Der polizeiliche Schusswaffengebrauch als Notwehrmaßnahme im Rechtsvergleich des Bundesrechts und des Landesrechts Bayerns


Diplomarbeit, 2008

62 Seiten, Note: 4,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Vorwort
1.1 Einführung in die Thematik
1.2 Beschreibung des Erkenntnisstandes
1.3 methodische Herangehensweise

2 Stand der Auseinandersetzung über die Inhalte des UZwG

3 Vorstellung der Problematik und des Grundsachverhalts

4 Rechtliche Prüfung der Varianten des Grundsachverhalts im Vergleich
4.1 Abwehr durch schnell visierte Schüsse der Bundespolizei
4.2 Abwehr durch schnell visierte Schüsse der Landespolizei
4.3 Abwehr durch schnell visierte Schüsse der Bundespolizei bei Gefährdung eines Unbeteiligten
4.4 Abwehr durch schnell visierte Schüsse der Landespolizei bei Gefährdung eines Unbeteiligten
4.5 Abwehr der Bundespolizei mittels eines finalen Rettungsschusses
4.6 Abwehr der Landespolizei mittels eines finalen Rettungsschusses
4.7 Abwehr durch schnell visierte Schüsse der Bundespolizei gegen eine Person im Kindesalter
4.8 Abwehr durch schnell visierte Schüsse der Landespolizei gegen eine Person im Kindesalter

5 Gegenüberstellung Bundes- und Landesrecht
5.1 Zusammenfassender Überblick über die rechtlichen Möglichkeiten der Bundespolizeibeamten bezüglich des Schusswaffengebrauchs
5.2 Zusammenfassender Überblick über die gegenwärtigen Möglichkeiten der Polizeibeamten aus dem Bayerischen Landesrecht

6 Vorschläge zur Ergänzung der Gesetzesnormen für den polizeilichen Schusswaffengebrauch gegen Personen

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Literatur- und Quellenverzeichnis

Bücher:

Avenarius, Hermann: Die Rechtsordnung für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage, Bonn, 2002.

Blümel, Karl-Heinz / Drewes, Michael / Malmberg, Karl Magnus / Walter, Bernd: Bundespolizeigesetz, Zwangsanwendung nach Bun- desrecht VwVG/UZwG, 3. Auflage, Stuttgart u. a., 2006.

Borsdorff, Anke / Kastner, Martin: Musterklausuren für die Bundes- polizei, 3. Auflage, Hilden/Rhld., 2007.

Götz, Volkmar: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Auflage, Göttingen, 1993.

Heesen, Dietrich / Hönle, Jürgen / Peilert, Andreas: Gesetz über den Bundesgrenzschutz, Kommentar zum BGSG, UZwG, VwVG,

4. Auflage, Hilden/Rhld., 2002.

Honnacker, Heinz / Beinhofer, Paul: Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei, 18. Auflage, Stuttgart u. a., 2004.

Jarass, Hans D . / Pieroth, Bodo: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 9. Auflage, München, 2007.

Krüger, Ralf: Polizeilicher Schußwaffengebrauch, 3. Auflage, Stuttgart u. a., 1977.

Neuwirth, Dietlind: Polizeilicher Schusswaffengebrauch gegen Personen - Eine Einführung in das Bundesrecht unter Einbeziehung landesrecht- licher Regelungen, Hilden/Rhld., 1997.

Möllers, Martin (Hrsg.): Wörterbuch der Polizei, München, 2001.

Riegel, Reinhard: Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz, Kommentar, Köln u. a., 1996.

Tröndle, Herbert / Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 54. Auflage, München, 2007.

Aufsätze:

Blei, Hermann: Probleme des polizeilichen Schußwaffengebrauchs, JZ 1955, S.625 in: Krüger, Ralf: Polizeilicher Schußwaffengebrauch,

3. Auflage, Stuttgart u. a., 1977, S.84.

Erichsen, Hans-Uwe: Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes in Jura 1995, S.550 ff.

