Metropolitanes Symbol und stadtbaupolitische Identität

(Un-)Sichtbarkeit und Repräsentativität des Städtebauprojekts Stuttgart 21


Masterarbeit, 2012

85 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung – Stadtbild, Leitbild, Abbild

2. Städtebau als Repräsentationsfeld der Moderne

3. Der Stuttgarter Bahnhof am Übergang zum 21. Jahrhundert

4. Stuttgart 21 Zwischen Zukunftschance und Schwabenstreich
4.1 Stadtentwicklungskonzept Stuttgart – Leitbilder und Impulsprojekte
4.2 Akteure und Positionen
4.2.1 Zielsetzungen und Verwertungsinteressen
4.2.2 Handlungsstrategien

5. Zur urbanen Ikonographie städtischer Infrastrukturanlagen

6. Konflikte metropolitaner Bildwelten
6.1 Stadtentwicklung zwischen Technokratie und politischer Symbolik
6.2 Räume repräsentativer Stadtkultur

7. Der Kopfbahnhof als urbanes Symbol

8. Stuttgart 21 – Impuls urbaner Vision

9. Der Stadtraum als Träger lokaler Identität

10. (Re)Konstruktionen lokaler Identität
10.1. Reproduzierte Stuttgarter Räume nach Lefebvre
10.2. „Stadt des Protests“

11. Fazit: Stuttgart 21 - (Un-)Sichtbarkeit und Repräsentativität städtischer Bedeutungszusammenhänge

Literaturverzeichnis

ANHANG

"Die Globalisierungskräfte wirken keineswegs eingleisig in der Form einer räumlichen Dispersion der Ökonomie, einer Erosion sozialstaatlicher Arrangements oder einer Nivellierung kultureller Unterschiede. Der Auflösung tradierter Standortbindungen stehen neue Standortbindungen gegenüber, und der komplementäre Prozess zur "Entbettung" ist die "Rückbettung". Der Tendenz zu einer Nivellierung kultureller Unterschiede steht die Revitalisierung lokaler Kulturen und Identitäten gegenüber."[1]

1. Einleitung – Stadtbild, Leitbild, Abbild

Die architektonische Entwicklung von Städten spiegelt politische Machtverhältnisse, wirtschaftliche Orientierungen sowie soziokulturelle Bedeutungszusammenhänge. Die Transformation des städtischen Raums wird somit direkt zum Kristallisationspunkt kollektiver Aushandlungsprozesse auf Basis unterschiedlicher Verwertungsinteressen. Diese sollen am Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21 anhand einer kulturwissenschaftlichen Perspektive untersucht werden, um abseits der politischen Planungsverfahren den Stadtraum als Bedeutungsträger und dementsprechend als wirkenden Akteur der Stadtplanung herauszuheben.

Die „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ des Jahres 2007 definierte den Zeitgeist aktueller Stadtentwicklungsprozesse. Der Charta zufolge kristallisieren sich dabei Ganzheitlichkeit, Vernetzung und Nachhaltigkeit als zentrale Elemente der Stadtentwicklung heraus.[2] Des Weiteren wird auf die zunehmende Relevanz der Bündelung privater und öffentlicher Investitionen und dementsprechende Governance-Strukturen verwiesen. Festgehalten wurden die Ziele der Herstellung und Sicherung qualitätsvoller öffentlicher Räume, der Modernisierung der Infrastrukturnetze und der Steigerung der Energieeffizienz sowie die Initiierung einer aktiven Bildungs- und Innovationspolitik.[3] Die Thematik der Stadtentwicklung wird dabei zunehmend durch den Filter der Baukultur diskutiert. Baukultur wird als stadtpolitisches Thema wiederentdeckt, wodurch Planung, Städtebau und der zugehörige öffentliche Diskurs neue Beachtung erfuhren. Die Ursache hierfür liegt in einer stärkeren Zuwendung zum Stadtraum als repräsentativer Imageträger. Stadtentwicklung wird immer häufiger als Methode zur Repräsentation der Stadt als ein nachhaltiges wirtschaftliches Innovationskapital gedacht und fokussiert die Ästhetisierung des öffentlichen Raums. Gleichzeitig kehrt die Vision des großen Plans in die Stadtplanung zurück als Impulsgeber einer nachhaltigen Stadtentwicklung.

