung selbst und als ein Ergebnis von Einzelabwägungen ergeben.“[22] Zusammenfassend findet die Kunstfreiheit ihre Grenzen demnach also dort, wo Grundrechte Dritter tangiert und verfassungsrechtlich geschützte Interessen verletzt werden beziehungsweise wo sie mit Verfassungsgütern kollidiert.[23]

2.3 Der Kunstbegriff im Sinne des Bundessozialgerichtes

Das Bundessozialgericht musste sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, inwieweit ein „Catcher“ bzw. „Wrestler“ Darstellende Kunst ausübt. Die betreffende Person hatte für sich in Anspruch genommen, im Bereich der darstellenden Kunst als artistischer Unterhaltungskünstler tätig zu sein. Während das Sozialgericht dem Catcher zunächst folgte und ihm Recht zusprach, waren die Kammern des Landes- und Bundessozialgerichtes hingegen anderer Rechtsauffassung. Das BSG wies darauf hin, dass es beim Catchen „um die drastische Darstellung exzessiver Gewaltanwendung“ gehe. Unter dem Hinweis auf die Gesetzgebungsgeschichte und eine repräsentative Umfrage der Bundesregierung unterschied es zwischen Artistik im weiteren und im engeren Sinne. Vom Gesetz erfasst sei jedoch lediglich Artistik im engeren Sinne wie zum Beispiel bei Varieté- und Zirkuskunst (Jongleure, Trapez, Seiltänzer, Zauberer, Magiere, Dompteure, Akrobaten, Feuerschlucker, Entfesselungskünstler, Messerwerfer, Clowns, Rechenkünstler und Bauchredner). Artistik im weiteren Sinne hingegen sei beispielsweise die Tätigkeit der Steilwandfahrer, Jahrmarktsboxer und Rodeoreiter. Diesen Tätigkeiten und Aktivitäten sei das Catchen eher zuzuordnen, daher sei im Bezug auf das Catchen oder Wrestlen der Künstlerbegriff nicht einschlägig.[24]

2.4 „Der Künstlerbericht“ der Bundesregierung

Im Jahr 1975 hat die Bundesregierung in einem sogenannten „Künstlerbericht“ künstlerische Berufe katalogisiert.[25] Diese Katalogisierung hat bis heute Bestand. Zunächst wurden folgende vier Bereichs-Überbegriffe gebildet, unter die man die künstlerischen Berufe subsumiert hat: den Bereich Musik nämlich, den Bereich Darstellende Kunst, den Bereich Bildende Kunst/Design und schließlich den Bereich Publizistik (Wort).

Zu jedem Bereich hat die Bundesregierung für die verschiedenartigen Berufszweige der Kunst damit in ihrer Katalogisierung den Berufen die Kunsteigenschaft zu-, respektive abgesprochen. Freilich war auch dem Gesetzgeber klar, dass er sich damit auf schwierigem Terrain bewegt. In jedem Bereich hat er deshalb quasi eine Grauzone bestehen lassen, in der nach jeweiliger Einzelfallprüfung gewertet werden muss, inwieweit nun Kunst ausgeübt und geschaffen wird oder nicht. In der Musik wurden beispielsweise bei den küntlerisch-technischen Mitarbeitern sowie bei Pädagogen und Ausbildern die Künstlereigenschaft nicht von vornherein unterstellt, sondern vielmehr einer Einzelfallentscheidung überlassen.[26] Als Künstler eingeordnet und ihnen damit Künstlereigenschaft attestiert hat die Bundesregierung im Katalogbereich der Musik aber den Komponisten, Textern, Librettisten, Musikbearbeiter, Arrangeuren, Kapellmeister, Dirigenten, Chorleiter, Instrumentalsolisten in der „ernsten Musik (E-Musik)“, Orchestermusiker in der „E-Musik“, Opern-, Operetten-, Musicalsänger, Lied- und Oratoriensänger, Chorsänger in der „E-Musik“, Sänger in der „Unterhaltungsmusik (U-Musik)“, Tanz- und Popmusiker, Unterhaltungs- und Kurmusiker, Jazz- und Rockmusiker.[27]

2.5 Fazit

Für die Finanzbehörden muss Kunst eigenschöpferisch sein und der Künstler über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Für das Bundesverfassungsgericht hingegen ist Kunst ein Lebensbereich, der durch die vom Wesen der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale bestimmt ist. Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung sei die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden.

