Psilocybin - eine psychedelische Droge


Hausarbeit, 2012

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorkommen und Chemie

2 Geschichte des Psilocybins
2.1 Anfänge bis 1960
2.2 Therapieverfahren mit Psilocybin in den 1960er Jahren
2.3 Kulturelle Aspekte und Verbot in den USA
2.4 „Renaissance“ und aktuelle Forschung

3 Medizin: Wirkung und Nebenwirkung

4. Rechtliche Situation

5. Ausblick, Kritik und Philosophie

6. Literatur-, Film- und Abbildungsverzeichnis

1 Vorkommen und Chemie

Psilocybin ist eine psychoaktive, chemische Substanz, die natürlich in halluzinogenen Pilzen vorkommt, u.a. in den Gattungen Psilocybe (Psilocybe cubensis, P. caerulescens, P. mexicana etc.) und Panaeolus (Panaeolus cyanescens). Neben den Kahlköpfigen Pilzen aus Kuba (Psilocybe cubensis), Ecuador oder Mexiko, ist mit dem Spitzkegeligen Kahlkopf (Psilocybe semilanceata) auch ein psilocybinhaltiger Blätterpilz mit europäischen Wurzeln vertreten, wie man ihn z.B. in Deutschland finden kann. Das Sammeln dieser Pilze stellt in Deutschland allerdings einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) dar.

Psilocybin ist ein Indolalkaloid aus der Gruppe der Tryptamine. Seine chemische Struktur besitzt molekular eine erstaunliche Ähnlichkeit mit einem Neurotransmitter unseres Gehirns, dem Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT). Albert Hofmann, der Entdecker des LSD, erklärt sich damit die bewusstseinserweiternde Eigenschaft des Psilocybins für den menschlichen Körper, da dieser Stoff so nah mit unserer eigenen Körperchemie verwandt ist1. Hofmann gelang zudem die vollständig synthetische Herstellung des Hydrolyseprodukts Psilocin, dem die eigentliche halluzinogene Wirkung zugesprochen wird. Das Psilocybinmolekül trägt zusätzlich eine Phosphatgruppe, die dem Molekül eine höhere Stabilität verleiht. Nach vollständiger Dephosphorylierung im Magen wird es in Psilocin umgewandelt, welches dann, so schätzt man, zu etwa einem Viertel über die Nieren wieder ausgeschieden wird. An Luftsauerstoff oxidiert das Psilocin sehr schnell, sodass es seine psychoaktive Eigenschaft verliert. Infolgedessen verfärben sich die Pilze bei z.B. mechanischer Krafteinwirkung blau, wobei der blaue Farbstoff u.U. bei manchen Pilzarten auch einen Hinweis auf andere Indolderivate als Psilocybin liefern kann.

Psilocybin mit Phosphatgruppe (Abb. 1) Psilocin mit Indolinring (blau) Serotonin Lange Zeit war nicht klar, über welche biochemische Rezeptorinteraktion Psilocybin wirkt. Da das Halluzinogen kurzzeitig ähnliche Symptome wie bei schizophrenen Patienten auslösen kann, entwickelte sich infolge der Dopaminhypothese der Schizophrenie die Ansicht, Psilocybin wirke psychoaktiv über Dopaminrezeptoren (D2- Rezeptoren) statt über G-Protein gekoppelte 5-HT-Rezeptoren, die normalerweise die Funktionen des Serotonins vermitteln. Vollenweider et al. konnten jedoch nachweisen, dass bei einer vorher vollständigen 5-HT2A-Rezeptorblockade mittels Ketanserin die psychoaktive Wirkung des Psilocybins komplett aufgehoben wird, während sie hingegen bei einer totalen D2-Rezeptorblockierung mittels Haloperidol weiter fortbestand2. Psilocybin bzw. Psilocin imitieren daher vermutlich das Serotonin und sensibilisieren damit unsere Rezeptoren. Dadurch wird, anders als beispielsweise bei häufiger Einnahme von MDMA, der natürliche Serotoninvorrat nicht gänzlich aufgebraucht3, sondern erhält lediglich Nachschub, womit der serotonerge Stoffwechsel langfristig nicht bzw. kurzzeitig nur sehr gering gestört wird, vergleichbar mit dem kurzzeitigen Schärfen der Sinne einer z.B. myopen Person durch Aufsetzen einer Brille. Somit treten auch keine körperlichen Entzugserscheinungen auf.