Thiede, Frank: Zulässigkeit des gezielten Todesschusses (sogenannter finaler Rettungsschuss) durch Polizeivollzugsbeamte des Bundes und der Länder in: Kriminalistik-SKRIPT, 3/00, S.207 ff.

Internetquelle:

http://www.lexexakt.de/glossar/rechtsdogmatik.php: abgerufen am

18. Dez 2007, 12:04 Uhr.

1 Vorwort

1.1 Einführung in die Thematik

Das Thema dieser Diplomarbeit „Der polizeiliche Schusswaffengebrauch als Notwehrmaßnahme im Rechtsvergleich des Bundesrechts und des Landesrechts Bayerns.“ stellt die Befugnisse der Bundespolizei denen der bayerischen Landespolizei nach den jeweiligen Polizeigesetzen gegenüber.

Ziel der Arbeit ist es, trotz aller Ähnlichkeiten im Gesetz über den unmittelbaren Zwang des Bundes und im Polizeiaufgabengesetz Bayerns die dennoch z.T. erheblichen inhaltlichen Abweichungen zwischen den gesetzlichen Grundlagen für den polizeilichen Schusswaffengebrauch aufzuzeigen.

Theoretisch empfiehlt der im Jahre 1977 von der IMK beschlossene Musterentwurf für ein einheitliches Polizeigesetz[1] Richtlinien, die von den Polizeien der Länder und des Bundes so weit wie möglich berücksichtigt werden sollen, um einer Vereinheitlichung der Befugnisse Rechnung zu tragen. Tatsächlich sind die z.T. erheblichen Unterschiede mit entsprechenden Auswirkungen auf die polizeipraktische Arbeit aber nicht von der Hand zu weisen. Im Extremfall bedeutet das, dass Polizeibeamte aufgrund ihrer unterschiedlichen Behördenzugehörigkeit in ein und derselben Situation theoretisch unterschiedlich handeln müssen obwohl praktisch dieselben Anforderungen bestehen.

1.2 Beschreibung des Erkenntnisstandes

Die Problematik des z.T. erheblich uneinheitlichen Polizeirechts wurde u. a. politisch und gesellschaftlich diskutiert, nachdem die Polizei am 20. Dez 1999 in Aachen eine 50-stündige Geiselnahme durch einen finalen Rettungsschuss[2] gegen den Geiselnehmer beendete. Insbesondere der gezielte Todesschuss spielt in der Diskussion zum Thema der Beendigung von Geisellagen eine erhebliche Rolle. Auch in jüngster Zeit ist er als mögliches Mittel gegen Amokläufer oder Selbstmordattentäter immer wieder in der öffentlichen Auseinandersetzung präsent gewesen[3].

Weitere Bezüge zum Erkenntnisstand der Thematik werden jeweils an geeigneter Stelle in der Erarbeitung der Problematik hergestellt, insbesondere durch Bezugnahme auf geltende Rechtssprechung und Rechtsauslegung.

1.3 methodische Herangehensweise

Das Ziel der Diplomarbeit ist der juristische Vergleich der relevanten Rechtsvorschriften des Bundes und des Landes Bayern für den polizeilichen Schusswaffengebrauch in einer Notwehrsituation, um rechtliche wie tatsächliche Unterschiede herausfinden und beurteilen zu können. Dabei sollen die wahrscheinlichsten Problemstellungen eines Schusswaffengebrauchs untersucht werden.

Zu Beginn der Arbeit wird ein fiktiver Grundsachverhalt vorgestellt. Dieser wird für jede Problemstellung entsprechend abgeändert und auf die jeweiligen relevanten Abweichungen der Zwangsbefugnisse für den Schusswaffengebrauch geprüft. In den verschiedenen Variationen des Grundsachverhalts werden zunächst die Befugnisse der Bundespolizei und danach die der Bayerischen Landespolizei beleuchtet.

Dabei wird zunächst untersucht inwieweit sich die Rechtsvorschriften eines polizeilichen Schusswaffengebrauchs ohne Zwangsandrohung nach Bundes- und bayerischem Landesrecht unterscheiden.

