Frauenfiguren und das neusachliche Bild der Frau in Erich Kästners „Fabian“


Hausarbeit, 2008

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Die „Neue Frau“ in der Weimarer Republik

3. Fabian, Kästner und die Frauen
3.1 Irene Moll
3.2 Cornelia Battenberg
3.3 Die Mutter

4. Die Versachlichung der Liebe und sexuelle Freizügigkeit – Zeichen des Werteverfalls

5. Schluss.

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Durch Erfahrungen am eignen Leibe und durch sonstige Beobachtungen unterrichtet, sah er ein, daß die Erotik in seinem Buch beträchtlichen Raum beanspruchen mußte. Nicht, weil er das Leben fotografieren wollte, denn das wollte und tat er nicht. Aber ihm lag außerordentlich daran, die Proportionen des Lebens zu wahren, das er darstellte.“[1]

Erich Kästner schrieb dies in seinem ironischen Nachwort zum Roman „Fabian und die Sittenrichter“. Er begründet die wiederholt eingesetzte Beschreibung der Sexualität mit dem Anspruch, die zeitgenössische Lebensführung so realistisch wie möglich darzustellen – wenn er auch gleichzeitig betont, es handle sich bei der Geschichte um Jakob Fabian und die Moral um eine Satire.

Und trotzdem stellt sich die Frage: wie nah kommt das überspitzte Bild der Gesellschaft, speziell der sittenlosen emanzipierten Frau und ihren Gelüsten an das der oft beschriebenen „Neuen Frau“ heran? Denn wie Melanie Möllenberg betont, wurden Vergnügungsorte wie die im Roman beschriebenen von den Frauen oft nicht aus Gründen der Triebbefriedigung, sondern aus denen der Suche nach Ehepartnern besucht[2].

Um ein vom Roman unabhängiges Bild der „Neuen Frau“ zu vermitteln, werde ich die vorliegende Arbeit mit einer kurzen Zusammenfassung über die Entwicklung des Rollenverständnisses der Frauen in der Weimarer Republik einleiten. Zur Beantwortung der Frage, inwieweit das im „Fabian“ dargestellte weibliche Image möglicherweise Parallelen zu den Ansichten des Autors selbst aufweist, folgt im zweiten Kapitel eine Analyse der Beschreibung sowie eine Einordnung der bedeutendsten Frauentypen Irene Moll, Cornelia Battenberg und der Mutter Fabians. Auf diese drei Charaktere wird in den anschließenden Kapiteln, dem Kern dieser Arbeit, näher eingegangen, um die Funktion und Bedeutung der Figuren für den Roman zu verdeutlichen.

Als Resümee kann schließlich das vierte Kapitel betrachtet werden: durch das vermittelte Bild der Frauen und ihrer Handlungen entsteht der Eindruck eines zunehmenden Werteverfalls in der Gesellschaft, der neben der Versachlichung der Liebe auch die Arbeitslosigkeit, den technischen Fortschritt und die zunehmend bedrohliche politische Lage zur Ursache hat. So ergibt sich insgesamt ein Bild der Gesellschaft, mit dem Kästner den Leser vor einem „klaffenden Abgrund“[3]warnen wollte, dem sich seine Zeitgenossen näherten. Er wählte dafür das Mittel der Satire, denn er wusste: „Wenn auch das nicht hilft, dann hilft überhaupt nichts mehr.“[4]Schließlich stellt sich noch die Frage, ob das dargestellte Bild der Frau die Zuordnung des „Fabian“ zur Neuen Sachlichkeit unterstreicht, wobei Kästner selbst seine Werke nicht mit dieser Stilbezeichnung in Verbindung bringen wollte.[5]

2. Die „Neue Frau“ in der Weimarer Republik

Nachdem sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Folge des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses eine Veränderung des Rollenverständnisses der Geschlechter abzeichnete, kam es für die Frauen schließlich durch den Ersten Weltkrieg zu einem deutlichen Einschnitt im gesellschaftlichen und politischen Sinne. War die Idee von einem selbstständigen und selbstbewussten Leben zuvor nur von einem elitären Teil der Frauen umsetzbar, wurde durch die Abwesenheit der Männer nun jede Frau in Gesellschaft und Arbeitswelt gefordert.[6]

Als Ziel der seit Kaiserzeiten bestehenden Frauenbewegung erlangten die Frauen in der Weimarer Republik das Wahlrecht und damit politische Einflussmöglichkeit. Doch auch im sozialen Leben eröffneten sich zumindest Teilen der jungen und ungebundenen Frauen durch eine Veränderung der Moralvorstellungen und ein neues weibliches Selbstverständnis ganz neue Möglichkeiten der Lebensplanung.

