GanztagsSchulKulturen – Analyse von Feldforschungsdokumenten

Analyse eines Interview-Transkriptes mit einer Lehrkraft zum Verständnis des Begriffs "GanztagsSchulKultur"


Referat (Ausarbeitung), 2011

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Theoretische Grundlagen zum Thema „Schulkultur“
2.1 Schulkultur bei Zinnecker
2.2 Schulkultur bei Helsper
2.3 Schulkultur bei Bourdieu
2.4 Herleitung eines eigenen (Ganztags-)Schulkulturverständnisses aus den Quellen

3. Erläuterung des analysierenden Vorgehens

4. Untersuchung des Interviews
4.1 Beschreibung des bearbeiteten Interviews
4.2 Darstellung der im Interview gefunden Bezüge zu den bearbeiteten Texten
4.3 Erläuterung und Analyse der ausgewählten Textstelle
4.4 Eigenes GanztagsSchulkulturverständnis auf Basis des aus dem Interview folgenden Verständnisses

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Problemstellung

Die folgende Ausarbeitung beschäftigt sich im Rahmen des Seminars "Ganztagsschulkulturen" mit den Begriffen, welche die Grundlage für das Seminar stellen, wie auch mit der im Seminar behandelten Literatur. Im Weiteren erfolgt die Auseinandersetzung mit dem in der Gruppenarbeitsphase bearbeiteten Interview einer Lehrkraft an einer Ganztagsschule.

Um eine sinnvolle Erfassung des gesamten Themas zu ermöglichen, werde ich in der vorliegenden Arbeit zunächst auf das von mir durch Rezeption der Literatur bedingte Verständnis des Begriffs "Schulkultur" eingehen. Wichtig im Bereich des Verständnisses von Schulkultur erscheint dabei zunächst die unterschiedliche Sichtweise aus Schüler- bzw. Lehrerperspektive. Zudem ist der Zusammenhang mit den sozialen Milieus, auf denen Bourdieu seine Begriffsdefinition des Habitus stützt und diesen für eine erfolgreiche oder weniger erfolgreiche Schulkarriere verantwortlich macht von Bedeutung. Darüber hinaus soll bereits in diesem Kapitel versucht werden, den Begriff der Ganztagsschule verständlich zu machen und damit eine Definition von "Ganztagsschulkultur" zu entwickeln. Anhand des in diesem Kapitel hergestellten Begriffsverständnisses soll im folgenden Gliederungspunkt auf den Zusammenhang zwischen "Theorie" und "Praxis" eingegangen und das im Seminar bearbeitete Interview mit einer Lehrkraft untersucht werden. Hierbei haben wir mit dem Erstellen einer Tabelle, in der wir alle für uns relevanten Aspekte aufgelistet haben, einen eigenen Weg der Analyse gewählt, der uns die Arbeit erleichtert hat. Diese Tabelle enthält wichtige Zitate aus den in Gliederungspunkt zwei vorgestellten Texten und die Bezüge zum Interview. Diese Aufstellung erleichterte dann die Auswahl der von uns für die Analyse gewählten Textpassage im Interview, die ebenfalls zu unseren drei gefunden Hauptaspekten der Gewalt (Schülergewalt), der Grenzziehung und dem kulturellen Kapital Bezüge aufweist.

Im Anschluss an die Analyse dieser Textstelle soll dann zunächst eine Definition von „GanztagsSchulkultur“ aus der Sicht des Lehrers "Böhme" gegeben werden, ehe abschließend auf dieser Grundlage ein eigenes Verständnis von „Ganztagsschulkultur“ unter Einbezug der Diskussionsergebnisse aus dem Seminar dargestellt werden soll.

2. Theoretische Grundlagen zum Thema „Schulkultur“

Im Rahmen des Seminars haben wir uns in den ersten fünf Wochen zunächst mit grundlegenden Texten zum „Schulkulturverständnis“ beschäftigt. Hierbei wurden die Texte „Schulkultur aus Schüler/~innen-Sicht“ von Hans Jürgen Apel (2007), „Entwürfe einer Theorie der Schulkultur“ von Werner Helsper (Helsper, et al. 1998), „Kulturelles Kapital in der Schule“ von Pierre Bourdieu (2001) und „Schul- und Freizeitkultur der Schüler“ von Jürgen Zinnecker (2008) bearbeitet. Im Folgenden werde ich jedoch nur auf die Texte von Helsper, Bourdieu und Zinnecker eingehen, da sich diese auf die Perspektive von Lehrkräften zu Schulkultur übertragen lassen.