Demgegenüber verweist das Bundessozialgericht auf § 2 Satz 1 KSVG und sagt vereinfacht mit dem Gesetzgeber, Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt.

Der Gesetzgeber, so das BSG, würde im Künstlersozialversicherungsgesetz nur allgemein von "Künstlern" und "künstlerischen Tätigkeiten" sprechen. Dabei nenne er die üblicherweise unterschiedenen drei Sparten der Kunst, nämlich Musik, darstellende und bildende Kunst. Diese drei Sparten würden in ihrer Gesamtheit den Bereich der Kunst umfassen und ihn von anderen Lebensbereichen auch abgrenzen. Insofern habe der Gesetzgeber auf eine materielle Definition des Kunstbegriffs bewusst verzichtet, dieser sei vielmehr aus dem Regelungszweck des Künstlersozialversicherungsgesetzes unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen.[28] Die Bundesregierung selbst legt in ihrem Künstlerbericht[29] ohne weitere Begründung fest, wen sie als Künstler anerkennt.

Insgesamt kann unter Würdigung der Rechtsprechung und dem Willen des Gesetzgebers folglich festgehalten werden, dass zumindest die ausführenden Personen gerade im Musiktheater Kunst ausüben beziehungsweise auch schaffen. Der Künstlerbegriff kann somit zumindest im rechtlichen Sinne ohne weitere philosophische Vertiefung unproblematisch auf diesen Personenkreis angewandt werden.

3. Exkurs: Vertragsrecht am Theater im Wandel der Geschichte

Um das heutige Vertragsrecht und die Vertragsgestaltung am Theater rechtlich einordnen zu können, bedarf es einer näheren historischen Betrachtung des Theaterrechts, das sich im Wandel der Geschichte entwickelt hat und die vertragsrechtliche Gestaltung und das Vertragsrecht von Anfang an impliziert. Das Theaterrecht selbst freilich ist zwangsläufig so alt wie das Theater selbst. Insofern folgt nun als Exkurs zum besseren Verständnis eine historische Beleuchtung des Theaterrechtes der jeweiligen Epochen von der Entstehung des Theaters bis zu ersten vertraglichen Vereinbarungen und Kodifikationen zwischen Theatereinrichtungen und ihren Künstlern.

Mit der Entstehung des griechischen Dramas beginnt auch die Kultur des abendländischen Theaters etwa im 6. Jahrhundert v. Chr.[30].

3.1 Theater in der griechischen Antike

In der griechischen Antike hatte das Theater zunächst einen religiös-kultischen und damit öffentlichen Charakter. Während die Kosten für Schauspieler und Bühnenausstattung von der Staatskasse getragen wurden, wurden die Kosten der Ausstattung, Verpflegung und Bezahlung des Chors und der Choreuten (Mitglieder des Chores) sowie der Komparsen von drei reichen Bürgern (sog. „Choregen“) übernommen, die eigens hierzu ernannt und verpflichtet wurden.[31] Etwa ab Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. kam der Staat allein für alle anfallenden Kosten auf. Hieraus resultierten bereits rechtliche Ansprüche der Schauspieler beispielsweise auf Bezahlung gegen den Staat. Die auftretenden Künstler waren schon sehr früh Berufsschauspieler, die quasi als Solist dem Chor gegenüberstanden. Sie trugen bei den Aufführungen stets Masken und den Kothurn, einen Stiefel mit schnabelartiger Spitze.[32] Schauspieler konnte werden, wer sich nach einer Ausbildung einer staatlichen Prüfung unterzog.

