Liebe und Ehe im Mittelalter

Rechte, Riten und Realität


Bachelorarbeit, 2008

46 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Eheschließung und Eheform
2. 1 Eheschließung im frühen Mittelalter
2. 1. 1 Muntehe
2. 1. 2 Friedelehe
2. 1. 3 Kebsehe
2. 1. 4 Raub- oder Entführungsehe
2. 1. 5 Ehehindernisse
2. 2 Eheschließung unter dem Einfluss der Kirche im Hoch- und Spätmittelalter
2. 2. 1 Konsens
2. 2. 2 Die „rechte Ehe“
2. 2. 3 Eheschließung der „rechten Ehe“
2. 2. 4 Ehehindernisse

3. Eheleben
3. 1 Stellung von Mann und Frau
3. 1. 1 Munt des Mannes
3. 1. 2 Unterordnung der Frau
3. 2 Sexualität
3. 2. 1 Eheliche Sexualität
3. 2. 1. 1 Fortpflanzung
3. 2. 1. 2 Vermeidung der Unzucht
3. 2. 2 Außereheliche Sexualität
3. 2. 2. 1 Voreheliche Sexualität
3. 2. 2. 2 Prostitution und Konkubinat
3. 3 Ehebruch
3. 3. 1 „Nur die Frau begeht Ehebruch…“
3. 3. 2 Schutz der Institution Ehe
3. 4 Scheidung
3. 4. 1 „Eine Möglichkeit des Mannes?!“
3. 4. 2 Unauflöslichkeit der Ehe

4. Die Kirche und die Ehe
4. 1 Ehe aus der Sicht der Kirche
4. 2 Auswirkungen des kirchlichen Einflusses

5. Liebe und Ehe
5. 1 Partnerwahl
5. 2 Beziehung von Mann und Frau
5. 2. 1 Annäherung an den Begriff Liebe
5. 2. 2 „Entdeckung der Liebe“
5. 2. 3 Liebe zwischen den Ehegatten

6. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Norbert Elisas spricht in dem Vorwort zu einem Buch von Michael Schröter über Eheschließungsvorgänge die in den Köpfen vieler bestehende Vorstellung an, dass Ehe und Familie zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften im Wesentlichen identisch seien. Doch er betont, dass sowohl Ehe als auch Familie Veränderungen unterliegen.[1]

Nach Michael Schröter steckt die Ehe heute in einer „Krise“.[2] Lange und bis in unsere Tage hinein galt die Ehe als einzige legitime Form der Geschlechterbeziehung. Doch ihre Stellung in unserer Gesellschaft wurde erschüttert.[3] Die abnehmende Bedeutung der Ehe in unserer Gesellschaft lässt sich an der Zahl der Eheschließungen und an der relativ hohen Scheidungsrate ablesen. Wenn die Liebe aufzuhören scheint, wird der Ehe schnell ein Ende gesetzt.

Als eine sehr wichtige Bedingung für eine Eheschließung wird in der heutigen westlichen Welt die Liebe zwischen zwei Personen angesehen. Der Liebe würde man impulsiv zuschreiben, dass es sich bei ihr um ein erstaunliches Phänomen handelt, das bereits immer Bestand hatte. Eine der Frage, um die es in dieser Arbeit gehen soll, ist die nach der Liebe zwischen den Ehepartner im Mittelalter. War die Beziehung zwischen einem Mann und seiner Ehefrau eine Liebesbeziehung? War wie in unserer heutigen Gesellschaft bereit damals die Liebe der Grund für die Eheschließung zweier Personen? Gab es die Liebe im Mittelalter? Diese Fragen sind eingebettet in den Fragenkomplex, wie Ehe im Mittelalter zustande kam und gelebt wurde.

Da es sich bei der Ehe um eine noch heute bestehende gesellschaftliche Einrichtung[4] handelt, ist die Frage nach der Ehe im Mittelalter sicher nicht uninteressant und trägt dazu bei, heutige Prozesse und Entwicklungen im Bereich der Ehe reflektierter zu betrachten.

Es ist verständlich, dass nicht von „der“ Ehe im Mittelalter gesprochen werden kann, da der Zeitraum, der als Mittelalter betrachtet wird, grob ein Jahrtausend umfasst und sich in diesem Zeitraum viele Veränderungen im Bereich der Ehe vollzogen haben.

