E.T.A. Hoffmanns „Prinzessin Brambilla“


Seminararbeit, 2008

17 Seiten, Note: 1


Leseprobe


1. Einleitung

„Prinzessin Brambilla. Ein Capriccio nach Jakob Callot“ (1820) gehört zu den späteren Werken von E.T.A. Hoffmann (1776-1822), und kaum anderes Werk von ihm ist mit so unterschiedlichen Beurteilungen begegnet worden. Zum Beispiel findet Heinrich Heine, dass die Erzählung von einer „köstlichen Schöne“ ist, die einem „den Kopf schwindlig macht“, wohingegen Georg Ellinger den Text als die geringwertigste Leistung des Dichters beurteilt.[1]

Ein Grund dieser verschiedenen Auffassungen des Werkes liegt wahrscheinlich darin, dass der äuβere Handlungsverlauf auf den ersten Blick sehr verwirrend wirkt, zumal die verschiedenen Charaktere mehrere „Rollen“ „spielen“, und die Handlung in verschiedenen „Welten“ spielt.

Der Untertitel des Buchs, „Ein Capriccio nach Jakob Callot“, weist sowohl auf die Musikgattung Capriccio als auf den Commedia dell’arte darstellenden Kupferstecher Jakob Callot hin. In dieser Weise werden also nicht nur die Literatur, sondern auch die Musik, die Dramatik und Commedia dell’arte, und die Malerkunst in den Text einbezogen. Damit wird schon im Titel eine Reihe von möglichen Interpretationsrichtungen identifiziert, die mit verschiedenen Kunstgattungen zu tun haben.

Darüber hinaus öffnet die Tatsache, dass der Text während der Romantik entstanden ist, weitere Interpretations- und Perspektivisierungsmöglichkeiten:

- Viele der im Text vorkommenden Leitmotive waren für die Romantik sehr charakteristisch (z.B. das Krankheitsmotiv, das Doppelgängermotiv, das Marionettenmotiv und das Augenmotiv).
- Die manchmal fiktionsbrechende Erzählweise im Buch war von den damaligen Kunstdiskussionen beeinflusst.
- Der Text ist deutlich von Intertextualität geprägt – nicht nur zu Hoffmanns eigenen Texten, sondern auch zu anderen Texten und Theoretikern.[2]
- Der Text mag als Kritik sowohl der Aufklärung als gewisser Romantikvorstellungen angeschaut und interpretiert werden.
- Die Integration eines Mythos in der Handlung war für die Romantiker häufig benutzt. Solche Mythen können natürlich als selbständige Texte gelesen werden, können aber auch in Zusammenhang mit dem übrigen Handlungsverlauf analysiert und interpretiert werden.

In diesem Artikel wird aber auf die Aspekte konzentriert, die mit Theater und Kunst verbunden sind, weil in den Interpretationen besonders die Theaterperspektive häufig übersehen worden ist trotz des Reichtums des Textes an Theaterszenen. In dieser Analyse wird die Bedeutung der vielen Textstellen untersucht, wo Theater und Commedia dell’arte besprochen werden, und der Urdarmythos wird in einer Theaterperspektive angeschaut. Um diese Untersuchung perspektivisch zu erweitern, werden kurz die anderen besprochenen Kunstgattungen einbezogen, und wichtige Romantikdiskussionen, die für die Theaterperspektive wichtig sind, werden berührt.

2.1 Die Szene

Wie oben angedeutet, sind Personengallerie, Handlungsverlauf und ‚Bühnenbild‘ keineswegs einfach zu verfolgen. Deswegen wird in diesem Abschnitt versucht, die ganze Szenerie zu veranschaulichen.

Die Handlung spielt vor allem während des römischen Karnevals, d.h. zwischen Fastnachtsdienstag und Aschermittwoch. Die Jahreszahl des Geschehens ist aber nicht gegeben. Hierzu kommen der Urdarmythos, der „genau nach der Urzeit“[3] spielt, und das Ende der Geschichte (PB, S.146–151), das ein Jahr später spielt.

Vom Urdarmythos abgesehen, spielt sich die Gesamthandlung in der Nähe vom Korso in Rom ab, d.h. innerhalb von einem paar hundert Schritten (PB, S.123).