Die angenommene Situation wird dann verändert, indem der handelnde Beamte durch seinen Schusswaffengebrauch den eigenen Kollegen unmittelbar gefährdet. Des Weiteren wird das Interesse dem Schusswaffengebrauch als finaler Rettungsschuss gelten. Die letzte Variante des Grundsachverhalts nimmt einen Angreifer im scheinbaren Kindesalter an.

Diese Sachverhalte werden als mögliche Eskalation polizeilicher Routinearbeit angenommen. Außerdem stellen die gewählten Situationen deutlich die Unterschiede der verschiedenen Rechtsgrundlagen und die potentiellen Auswirkungen für die Beamten dar.

Zum Schluss werden die in dieser Arbeit herausgearbeiteten Rechtsunterschiede der Zwangsbefugnisse des Bundes- und Landesrechts in Tabellenform summarisch gegenübergestellt.

Als Konsequenz der erkannten Unterschiede zwischen den jeweiligen Gesetzesnormen wird ein Gesamtfazit gezogen und auf dessen Basis ein Vorschlag des Verfassers zur Ergänzung des UZwG vorgestellt.

Die Arbeit basiert im Wesentlichen auf einer Auseinandersetzung mit Gesetzesquellen, v. a. dem UZwG und dem PAG. Ergänzend dazu werden Gerichtsentscheidungen, Gesetzeskommentare und ausgewählte Sekundärliteratur zum Thema herangezogen.

2 Stand der Auseinandersetzung über die Inhalte des UZwG

Bereits 1977 weißt Krüger in seiner Veröffentlichung „Polizeilicher Schußwaffengebrauch“ darauf hin, dass diejenigen Fälle Schwierigkeiten bereiten, in denen hoheitlich tätig werdende Vollzugsbeamte in eine Notwehrsituation geraten[4]. Denn die Abgrenzung einer Notwehrsituation von einer hoheitlichen Anwendung unmittelbaren Zwangs wird von der Situation und der Willensentscheidung des handelnden Polizeibeamten bestimmt[5].

Krüger zitiert dort auch die Zielsetzung des von der IMK im Jahre 1972 beschlossenen und bis heute weiterentwickelten Programms für die innere Sicherheit in der Bundesrepublik:

„Im Hinblick auf die zunehmende Zusammenarbeit der Polizeien des Bundes und der Länder ist anzustreben, den schon jetzt inhaltlich nahezu übereinstimmenden Polizeigesetzen der Länder, einschließlich des Rechts der Zwangsmittel und der Anwendung des unmittelbaren Zwangs, eine einheitliche Fassung zu geben. Dazu sollte ein das materielle Polizeirecht umfassender Musterentwurf erstellt und von allen Ländern übernommen werden.“[6]

3 Vorstellung der Problematik und des Grundsachverhalts

Im Stadtgebiet Passau[7] wird ein Pkw von einer Polizeistreife zur Kontrolle angehalten. Während einer der Beamten an der Fahrerseite stehend die Papiere des Fahrers überprüft, sichert sein Kollege die Situation. Plötzlich zieht der Fahrer des Wagens eine Schusswaffe und richtet sie auf einen der Beamten...

Die Frage, die im Wesentlichen Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, ist: Wie darf ein Polizeivollzugsbeamter darauf reagieren? Anzunehmen ist, dass jeder in einer solchen Situation versuchen wird, Leib und Leben gegen einen solchen Angriff zu verteidigen. Doch welches Verhalten ist gesetzlich vorgesehen?

Die Kontrolle von Kraftfahrzeugen zählt zur Routine von Polizeibeamten des Bundes, wie auch der Länder. Eskalationen dieser berufsalltäglichen Lagen, wie sie in dem vorangegangenen Absatz beschrieben werden, sind selten, dennoch müssen die Beamten - sowohl praktisch, als auch theoretisch - darauf vorbereitet sein. Praktische Vorbereitung bedeutet, regelmäßiges Training an der Schusswaffe. Theoretisch bedeutet, dass den Beamten die rechtlichen Voraussetzungen des Schusswaffengebrauchs präsent sein sollten. Das hierfür relevante Gesetz für die Bundespolizei ist das UZwG[8], ferner für die bayerische Polizei das PAG.