Das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21 sieht zur Neuordnung des Eisenbahnknotens Stuttgart die Umwandlung des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof vor. Die Gleise und Bahnsteige werden dabei unter die Erde gelegt, die Seitenflügel des Kopfbahnhofes abgerissen und das Gleisvorfeld der städtebaulichen Entwicklung freigegeben. Der Initiator und Bauherr des Vorhabens ist die Deutsche Bahn AG. Wesentliche Teile des Finanzierungsvolumens übernehmen die Bundesrepublik Deutschland, das Bundesland Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart. Darüber hinaus beteiligen sich der Verband Region Stuttgart, die Flughafen Stuttgart GmbH sowie die Europäische Union hinsichtlich der Durchführung des Projektes „Magistrale für Europa“ an den Kosten des Projektes.[4] Der Bahnhof dient dabei gleichzeitig als neues Herzstück Stuttgarts und „zentraler Verknüpfungspunkt zwischen der bestehenden und der neuen City“.[5]

Mit der Etablierung der Projektkonzeption im öffentlichen Bewusstsein zog das Projekt schnell umfassende Kritik auf sich. Ein erstes Bürgerbegehren gegen die Durchführung von Stuttgart 21 wurde jedoch 2007 abgelehnt. In den Folgejahren intensivierte sich der Protest und kulminierte in den Großdemonstrationen im Herbst 2010. Nicht nur anhand der Ereignisse des „Schwarzen Donnerstags“ (30.09.2010), an dem der Einsatz der Polizei zur Absperrung des Schlossgartens und der Auflösung einer Demonstration eskalierte, wurde eine starke Emotionalisierung der städtebaulichen Diskussion deutlich. Resultierend daraus wurde ein Schlichtungsprozess einberufen, der die städtebaulichen Konzeptionen vermitteln und gleichzeitig ein Forum darstellen sollte, sowohl die Pläne, Visionen und Herausforderungen darzulegen als auch den Gegnern des Projekts eine politische Bühne zur Darstellung der alternativen städtebaulichen Gesichtspunkte zuzugestehen. Anhand der Beschreibung stadträumlicher Bezugssysteme während des Schlichtungsprozesses gilt es nun die jeweiligen symbolischen Aufladungen und die beiderseitigen Konstruktionsprozesse lokaler Identität herauszuarbeiten, um nicht nur die Emotionalisierung der Diskussion um Stuttgart 21 zu erklären, sondern darüber hinaus die Aushandlungsprozesse als Kristallisationsfeld differenter Stadtwahrnehmungen zu analysieren, welche im Zuge der Konstruktion medialer Bildwelten sich verräumlichen.

Die Diskussion um das Projekt Stuttgart 21 zieht ihr Konfliktpotential neben den unterschiedlichen infrastrukturellen und städtebaulichen Vorstellungen insbesondere aus divergierenden Raum- und Stadtbildern. Die städtebauliche Diskussion hat sich im Spannungsfeld zwischen befürwortender Marketingkampagne und entgegen gerichteter Protestkultur zu einem dynamischen Kristallisationspunkt lokaler Identitätsstrukturen entwickelt. Lokale Diskussionen wie auch soziale Konflikte mit Raumbezug konstituieren gesellschaftliche Bewegungen und Foren, welche zur (Re-)Konstruktion lokaler Identitätsstrukturen führen.