Psilocybin wirkt über diesen beschriebenen Mechanismus, je nach Dosierung, etwa 4-5 Stunden, wobei die Wirkung sowohl langsam an- als auch absteigt. Damit wirkt es kürzer als sein nächster Verwandter, das LSD (Lysergdiethylamid, ein Ergolin), das die gleichen genannten Rezeptoren ansteuert. Durch Hemmung der Monoaminooxidase (MAO-Hemmer) lässt sich die Wirkung beider Substanzen verlängern bzw. intensivieren.

Eine mittlere Dosis Psilocybin liegt bei etwa 5-10 mg (absolut) bzw. 0,14 mg/kg. Die letale Dosis liegt über dem 1000-fachen der Normaldosis (ca. 6-7 g). Dazu müsste man rund 7 kg (d.h. etwa 7000) Trockenpilze (bei 1% Psilocybingehalt) oder 14 kg Frischpilze (bei 0,5% Psilocybingehalt durch den hohen Wasseranteil der Pilze) verzehren. Ein solch hoher Konsum würde mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu starker Übelkeit und Erbrechen führen. Nach Abklingen der Droge verschiebt sich die Toleranzschwelle für 1-2 Wochen nach oben, sodass man noch mehr Pilze konsumieren müsste, um den gleichen Effekt zu erzielen.

Der psychedelische Pilztrip stellt eine hohe geistige Anforderung an das menschliche Gehirn. Die Filterfunktion, das Schubladendenken des Gehirns, wird nach Einnahme von Psilocybin gestört, sodass der Körper einer regelrechten Reizüberflutung ausgesetzt wird. Folglich benötigt er Regenerationszeit. Aufgrund der nicht körperlichen und nur sehr geringen, umstrittenen psychischen Abhängigkeit, sind Psilocybin und LSD relativ uninteressant für den Drogenmarkt.

In der nachfolgenden Grafik (Abb. 2) sind die verschiedensten Drogen hinsichtlich ihres Abhängigkeitspotentials und ihrer tödlichen Dosis (z.B. Safety Ratio = 1000, d.h. das 1000-fache der Normaldosis ist tödlich) dargestellt.

Überspitzt formuliert ist festzuhalten, dass sich die nach Safety Ratio und Abhängigkeit wesentlich gefährlicheren Drogen wie Alkohol oder Nikotin in unserer heutigen Gesellschaft gut etabliert haben, wohingegen der Psilocybinkonsum, also der Wunsch nach Bewusstseinserweiterung, u.U. mit einer Gefängnisstrafe belegt wird. Es liegen zudem keine signifikanten Studien vor, die die Ursachen einer körperlichen Organschädigung durch Psilocybin nachweisen konnten, im Gegensatz zu Nikotin oder Alkohol (die Sterbeziffer für Leberzirrhose in Deutschland liegt bei ca. 14.000 Menschen pro Jahr4 ).

Es stellt sich daher die Frage, warum Psilocybin, eine schon vor Jahrtausenden von Menschen genutzte Substanz, aus unserer heutigen Kultur und moralischen Lebensphilosophie nahezu vollständig verdrängt wird.

2. Geschichte des Psilocybins

2.1 Anfänge bis 1960

Pilze nehmen im Reich der Tiere und Pflanzen eine gesonderte Stellung ein. Die eukaryotischen Lebewesen lassen sich weder der einen, noch der anderen Spezies zuordnen. Allein dieser biologische Hintergrund gibt Pilzen eine gewisse mystische, faszinierende, fast schon schizophrene Komponente. Ihr Verwendungszweck ist, angefangen von häuslicher Ernährung, medizinischer Heilung, religiöser Verehrung bis hin zur Bewusstseinserweiterung sehr vielseitig. Pilzen wird zudem eine gewisse Symbolik zugesprochen. So wird der heimische Fliegenpilz (Amantia muscaria) im europäischen Kulturkreis als Glücksbringer angesehen.

Die Geschichte und der Mythos psychoaktiver Pilze geht etwa bis auf das Jahr 3300 v. Chr. zurück. So ergab eine Untersuchung des Ötzis, einer rund 5300 Jahre alten Gletschermumie, die in den Ötztaler Alpen gefunden wurde, dass dieser zwei Birkenporlinge bei sich trug. Neben der antibiotischen Wirkung vermutete man, die Pilze hätten auch eine psychedelische Komponente, was sich einige Zeit später allerdings als falsch herausstellte5.