Sie besaßen einen sehr geachteten Stand mit diversen staatlich zugesicherten Annehmlichkeiten: So waren sie beispielsweise von der Steuer befreit, durften nur bei Schulden ins Gefängnis gesteckt werden und wurden teilweise sogar vom Militärdienst befreit.[33] Aber auch Konventionalstrafen zum Beispiel bei ungebührlichem Verhalten waren schon möglich. Erste Schauspiel-Genossenschaften (Synoden der dionysischen Künstler) mit demokratischer Verfassung, zu denen sich die Schauspieler zusammenschlossen, entstanden bereits im 4. Jahrhundert v. Chr.[34] Der Text wurde vor einer Aufführung zunächst amtlich geprüft und wurde dann zur Aufführung freigegeben oder abgelehnt. Eine Ablehnung war beispielsweise möglich, wenn der Text eine Verunglimpfung der Staatsführung beinhaltete. Mit dem Kauf des Manuskriptes erwarb man immer auch das Aufführungsrecht.[35]

3.2 Theater in der römischen Antike

Das erste Schauspiel auf der römischen Bühne fand erstmals 240 v. Chr. im Circus Maximus in Rom statt. Während die Künstler in der griechischen Antike noch hohes Ansehen genossen, galt nunmehr das Auftreten auf öffentlicher Bühne für Geld, um damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, in der römischen Rechtsvorstellung als schändlich.[36] Für den Einsatz von Körper und Seele ließ sich der Römer nicht bezahlen, es sei denn bei athletischen Kämpfen, hier galt jedoch die Grundmotivation der Tapferkeit und dem Mut und nicht schlichtweg dem Geld, wie es für die Schauspielkunst angenommen wurde. Demzufolge wurde der Schauspielberuf auch nur von Sklaven oder Freigelassenen ausgeführt, Berufsschauspieler wurden wie Diebe oder Deserteure von politischen Rechten ausgeschlossen.

Freilich genoss man dennoch gerne die unterhaltsamen Aufführungen diverser Schauspieler. Der römische Senat entschied darüber, wem das Recht zugesprochen wurde, einen Theaterbetrieb führen zu dürfen („spectacula publice edendi ius“) und konnte damit je nach Belieben eine Art Bühnenzensur betreiben.[37] Schreiber, Schauspieler und Komponisten erhielten für ihr Schaffen einen sehr geringen Lohn, der jedoch nur dann von den veranstaltenden Beamten zur Auszahlung kam, wenn das aufgeführte Werk auch allgemein gefiel. Einen diesbezüglichen Entgeltanspruch gab es somit nicht.

Etwa um 74. v. Chr. übernahm nun die Staatskasse die Kosten für die Bühne und den Bühnenapparat und es vollzog sich ein Wandel im Verhältnis zwischen Theater und Öffentlichkeit. Das Ansehen der Bühnenkunst stieg wie auch die Bezahlung der Künstler. Schauspieler waren jedoch weiterhin rechtlos und blieben von städtischen Ehrenämtern ausgeschlossen. Erste Schauspiel-Genossenschaften bildeten sich jetzt in Rom (sog. Collegia oder sodalitates artificium scaenicorum).[38] Das frühe Christentum brachte für Bühnenschaffende keine wesentlichen Verbesserungen ihrer rechtlichen Situation.

3.3 Theater vom Mittelalter bis zur Neuzeit

Insbesondere die Kirche betrachtete vielmehr auch im Mittelalter das Treiben der Mimen argwöhnisch. Die Spielleute, wie man Darsteller nun nannte, waren bis ins späte Mittelalter vom Abendmahlsakrament der Kirche ausgeschlossen. Im Sinne der Kirche galten Schauspieler als „Pompa diaboli“, also ein Geleit des Teufels.[39] Auch der Sachsenspiegel im 13. Jahrhundert n. Chr. stufte die Darsteller noch als rechtlos ein.[40] Zur gegenseitigen rechtlichen und wirtschaftlichen Unterstützung bildeten sich in Deutschland nun nach französischem Vorbild erstmals Schauspiel-Bruderschaften.

