Praktische Ansätze zur Verringerung der Bestandshaltung in Lieferketten


Seminararbeit, 2003

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Just-in-Time
1.1. Integrierte Informationsverarbeitung
1.2. Fertigungssegmentierung
1.3. Produktionssynchrone Beschaffung

2. Efficient Consumer Response
2.1. Supply Side ECR
2.2. Demand Side ECR

3. Collaborative Planning Forecasting and Replenishment
3.1. Stufenmodell

4. Advanced Planning & Scheduling

5. Fazit und Probleme

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

0. Einleitung

In der Logistik ist das „Supply Chain Management“ Gegenstand vieler einschlägiger Fachpublikationen. Die damit verbundenen Ziele sind im Allgemeinen die Reduzierung der Durchlaufzeiten, die Verringerung der Bestände und die Erhöhung der Liefertreue[1]. Es wird deutlich, dass die Lagerpolitik und alle damit verbundenen Aktivitäten eine ganz entscheidende Rolle im Konzept des SCM spielen. Neben der Relevanz der Lagerhaltung für die Unternehmensführung steigt auch die Intensität von Handels- und Transportaktivitäten durch die Globalisierung und Trends wie den der immer geringer werdenden Fertigungstiefe im Automobilbau. Daraus folgt, dass ein Unternehmen über eine Optimierung seiner Lagerhaltungsaktivitäten und die damit verbundenen geringeren Aufwendungen (z.B. i.S.d. Kapitalbindung oder des Organisationsaufwandes) beträchtliche Einsparungen realisieren und seine Wettbewerbssituation deutlich verbessern kann.

Ein Phänomen der betrieblichen Lagerhaltung in der Gegenwart ist der „Bullwhip-„ oder Peitscheneffekt[2]. Er beschreibt die Zunahme der Bestandsvalenz in vorgelagerten Fertigungsstufen. Steigt die Nachfrage beim Einzelhändler, so erhöht der Lieferant seinen Lagerbestand um auf die veränderte Nachfrage zu reagieren. Spätestens in der dritten Stufe der Lieferkette führt dieses Verhalten zu stark überhöhten Lagerbeständen, da den vorgelagerten Unternehmen der kausale Zusammenhang für die Absatzschwankungen nicht mehr deutlich wird und sie unnötige Sicherheitsbestände aufbauen.

Es verwundert also nicht, dass die Optimierung der Lagerhaltung sowohl von den wirtschaftenden Unternehmen als auch den forschenden Einrichtungen in der Bundesrepublik vorangetrieben wird. Diese Seminararbeit soll ein Beitrag hierzu sein, indem sie praktische Ansätze zur Verringerung der Bestände in den Unternehmen aufzeigt, indem sie sich absetzt von Schlagwörtern wie „Integration“ oder „Flexibilität“, Handlungsalternativen aufzeigt und konkrete Handlungsanweisungen gibt.

1. Just-In-Time

Das Just-In-Time-Prinzip hat seinen weltweiten Siegeszug nach dem 2.Weltkrieg in Japan begonnen. Die Situation im Land war u.a. gekennzeichnet durch einen Mangel an Kapital, eine diversifizierte Binnennachfrage und große internationale Konkurrenz[3] (insbesondere aus den USA). In dieser Situation war es der japanischen Industrie nicht möglich, das vorherrschende Paradigma der Produktion einzelner Lose von jeweils großen Stückzahlen zu realisieren. Um die Kapitalbindung so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig die benötigte Variantenflexibilität zu erreichen, entwickelte Toyota das „Toyota Production System“, dessen heutige Ausprägung als Just-In-Time-Strategie bekannt ist[4]. Objekt der Optimierungsstrategie Toyotas war nicht mehr der einzelne Produktionsprozess, sondern die gesamte Wertschöpfung als eine Kette von Prozessen. Toyota identifizierte eine Reihe von Einflüssen auf die Produktionsleistung denen bisher nicht genug Beachtung geschenkt worden war, in diesem Zuge gelangte auch die Lagerhaltung in den Fokus der Bemühungen.

Durch die Implementierung des Hol-Prinzip zeichnet sich JiT durch eine große Markt- und Kundennähe aus. Es minimiert die Lagerhaltung, optimiert Durchlaufzeiten und verbessert somit die Prognosefähigkeit, erhöht die Liefertreue – und das alles unter dem Gesichtspunkt der Qualitätsoptimierung. Bei der Aufzählung dieser zahlreichen Vorzüge wird dem Leser schnell klar, warum das Konzept sich in der Wirtschaft durchgesetzt hat und sich weiter ausbreiten wird.