Der Stadtraum als Bedeutungsträger stellt dabei einen dynamischen Kontrapunkt zur modernen Stadtplanung dar. Mental maps, Erinnerungsorte und kollektive Gedächtnisstrukturen transformieren nachhaltig stadtplanerische Entwicklungen. Resultierend daraus erscheint die Entwicklung von Stadtbildern und Leitbildern zu elementaren Komponenten der Vermittlung von Prozessen der Stadtplanung geworden zu sein. Die kommunikative Vermittlung von Städtebauprojekten basiert dabei auf der Emotionalisierung der Stadtentwicklung, da die Transformation der Stadtstruktur einem Eingriff in lokale Identifikationsmuster gleichzusetzen ist. Folglich resultieren aus der Entwicklung von Leitbildern und Stadtimages zwei polarisierende und gegensätzliche Kräfte: Bindung an die traditionelle Stadtstruktur und deren Gebrauchswert sowie die zukunftsorientierte Stadtgestaltung und die Fokussierung auf Tauschwert und Potentiale der Stadtentwicklung.

Identifikation und Repräsentativität, Identität und Image sind in Zeiten der globalisierten und flexibilisierten Arbeitsstrukturen, der Dienstleistungsgesellschaft und des glokalen Wettbewerbs zentrale Kategorien im Wettbewerb um die ´besten Köpfe´, wirtschaftliche Innovationen und Tourismus. Die postindustrielle Stadtpolitik setzt dabei auf weiche Standortfaktoren, welche die Stadtgestalt, die Nutzung des öffentlichen Raums und damit einhergehend die Sozialstruktur nachhaltig zu ändern vermögen. Die aktuellen Konflikte um Gentrifizierung, gated communities sowie Prozesse der Aneignung und Nutzung des öffentlichen Raums stehen beispielhaft für die neue Konkurrenz um den Stadtraum.

„Die zeitgenössischen Debatten um urbane Identität bleiben ebenso virulent wie die Frage nach der Eindeutigkeit von Identitätszuschreibungen tendenziell offen bleibt. Wertungs- und Umwertungsprozesse bezüglich des städtebaulichen und architektonischen Bestands folgen komplexen kulturpolitischen und kultursoziologischen Prozessen, die im Einzelfall immer wieder neu hinsichtlich ihrer Dynamik, der Motive ihrer Protagonisten sowie hinsichtlich der Stringenz ihrer Deutungen analysiert werden müssen.“[6]

In der Arbeit geht es darum die wissenschaftlichen Disziplinen der Architektursoziologie und der Stadtsoziologie miteinander zu verbinden, um den Konflikt um den städtischen Raum theoretisch fundieren zu können. Beiden Disziplinen ist gemein, den öffentlichen Raum in seiner Gestalt als tragende Komponente des sozialen Lebens zu untersuchen. Unterschieden werden muss dabei jedoch die Perspektive: die Stadtsoziologie untersucht die Stadt als soziales Beziehungssystem, während die Architektursoziologie die Materialität des gebauten Raums fokussiert und sich mit der wechselseitigen sozialen Produktion des Raums auseinandersetzt. Nun gilt es die Disziplinen gewinnbringend zu vereinen, da der stadtsoziologische Konflikt um Stuttgart 21 architektursoziologisch ausgetragen wird. Gelungen ist dies raumsoziologisch unter anderem durch die Arbeiten von Martina Löw, welche die Form und den Inhalt des Stadtraums als „relationale (An-)Ordnungen sozialer Güter und Menschen an Orten“[7] beschreiben. Daher sollen unter anderem die Konzepte des Spacing und der Syntheseleistung bezüglich der Aneignungsprozesse des öffentlichen Raums im Kontext des Städtebauprojekts Stuttgart 21 Anwendung finden. Herausgehoben werden soll mit Hilfe der Theorien Lefebvres zur Produktion des Raums, dass das Städtebauprojekt Stuttgart 21 zu verschiedenen Ebenen der Raumproduktion sowie zur Transformation von Bedeutungsmustern und Identitäten führt.