Mit den aufkommenden Passions- und Krippenspielen, zunächst eingebunden in die kirchliche Liturgie, später dann auch davon losgelöst sollte sich das Theater als Kunstform wieder durchsetzen. Freilich war es bis dahin nur Männern und Knaben vorbehalten, Bühnenrollen zu spielen; für Frauen war dies nicht „schicklich“, weswegen Frauenrollen von Männern oder Knaben gespielt wurden. Im Gefolge der Rennaissance im 16. Jahrhundert n. Chr. kam es speziell in Rom zur Wiederentdeckung lateinischer Komödien, berufsmäßige Vereinigungen gab es jetzt als „Commedia dell‘ arte“ ab der Mitte des 16. Jahrhunderts. „Als erste Oper wird die um 1598 in Florenz uraufgeführte „Dafne“ anzusehen sein …“[41]. Sie verband erstmals die antike Musik mit dem aufgeführten Drama, während bis dahin Musik in Dramen und Komödien lediglich als zusammenhanglose Einlage zwischen den Akten aufgeführt wurde. Das erste öffentliche Opernhaus wurde 1637 in Venedig eröffnet. Der Erfolg war so groß, dass dort in kurzer Zeit eine Reihe weiterer Opernhäuser gebaut wurden, in denen nun auch Sängerinnen auftraten. Papst Innozenz XI. verbannte schließlich aus „moralischen Gründen“ die in den Opernhäusern auftretenden Sängerinnen wieder, weswegen in Folge Kastraten nunmehr erfolgreich deren Rollen übernahmen. Mittlerweile waren Honorare für Sänger und Sängerinnen sehr hoch, Komponisten erhielten je nach Wertschätzung ihre Honorare und Librettisten verdienten am Verkauf der gedruckten Textbücher.[42]

In Deutschland entwickelten sich Ende des 16. Jahrhunderts Gruppen herumziehender Berufsschauspieler. Neben den Wandertheatern etablierten sich jetzt aber auch feste Bauten für Bühnen, die Oper und das Schauspiel (erstes Schauspielhaus 1592 in Braunschweig, erstes freistehendes Opernhaus in München 1657).[43] Über die Bezahlung konnten sich insbesondere die Musiker nicht mehr beklagen, oft wurden sie besser bezahlt als Staatsbeamte. In vielen Städten Deutschlands entstanden im 17. Jahrhundert Komödienhäuser, zum Auftreten bedurfte es eines vom Landesherrn oder von den Städten gewährten Privilegs, das eine Ausnahmeerlaubnis zum Gewerbebetrieb darstellte.[44]

Sturm und Drang, Theater der Aufklärung sind in Deutschland die Schlagworte des 18. Jahrhunderts. Es entstanden zahlreiche Schauspiel- und Opernbühnen wie zum Beispiel die Semper-Oper am Zwinger in Dresden (1718-1719), das Opernhaus in Bayreuth (1745-1748), das Residenztheater in München (1751-1753) etc., um hier nur einige namhafte Institutionen zu nennen, die bis heute Bestand haben. Man begann an den festen Häusern und Theaterbetrieben außerdem damit, die künstlerische von der kaufmännischen Leitung zu trennen.

3.3.1 Theaterrecht und Theatergesetze

Im 18. Jahrhundert kristallisierte sich nun erstmals ein spezifisches Theaterrecht heraus. Die Theater selbst erließen quasi im Rahmen von Hausordnungen diverse Theatergesetze, die es ihnen ermöglichte, gegen Schauspieler bei Vertragsbruch einzuschreiten. Erste diesbezügliche Bühnenengagementverträge finden sich beispielsweise 1795 am kurfürstlich-pfälzischen Theater in Mannheim, in dem sogar bereits eine Vertragsprolongation vereinbart wurde, sofern vor Ablauf des Kontraktes keine Kündigung erfolgen würde. Des weiteren wurde vereinbart, dass sich der Künstler den Anweisungen des Regisseurs zu unterziehen habe.[45] Zur „sozialen und rechtlichen Hebung des Standes“ gründete Konrad Ekhof 1763 eine Schauspielerakademie, die allerdings nur 13 Monate bestand; auch gründete er eine Pensionskasse für Schauspieler, die dann später am Hamburger Nationaltheater von Theaterleiter Friedrich Ludwig Schröder fortgeführt wurde.[46]

Die Verträge waren lediglich auf sechs Wochen befristet, später länger, die Bezahlung sehr unterschiedlich. Die deutschen Reichsstädte sicherten sich ihre Theaterzensur nach wie vor über die Vergabe der zum Theaterbetrieb notwendigen Privilegien.