Wie bereits angesprochen gehört die oben angerissene Situation zum Alltag der Bundes- und der Landesbeamten. Ohne Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen würde der Laie wahrscheinlich an dieser Stelle davon ausgehen, dass die Unterscheidung in Bundes- und Landespolizeibeamten nicht notwendig ist, da im Prinzip dieselben materiellen rechtlichen Voraussetzungen für den Schusswaffengebrauch für Polizeivollzugsbeamte gelten; Es sind doch beides Polizisten! Doch welche Vorgaben machen die Polizeigesetze des Bundes und der Länder für eine solche Situation tatsächlich?

Sollte es sich bei den eingesetzten Beamten um Angehörige der Bundespolizei handeln, könnte sich der bedrohte Beamte gemäß den Vorschriften des UZwG mittels seiner Dienstwaffe gegen diesen tödlichen Angriff wehren.

Wird nun stattdessen die Person in demselben Sachverhalt von bayerischen Polizeibeamten kontrolliert, könnte der PVB des Landes gemäß den Normen des PAG ebenfalls den Angriff mit seiner Dienstwaffe abwehren.

Von der rein praktischen Seite her wird zwischen dem Verhalten des bayerischen Landes- und des Bundespolizisten kein Unterschied bestehen: Beide Beamte werden durch Gebrauch ihrer Schusswaffe Leib und Leben verteidigen, beide handeln in einer Situation der Notwehr.

Wie aber bereits oben angesprochen, besteht hier in der rechtlichen Theorie ein nicht unerheblicher Unterschied: Zwei Gesetze für zwei Polizeibehörden geben für denselben Sachverhalt unterschiedliche Regelungen vor. Die Unterscheidung, ob hier ein Bundes- oder Landespolizist in Erscheinung tritt, ist die ausschlaggebende Ursache, welches der genannten Polizeigesetze zur Anwendung kommt. Eben diese Problematik stellt den Kernpunkt der Arbeit dar.

4 Rechtliche Prüfung der Varianten des Grundsachverhalts im Vergleich

Jetzt sollen die rechtlichen Grundlagen hinsichtlich der geltenden Gesetze für mehrere Situationen des Schusswaffengebrauchs geprüft werden. Dazu wird zunächst der oben genannte Sachverhalt auf die Befugnisse der Bundespolizei angewendet. Es wird angenommen, dass der Angriff mit Hilfe schnell visierter Schüsse abgewehrt werden kann.

Da zu den jeweiligen Prüfungen immer der Ausgangssachverhalt entsprechend abgewandelt wird, wird das folgende grundsätzliche Schema zur Prüfung der jeweiligen Sachverhalte genutzt werden:

Prüfungsschema[9]:

A Grundsätzliche Zulässigkeit der polizeilichen Zwangsanwendung
1 gemäß der Vorschrift im jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsverfahren zum Sofortvollzug
2 Verhältnismäßigkeit der Maßnahme und Auswahl des gesetzlich zugelassenen Zwangsmittels

B Persönliche Berechtigung des PVB zum Schusswaffengebrauch

C Sachliche Berechtigung des PVB zum Schusswaffengebrauch
1 Androhung des Schusswaffengebrauchs
2 Schusswaffengebrauch gegen Einzelpersonen
2.1 Mögliche Befugnisnormen für den SWG
2.2 Prüfung der einschlägigen Vorschrift

D Verhältnismäßigkeit des Schusswaffengebrauchs i.w.S
1 Geeignetheit
2 Erforderlichkeit
3 Angemessenheit / Vhm i.e.S.

E Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch
1 Subsidiarität des SWG
2 Vorrang des Schusswaffengebrauchs gegen Sachen
3 Angriffs- oder Fluchtunfähigkeit als Ziel des SWG
4 Verbot des SWG bei Gefährdung Unbeteiligter
5 Verbot des SWG gegen Personen im Kindesalter

F Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht

G Ergebnis

Im Folgenden werden die verschiedenen Varianten des Schusswaffengebrauchs durch Beamte der Bundes- und der bayerischen Landespolizei nach diesem Prüfungsschema analysiert. In jedem Kapitel findet sich entsprechend die Gliederung des vorgestellten Prüfungsschemas, als interne Zusatzgliederung, wieder. Dabei wird jeweils nur auf die relevanten Gliederungspunkte Bezug genommen.

4.1 Abwehr durch schnell visierte Schüsse der Bundespolizei

Im Stadtgebiet Passau wird ein Pkw von einer Bundespolizeistreife zur Kontrolle angehalten. Während einer der Beamten auf Höhe des linken Hinterrades stehend die Papiere des ca. 35 Jahre alten Fahrzeuginsassen überprüft, sichert sein Kollege die Situation. Der sichernde Beamte befindet sich auf Höhe der Beifahrertür und beobachtet die Person durch das Fahrzeugfenster.

Plötzlich zieht der Fahrer des Wagens eine Schusswaffe und richtet sie auf den sichernden Beamten (S). Dieser reagiert sofort und schießt mit seiner Dienstwaffe auf Schulter und Arme des Angreifers (A) bis dieser nicht mehr fähig ist, die Pistole zu benutzen. Nur dadurch konnte A keinen Schuss auf S abgeben.

Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Prüfung der Befugnisnormen für den Schusswaffengebrauch liegt, wird die formelle wie auch die materielle Rechtmäßigkeit in den Gliederungspunkten, in denen der Schusswaffengebrauch selbst nicht betroffen ist, als gegeben angesehen.

Auch auf andere allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen wie Bestimmtheit und Form des VA (§37 VwVfG), Bekanntgabe (§41 VwVfG) oder Anhörung des Betroffenen (§28 VwVfG) wird wegen mangelnder Einschlägigkeit nicht eingegangen. Unmittelbar mit dem SWG verbundene relevante Punkte werden, wie beispielsweise die Befugnisnorm zum Grundverwaltungsakt, in entsprechender Form geprüft.

A Grundsätzliche Zulässigkeit der polizeilichen Zwangsanwendung
1 Im Rahmen der Gefahrenabwehr gemäß §6 Abs.2 VwVG

Ein Schusswaffengebrauch stellt die i.S.d. §2 Abs.1 UZwG stärkste Form des unmittelbaren Zwangs[10], nämlich die mittels Waffen[11], dar. Um diese Variante des unmittelbaren Zwangs zulässig anwenden zu können, muss gemäß §6 Abs.1 VwVG entweder zuvor ein zulässiger Grundverwaltungsakt i.S.d. §35 Satz1 VwVfG erfolgt (Normalvollzug oder gestecktes Verwaltungsvollstreckungsverfahren[12] ) oder gemäß §6 Abs.2 VwVG ein Sofortvollzug notwendig sein.

Sofortvollzug bedeutet, dass in einer gesteigerten Gefahrenlage keine Möglichkeit für den Beamten besteht, vor der Zwangsanwendung einen die Situation lösenden Verwaltungsakt verfügen zu können, ohne dass der Zweck der Maßnahme dadurch vereitelt ist. Wäre aber die Möglichkeit zum VA gegeben, müsste dieser rechtmäßig und notwendig sein.

Da S im Sachverhalt ausschließlich auf den Angriff reagiert und sofort schießen muss, um eine Chance zu haben den Angriff abzuwehren, kann er in dieser Situation keinen VA mehr treffen. In dem vorgestellten Fall verhindert der unmittelbare Angriff, irgendeine andere Maßnahme als den UZ in Form des Schusswaffengebrauchs durchzuführen, um das Leben des angegriffenen Beamten zu schützen. Von einer binnen Sekunden umsetzbaren, u.U. tödlichen Aktion des Angreifers ist auszugehen.

