Der Handschuh - Eine Ballade von Friedrich Schiller

Die Gedanken Delorges‘ nach dem geforderten Liebesbeweis Kunigundes: Eine szenisch-empathische Auseinandersetzung


Unterrichtsentwurf, 2009

18 Seiten


Leseprobe


1.) Stundenrelevante Anmerkungen zur Lerngruppe

2.) Bemerkungen zum Unterrichtszusammenhang

Die Klasse beschäftigt sich seit fünf Doppelstunden mit der Einheit Balladen. Der Einstieg erfolgte über die induktiv angelegte Erschließung der wesentlichen formalen Charakteristika der Textsorte Ballade am Beispiel Theodor Fontanes John Maynard. Die Ballade Der Zauberlehrling von Johann Wolfgang von Goethe diente einer ersten produktionsorientierten Erschließung, indem die Gefühle des Zauberlehrlings mittels eines szenisch-empathischen Zugangs erarbeitet und ein weiterer Fortgang der Ballade im szenischen Spiel realisiert wurde. In einer vergleichenden Bearbeitung erschlossen die SuS die Ballade Belsazar von Heinrich Heine, indem sie diese mit der Bibelstelle des Alten Testaments verglichen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausstellten, um daran anschließend Interpretationsansätze über die Beweggründe Heines bezüglich der vorgenommenen Änderungen aufzustellen. Um nun von dieser stark kognitiv-analytischen Vorgehensweise abzurücken, erscheint die Abwechslung durch produktionsorientierte und szenische Verfahren sinnvoll. In der vorliegenden Stunde beschäftigen sich die SuS mit der Ballade Der Handschuh von Friedrich von Schiller, indem sie die Gedankenwelt des Ritters Delorges näher beleuchten, um schlussendlich die Aussageabsicht des Werkes zu ermitteln. Diese Ergebnisse werden in der kommenden Doppelstunde u.a. die Grundlage darstellen, um die SuS einführend mit der Anfertigung einer Inhaltsangabe vertraut zu machen. Darüberhinaus werden weitere Balladentexte, wie zum Beispiel Der Erlkönig von Goethe, unter dem Aspekt des sinngestaltenden Lesens und Präsentierens Betrachtung finden.

3.) Sachanalyse

Der Begriff Ballade wird von dem italienischen Verb ballata (tanzen) abgeleitet.[1] Seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts hat sich der Balladen -Begriff für kurze erzählende Gedichte im weitesten Sinne durchgesetzt.[2]

Die Ballade Der Handschuh von Friedrich von Schiller ist als Ideenballade und damit als eine Sonderform der neuzeitlichen deutschen Kunstballade zu kategorisieren. Die Ideenballade fokussiert einen Protagonisten, der sich in einem Konflikt befindet, der bekannte elementare Grundsituationen des menschlichen Zusammenlebens betrifft. „Die Idee triumphiert über das irrational Schicksalhafte, der aktiv handelnde Held über den passiv leidenden; das Ideal siegt im Widerstreit von ewiger und irdischer Gerechtigkeit über die Realität.“[3] Das Heldentum zeichnet sich hierbei durch die Notwendigkeit der Überwindung von Schwierigkeiten, zur Verwirklichung einer sittlichen Idee aus.[4] Entstanden ist die Ballade Der Handschuh am 18. und 19. Juni 1797[5]. Inhaltlich gliedert sie sich in zwei Bereiche: In den Strophen 1-4 wird die situative Einbettung der Handlung detailliert beschrieben. Das zu erwartende Kampfspiel der Raubtiere findet allerdings nicht statt. Der folgende Abschnitt (Strophe 5-8), der in der Literatur als Menschen- bzw. Ritterszene bezeichnet wird, wird durch eine Pause eingeleitet. In der Ritterszene übernimmt Fräulein Kunigunde die Rolle, die in der Tierszene dem König zuzuordnen ist. Sie schickt den Ritter durch den Wurf eines Handschuhs in die Kampfarena[6]. In diesen Strophen steht der Liebesbeweis des Ritters im Focus. In der vorliegenden Unterrichtsstunde geht es vordergründig um die innere Konfliktsituation Delorges, in der sich dieser aufgrund des geforderten Beweises (Strophe 5-6) befindet. Auf der einen Seite steht der Wunsch, sich als mutig zu beweisen, seiner Ritterpflicht nachzukommen sowie seine Ehre zu retten; auf der anderen die Überzeugung, sich nicht unter Druck setzen und sich auf die Probe stellen zu lassen. „Diesen Widerspruch löst er dadurch auf, dass er sich zwar auf die gefährliche Liebesprobe einlässt, den Lohn dafür aber auf energische Weise ausschlägt. Eine Frau, die das Leben eines Menschen leichtfertig aufs Spiel setzt, ist seiner Liebe nicht wert“[7]. Durch das Verzichten des Siegespreises (dargestellt durch den Handschuhwurf ins Gesicht) und die Erkenntnis von dessen Wertlosigkeit hat der Ritter die Probe vor sich selbst bestanden[8]. „Wie die Tiere vorher in der Raubtierszene verdirbt Delorges in der Menschenszene dem Publikum das Spiel; niemand habe das Recht, über den anderen zu verfügen. Die Szene wandelt sich zum Tribunal gegen diese Gesellschaft“[9].