Die Zielsetzung dieser Arbeit besteht darin, die städtebaupolitische Logik des Projekts Stuttgart 21 hinsichtlich ihrer metropolitanen Symbolik herauszuarbeiten und gleichzeitig den Stadtraum als Bedeutungsträger und Kristallisationspunkt urbaner Identität im Zeitgeist glokaler Stadtentwicklung zu hinterleuchten. Ausgegangen wird davon, dass die Konstruktion metropolitaner Symbolik zu den Konstanten der Vermittlung von stadtbaupolitischen Prozessen gehört. Metropolitanität ist demnach als diskursives Modell zu verstehen, welches die Grundlage für die Repräsentativität von Projekten des Städtebaus bildet. Metropolitane Leitbilder werden aufbauend auf ihren stadträumlichen Bedeutungsmustern somit bautechnisch und infrastrukturell repräsentiert. Folglich sollen die projektbezogenen Kommunikationsprozesse im Hinblick auf die konstruierte stadträumliche Repräsentativität untersucht werden, um abschließend die metropolitane Symbolik als aktives Leitbild der Stadtentwicklung herauszuarbeiten.

2. Städtebau als Repräsentationsfeld der Moderne

Hans Heinrich Blotevogel unterscheidet zwischen vier metropolitanen Funktionen, die in wechselseitiger Beziehung stehen: Entscheidungs- und Kontrollfunktion, Innovations- und Wettbewerbsfunktion, Gateway-Funktion sowie Symbolfunktion.[8] Weiterhin bezieht Blotevogel die Metropolitanität und Innovationskraft auf die Dichte von unternehmerischen, wissenschaftlichen und kulturellen Akteuren im privaten und öffentlichen Sektor.[9] In diesem Sinne lässt sich insbesondere die Gateway-Funktion für die metropolitane Ausstrahlungskraft als konstitutiv betrachten. Hierbei geht es zum einen um die infrastrukturelle Erreichbarkeit als auch um die metropolitane Repräsentativität im Sinne der Symbolfunktion. Die Konstruktion metropolitaner Symbolik fungiert dementsprechend einerseits als repräsentative Stadtpolitik und andererseits als Instrument der Konstitution stadtbaupolitischer Identität. Somit befinden sich Muster von Repräsentativität stets im Spannungsfeld zwischen urbaner Ikonographie und der Konstitution von lokalen Chronotopoi. Dieses Spannungsfeld gilt es zu hinterleuchten, um die Komplexität der Diskussion um das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21 analysieren zu können und als Mechanismus der Restrukturierung einer Stuttgarter Identität zu verstehen. In diesem Sinne geht es darum, den Städtebau als Medium und dementsprechend den Stadtraum als Bedeutungsträger im Schlaglicht der medialen Repräsentation zu betrachten, denn „Stuttgart 21 macht sichtbar, was nicht lokalisierbar ist.“[10]

„Das Wiederaufleben der Diskussion über städtebauliche Leitbilder wurzelt in einer eigentümlichen Mischung aus globalen Entwicklungen, die von ´außen´ auf die Städte einwirken, und aus lokalen Optionen und Zwängen.“[11]

Städtebau und Stadtplanung als zielgerichtete politische Prozesse der Stadtentwicklung entsprechend ihrer Potentiale und dementsprechender Ideale sind nicht nur als Entwürfe eines Raumbildes zu betrachten, sondern vielmehr als initiative Projekte der Nutzungskonfiguration zu analysieren. In diesem Kontext sind Leitbilder als Medien der Architekturplanung zeitgenössisches Kristallisationsfeld von Identifikationsprozessen mit Stadtstruktur und lokaler Identität. Die angestrebten Ideale sind Teil der spezifischen Planungskultur, welche den Konflikt um den Stadtraum in der Art der Mediation manifestiert. Die britische Stadtplanerin Healey unterscheidet zwischen zwei idealtypischen Planungskulturen: zum einen die entscheidungsorientierte Planungskultur, welche die klassische Stadtplanung bestimmte und die verständigungsorientierte Planungskultur,[12] welche seit dem „communicative/ argumentative turn“[13] in der Stadtplanung tendenziell als Vorbild der Planungspraxis gilt. Entgegen der medial repräsentierten Logik des Schlichtungsverfahrens als Ansatz verständigungsorientierter Planungskultur muss jedoch eher von einer entscheidungsorientierten Planungskultur gesprochen werden, worin ein Argument für die starke Emotionalisierung des Stadtraums in der städtebaulichen Debatte um Stuttgart 21 liegen könnte. Die Schlichtungsrunde sollte getroffene Entscheidungen im Nachhinein verständigungsorientiert legitimieren. Der Ansatz der Projektgegner lag jedoch in der vollständigen Neuorientierung des Städtebauprojekts und somit einer nachhaltigen Rekonstitution der Planungskultur. Die unternehmerische Stadt der Dienstleistungsgesellschaft ist jedoch durch die Standortkonkurrenz weitestgehend auf die entscheidungsorientierte Planungskultur angewiesen. Nichtsdestotrotz gilt es, die Stadtbevölkerung in die stadtpolitischen Entscheidungen einzubinden und verständigungsorientiert zu handeln. Die Lösung für diese Diskrepanz zwischen Entscheidungsdruck und Verständigungsanforderung liegt in der stärkeren Professionalisierung der Leitbilder und einer damit verbundenen Medialisierung der Stadtentwicklung.