3.3.2 Das bürgerliche Theater

Die deutschen Theater des 19. Jahrhunderts waren jetzt hauptsächlich öffentliche Bühnen, deren Besucher sich aus den bürgerlichen Schichten rekrutierten. Das Theaterabonnement war bereits weit verbreitet. Nach wie vor blieb die wirtschaftliche Situation der Künstler ungesichert. Allerdings erreichten die Gagen von Spitzensängern an Opernhäusern bereits beachtliche Höhen.

Wesentlich rechtliche Grundsätze des Theaterrechts entstanden im Laufe des 19. Jahrhunderts. Nunmehr bedurfte es für das Führen eines Theaterbetriebes nach dem preußischen Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe eines Gewerbescheins, der freilich erst mit Genehmigung des allgemeinen Polizeidepartements erteilt wurde. Die gewerberechtlich-polizeiliche Konzession tritt damit an die Stelle der Privilegien der privaten Theaterunternehmer.[47]

Die Verträge der jeweiligen Theater erhielten nun zahlreiche Bestimmungen zur Regelung des Verhaltens ihrer Künstler. Das betrunkene Erscheinen eines Künstlers auf der Bühne wurde so beispielsweise im Reglement für die Königlichen Schauspiele zu Berlin von 1845 im 17. Kapitel, § 201 mit einer Arreststrafe von drei bis acht Tagen bedroht. In weiteren Theaterhausgesetzen wurde zum Beispiel geregelt, dass das Verursachen von Zugluft durch das Offenlassen von Fenstern und Türen mit einer Geldstrafe von einer halben, im Wiederholungsfall einer ganzen Monatsgage bestraft wurde.[48]

Die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 21. Juni 1869 besagt, das ein Theater Gewerbe im Sinne dieses Gesetzes ist, weil es „… eine auf Gewinnerzielung gerichtete, auf Dauer angelegte, selbstständige Tätigkeit zum Gegenstand hat.“[49] Theaterzensur gab es nach wie vor, sie wurde durch die Ministerialverfügung vom 16. März 1820 detailliert geregelt und verlangte für Theaterproduktionen eine vorherige Erlaubnis des Königlichen Regierungspräsidiums oder der von ihm beauftragten Personen.

3.3.3 Gründung des Bühnenvereins und der Bühnengenossenschaft

Innerhalb des 19. Jahrhunderts traten wesentliche Veränderungen im Bereich der Theaterorganisation ein, die bis in die Gegenwart anhalten. Im Jahr 1846 gründeten 32 Bühnen auf Aufruf des Oldenburger Intendanten von Gall einen Bühnenverein, der allerdings zunächst eine Art Theaterkartell war, das beispielsweise bestimmte, vertragsbrüchige Schauspieler für die Dauer von fünf Jahren nicht mehr an anderen Bühnen zu engagieren. Am 17. Juli 1871 wurde die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger GDBA in Weimar gegründet.[50] Ziel der Genossenschaft war es, die Arbeitsrechtsbeziehungen der Bühnenangehörigen tarifvertraglich zu regeln und sozialen Missständen abzuhelfen.

3.3.4 Bildung eines Bühnenschiedsgerichtes

Die Theaterdirektionen gründeten 1846 ein Bühnenschiedsgericht für bühnenrechtliche Streitigkeiten, in dem sie zunächst allerdings alleinige Mitglieder waren. 1905 wurde das Bühnenschiedsgericht mit jeweils einem Vertreter von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite paritätisch besetzt, diese wählten als Vorsitzenden einen unabhängigen Juristen. Nach diversen Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen zwischen der Gewerkschaft Deutscher Bühnenangehöriger GDBA und Bühnenverein wurde das Schiedsgericht 1909 wieder aufgelöst.[51]