Als erstes soll es um den Beginn einer Ehe, die Eheschließung selbst gehen. Hierbei wird zuerst die Eheschließung im frühen Mittelalter behandelt und im Anschluss daran die Eheschließung in den späteren Jahrhunderten, in denen die Kirche Einfluss auf die Eheschließung genommen hat.

Punkt 3 befasst sich mit dem Eheleben. Wie war die Stellung von Mann und Frau in der Ehe. Wie sah ihre Beziehung zu einander aus? Themen sind auch Sexualität, Ehebruch und Scheidung.

Ein weiteres Thema ist unter 4 die Kirche und die Ehe. Wie hat die Kirche die Ehe gesehen? Welche Auswirkungen hatte der Einfluss der Kirche auf die Institution Ehe?

Unter Punkt 5 wird das bereits oben durchgeklungene Thema der Liebe in der Ehe behandelt. Spielte die Liebe bei der Partnerwahl eine Rolle? Gab es zwischen den Ehepartner im Mittelalter bereits so etwas wie Liebe? Da diese Fragen auch unser Bild und unsere Vorstellungen von Ehe betreffen, ist es interessant zu beobachten, wie Ehe im Mittelalter aussah.

2. Eheschließung und Eheform

2. 1 Die Eheschließung im frühen Mittelalter

Am Anfang einer Ehe steht die Eheschließung. Dies war vor Jahrhunderten nicht anders. Wie die vor der Eheschließung stattfindende „Partnerwahl“ im Mittelalter aussah, wird unter 5. 1 erläutert, da dieses Thema eng mit dem Aspekt der Liebe verbunden ist. In diesem Kapitel werden lediglich die Formen der Ehe und die Eheschließung, ausgehend von dem germanischen Recht, betrachtet.

Die Eheschließung war im Frühmittelalter zunächst ein rein weltlicher Akt.[5] Da es nach dem germanischen Recht nicht nur eine Eheform gab, unterschieden sich auch die Eheschließungsformen von einander. Unterschieden werden muss zwischen der Muntehe, der Friedelehe, der Kebsehe und der Raub- oder Entführungsehe. Die verschiedenen Eheformen und die dazu gehörenden Eheschließungsformen sollen nun im Einzelnen erläutert werden.

2. 1. 1 Muntehe

Die Muntehe bildete im Frühmittelalter die regelmäßige und am häufigsten anzutreffende Form der Ehe,[6] bei der die Eheschließung durch einen Vertrag zwischen den beiden Sippen der zukünftigen Eheleute zustande kam, wobei dem Bräutigam aber schon früh die führende Rolle bei dem Vertragsschluss zugefallen sein muss. Die Rolle seiner Verwandten bestand dann in der Zustimmung und Unterstützung seiner Werbung. Auf die Zustimmung der Braut, die bloßes Objekt es Vertrages blieb, kam es rechtlich aufgrund der bestehenden Vormundschaft über sie nicht an.[7] Die vorherrschende Auffassung, dass die Braut lediglich verheiratet wurde ohne ihren Willen zu berücksichtigen, lässt sich jedoch quellenmäßig nicht sicher belegen. Eine Reihe von Rechten lassen zwar dem Verlober die eigentliche Parteistellung bei dem Abschluss des für die Ehe maßgeblichen Vertrages, doch sie erkennen daneben an, dass die Zustimmung der Braut zu ihrer Verheiratung erforderlich ist. Der Wille der zukünftigen Ehefrau gewinnt besonders seit dem 7. Jahrhundert an Bedeutung für die Eheschließung.[8]

Fest steht, dass sich die Parteien des Vertrages wandelten. Zuerst wurde der Vertrag zwischen den beiden Sippen geschlossen, später lag der Vertragsschluss in der Hand des Bräutigams selbst.[9]

Für den zu schließenden Vertrag setzte sich die Bezeichnung Verlobung (desponsatio) durch. Die Sippe der Braut verpflichtete sich mit diesem Vertragsschluss dem Bräutigam beziehungsweise seiner Sippe gegenüber dazu, ihm die Frau zu übergeben und die eheherrliche Gewalt (Munt) über diese zu verschaffen.[10]