Diese heftige, unkonventionelle Reaktion des Ritters Delorges erregte in Weimar argen Anstoß. Eine Bemerkung Charlotte von Steins, einer Freundin Schillers, veranlasste ihn zur Änderung des ursprünglichen Schlusses: Darin wird Kunigunde nun nicht der Handschuh ins Gesicht geworfen, sondern Delorges verbeugt sich ehrfürchtig vor der Dame, schlägt ihre Liebe als Siegerpreis dennoch aus.

4.) Didaktische Überlegungen

4.1.) Relevanzanalyse

Die fachliche Relevanz des Stundenthemas ergibt sich aus der fachwissenschaftlichen Analyse (vgl. Sachanalyse). Die curricularen Vorgaben des Faches Deutsch für die Sekundarstufe I. weisen deshalb u.a. den ‚Umgang mit Texten und Medien‘ als basale Kompetenz aus. Besonders diese Kompetenz wird in der Stunde gefördert: Durch die imaginative Erschließung der Gedanken Delorges‘ und einer sich anschließenden Reflexion darüber „analysieren [die SuS zunächst] Handlungen, Verhaltensweisen und Motive literarischer Figuren“, schulen in diesem Zusammenhang ihr literarisches Fremdverstehen und „erkennen die historischen Bezüge literarischer Texte“[10]. Daran anschließend stellen sie gegenwärtige „Bezüge zur eigenen Lebenswelt her“[11]. Die SuS wenden in dieser Stunde ein handlungsorientiertes, szenisches Verfahren zur Erschließung der Konfliktsituation, in welcher sich Delorges befindet, an und setzen dabei maßgeblich „verbale Ausdrucksformen (…) ein“[12].

[...]


[1] Vgl. Heinrich, Hans: Balladen und Gedichte, Ausgearbeitete Stundenbilder mit Texten, Arbeitsblättern und Bildmaterial, 2. Aufl., Donauwörth 2005, S. 5.

[2] Vgl. Weißert, Gottfried: Ballade, Sammlung Metzler, Realien zur Literatur, 2. Aufl., Stuttgart 1993, S. 1.

[3] Heinrich: Balladen und Gedichte, S. 6.

[4] Vgl. Weißert: Ballade, S. 76.

[5] Vgl. Weißert: Ballade, S. 40.

[6] Vgl. Rötzer, Hans Gerd: Literarische Texte verstehen und interpretieren, Gedichte, Balladen (Erzählgedichte), ABC poetischer Grundbegriffe. Band 2. 5-10 Jahrgangsstufe, München 1992, S. 83.

[7] Schmidt-Kortenbusch, Martin: Balladen, 23 Arbeitsblätter mit didaktisch-methodischen Kommentaren, Sekundarstufe I., Leipzig 2003, S. 78.

[8] Vgl. Neiss, Edgar: Bange Lehrhilfen, Praktisches Handbuch für Lehrer und Unterrichtende, Interpretationen von 66 Balladen und Chansons, Analysen und Kommentare, Sekundarstufe I/II, 7. Aufl., Hollfeld 1994, S. 54.

[9] Rötzer: Literarische Texte verstehen und interpretieren, S. 83.

[10] Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Kerncurriculum für das Gymnasium, Schuljahrgänge 5-10, Deutsch, Hannover 2006, S. 26.

[11] Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Kerncurriculum für das Gymnasium, S. 26.

[12] Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Kerncurriculum für das Gymnasium, S. 17.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Handschuh - Eine Ballade von Friedrich Schiller
Untertitel
Die Gedanken Delorges‘ nach dem geforderten Liebesbeweis Kunigundes: Eine szenisch-empathische Auseinandersetzung
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V206126
ISBN (eBook)
9783656330905
ISBN (Buch)
9783656331162
Dateigröße
633 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
handschuh, eine, ballade, friedrich, schiller, gedanken, delorges‘, liebesbeweis, kunigundes, auseinandersetzung
Arbeit zitieren
Nina Hollstein (Autor:in), 2009, Der Handschuh - Eine Ballade von Friedrich Schiller, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206126

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