Trotz des begrenzten Raums, lassen sich fünf verschiedene „Welten“ unterscheiden: Die alltägliche Welt, die Theaterwelt, der Karneval, der Urdargarten und die märchenhafte Welt. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Welten werden im Laufe der Geschichte immer häufiger durchbrochen.

In der Märchenwelt werden Orte erwähnt, die zur Romantikzeit mit dem orientalischen Ursprung der menschlichen Kultur oft verbunden wurden: Cornelio stammt aus Assyrien (PB, S.18), und Ruffiamonte ist ein indischer Magiker/Zauberer (PB, S.19). Brambilla stammt zwar aus Äthiopien (PB, S.18), das ja eigentlich in Afrika und nicht in Asien liegt. Wenn aber Giglio später sagt, dass „das Fürstentum meiner angebeteten Prinzessin über Indien weg, gleich linker Hand um die Erde nach Persien zu“ liegt (PB, S.86), könnte man sich vorstellen, dass Hoffmann irrigerweise Äthiopien in Asien angebracht hat – oder natürlich, dass er es ironisch gemeint hat.

Zu jeder der oben erwähnten Welten gehört eine Reihe von Personen. Weil die Grenzen zwischen den Welten keineswegs fest liegen, kann man aber nicht eindeutig sagen, welcher Welt eine Person gehört. Stattdessen kann man von realen und nicht-realen Personen sprechen, wo die realen Personen diejenigen sind, denen im Fiktionsuniversum eine reale Existenz gegeben ist.[4]

Die realen, namhaft gemachten Personen sind: der Tragödienschauspieler Giglio, die Putzmacherin Giacinta, Fürst Bastianello di Pistoja, die alte Näherin Beatrice, der Theaterschneider Bescapi, der Hauswirt Pasquale, der Tragödienschriftsteller Abbate Chiari und der Maler Reinhold. Hierzu kommt der Impressario, der namenlos bleibt.

Eine Zwischenexistenz haben der Scharlatan Celionati und der Zauberer Ruffiamonte : Celionati gehört zur realen Welt, ist aber mit Fürsten Pistoja identisch. Ruffiamonte gehört zur realen Welt, wird aber mit dem nicht-realen Magus Hermod identifiziert.

Die nicht-realen, namhaft gemachten Personen sind: Prinzessin Brambilla, Prinz Cornelio, König Ophioch, Königin Liris, Königin Mystilis, der Magiker Magus Hermod und der Dämon Typhon. Hierzu kommen die verschiedenen Maskenfiguren aus der Commedia dell’arte.

Giglio ist der Protagonist der Erzählung. Er gehört zur Alltagswelt, und in der Theaterwelt ist er ein Tragödienschauspieler. In der märchenhaften Welt glaubt Giglio, dass er Cornelio ist; Cornelio ist Giacintas Traumbild von Giglio. In der Karnevalswelt nimmt Giglio verschiedene Masken aus der Commedia dell’arte an (Pantalon, Capitan, Brighella). In der Urdarwelt ist er teilweise von Ophioch repräsentiert.

Giacinta ist die geliebte von Giglio. In der Alltagswelt arbeitet sie als Putzmacherin. In der märchenhaften Welt ist Giacinta von Brambilla repräsentiert; Brambilla ist Giglios Traumbild von Giacinta. In der Urdarwelt ist sie teilweise von Liris repräsentiert. Am Ende wird sie Theaterschauspielerin.

Fürst Bastianello di Pistoja ist der Marionettenführer der Erzählung: Er hat das Gesamtgeschehen inszeniert, und wird bei dieser Inszenierung von dem Zauberer Ruffiamonte und dem Theaterschneider Bescapi assistiert. Fürst Pistoja tritt in der alltäglichen Welt auch als Celionati auf. Tatsächlich vertritt Fürst Pistoja – wie ein wahrer Marionettenführer – eine im Vergleich mit Celionati sehr zurückgezogene Rolle in der Geschichte.

Der indische Zauberer Ruffiamonte wird in der Urdarwelt vom Magiker Magus Hermod repräsentiert.

Beatrice, Bescapi, Pasquale, Abbate Chiari, der Impressario und Reinhold haben keine irrealen Repräsentanten, und Mystilis und Typhon haben keine realen Repräsentanten.