Das Verlöbnis war an bestimmte Rechtssymbole und Rituale gebunden. Bei einer Reihe von Stämmen wurden bestimmte Gegenstände, wie z.B. ein Handschuh, ein Schwert oder ein Mantel überreicht als Sinnbild des bevorstehenden Überganges der Gewalt über die Frau. Als Verlobungsrituale sind auch die Kniesetzung der Braut, der Verlobungskuss und der Verlobungstrunk überliefert. Es existierte auch die Sitte, dass der Bräutigam der Braut einen Gegenstand überreichte, um ihre Bindung zu symbolisieren. Wahrscheinlich diente hierzu nach römischem Vorbild ein Ring[11]. Dieser bedeutete, soweit die Zustimmung der Braut notwendig war, zugleich eine Festigungsgabe.[12]

Zu der Verlobung gehörte auch, dass der Bräutigam eine Brautgabe[13] oder wenigstens einen Anteil hierauf an die Sippe und später an die Braut selbst zahlte.[14] In der fränkischen Zeit trat die von den Verwandten zu leistende Mitgift in ihrer Bedeutung hervor.[15]

Auf die Verlobung folgte die Trauung[16] (traditio), die feierliche Übergabe des Mädchens im Kreise der Verwandten, beim der die Braut dem Mann überantwortet wurde.[17] Gebräuchlich waren hier bestimmte Trauformeln. Die Bräuche entsprachen teilweise denen der Verlobung. Die Übergabe von Gegenständen wie Schwert, Hut oder Mantel symbolisierte, dass der Mann nun tatsächlich die Gewalt über die Frau erhielt. Eine weitere Symbolhandlung war, das die Braut in einen von dem Mann gereichten Schuh stieg.[18] Doch waren die beiden Personen nach der Verlobung und der Trauung noch keine Eheleute.[19] Die Ehe kam vielmehr durch die nun folgende Heimführung[20] der Braut in das Haus des Mannes, das Hochzeitsmahl und die öffentliche, vor den Verwandten vollzogene Beschreitung des Ehebettes[21], die sich im Laufe des Mittelalters in eine Symbolhandlung verwandelte, zustande.[22] Die Beschreitung des Ehebettes behielt aber besonders für die Begründung der Standesgemeinschaft weiterhin eine entscheidende Bedeutung.[23]

Nach der Brautnacht übergab der Ehemann seiner Gattin zu ihrer Anerkennung als Hausherrin die Morgengabe. Eine weitere Sitte, die in der christlichen Zeit hinzukam, war der gemeinsame Gang der beiden Eheleute zur Kirche, um den priesterlichen Segen zu empfanden, bei dem die Frau einen besonderen Kopfschmuck trug.[24]

Die Muntehe zeichnete sich im Gegensatz zu den anderen bestehenden Eheformen durch die Munt des Mannes über seine Ehefrau aus.[25] Ihr kam insofern ein besonderer Charakter zu, als dass wenn ein Mann weitere Frauen haben wollte, er mit keiner weiteren die Muntehe eingehen durfte, da nur eine die Hausfrau sein konnte.[26]

2. 1. 2 Friedelehe

Eine weitere Eheform im Frühmittelalter war die Friedelehe. Bei dieser muntfreien Ehe kam die Eheschließung durch den Konsens[27] zwischen Mann und Frau, die öffentlichen Heimführung und die Bettbeschreitung zustande. Es fand jedoch keine Trauung statt, da sich die Frau nicht unter die Munt des Mannes begab. Auch erhielt die Frau keine Brautgabe, aber ebenso wie in der Muntehe am Morgen nach der Brautnacht die Morgengabe.[28]

Goetz äußert in Bezug auf die Friedelehe einschränkend, dass diese in den Quellen unter diesem Begriff nur wenig bezeugt sei und ihre Inhalte daher unsicher seien.[29]

Neben einer Ehefrau, mit der er die Muntehe einging, konnte ein Mann, wenn er es sich wirtschaftlich leisten konnte, mehrere Friedelfrauen besitzen. Einer Frau jedoch war es anscheinend nicht gestattet, mehrere Friedelehen einzugehen.[30] Die Friedelehe wurde häufig bei Standesungleichheit zwischen den beiden Partnern geschlossen,[31] denn durch dieses Form der Ehe kam es zu keiner Standesgemeinschaft der Ehegatten und die Ehefrau befand sich gegenüber ihrem Ehemann in einer stärkeren Rechtsposition als bei der Muntehe, da sie nicht unter seiner Munt stand. Gerade vornehme Frauen gingen wohl die Friedelehe ein, wenn sie sich nicht unter die Gewalt eines vielleicht sogar standesniedrigeren Mannes begeben wollten. Auch bei der Einheirat eines Mannes in eine Familie wurde oft die Friedelehe gewählt.[32]