Die Protagonistinnen dieser „Neuen Frau“ fanden sich vor allem in großbürgerlichen, oftmals akademisch gebildeten Frauenkreisen von Journalistinnen, Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und Tänzerinnen. Vor allem in Großstädten ansässig, brachen sie mit dem traditionellen Lebensstil ihrer Mütter und lebten und wirkten jenseits der konventionellen Auffassungen von Ehe und weiblichen Verhaltenslehren.[7]

Die Frauen der „Goldenen Zwanziger“ strebten das Leben in einer gleichberechtigten Partnerschaft und die Ausübung eines Berufes an. Sie arbeiteten jedoch nicht nur, sondern gingen auch in Cafés, Bars, in Tanzpaläste oder Kinos. Dabei schlossen sie Heirat und Kinderwunsch nicht kategorisch aus – radikale Frauenbewegungen lehnte die „Neue Frau“ ab und orientierte sich mehr an der weiblichen Selbstdarstellung in der Kultur der Weimarer Republik.

Zwar verfügten aus finanziellen Gründen oft nur großbürgerliche und adelige Frauen über die Möglichkeit, einen Lebensstil abseits der Norm zu führen und am uneingeschränkten Konsum der neuesten Mode sowie an Kultur, Unterhaltung und Freizeit teilzunehmen. Doch das in der Öffentlichkeit durch Werbung und Medien propagierte Bild der „Neuen Frau“ veranlasste auch viele Frauen aus der Arbeiterklasse zur Nachahmung. Bubikopf, kurzer Rock und Zigarette wurden in der Weimarer Republik zur Modeerscheinung einer Massenkultur, dessen Glanz sich erst im Zuge der Weltwirtschaftskrise langsam wieder verlor.[8]

3. Fabian, Kästner und die Frauen

Die Frauengestalten erfahren im „Fabian“ eine überwiegend negative Darstellung, was laut Rauch zu einer „Diskussion über Kästners imaginierte Weiblichkeit“ anregen dürfe. Letztlich unterscheidet Kästner im Roman drei Typen von Frauen: die unmoralische „femme fatale“, wie sie durch Irene Moll verkörpert wird, die moderne, karriereorientierte Cornelia Battenberg und die selbstlose Mutter Fabians. Während Irene Moll und Cornelia jedoch ihr von tradierten Verhältnissen befreites Auftreten verbindet, entspricht die der Frau Fabian dem völlig gegensätzlichen, in Kästners Werken glorifizierten Muttertypus.[9]

Das Prinzip der Neuen Sachlichkeit wird im Roman in erster Linie von den emanzipierten Frauenfiguren verkörpert, wobei in der Art ihrer Beschreibung eine gewisse Abscheu Kästners zu erkennen ist. So spricht Fabian im Zusammenhang mit dem Atelier der lesbischen Künstlerin Reiter von einem „Saustall“ und empfindet die Beziehung zwischen Reiter und „der Selow“ als Perversion, die nur aus einer Frustration über gescheiterte Beziehungen zu Männern heraus entstanden sei.[10]Seine eigene Sexualität ist eher bodenständig, Fabian sucht seinen Fluchtpunkt stets in der „Trias der heiligen Familie“, insbesondere bei der Mutter, die dem traditionellen Bild der Frau entspricht.[11]

[...]


[1]Kästner, Erich: Fabian und die Sittenrichter. In: Erich Kästner: Fabian. Die Geschichte eines Moralisten. 21. Auflage. 2005, S.239

[2]Vgl. Möllenberg, Melanie: Eine ausweglose Krise? In: Bernhard Meier (Hrsg.): Erich Kästner-Jahrbuch Band 5, 2008, S.116

[3]Kästner, Erich: Fabian und die Sittenrichter. In: Erich Kästner: Fabian. Die Geschichte eines Moralisten. 21. Auflage. 2005, S.240

[4]Kästner, Erich: Fabian. Die Geschichte eines Moralisten. 21. Auflage. 2005, S.10

[5]Vgl. Jürgs, Britta: Neusachliche Zeitungsmacher, Frauen und alte Sentimentalitäten. In: Sabina Becker und Christoph Weiß (Hrsg.): Neue Sachlichkeit im Roman. 1995, S.195

[6]Vgl. URL: http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/alltag/frau/index.html (Stand: 24.03.08)

[7]Ebd.

[8]Ebd.

[9]Vgl. Rauch, Marja: Erich Kästner. Fabian. 2001, S.36

[10]Vgl. Jürgs, Britta: Neusachliche Zeitungsmacher, Frauen und alte Sentimentalitäten. In: Sabina Becker und Christoph Weiß (Hrsg.): Neue Sachlichkeit im Roman. 1995, S.206

[11]Vgl. Ladenthin, Volker (Hrsg.): Erich Kästner Jahrbuch. 2004, S.129

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Frauenfiguren und das neusachliche Bild der Frau in Erich Kästners „Fabian“
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Deutsche und Niederländische Philologie )
Veranstaltung
Einführung in die Textanalyse
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V205685
ISBN (eBook)
9783656323716
ISBN (Buch)
9783656324997
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Frau, Neue Sachlichkeit, Weimarer Republik, Neue Frau
Arbeit zitieren
Wiebke Hugen (Autor:in), 2008, Frauenfiguren und das neusachliche Bild der Frau in Erich Kästners „Fabian“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205685

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