Die wirklich dokumentierten, geschichtlichen Anfänge der Verwendung psilocybinhaltiger Pilze liegen in den Jahren 1000 v. Chr. bis 500 n. Christus. Für die Schamanen (Maya) aus Mexiko oder aus anderen mittel- oder südamerikanischen Ländern galten psychedelische Pilze als Geschenk der Götter („Fleisch der Götter“). Man ehrte die Pilze, indem man Tempelanlagen errichtete (z.B. Palenque - eine bedeutende Stadt der Maya) oder so genannte „Mushroom Stones“ in den Hochländern von Guatemala erbaute. Pilze waren sowohl Hilfsmittel bei sakralen Ritualen wie auch für die Austreibung böser Geister (frühzeitliche Psychotherapie). Denkbar ist auch, dass die Pilze für die Evolution und intellektuelle Entwicklung des Menschen einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet haben. Der mittelamerikanische Pilzkult überlebte in den religiösen Riten der Mazateken, Chinanteken, Chatino, Zaptoeken, Mije und Mixteken von Oaxaca. Der Vienna Kodex (oder Codex Vindobonensis), eine Art Stammbaum, schildert den rituellen Gebrauch halluzinogener Pilze der Mixteken im 13. bis 15. Jahrhundert. Dort werden diverse Götter gezeigt, die Pilze in ihren Händen halten.

Am 15. Juni 1521 wurde der Gebrauch von Pilzen und Peyote (ein Kakteengewächs mit dem Wirkstoff Meskalin) erstmals von Europäern in Mexiko kriminalisiert. Der auf Kräuterheilkunde spezialisierte Arzt Dr. Francisco Hernandez berichtete 1651 von Pilzen, die in ihrer Wirkung zwar nicht tödlich sind, aber ein seltsames Gelächter bei den Konsumenten hervorrufen würden. Andere, die keine unkontrollierte Euphorie empfanden, bekämen stattdessen Visionen dämonischen Ausmaßes. Die Gattung Stropharia Cubensis wurde 1906 von Franklin Summer Earle in einer kubanischen Zeitschrift für Ackerbau beschrieben. A.E. Merrill der Universität Yale beschrieb 1914 in einer wissenschaftlichen Arbeit die Wirkungsweise von Panaeolus papillionaceus und verglich diese mit der Wirkung von Haschisch und Peyote. Der amerikanische Botaniker William E. Safford bestritt ein Jahr später, dass solche Pilze wirklich existiert hätten und behauptete, es handele sich lediglich um Peyoteknospen. Dr. Blas P. Reiko (1919) widersprach Saffords Theorie. Aufgrund einiger falscher wissenschaftlicher Artikel, verlor Reiko in Forscherkreisen allerdings stark an Glaubwürdigkeit. Der Anthropologe Roberto J. Weitlaner besorgte sich als erster Weißer der Neuzeit aus Oaxaca das „Fleisch der Götter“ und schickte die Proben 1936 zu Reiko, der diese nach Harvard sandte. Leider war keine Identifizierung der Pilzproben möglich, da die Pilze während des Transports verfaulten. 1939 wurde die Gattung Paneolus sphrinctrinus zum ersten Mal in der wissenschaftlichen Literatur unter dem Titel The Identification of Tenonánacatl, a Narcotic Basiidiomycete of the Aztecs erwähnt.

Der Ethnomykologe und Autor R. Gordon Wasson und seine Frau wurden von Weitlaner 1953 nach Mittelmexiko geführt, wo sie am 29. Juni 1955 als erste Weiße einer heiligen Zeremonie mit psychoaktiven Pilzen beiwohnen durften. Wenig später verfasste Wasson den ersten populären Medienbeitrag über die Existenz psychedelischer Pilze im Life Magazine. In der Folge zeigten immer mehr Wissenschaftler ihr Interesse. 1958 isolierte Albert Hofmann zwei Substanzen aus mexikanischen Pilzen und gab ihnen den Namen „Psilocybin“ und „Psilocin“. Kurze Zeit später gelang Hofmann die synthetische Herstellung von Psilocin. Damit stand einer industriellen Großproduktion von Psilocybin bzw. Psilocin nichts mehr im Weg, sodass beispielsweise die Firma Sandoz in Basel im Jahr 1960 Psilocybin-Pillen herstellte, die zunächst v.a. für wissenschaftliche und therapeutische Zwecke eingesetzt wurden.