Stadtpolitische Leitbilder sind somit als Phänomen der städtebaulichen Moderne zu begreifen im Sinne der Vermittlung entscheidungsorientierter Planungskulturen. Die komplexen Anforderungen und der eingegrenzte Handlungsspielraum von Städten positioniert Leitbilder als Instanzen einer wirtschaftlich orientierten Stadtpolitik. Neben der Präsentation und Entwicklung eines Images geht es also auch um Verstetigung politischer Planungspraxis: „Leitbilder sollen hierarchische und formalisierte Planungsverfahren als kommunikative Komponente ergänzen und den Akteuren dazu verhelfen, im Diskurs bislang unerkannte Optionen für innovative Lösungen zu entdecken.“[14] Erfolgreiche Planung wird somit in Zusammenhang mit einer erfolgreichen Vermittlung angemessener Leitbilder gesetzt. Die Entwicklung von Leitbildern und Idealtypen der Stadtentwicklung positioniert sich als unverzichtbarer Bestandteil der Planungspraxis. Die Leitbilder sind zu inszenierbaren Ideologien geworden, während die Idealtypen der Stadtentwicklung einem Mythos der visionären Zukunft gleichkommen. Stadtmarketing und Stadtentwicklung orientieren sich dabei zunehmend am Erlebniswert der Stadt. Jener Mythos als immaterielles Element von Stadtkulturen wirkt als Grundmuster der Wahrnehmung und wird in seiner emotional-affektiven Leistungsfähigkeit als Bild inszeniert. Ein zentraler Idealtypus der Stadtentwicklung, welcher als Mythos symbolisch instrumentalisiert wird, ist jener der Urbanität. So weist der Soziologe Thomas Wüst in seiner Monographie zu jenem Konstrukt zu Recht darauf hin, dass Urbanität „ein kritikresistentes Faszinosum“[15] sei . Die Unsichtbarkeit der Urbanität fungiert dabei als konstitutives Wahrnehmungsmuster hinsichtlich der Wirkungsmächtigkeit des Begriffs:

„Das Wort evoziert Bilder. Wer von Urbanität spricht, ruft Sequenzen träumerischer Stadtansichten herbei. […]Ein ferner Sehnsuchtsort der flüchtigen Begegnungen, der welthaltigen Gespräche und zivilen Umgangsformen.“[16]

Die Argumentation von Wüst hinsichtlich des Mythos´ Urbanität basiert im Wesentlichen auf der Fragestellung, ob Urbanität als stadtgebunden oder ubiquitär zu bezeichnen ist. Aufbauend auf der Feststellung von Häußermann und Siebel, dass „Urbanität ubiquitär geworden“ sei und dementsprechend als ein Element des „modernen Sozialcharakters“ auch die moderne Stadt präge – und nicht umgekehrt,[17] kommt man zu der These, dass sich der Mythos der Urbanität von der Stadt entkoppelt hat und als Schablone zeitgenössischen Städtebaus im jeweiligen Stadtraum Ausdruck findet. Demzufolge ist jede Planungstätigkeit als soziale und kommunikative Konstruktion als Inszenierung des Zeitgeistes zu verstehen. Die Stadtentwicklung wird gleichsam zunehmend imaginisiert und orientiert sich dabei an den „Bildfolgen eines urbanen Utopia“.[18] Leitbilder gelten in diesem Sinne als Instrumente der Komplexitätsreduktion, Harmonisierung und Emotionalisierung. Das stadtpolitische Leitbild fungiert folglich als Konstruktionselement eines Mythos der Stadtentwicklung.