3.4 Das neuzeitliche Theater des 20. Jahrhunderts

Nach dem ersten Weltkrieg fand eine Neuordnung des Theaterrechts statt. Insbesondere arbeitsrechtliche Vertragsgrundlagen wurden in wesentlichen Teilen verändert. Am 15. Oktober 1919 erklärte das Reichsarbeitsministerium einen zuvor beschlossenen Tarif- und Normalvertrag als allgemein verbindlich, damit war im Bereich des Theaterrechts erstmals die materiellrechtliche Wirksamkeit einer gesetzlichen Regelung geschaffen.[52] Auf diesen Tarif- und Normalvertrag folgte 1924 eine überarbeitete Fassung.

Die Zwangsmitgliedschaft für Bühnenangehörige wurde abgeschafft, gleichzeitig entstanden Tarifverträge mit dem Chorsänger- und Ballettverband und eine Sonderregelung für Wanderbühnen. Für technische Bühnenvorstände wurde ein dem Normalvertrag nachempfundenes Abkommen geschaffen. Die Novemberrevolution von 1918 führte außerdem zu einer bedeutenden Änderung für das Zensurwesen. Der Aufruf des Rates der Volksbeauftragten vom 12. November 1919 beseitigte die Theaterzensur vollständig.[53]

Viele einschlägige Bestimmungen der heute gültigen Tarifverträge über die Rechte und Pflichten der Theater als Arbeitgeber und der am Theater beschäftigten künstlerischen Arbeitnehmer sind zurückzuführen auf die damaligen Vereinbarungen und haben sich nicht oder nur geringfügig verändert. Auch im heute gültigen Tarifvertrag NV Bühne finden sich noch immer Regelungen aus dieser Zeit. Eine neue Schiedsgerichtsordnung wurde 1919 auf den Weg gebracht und führte 1920 dann zu einer erneuten Einsetzung eines paritätisch besetzten Bühnenschiedsgerichtes, das alle Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Dienstverhältnis mit einem Theater unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges zu entscheiden hatte.

[...]


[1] Im folgenden Text werden bei Personenbezeichnungen wegen der besseren Lesbarkeit grundsätzlich nur die männlichen Personen genannt; sie werden als Gattungsbegriffe verstanden, die stets auch die entsprechenden weibli­chen Personen einschließen.

[2] Frankfurter Allgemeine, Quelle: Internet, FAZ.NET unter http://www.faz.net/-00mt4m, am 22.06.2011

[3] Fischer/Reich, § 6, Rn. 3

[4] Vgl. Bolwin, Rolf, Berufe am Theater, S. 7

[5] Vgl. Abfalter, Dagmar, Das Unmessbare messen?, S. 96, Nr. 3.2.1

[6] Vgl. Abfalter, Dagmar, Das Unmessbare messen?, S. 96, Nr. 3.2.1 (Abbildung 8)

[7] Vgl. Bolwin, Rolf, Berufe am Theater, S. 7

[8] Vgl. Kuhr Rudolf, Was ist Kunst - Eine Betrachtung mit Zitaten, 07.11.2005, Quelle: Internet unter http://www.humanistische-aktion.homepage.t-online.de/kunst.htm

[9] Vgl. Adorno, Theodor W., Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. GS Bd. 4, 254

[10] Vgl. Wacker, Roland in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 18, Rn. 66

[11] BFH 11.07.1991, IV R 33/90, DStR 91, 1588

[12] BFH 14.8.80, IV R 9/77, BStBl II 81, 21

[13] Vgl. Wacker, in: Schmidt Einkommensteuergesetz, § 18, Rn. 66

[14] Vgl. Seifert, Karl-Heinz, Hömig, Dieter, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 5, Rn. 25

[15] Vgl. Seifert, Karl-Heinz, Hömig, Dieter, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 5, Rn. 25

[16] Vgl. Seifert, Karl-Heinz, Hömig, Dieter, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art, 5, Rn. 25

[17] Vgl. Fischer/Reich, § 2, Rn. 14

[18] BVerfG 24.2.71, BVerfGE 30, 173, NJW 71, 1645

[19] BVerfGE 30, 173, 188 f.; so jüngst auch BVerfGE 119, 1, 20 ff. - Roman Esra

[20] BVerfGE 81, 305

[21] Vgl. Seifert, Karl-Heinz, Hömig, Dieter, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Rn. 30