2. 1. 3 Kebsehe

Ursprünglich hat das Kebsverhältnis sicher keine Ehe dargestellt, doch konnte es bei entsprechender Kundbarkeit eheähnliche Züge annehmen und wurde bei den Franken schon in merowingischer Zeit zur Ehe. Die Kebsehe konnte auf dem Befehl eines Mannes beruhen. Auch gegenüber Frauen, die beispielsweise im Krieg gefangen worden waren, konnte diese Form der Ehe erzwungen werden.[33]

Die Kebsehe entstand folglich durch die formlose und einseitige Bestimmung eines freien Mannes, der sich eine Unfreie zur Frau bestimmte.[34]

2. 1. 4 Raub- oder Entführungsehe

Das ältere germanische Recht kannte keine Unterscheidung zwischen Raub und Entführung. Unter Raub verstand man jedes Verschleppen eines Mädchens aus der Gewalt ihres Vormunds gegen dessen Willen. Der Wille der Geraubten selbst hatte hierbei keinerlei Bedeutung. Der Raub hatte die Fehde der Sippe der Frau zur Folge, denn die Rückgabe der Geraubten war nur durch eine Fehde zu erzwingen. Wenn sie erfolglos war oder ausblieb, hatte die eheliche Gemeinschaft Bestand.

Die Unterscheidung zwischen Raub und Entführung gehörte einer im 7. Jahrhundert einsetzende Entwicklung an, in der dem Willen der Frau größere Bedeutung zugemessen wurde.

Von Raub wurde dann gesprochen, wenn die Frau gegen ihren Willen aus der Gewalt ihres Vormundes gebracht worden war. Ihre Rückgabe an den Gewalthaber wurde in diesem Fall häufig angeordnet, während bei einer Entführung, die zur Bußleistung verpflichtete, die Ehe fortbestand.[35]

Bei allen muntfreien Ehen[36] war es so, dass die Eheschließung die zuvor bestehenden Gewaltverhältnisse über die Frau nicht aufhob, das heißt, dass die Frau nicht in die Munt ihres Mannes überging und auch keine Standesgemeinschaft zwischen den Ehepartnern zustande kam.

Eine Besonderheit im Zusammenhang mit Eheschließungen stellte die herrschaftliche Heiratsverfügung dar. Im germanischen Recht gab es zwei Ausprägungen dieser Heiratsverfügung. Einmal konnte eine Ehe von dem Herren in der älteren Zeit nicht nur gestattet, sondern auch verfügt werden. Nach einigen Stammesrechten konnte sogar einem freien Mann die Heirat durch Königsbefehl aufgetragen werden.[37]

2. 1. 5 Ehehindernisse

Eine Ehe zwischen zwei Personen war jedoch nicht immer möglich, denn es gab Ehehindenisse, die eine Ehe nicht zu Stande kommen ließen.

Wenn Ehehindernisse vorlagen, konnte zwischen zwei Personen keine Eheschließung erfolgen. Das germanische Recht kannte kein systematisches Ehehindernisrecht, doch Ehehindernisse waren vorhanden. So ist nach germanischer Eheauffassung das Eingehen einer Ehe bei Geschlechtsunreife[38], bei Friedlosigkeit[39], bei zu enger Verwandtschaft[40] oder bei Polygamie der Frau nicht möglich.[41] Des Weiteren weist das germanische Recht auf eine Reihe von Abwehrmaßnahmen gegen Eheschließungen hin, die eine Rechtsverletzung darstellen oder die als Störung der Gemeinschaftsordnung angesehen wurden. Hierzu gehörten die Eheschließung mit einer geraubten oder entführten Frau, mit einer Frau, die unter der Gewalt eines anderen stand oder mit der Frau und der Verlobten eines anderen Mannes. Falls es doch zu solchen Eheschließungen kam, ordneten die Volksrechte und Kapitularien[42] Bußfälligkeit an oder sprachen Strafdrohungen aus.