Wäre in der oben dargestellten Situation genügend Zeit zum Handeln gewesen, käme als möglicher Verwaltungsakt i.S.d. §35 Satz1 VwVfG eine polizeiliche Anordnung gemäß §14 Abs.1 und Abs.2 Satz2 BPolG in Betracht.

Die Streife kontrolliert Fahrzeug und Fahrer gemäß §23 Abs.1 Nr.2 u. Abs.3 BPolG, da Passau im deutschen Grenzgebiet liegt und davon auszugehen ist, dass die Kontrolle erfolgt, um Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei zu verhindern. Die Beamten erfüllen also mit der im Sachverhalt beschriebenen Maßnahme eine ihnen zugewiesene Aufgabe des Grenzschutzes nach §2 BPolG.

Eine erhebliche Gefahr i.S.d. §14 Abs.2 Satz2 BPolG ist durch die unmittelbare Bedrohung mit der Schusswaffe für das Leben des Beamten gegeben. Denn bei ungehindertem Ablauf des Angriffs würde S mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getötet oder zumindest schwer verletzt werden. Der PVB muss in dieser eskalierten und für ihn lebensgefährlichen Situation von einer funktionsfähigen Schusswaffe i.S.d. §1 Abs.2 Nr.1 1.Alt WaffG ausgehen.

[...]


[1] Riegel, Reinhard: Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz, Kommentar, Köln u. a., 1996, S.330 f

[2] Vgl.: Neuwirth, Dietlind: Polizeilicher Schusswaffengebrauch gegen Personen, Hilden/Rhld., 2006, S.6.

[3] Vgl.: Ebd., S.6.

[4] Vgl.: Krüger, Ralf: Polizeilicher Schußwaffengebrauch, 3. Auflage, Stuttgart u. a., 1977, S.92.

[5] Vgl.: Ebd., S.93.

[6] Punkt V, 3.2 des Programms für die innere Sicherheit in der Bundesrepublik in: Krüger (1977), S.104.

[7] Die Stadt Passau liegt im Südosten des Freistaates Bayern und im Grenzgebiet der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich; hier können sowohl Kontrollen durch die bayerische Landespolizei als auch durch die Bundespolizei erfolgen.

[8] Das UZwG kann nicht isoliert geprüft werden, da die Voraussetzungen anderer Gesetze wie z.B. das VwVG für die Zulässigkeit zwingend gegeben sein müssen. Da aber das UZwG sich als das mit Abstand wichtigste Gesetz für die Zwangsanwendung des Bundes darstellt, wird im Text außer in der Gesetzesprüfung selbst nur vom UZwG gesprochen.

[9] Vgl.: Borsdorff, Anke / Kastner, Martin: Musterklausuren für die Bundespolizei,

3. Auflage, Hilden/Rhld., 2007, S.137 f.

[10] Definition UZ gem. §2 Abs.1 UZwG: „(…)Einwirkung auf Personen oder Sachen(…)“.

[11] §2 Abs.4 UZwG: „Waffen sind die dienstlich zugelassenen […] Schusswaffen[…]“.

[12] Vgl.: Blümel, Karl-Heinz / Drewes, Michael / Malmberg, Karl Magnus / Walter, Bernd: Bundespolizeigesetz, Zwangsanwendung nach Bundesrecht/ VwVG/ UZwG, 3. Auflage, Stuttgart u. a., 2006, S.75, RN 2.

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Der polizeiliche Schusswaffengebrauch als Notwehrmaßnahme im Rechtsvergleich des Bundesrechts und des Landesrechts Bayerns
Note
4,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
62
Katalognummer
V205753
ISBN (eBook)
9783656326700
ISBN (Buch)
9783656329190
Dateigröße
867 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schusswaffengebrauch, Zwangsrecht, Bundesrecht, Landesrecht, Rechtsvergleich
Arbeit zitieren
Florian Paul (Autor:in), 2008, Der polizeiliche Schusswaffengebrauch als Notwehrmaßnahme im Rechtsvergleich des Bundesrechts und des Landesrechts Bayerns, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205753

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