2.1 Schulkultur bei Zinnecker

Gemäß Jürgen Zinnecker gehört zur Bestimmung von Schulkultur die Analyse des Mesobereiches, weil die Schule viel Raum für Wechselbeziehungen bietet. Ein erster Anhaltspunkt dafür ist das Verhältnis zwischen Schulwissen und Freizeitwissen („Weltwissen“). Die SchülerInnen generieren aus den Wissensbeständen der Familie, der Medien und von anderen Jugendlichen ein eigenes „Weltwissen“. Das entspricht dem Freizeitwissen, welches die SchülerInnen außerhalb der Schule erwerben. Es steht in einem direkten Verhältnis zum Schulwissen. Die SchülerInnen stellen ihr Schulwissen auf Grundlage des Schulcurriculums her, welches Lehrkräfte inhaltlich bestimmen. Somit kommt es zunehmend zu einer Vermischung von Scholarisierung und Entscholarisierung.

Die Freizeit wird scholarisiert, da die Wissenserwerbsstrukturen vom Unterricht auf die Freizeitaktivitäten angewandt werden und das Freizeitwissen wird zunehmend im Unterricht eingebracht, z.B.: im Sport- oder Musikunterricht. Die Nutzung von Freizeitwissen im Unterricht entscholarisiert die Schule. Daraus ergibt sich die Diskussion über die Grenzziehung: „Was dürfen Schüler mit in die Schule bringen und was müssen sie draußen lassen?“. Das bezieht sich sowohl auf Gegenstände als auch auf Freizeitwissen. Die Aneignung von Wissen in der Freizeit wird von Jürgen Zinnecker unter der Überschrift „Erwerb kulturellen Kapitals am Nachmittag“ vertieft. Jürgen Zinnecker setzt den Fokus auf den kulturellen Kapitalerwerb am Nachmittag. Dabei werden „Freizeitkarrieren“ möglich, da SchülerInnen, die Zugang zu Nachmittagsaktivitäten haben, die Möglichkeit bekommen, den Erwerb kulturellen Kapitals zu verdoppeln, denn sie wenden ihre Wissenserwerbstrukturen aus dem Unterricht auf die Nachmittagsaktivitäten an und erwerben somit neues Wissen durch Aktivitäten am Nachmittag. Deswegen bieten Schulen zunehmend Projekte nachmittags an, um allen Kindern die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu bieten und den Wissenserwerb am Nachmittag zu ermöglichen. Trotz des großen Angebotes der schulischen Betreuung beobachtet Zinnecker eine Erhöhung der Gewaltrate und Fremdenfeindlichkeit an Schulen. Zudem bemängelt er, dass zu wenig Ursachenforschung in diesen Bereichen stattfindet.

2.2 Schulkultur bei Helsper

Werner Helsper et al. geht in dem Text „Entwürfe zu einer Theorie der Schulkultur und des Schulmythos – strukturtheoretische, mikropolitische und rekonstruktive Perspektiven“ davon aus, dass mit dem allgemeinen Begriff „Kultur“ stets eine soziale Komponente einhergeht, die eine Form der sozialen Distanzierung darstellt (vgl. Helsper et al., S. 30). Hierbei geht er insbesondere davon aus, dass der aus dem Begriff „Kultur“ entwickelte „Schulkulturbegriff“ einen zu weitgreifenden darstellt und der Begriff der Schulkultur nicht für alles verwendet werden sollte, wofür er heute verwendet wird. So kann nach Helsper (vgl. Helsper, S. 32 f) Schule nicht gleichzeitig Jugendkultur, Unternehmenskultur, Alltagskultur, religiöse oder politische Kultur sein beziehungsweise werden. Für ihn bezieht sich Schulkultur lediglich auf den Bereich, welchen die Schule selbst innehat und der auch nach außen vertretbar ist, nämlich die Vermittlung kultureller Wissensbestände, sowie den Aufbau von Kompetenzen im kognitiven, sozialkognitiven und symbolischen Bereich (vgl. Helsper, S.33).