Als eine Störung der Gemeinschaftsordnung wurden auch die Eheschließung zwischen Freien und Unfreien beziehungsweise Halbfreien und zwischen Halbfreien und Unfreien angesehen und untersagt. Soweit nicht die Todesstrafe verhängt wurde, führte eine Zuwiderhandlung zunächst nicht zur Aufhebung der Ehe.[43] Soziale Rangunterschiede hatten demnach bei der Auswahl des zukünftigen Ehegatten erhebliche Bedeutung.[44] Auch Stammesverschiedenheit hinderte in älterer Zeit an einer Eheschließung zweier Personen.[45]

2. 2 Eheschließung unter dem Einfluss der Kirche im Hoch- und Spätmittelalter

Die Kirche hat zwar im Mittelalter keine spezifische Eheschließungsform entwickelt, doch sie drang auf eine Beteiligung an den Feierlichkeiten in Form des Ehesegens. Sie forderte ihn jedoch nicht als Voraussetzung zur Gültigkeit der Eheschließung.[46] Unter kirchlichem Einfluss ist das Eheschließungsrecht umgestaltet worden. Zunächst nahm die Kirche Einfluss auf die Gesetzgebung der germanischen Herrscher und auf die Volksrechte. Ab dem 10./11. Jahrhundert nahm sie dann durch ihre eigene kirchliche Ehegesetzgebung Einfluss, da nun das kanonische Eherecht vorrangige Geltung in Bezug auf die Ehe beanspruchte.[47] Ein wichtiger Grund für die Herausbildung eines eigenen kirchlichen Eherechts war der Versuch, die Forderung Christi nach der Unauflöslichkeit der Ehe konkret durchzusetzen,[48] denn das germanische Recht kannte das Prinzip der Unauflöslichkeit nicht.[49]

2. 2. 1 Konsens

Eine Errungenschaft, bei der die Kirche eine große Rolle spielte und die die Ehe an sich sehr stark beeinflusst hat, war die Durchsetzung des Ehekonsenses. Mitte des 12. Jahrhunderts wurde von der Kirche der Grundsatz der Eheschließung in beidseitiger Willensentscheidung formuliert. Zwar war schon im Jahr 866 der Grundsatz der Heirat durch beidseitiges Einverständnis der zukünftigen Ehegatten von dem Papst Nikolaus I. formuliert worden, doch die Kirche fand bezüglich der Eheschließung damals vorerst nicht zu einem ungeteilten Standpunkt. Die auf dem Konsens beider Partner beruhende Eheschließung war ein römisches Modell.[50] Mit dem Ehekonsens schieden Raub und eine einseitige Verfügung des Mannes als Mittel zur Eheschließung, wie zum Beispiel bei der Raub- oder Entführungsehe, aus.[51] Auch ein erzwungener Konsens ließ die Ehe nicht zu Stande kommen.[52] Die Verheiratung der Kinder durch ihre Eltern wurde erschwert, doch wenn die Kinder zustimmten, war eine Verfügung der Eltern noch möglich.

Eine Ehe war dann gültig, wenn die beiden Partner einander aus freiem Willen das Ja-Wort gaben, auch wenn die Eltern dagegen oder äußere Umstände sehr eigenartig waren.[53] Erst durch die von der Kirche entwickelte Eheauffassung wurde dem Einzelnen die Möglichkeit eröffnet, gegen den Willen seiner Angehörigen zu handeln. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit es jungen Menschen in den verschiedenen Ständen gelang, dieses kirchliche Recht in die Praxis umzusetzen. Denn der weltliche Gesetzgeber verfügte nicht selten Strafen für diejenigen, die ohne die Einwilligung der Eltern heirateten, um sie dadurch von einer Verbindung abzuhalten, auch wenn keine Bestimmungen gegen das Kirchenrecht erlassen werden durften.[54] Die Stadtrechte zielten auf die Verhinderung des Ehekonsens und bei einem Eheabschluss ohne die elterliche beziehungsweise verwandtschaftliche Zustimmung erfolgten Maßnahmen wie das Entfallen der Mitgift, das Erlöschen des Erbrechts oder sogar der Stadtverweis.[55]

[...]


[1] Vgl. Elias, Vorwort, S. VII.

[2] Vgl. Schröter, Vorwort, S. XIII.

[3] Vgl. Elias, Vorwort, S. VII.

[4] Ebd., S. VII.

[5] Vgl. Goetz, Leben im Mittelalter, S. 43.

[6] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 811.

[7] Ebd., Sp. 810f.

[8] Vgl. Schulze, Eherecht, S. 484f.