Wildemann[5] erkennt drei wesentliche Bausteine im JiT-Konzept: Integrierte Informationsverarbeitung, Fertigungssegmentierung, Produktionssynchrone Beschaffung

1.1 Integrierte Informationsverarbeitung

In Ergänzung zum Materialfluss existiert entlang der Prozesskette ein Informationsfluss, jedoch ist dieser dem Materialfluss genau entgegengesetzt. Traditionell ist dieser Informationsfluss durch zahlreiche Engpässe gekennzeichnet. Die einzelnen MRP haben Ihre Grenzen an den Grenzen der Unternehmung und die Kommunikation zwischen den Unternehmen geschieht über Aufträge. Im Sinne eines Flusses bedarf es hier der engeren Verknüpfung, so werden die einzelnen Aufträge durch eine Produktionsrate ersetzt, die zwar prognostiziert (Rahmenaufträge), aber letztlich erst durch den tatsächlichen Bedarf determiniert wird. Obwohl der Abnehmer den tatsächlichen Bedarf naturgemäß nur mit minimalem Zeitpuffer übermitteln kann, kann der Lagerbestand durch eine materialwertbasierte Klassifizierung (ABC-Analyse) minimal gehalten werden. A- und ausgewählte B-Güter werden „stundengenau und mit präziser Bestandsführung [...] bereitgestellt“[6], minderwertige Güter können in angemessenen Losgrößen zur Verfügung gestellt werden.

Die Informationstechnische Steuerung der innerbetrieblichen Produktion geschieht wie die Auftragsabwicklung zwischen den beteiligten Unternehmen nach dem Hol-Prinzip (wieder wird die Flussorientierung sichtbar): Jede Fertigungsstufe gibt ihren Bedarf an die vorherige Fertigungsstufe weiter, diese wiederum an die ihr Vorhergehende, usw.

Der Informationsaustausch zwischen Abnehmer und Lieferant geschieht i.d.R. in drei Ebenen (Zeitangaben sind Näherungswerte):

- Rahmenvereinbarung – unverbindliche Vorschau des voraussichtlichen Bedarfs des Abnehmers und der Kapazität des Zulieferers, z.B. 12-monatig.
- Rahmenauftrag – dient der exakten Beschaffungs- und Vorfertigungsplanung, ca. 2-3 Monate.
- Lieferabruf – verbindliche Angaben bzgl. Ort, Zeit, Variante und Menge. Der Lieferabruf kann bis zu wenigen Stunden vor dem Liefertermin liegen und mit dem Produktionsstart zusammenfallen (siehe Autoindustrie).

1.2 Fertigungssegmentierung

Dieser Maßnahmenbereich richtet sich primär an unternehmensinterne Abläufe. Als grundlegende Handlungsmaxime bei der Einführung eines JiT-Systems stellt Wildemann folgende heraus:

- Flussoptimierung – technische und organisatorische Verkettung der einzelnen Fertigungsstufen unter dem Gesichtspunkt der Durchlaufzeit.
- Kleine Kapazitätsquerschnitte in jeder Fertigungsstufe – Ein kleiner Kapazitätsquerschnitt verringert die Abhängigkeit von einzelnen Maschinen
- Räumliche Konzentration von Betriebsmitteln mit variablem Layout – Verkürzung der Wege und des Koordinationsaufwandes z.B. durch U-förmigen Materialfluss
- Komplettbearbeitung von Teilen und Baugruppen – Der bearbeitende Mitarbeiter erfährt Sinngebung und ist angehalten, sein Endprodukt zu kontrollieren.
- Selbststeuernde Regelkreise – Entlastung der Dispositionsebene
- Selbstkontrolle der Qualität – Das Prozesskettenglied „Qualitätsprüfung“ kann entfallen.
- Entkopplung von Mensch und Maschine – Die zunehmende Automatisierung führt zu einem Bedeutungsverlust des Produktionsfaktors Mensch.

Die zur Fertigungssegmentierung benötigten Segmentierungskriterien unterteilen sich in horizontale SK und vertikale SK. Erstere sind u.a. Produktionsvolumen, Prognosegenauigkeit und/oder Losgrößen, während sich die vertikalen SK aus den Maschinen ableitet (Beispiel: Baugruppen). Hierbei ist darauf zu achten, dass die einzelnen vertikalen Segmente den Anforderungen der Materialflussoptimierung gerecht werden.

1.2 Produktionssynchrone Beschaffung

Teil einer reibungslosen Prozesskette ist auch die Beschaffung. JiT-Prinzipien nehmen hier Abschied vom reinen Kostenkriterium zu Gunsten erhöhter Flexibilität in einer partnerschaftlichen Beziehung zum Lieferanten. Das setzt eine neue Strategie im Lieferantenmanagement voraus. Die Beziehung zum Lieferanten wird langfristiger und gewinnt an Bedeutung. Durch die engere Beziehung ist nur noch eine begrenzte Anzahl von Lieferanten notwendig – es muss jedoch mit Sicherheits- und Abhängigkeitsgefahren abgewogen werden. Die praktische Gestaltung der Beschaffung geschieht wie oben erwähnt auf den drei Ebenen Rahmenvereinbarung, Rahmenvertrag und Lieferabruf. Der Abruf kann organisatorisch unterschiedlich gestaltet werden, je nachdem ob ein oder mehrere Abnehmer auf ein oder mehrere Zulieferer treffen. In einer 1:1 Beziehung beweist sich der dezentrale Abruf, direkt vom Abnehmer zum Zulieferer als die effizienteste Methode, während eine n:m Beziehung in der Mehrheit der Fälle eine koordinierenden Stelle voraussetzt.