2.2 Therapieverfahren mit Psilocybin in den 1960er Jahren

Die Vorteile einer Therapie mit Psilocybin gegenüber LSD sind die kürzere Wirkungsdauer, die weniger neurovegetativen Nebenwirkungen, eine geringere Neigung zu Depersonalisierungserlebnissen, eine insgesamt positivere Tönung des Erlebens und die Tatsache, dass Psilocybin (anders als LSD) der breiten Menge anfangs relativ unbekannt war. Somit fiel der Suggestivhintergrund für die Patienten weitestgehend weg. Dieser zunächst banal klingende Aspekt hat einen wichtigen Hintergrund: Psilocybin wirkt im Erleben und Fühlen fast ausschließlich auf die menschliche Psyche. Werden die Probanden vor der eigentlichen Einnahme jedoch verunsichert oder gar verängstigt, so ist die Wahrscheinlichkeit eines schlechten Trips („Bad Trip“ oder Horrortrip) bzw. eines Therapieabbruchs um ein Vielfaches erhöht.

Folgende Therapieverfahren kamen in den 1960er Jahren u.a. zum Einsatz:

(1) Psychoanalytische Individualtherapie mit eingeschobenen ambulanten oder stationären psycholytischen Einzelsitzungen und deren Nachbearbeitung im psychoanalytischen Einzelsetting.

Diese von v.a. Leuner, Hausner und Sandison et al. durchgeführte Therapie setzte eine mehrmonatige psychoanalytische Vorbehandlung mit zunächst sehr niedrigen Dosen Psilocybin (3-15 mg) voraus. Später wurde die Dosis sukzessiv erhöht. Das Verfahren sah eine ständige therapeutische Begleitung während des Rausches vor, den die Patienten vorzugsweise in einem abgedunkelten Raum mit leiser Musik erleben durften. Anschließend wurde das Erlebte in drogenfreien Zwischenräumen mit dem Therapeuten besprochen und protokolliert. Leuner et al. gelangen damit Behandlungserfolge bei mehreren 100 neurotischen Personen, die zuvor wenig auf konventionelle Therapiemaßnahmen ansprachen6. Hauptindikationen waren Sexual-, Charakter- und Zwangsneurosen, reaktive Depressionen sowie Perversionen. Die Therapie mit Psilocybin bei Psychosen, Borderline oder Menschen mit Ich-Schwäche stelle hingegen eine Kontraindikation dar7.

[...]


1 Arte-Dokumentation: Halluzinogene bzw. psychoaktive Pilze (http://www.youtube.com/watch?v=8dtWqixNiFk)

2 Franz X. Vollenweider et al.; Gehirn & Geist 04/2002, S. 36-42 „Zwischen Wahn und Wirklichkeit“

3 Arte-Dokumentation 2006: „Gehirn unter Drogen“

4 http://www.medizinauskunft.de/artikel/diagnose/krankheiten/Magen_Darm_ Niere/05_07_leberzirrhose.php

5 Brenda Fowler: Iceman: uncovering the life and times of a prehistoric man found in an alpine glacier; University of Chicago Press, 2001. ISBN 0226258238, S. 116

6 Leuner H (1964): Zur Überlegenheit einer durch Halluzinogene geförderten Psychotherapie (Psycholyse). In: Bradley, P.B. / Flügel, F. / Hoch, P. (eds.): Neuropsychopharmacology. Vol. 3. Amsterdam: Elsevier 1964, pp. 180-183

7 Leuner H, Holfeld H (1962): Ergebnisse und Probleme der Psychotherapie mit Hilfe von LSD-25 und verwandten Substanzen. Psychiatria et Neurologia 143: 379-391

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Psilocybin - eine psychedelische Droge
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Geschichte der Medizin )
Veranstaltung
Seminar Gifte - Tödlich, Heilsam, Berauschend
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
25
Katalognummer
V206907
ISBN (eBook)
9783656338444
Dateigröße
747 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Psilocybin, Droge, LSD, Medzin
Arbeit zitieren
Christopher Wormuth (Autor:in), 2012, Psilocybin - eine psychedelische Droge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206907

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