[9] Ebd., S. 483f.

[10] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 811.

[11] Erst in späterer Zeit wandelte sich der Verlobungsring zum Trauring. Die gegenseitige Ringgabe symbolisierte eine wechselseitige Bindung der Ehegatten. (Vgl. Schulze, Eherecht, S.496.)

[12] Vgl. Schulze, Eherecht, S. 496.

[13] Andere Bezeichnungen sind Wittum oder dos.

[14] Vgl. Goetz, Leben im Mittelalter, S. 41.

[15] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 812f.

[16] Nach R. Schulze ist die Abfolgunge der Handlungen jedoch umstritten. R. Köstler und und K. A. Eckhardt hätten jeweils auf Grund unterschiedlicher Quellen gezeigt, dass die Trauung dem Beilager entweder unmittelbar vorgehen oder ihm nachfolgen konnte. (Vgl. Schulze, Eherecht, S. 495.)

[17] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 813f.

[18] Vgl. Schulze, Eherecht, S. 496.

[19] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 813f.

[20] Hierbei handelte es sich um einen feierlichen Umzug, den Brautlauf, durch den die Eheschließung auch den Nachbarn kundgetan wurde. (Vgl. Schulze, Eherecht, S. 497.)

[21] Eine andere Bezeichnung für die Beschreitung des Ehebettes ist der Begriff Beilager.

[22] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 814f.

[23] Vgl. Schulze, Eherecht, S. 497.

[24] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 814f.

[25] Vgl. Schott, Ehe, Sp.1629.

[26] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 815.

[27] Schulze jedoch erscheint die Lehre von der Friedelehe als „Konsensehe“ fragwürdig. (Vgl. Schulze, Eherecht, S. 488.)

[28] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 816.

[29] Vgl. Goetz, Weltliches Leben in frommer Gesinnung?, S. 119.

[30] Vgl. Goetz, Leben im Mittelalter, S. 42.

[31] Vgl. Schott, Ehe, Sp. 1629.

[32] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 816f.

[33] Ebd., Sp. 817f.

[34] Vgl. Schott, Ehe, Sp. 1630.

[35] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 815f.

[36] Dazu gehörten die Friedelehe, die Kebsehe und die Raub- oder Entführungsehe.

[37] Vgl. Schulze, Eherecht, S. 492.

[38] Die Verlobung jedoch war mit fehlender Mündigkeit möglich, nur die Selbstverlobung des Jungen bildete hier eine Ausnahme. (Vgl. Schulze, Eherecht, S. 493.)

[39] Hier muss die notwendige öffentliche Heimführung unmöglich gewesen sein.

[40] Verwandtschaft war im germanischen Recht nur in sehr engen Grenzen ein Ehehindernis. Allgemein waren lediglich Ehen zwischen Aszendenten und Deszendenten sowie unter Geschwistern unzulässig. (Vgl. Schulze, Eherecht, S.493.)

[41] Die Vielweiberei des Mannes war jedoch erlaubt.

[42] Bei Kapitularien handelte es sich um Gesetze und Verordnungen der fränkischen Könige. (Vgl. Duden. Das große Fremdwörterbuch, S. 686.)

[43] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 823f.

[44] Vgl. Schulze, Eherecht, S. 494.

[45] Ebd., S. 494.

[46] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 818.

[47] Ebd., Sp. 818.

[48] Vgl. Weigand, Ehe, Sp. 1623.

[49] Vgl. Schulze, Ehe, S. 498.

[50] Vgl. Otis-Cour, Lust und Liebe, S. 117f.

[51] Vgl. Mikat, Ehe, Sp. 819.

[52] Vgl. Weigand, Ehe, Sp. 1623.

[53] Vgl. Weigand, Ehe- und Familienrecht in der mittelalterlichen Stadt, S. 171.

[54] Vgl. Shahar, Die Frau im Mittelalter, S. 87.

[55] Vgl. Angenendt, Ehe im Mittelalter, S. 9.

Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Liebe und Ehe im Mittelalter
Untertitel
Rechte, Riten und Realität
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster  (Didaktik der Geschichte)
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
46
Katalognummer
V205883
ISBN (eBook)
9783656332145
ISBN (Buch)
9783656332992
Dateigröße
515 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
liebe, mittelalter, rechte, riten, realität
Arbeit zitieren
Anna Dück (Autor:in), 2008, Liebe und Ehe im Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205883

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