Die Festivalisierung der Stadtpolitik[19] im Fokus der Konstruktion von Images und Identitäten wird institutionalisiert in repräsentativen Großereignissen und städtebaulichen Großprojekten. Hierbei geht es um die Verbindung von Mythen mit Bildern im Sinne der Stadtpolitik. Städtebau steht seither im Fokus einer verstärkten Image- und Wahrnehmungspolitik, durch welche die Tradition und Geschichte der Stadt mit Entwicklungsperspektiven in Verbindung gesetzt werden sollen. Des Weiteren gilt es Raumrelationen zu entwickeln, die repräsentativ für eine unternehmerische Stadtpolitik stehen. Den Möglichkeiten der virtuellen Kommunikation entsprechend ist die Stadtpolitik darauf angewiesen urbane Vorstellungswelten zu konzipieren, die urbane Spezifika und städtebauliche Ikonographie zu Leitbildern der Stadtentwicklung vereinen. Dementsprechend werden urbane Vorstellungen durch die Transformation städtischer Strukturen materialisiert und sowohl Deutungsmuster als auch Identifikationsangebote produziert.

Leitbilder als Instrumente zur Fixierung von Vorstellungsräumen und damit als Grundlage urbaner Identitätskonstruktion zielen folglich auf eine Inszenierung der Stadt ab, welche über den aktuellen Stand hinweg Entwicklungsperspektiven bieten. Konstitutive Elemente für Leitbilder sind daher die verdichtete, bildhafte Darstellung von stadtentwicklungspolitischen Zielsetzungen, die offene Verbindlichkeit zur Festschreibung von Tendenzen der Stadtpolitik sowie die Kombination von Mehrheitsfähigkeit und rahmengebendem Moment des Kommunikationsprozesses. Zudem gilt es das Leitbild mit einem visionären Charakter zu versehen, um den Entwicklungsprozess durch ein utopisches Moment zu legitimieren.[20] Die emotional-affektive Wirkung induziert eine ideologische Instrumentalisierung, denn „Bilder kann man nicht widerlegen“[21] und „Bilder sind immer ein Beweis.“[22] Hieran lässt sich jedoch gleichsam der Ursprung des Konfliktes um die Wahrnehmung des Stadtraums erkennen. Es ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen Imagination und Tradition, Repräsentativität und Identität, zwischen Zukunftschance und Geschichtsvergessenheit.

Die Projektkonzeption von Stuttgart 21 spiegelt die Prozesse der Urban Political Economy-Theorie[23] wider. Die Urban Political Economy-Theorie unterscheidet zwischen der Wachstumskoalition aus Politik, Wirtschaft und Immobilienbranche (growth-machine der placeentrepreneurs) und der Gruppe der alltäglichen Nutzer, der Bewohner als auch der sozialen Projekte innerhalb eines städtischen Quartiers. Der wirtschaftlich-orientierten Produktion von Symbolen und Images stehen demzufolge die Repräsentativität der Stadtkultur und die Konstitution von Erinnerungsorten gegenüber. Gröschel und Kirchberg beschreiben dieses Phänomen als Prozess, bei dem an die Stelle der normativen Stadtkultur die Suggestionskraft von Bildern, Ästhetik und globalen Produkten tritt.[24] Die unterschiedliche Bewertung und daraus resultierende Wahrnehmung des Stadtraums zwischen Tausch- und Gebrauchswert führt zur Entwicklung diverser Interessengruppen in Bezug auf die Inwertsetzung und/oder Erhaltung des Stadtraums.

