Thomas Bernhard und Österreich


Seminararbeit, 2003

14 Seiten, Note: Gut


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Bernhard und die Übertreibung

3. Die Darstellung der Schauplätze

4. Thomas Bernhard und der Begriff Heimat

5. Österreichische Zustände

6. Der Skandal um das Stück „Heldenplatz“

7. Schlußwort

1. Einleitung

Österreich hat Bernhard in seinen Werken immer wieder beschäftigt und er thematisierte die österreichischen Verhältnisse nicht nur in seinen Romanen. Seine Beziehung zu Österreich könnte man als Haßliebe umschreiben, den einerseits zieht sich Österreich als Thema durch sein Gesamtwerk, andererseits kommt es dabei nicht unbedingt gut weg. Bernhard hat Österreich, seine Politiker und seine Bevölkerung oft auf das übelste beschimpft und kritisiert.

„Es ist alles Lüge, was gesagt wird, das ist die Wahrheit (...).“[1]

„Die Wahrheit, die wir kennen, ist logisch die Lüge, die, indem wir um sie nicht herumkommen, die Wahrheit ist.“[2]

Dies sind Zitate aus Bernhards Werken, an denen man erkennen kann wie ambivalent und teilweise fast schizophren seine Aussagen interpretiert werden können. Alles ist Lüge und Wahrheit zugleich.

In dieser Arbeit möchte ich versuchen Bernhards Aussagen und Schimpftiraden aus mehreren Perspektiven zu betrachten. Außerdem werde ich anhand von Beispielen versuchen zu erklären, dass Bernhards teilweise doch sehr heftige Kritiken nicht oder selten wörtlich zu nehmen sind, sondern als literarische Mittel Umgebungen, Empfindungen und Seelenleben zu beschreiben versuchen.

Im letzten Kapitel dieser Arbeit setze ich mich mit dem Stück Heldenplatz etwas näher auseinander, da „Heldenplatz“ einen der größten Skandale um Bernhards Äußerungen über Österreich und seine Bevölkerung hervorrief.

2. Bernhard und die Übertreibung

Bernhard arbeitet sehr viel mit Übertreibungen. Er hat sie zu einer Kunstform erhoben. Schmidt-Dengler wurde oft zitiert, nachdem er Bernhard als „Übertreibungskünstler“ bezeichnete. In Auslöschung schreibt Bernhard:

„Wenn wir unsere Übertreibungskunst nicht hätten, hatte ich zu Gambetti gesagt, wären wir zu einem entsetzlich langweiligen Leben verurteilt, zu einer gar nicht mehr existierenswerten Existenz. Und ich habe meine Übertreibungskunst in eine unglaubliche Höhe entwickelt, hatte ich zu Gambetti gesagt. Um etwas begreiflich zu machen, müssen wir übertreiben, hatte ich zu ihm gesagt, nur die Übertreibung macht anschaulich, auch die Gefahr, daß wir zum Narren erklärt werden, stört uns in höherem Alter nicht mehr.“[3]

Etwas später in Auslöschung schreibt er, dass Übertreibung schließlich eine Möglichkeit sei, die Existenz auszuhalten. Ein Maler oder ein Musiker, welcher nicht übertreibt, sei ein schlechter Künstler, ebenso wie ein Schriftsteller, der nicht übertreibt, ein schlechter Schriftsteller sei.[4]

Auf diese Weise hat Bernhard schon selbst den Zweck der Übertreibung erklärt und verdeutlicht. Ich bin mir sicher, dass sich jeder schon einmal der einen oder anderen Übertreibungen bedient hat, um anderen etwas vor Augen zu führen oder mitempfinden zu lassen. Nun stellt sich mir die Frage, warum man bei Bernhard immer wieder auf das Neue entrüstet und schockiert war, wenn er sich dieser Kunst bediente. Ein möglicher Erklärungsversuch scheint mir, dass Österreich immer wieder im Brennpunkt Bernhardscher Kritik lag und diese meist in eine stark negative und angreifende Richtung ging. Die Österreicher fühlten sich schlichtweg provoziert und vielleicht sogar verraten von ihrem Landsmann. Wenn es sich um die eigenen schlechten Eigenschaften handelt, geht man mit Untertreibungen wesentlich freundlicher und leichter um als mit Übertreibungen. Niemand läßt sich gerne einen Spiegel mit Vergrößerungseffekt vor das Gesicht halten, der ausgerechnet die schlechten Seiten hervorhebt.

[...]


[1] Bernhard, Thomas. Watten. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1995. S 266

[2] Bernhard, Thomas. Keller. Salzburg: Residenz-Verlag, 1976. S 33

[3] Bernhard, Thomas. Auslöschung. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988. S 128

[4] nach: ebd. S 612

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Thomas Bernhard und Österreich
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Thomas Bernhard: Werk, Wirkung, Nachlaß
Note
Gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
14
Katalognummer
V20638
ISBN (eBook)
9783638244640
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Thomas Bernhards zwiespältige Beziehung zu Österreich. Mehrperspektivische Betrachtung seiner Schimpftiraden gegen Österreich, besonders am Beispiel des Stückes &quot,Heldenplatz&quot,
Schlagworte
Thomas, Bernhard, Thomas, Bernhard, Werk, Wirkung, Nachlaß
Arbeit zitieren
Birgit Sedelmaier, Mag. (Autor:in), 2003, Thomas Bernhard und Österreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20638

Kommentare

  • Ah! Was für eine tolle Arbeit! Gründlich habe ich sie gelesen. Die Art, wie der Autor auf die Frage geht, ist wunderbar. Diese Arbeit zeigt exemplarrisch und überschaubar, welche Beziehung Bernhard zu seiner Heimat und Gesellschaft hatte. Der war ja ein Geschichtenzerstörer, wie einige ihn nannten. Bestürzend ist sein Werk Heldenplatz, in dem er deutlich in einer sarkatischen Weise zwischenmenschliche Beziehungen zwischen Juden und Österreichern 50 Jahre nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich darstellt. Zur Zeit verfasse ich eine wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Masters II über dieses Werk. Bernhard ist für mich der beliebteste Autor deutschsprachiger Literatur jener Zeit. Er ist ein grosser Avantgardist par excellence.
    GIRESSE MACAIRE TEIKEU, Germanist aus Kamerun.

  • Ah! Tolle Arbeit über T. Bernhard und Österreich . Sie zeigt genau was für einen Autor Bernhard in Beziehung mit seiner Heimat war. Der war ja ein Geschichtenzerstörer, deswegen löst sein Werk "Heldenplatz" grossen Skandal gleich nach seiner Verôffentlichung in österreicher Gesellschaft. Dieses Werk mag ich gern, denn es zeigt exemplarisch zwischenmenschliche Beziehungen zwischen Juden und Österreichern. Zur Zeit schreibe ich eine Memoirearbeit zur Erlangung des Master II über sein Werk "Heldenplatz". GIRESSE MACAIRE TEIKEU, aus Kamerun!

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Titel: Thomas Bernhard und Österreich



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