Geschlechtersensibler Geschichteunterricht? Die Rolle österreichischer Geschichtsschulbücher von den 1960er Jahren bis heute


Essay, 2012

12 Seiten, Note: 1


Leseprobe


In Anbetracht der nach wie vor existierenden Dominanz von Schulbüchern im Unterricht, sie werden als die „heimlichen Lehrpläne“ oder als die „zum Leben erweckten Lehrpläne “[1], tituliert, widmet sich der zu analysierende Artikel in erster Linie einer Untersuchung von 27 Geschichteschulbüchern der Sekundarstufe 1. In diesem Kontext stellt Elfriede Windischbauer die zentrale Frage nach der gendergerechten Darstellung in Geschichteschulbüchern. Die Autorin versuchte diese Fragestellung anhand dreier Bereiche (Familienstruktur und Familienbilder, Frauenwahlrecht, Sexistischer Sprachgebrauch) zu dokumentieren beziehungsweise einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Ferner setzt sich der Artikel mit Maßnahmen auseinander, die zu einem geschlechtergerechten Geschichteunterricht führen können.

Hinsichtlich der eingangs erwähnten zentralen Fragestellung konfrontiert die Autorin die Leser/innen zu Beginn des Artikels mit ersten Ergebnissen ihrer Untersuchung:

- In den untersuchten Unterrichtswerken existiert ein geringer Frauenanteil sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht
- Der Frauenanteil bei namentlich genannten Personen stieg im Zeitraum von 1960 bis 2005 von 3,5 auf 11,5 Prozent
- Umfassende geschlechtergeschichtliche Ansätze lassen sich nur bei 3 Unterrichtswerken eruieren

Ein wesentlicher Aspekt für die unzureichende Darstellung von Frauen in Geschichteschulbüchern besteht in der Dominanz der politischen Geschichte, welche den Fokus ausschließlich auf geschichtsprägende Männer richtet, Rosa Luxemburg und Berta von Suttner stellen hier Ausnahmen dar. Bei einer zunehmenden Akzentuierung in Bezug auf alltagsgeschichtliche Themen könnten Frauen und Männer und deren Geschlechterverhältnisse eher in den Vordergrund gerückt werden. In diesem Zusammenhang sind vor allem Geschichtserzählungen, alltagsgeschichtliche Quellentexte und Bilder von Bedeutung. Insbesondere Letztere geben in den untersuchten Unterrichtswerken ein stereotypes Geschlechterverhältnis unreflektiert wieder. So wird im Geschichtslehrbuch „Meilensteine der Geschichte“ unter dem Titel „ Der Kampf der Soldaten in Stalingrad“ ein Bild der NS-Propaganda gezeigt, welches lediglich korpulente, männliche Soldaten in den Mittelpunkt stellt, während die darauf abgebildeten Frauen, den Männern die Werkzeuge abnehmend, symbolträchtig am linken unteren Bildrand schemenhaft zu erkennen sind. Hinsichtlich der generellen Verwendung von Bildmaterial der NS-Propaganda schreibt Eva Kolinsky in ihrem Aufsatz „Geschichte gegen den Sturm“ Folgendes: Die problematische Urheberschaft des Bildmaterials darf insofern nicht außer Acht gelassen werden, als meist neben den Opfern uniformierte Deutsche sichtbar sind, die als Ordnungsstifter in Bild treten. So zeigen die Aufnahmen zerstörter Synagogen in der Regel die Einsatzwagen oder Wasserschläuche der Feuerwehr und erwecken den Eindruck, als sei alles Menschenmögliche getan worden.[2] Was das vorhin beschriebene Bild betrifft, wird deutlich, welches Frauenbild in der NS-Zeit propagiert wurde, so gesehen wäre es für Schulbuch- Autor/innen angebracht, sich mit dem tradierten Rollenverhältnis der damaligen Zeit in kritischer Weise auseinanderzusetzen.

Ein anderes dem reaktionären Geschlechterverhältnis entsprechendes Bild aus dem Lehrwerk „Zeitbilder“ zeigt eine junge Frau mit drei Kindern in der Küche. Diese Darstellung suggeriert ein scheinbar hohes Maß an Glück und Zufriedenheit bei der Frau. Während ein zweites Bild auf dieser Lehrbuchseite einen Mann in einer Fabrik zeigt, der hochkonzentriert und angespannt an einer Maschine seine Arbeit verrichtet. Mit diesen beiden Abbildungen vermittelt das Buch eine klare Botschaft: Hausarbeit und Kindererziehung gehören in den Verantwortungsbereich der Frau und sind obendrein entspannende und leicht zu erledigende Tätigkeiten. Die Tätigkeit der Männer wird hingegen als eine anstrengende, herausfordernde Arbeit betrachtet.

[...]


[1] Kuhn,1977, S. 9.

[2] Vgl. Kolinsky, 1991, S. 134.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Geschlechtersensibler Geschichteunterricht? Die Rolle österreichischer Geschichtsschulbücher von den 1960er Jahren bis heute
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz  (Institut für Frauen-und Geschlechterforschung)
Note
1
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V206537
ISBN (eBook)
9783656339342
ISBN (Buch)
9783656339458
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
geschlechtersensibler, geschichteunterricht, rolle, geschichtsschulbücher, jahren
Arbeit zitieren
Mag. Wolfgang Bilewicz (Autor:in), 2012, Geschlechtersensibler Geschichteunterricht? Die Rolle österreichischer Geschichtsschulbücher von den 1960er Jahren bis heute, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206537

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