2.2 Erzähltechnik

Für die Frühromantiker (und auch für Hoffmann) waren Stilmischungen ein zentraler Grundsatz der Poetik.[5] Diese Tendenz war eine Konsequenz der romantischen Theorie der progressiven Universalpoesie: Man wollte nicht nur alle Kunstrichtungen vereinen, sondern auch die Poesie mit der Philosophie, der Rhetorik, der Naturwissenschaft usw. in Berührung setzen.[6]

Weiter war eine „ironisch-doppelbödige Dichtung“[7] für die Romantiker sehr typisch: In der Kunst wurde über die Kunst selbst reflektiert, und der fiktive Charakter des Textes wurde durch Illusionsbrüche unterstrichen.[8]

Im Gegensatz zu den Frühromantikern versucht Hoffmann die poetische Welt und die prosaische Welt nicht zu verschmelzen. Stattdessen schreibt er „Wirklichkeitsmärchen“, wo das Alltägliche und das Phantastische neben einander stehen, ohne dass ihre Gegensätze aufgehoben werden.[9]

Da Hoffmann nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Komponist, Zeichner und beim Theater tätig war, fiel ihm eine Zusammenschmelzung der Kunstarten wahrscheinlich ganz natürlich. Beispiele dieser vier Kunstgattungen werden unten vorgeführt:

Die Theaterwelt spielt ganz offenbar eine zentrale Rolle in „Prinzessin Brambilla“, sowohl durch die äuβere Handlung als durch den theatergeschichtlichen Hintergrund der Geschichte (siehe unten). Auch die Schreibweise des Textes ist deutlich von Schauspielinszenierung inspiriert: Loecker beschreibt die Schreibweise als szenisch-dramatisch,[10] und Eilert benutzt den Ausdruck „erzählte Komödie“ um den Stil und Aufbau der Erzählung zu beschreiben[11].

Die acht Kupferstiche, die Hinweise auf Callot als Quelle (PB, S.150f) und die zentrale Rolle des Malers Reinhold tragen zur Bedeutung der Malerkunst und Zeichnungsgattung bei.

Die Musik hat auch eine zentrale Bedeutung im Text, z.B. dadurch dass der Gesamttext als ein „Cappricio“ charakterisiert ist, und dass Musik (PB, S.15, S.37, S.74, S.113) und Tanz (PB, S.65, S.68, S.107-109) manchmal im Text erwähnt werden.

Endlich spielt auch die Poesie eine wichtige Rolle, vor allem als Schlüssel der Mythosrätsel (PB, S.98f, S.101f, S.143-146).

[...]


[1] Eilert: Theater, S. 90

[2] Wie z.B. dem ”Goldnen Topf” von E.T.A. Hoffmann und ”Heinrich von Ofterdingen” von Novalis.

[3] Hoffmann: Brambilla S. 53. Im Folgenden wird aus dieser Ausgabe (PB) zitiert.

[4] Auch eine solche Aufteilung mag aber diskutiert worden: Mystilis taucht am Ende als eine fast reale Figur auf, und es wird in der Erzählung zwischen Ruffiamonte und Magus kaum unterschieden.

[5] Bourke: Stilbruch, S.19-21

[6] Schmitz-Emans: Einführung, S.10

[7] Schmitz-Emans: Einführung, S.52

[8] Schmitz-Emans: Einführung, S.51-54

[9] Bourke: Stilbruch, S.53. Manchmal wird „Prinzessin Brambilla“ auch der Märchengattung zugeordnet (Loecker: Atlantis, S. 1), und tatsächlich erwähnt der Erzähler, dass ein Capriccio „einem Märchen so auf ein Haar gleicht“ (PB, S. 66).

[10] Loecker: Atlantis, S.171

[11] Eilert: Theater, S.127

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
E.T.A. Hoffmanns „Prinzessin Brambilla“
Hochschule
Aalborg Universitet  (Institut für Kultur und Globalen Studien)
Note
1
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V206384
ISBN (eBook)
9783656335474
ISBN (Buch)
9783656336303
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hoffmanns, prinzessin, brambilla
Arbeit zitieren
Claus Sölvsteen (Autor:in), 2008, E.T.A. Hoffmanns „Prinzessin Brambilla“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206384

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