Auf dieser Basis kritisiert er auch die wachsende Belastung der Lehrkräfte, welche sowohl durch die Durchmischung der Kulturbegriffe entsteht, wie auch durch die daraus resultierenden neuen Aufgaben im Bereich der „Schulkultur“-Entwicklung unter dem Deckmantel der „Schulprogramme“ und der sich daraus weiter ergebenden Schulkonkurrenz (vgl. Helpser et al. S. 34 ff).

Helsper kritisiert jedoch nicht nur die von der Politik proklamierte Verwendung und Deutung des Begriffes Schulkultur und deren Folgen für die Schulen und die Lehrer, sondern vielmehr auch die Tatsache, dass viele „Schulprogramme“ an den Schülern vorbei erarbeitet werden. „Schulkultur“ funktioniert jedoch nicht ohne die Schüler (vgl. Helpser et al., S. 52).

2.3 Schulkultur bei Bourdieu

Bourdieu´s Text „Wie die Kultur zum Bauern kommt. Über Bildung, Schule und Politik“ stellt in der Bildungsforschung beinahe einen Klassiker dar. Er fasst dabei die wichtigsten Inhalte zu den Bereichen Bildung, Schule und Politik aus seiner Sicht zusammen.

Bourdieu geht dabei davon aus, dass jede Familie, gewollt oder ungewollt, ein bestimmtes kulturelles Kapital vermittelt. Dementsprechend vermitteln sie Werte, sowie Einstellungen zum kulturellen Kapital und zur schulischen Institution (vgl. Bourdieu, S. 26). Bourdieu stellt fest, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau der Eltern und dem Schulerfolg des Kindes existiert. Die Funktionsweise der Schule sieht Bourdieu dabei kritisch. Neben der Rekrutierung und der Auslese von Schülern stellt Bourdieu fest, dass die Schulen die Ungleichheit legitimieren (vgl. Bourdieu, S. 26ff). Bourdieu konstatiert, dass LehrerInnen Beurteiler und Festleger der Schullaufbahn sind. Um ihr Urteil zu fällen, betrachten sie, teilweise auch unbewusst, die soziale Herkunft der SchülerInnen. Denn SchülerInnen sind aufgrund ihrer Herkunft und ihres kulturellen Kapitals ungleich. Wenn sie in die Schule kommen, wird gesagt, dass alle gleich behandelt werden (vgl. Bourdieu, S.41 ff). Somit manifestieren sich die Ungleichheiten. Deswegen fordert Bourdieu eine zweckfreie Bildung für alle.

2.4 Herleitung eines eigenen (Ganztags-)Schulkulturverständnisses aus den Quellen

Die verschiedenen Quellen gehen jeweils auf Grund ihres eigenen Schwerpunkts von unterschiedlichen Schulkulturverständnissen aus. Betrachtet man die verschiedenen Bewegungen getrennt von einander, so könnte man festhalten, dass jeder Autor und daraus resultierend jede Forschungsrichtung in der pädagogischen Praxis ein anderes jeweils losgelöstes Verständnis von Schulkultur hat. Meiner Ansicht nach ist dem nicht so. Es ist zwar nicht auf Anhieb zu erkennen, dennoch bestehen Gemeinsamkeiten, die zur Weiterentwicklung meines aus der Praxis stammenden „Schulkultur“-Begriffs führen.

Da sich sowohl Zinnecker wie auch Helsper in ihren Ausführungen auf den Bourdieu´schen Habitusbegriff beziehen, scheint deutlich, dass Bourdieu´s Annahmen zu Schule und einem daraus abgeleiteten Schulkulturbegriff zur Vertiefung des Verständnisses notwendig sind.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
GanztagsSchulKulturen – Analyse von Feldforschungsdokumenten
Untertitel
Analyse eines Interview-Transkriptes mit einer Lehrkraft zum Verständnis des Begriffs "GanztagsSchulKultur"
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
16
Katalognummer
V206216
ISBN (eBook)
9783656351757
ISBN (Buch)
9783656354888
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ganztagsschulkulturen, analyse, feldforschungsdokumenten, interview-transkriptes, lehrkraft, verständnis, begriffs, ganztagsschulkultur
Arbeit zitieren
Corinna Waterkamp (Autor:in), 2011, GanztagsSchulKulturen – Analyse von Feldforschungsdokumenten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206216

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