[22] BVerfGE 30, 195; vgl. auch Fischer/Reich, § 2, Rn. 15

[23] NJW 1990, 1982 ff. (Verunglimpfung der Bundesflagge)

[24] BSG, Urteil vom 26.11.1998 - B 3 KR 12/ 97 R

[25] BT-Drucks 7/3071

[26] KSVG Künstlersozialversicherungsgesetz, § 2, Rn. 10

[27] KSVG Künstlersozialversicherungsgesetz, § 2, Rn. 10

[28] BT-Drucks 8/ 3172, S 21

[29] BT-Drucks 7/3071

[30] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, Nr. 1, Rn. 1

[31] Vgl. Wikipedia: Theater der griechischen Antike, Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Theater_der_griechischen_Antike

[32] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 4, Rn. 3-4

[33] Vgl. Zünder, Ralf, Die Entwicklung der deutschen Bühnengenossenschaft von der Standesvertretung zur Gewerk­schaft (1871-1924), S. 12 ff., 13 m. w. N.

[34] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 5, Rn. 6

[35] Vgl. Asmussen, Holger, Die Geschichte des Deutschen Theaterrechts, Dissertation iur. 1980, S. 42 ff.

[36] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 8, Rn. 12

[37] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 8, Rn. 14 ff.

[38] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 11, Rn. 20

[39] Vgl. Zünder, Ralf, Die Entwicklung der deutschen Bühnengenossenschaft von der Standesvertretung zur Gewerk-schaft (1871-1924), S. 15

[40] Sachsenspiegel, Landrecht, 1. Buch XXXVIII.

[41] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 18/19 Rn. 35 ff.

[42] Vgl. Frenzel, Herbert A.,Geschichte des Theaters, Daten und Dokumente 1470-1849, S. 58 f.

[43] Vgl. Dünnwald, Rolf, Die Rechtsstellung des Theaterintendanten, Dissertation iur. 1964

[44] Vgl. Frenzel, Herbert A., Geschichte des Theaters, Daten und Dokumente 1470-1849, S.150

[45] Vgl. Asmussen, Holger, Die Geschichte des Deutschen Theaterrechts, Dissertation iur. 1980, S. 29 ff.

[46] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 28, Rn. 51 ff.

[47] Vgl. Frenzel, Herbert A., Geschichte des Theaters, Daten und Dokumente 1470-1849, S. 182

[48] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 30, Rn. 56

[49] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 30, Rn. 57

[50] Vgl. Herdlein, Hans, Praktizierte Solidarität, in: Bühnengenossenschaft 6-7/11, Leitartikel

[51] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 33, Rn. 62

[52] Vgl. Kurz, Hanns, Praxishandbuch Theaterrecht, S. 30, Rn. 64

[53] Reichsgesetzblatt RGBl. 309

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Die vertragsrechtliche Gestaltung am Musiktheater unter Berücksichtigung freier Gastspielverträge und den tarifvertraglichen Absprachen NV Bühne und Haustarife
Hochschule
DIPLOMA Fachhochschule Friedrichshafen
Veranstaltung
Theatervertragsrecht
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
78
Katalognummer
V207160
ISBN (eBook)
9783656345275
ISBN (Buch)
9783656345565
Dateigröße
1153 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Musiktheater, Oper, Vertrag, Vertragsgestaltung, Vertragsrecht, NV Bühne, Gastspielverträge, Theater, Kunst, Künstler, Theaterorganisation, Vertragsformen, Dienstvertrag, Werkvertrag, Arbeitsvertrag, Künstlersozialkasse, Umsatzsteuerpflicht, Sozialabgaben, Haustarife
Arbeit zitieren
Jürgen Möcke (Autor:in), 2011, Die vertragsrechtliche Gestaltung am Musiktheater unter Berücksichtigung freier Gastspielverträge und den tarifvertraglichen Absprachen NV Bühne und Haustarife, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207160

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