Die Schnittstelle zwischen Zulieferer und Abnehmer hat eine bestandsverursachende Komponente, bedingt durch die seltene Übereinstimmung der Transportlosgröße bei Kapazitätsauslastung und des diskreten Bedarfs. War hier bisher ein Lager die Lösung (womöglich sogar zwei Lager, ein Warenausgangslager beim Zulieferer und ein Eingangslager beim Abnehmer) so erübrigt sich dieses durch die intensive und von maximaler Liefertreue geprägte Beziehung zum Zulieferer. Bei unsicheren Einflussfaktoren (z.B. Stau), größeren Distanzen und/oder zeitnahmen Bedarf zur Sequenzierung (Just-in-Sequence) kann jedoch auch ein Zwischenpuffer[7] notwendig sein, der aber bedarfsgerecht gefüllt wird und somit keine Sicherheitsfunktion im Sinne althergebrachter Lager erfüllt. I.d.R. befindet sich der Zwischenpuffer in unmittelbarer physikalischer Nähe zum Abnehmer.

Über die reine Frage der Lagerhaltung hinaus ermöglicht das JiT-Prinzip eine Übertragung ausgewählter Kompetenzen an den Zulieferer oder einen Anbieter einschlägiger Dienstleistungen. Denkbar sind u. A.:

- Gebietsspediteure – Ein GS „sammelt“ einzelne Lieferungen in einem abgegrenzten Gebiet auf und bringt sie zum Abnehmer. Diese Praxis gewährleistet, dass auch JiT-typische kleine Transportlose kosteneffizient geliefert werden können.
- Vendor Managed Inventory (VMI) – Ähnlich wie beim CR (Continous Replenishment, s. 2.1) wird die Verantwortung für die Lagerhaltung an den Hersteller abgegeben. Er kann/muss den Bestand selbstständig managen und ist lediglich verpflichtet, dem Händler zum richtigen Zeitpunkt die richtige Menge zur Verfügung zu stellen.
- Qualitätskontrolle – Kann der Abnehmer die Güte der entgegengenommenen Waren voraussetzen, so wird ein weiteres Glied in der Prozesskette hinfällig. In einem ersten Schritt wird die Qualitätskontrolle i.d.R. dem Lieferanten übertragen. Idealerweise wird der Qualität bereits während der Produktion hinreichende Beachtung geschenkt, so dass ein Regelkreis mit Hilfe einer extra dazu eingerichteten Instanz zur Qualitätssicherung völlig entfallen kann[8].

Das Potential der JiT bei der Verringerung des Lagerbestandes ist offensichtlich. Durch enge Verknüpfung der Informationssysteme beider Partner soll ein höchstmöglicher Grad an Koordination in den Geschäftsprozessen realisiert werden. Durch den schrittweisen Abruf von vorher festgelegten Bestellrahmen zum Bedarfszeitpunkt wird die Bestandshaltung minimiert.

[...]


[1] Vgl. Hans Corsten / Ralf Gössinger, Einführung in das Supply Chain Management, Oldenbourg, S. 95

[2] Vgl. Joachim Käschel, Vorlesungskript IBL IV, TU Chemnitz, Wintersemester 03/04

[3] Vgl. Uta Wilkens, Vorlesungsskript Management Sozialer Prozesse, TU Chemnitz, Kapitel Gruppenarbeit, Sommersemester 2002

[4] Vgl. J. E. Beasley, OR-Notes, Topic Just-In-Time, http://www.ms.ic.ac.uk/jeb/or/jit.html [01.11.03]

[5] Vgl. Horst Wildemann, Das Just-in-Time-Konzept, Produktion und Zulieferung auf Abruf, 2.Auflage, München 1990, S. 32

[6] Vgl. Horst Wildemann, Das Just-in-Time-Konzept, Produktion und Zulieferung auf Abruf, 2.Auflage, München 1990, S. 60

[7] Vgl. Rödel, J. Vortrag in der Vorlesung „Unternehmenslogistik“, November 2003

[8] Vgl. Ludger Rieken, Die situative Gestaltung des Materialflusses Zulieferer und Abnehmer, Bergisch-Gladbach Köln 1995, S. 149

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Praktische Ansätze zur Verringerung der Bestandshaltung in Lieferketten
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Wirtschaftsingenieurwesen)
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
26
Katalognummer
V20701
ISBN (eBook)
9783638245166
Dateigröße
398 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Praktische, Ansätze, Verringerung, Bestandshaltung, Lieferketten
Arbeit zitieren
Jörn Deiseroth (Autor:in), 2003, Praktische Ansätze zur Verringerung der Bestandshaltung in Lieferketten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20701

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