Pierre Bourdieu weist in seinem Artikel „Ortseffekte“ auf eine Wechselbeziehung zwischen Strukturen des physischen Raums und denen des Sozialraums hin.[25] Durch die relationale Lokalisierung wird der Ort zum Sozialraum, der in der Struktur und Gestaltung symbolisch rekonstruiert wird. Infolge der Einschreibung in den physischen Raum kommt es zu soziokulturellen Beharrungskräften, welche rückwirkend die Gestaltung des Stadtraums symbolisch aufladen. Der städtische Raum repräsentiert folglich einen materialisierten Sozialraum. Somit ist ein Ansatz gefunden, Städtebau im Sinne von lokalen Transformationsprozessen als Kristallisationspunkt von Konflikten der Raumaneignung zu untersuchen.

Mit den veränderten Anforderungen an die Stadtpolitik im Zuge der Globalisierung der Produktionsverhältnisse und Dienstleistungsorientierung der Gesellschaft haben sich gleichsam die Akteure der Stadtproduktion den transformierten Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung angepasst. Die Stadt als Unternehmen löst das Konzept der Stadt als hierarchisiertes Produkt politischer Praxis dabei ab. Moderne Stadtpolitik ist daher darauf ausgerichtet den Stadtraum in einer Weise zu modernisieren, dass er als materielle Basis der Dienstleistungsgesellschaft dient. Hierbei geht es vor allem um die Konstruktion von Images und Infrastruktur.

„Im Image kumuliert der Ruf einer Stadt. Er basiert auf lokaler Geschichte, auf einzigartiger Materialität. Er gründet auf politischen Konstellationen und lokalen Bräuchen. In einer visuellen Kultur und unter Bedingungen globaler medialer Vernetzung bedarf diese Selbstvergewisserung wesentlich des Kommunikationsmittels „Bild“.“[26]

Laut Sharon Zukin ist es daher sinnvoller statt von Globalisierungseffekten beziehungsweise von Verräumlichung der Informations- und Unterhaltungsindustrie von einer Ökonomie der Symbole zu sprechen.[27] Zukin definiert die Ökonomie der Symbole als den Wettbewerb im Entwerfen gesellschaftlicher Visionen. Hierbei werden mittels architektonischer Bedeutungszusammenhänge und Repräsentationsmedien politische und wirtschaftliche Potentiale konzipiert.[28] Die Ökonomie der Symbole strukturiert eine eher materialistische Sichtweise auf Stadtkultur, wodurch urbane Qualitäten eher als prestigekonstituierende Basis für Innovation und lokale Investitionen betrachtet werden. Zukin verweist auf eine „fundamentale Wechselwirkung zwischen der Produktion des Raums und der Produktion kultureller Symbole[29], die dem Zeitgeist entsprechend politische, wirtschaftliche und kulturelle Codes entwirft. Der Argumentation Zukins folgend, bewegen sich Städtebau und Stadtentwicklung als politische Prozesse daher zwischen den Kategorien Nutzwert und Prestige. Dabei werden insbesondere zentrale architektonische Projekte im Stadtraum als repräsentative Stadtmodelle fokussiert, welche einerseits bestehende stadträumliche Probleme beheben sowie andererseits Visionen für einen lokalen Entwicklungsschub beinhalten sollen. Prestigeprojekte dienen dabei als Visualisierung einer der städtebaulichen Vision entsprechenden Entwicklungsdynamik.

Bourdieu beschreibt die Produktion von Räumen als Aushandlungs- und Durchsetzungsprozess auf der Grundlage symbolischer Güter. Entgegen des Ansatzes der Arbeiten Bourdieus, welche den Raum als Abbild der Gesellschaft in Form der Institutionalisierung sozialer Strukturen[30] betrachten, besteht angesichts globalisierender Stadtpolitiken die Tendenz der Raumproduktion, welche nicht mehr am spezifischen genius loci orientiert ist. Das Konzept des genius loci betont demnach den individuellen Charakter einer Stadt, welcher in der jeweiligen Architektur seinen Ausdruck findet und nicht durch Architekturtypen überformt wird.[31] Dementsprechend wird erneut deutlich, dass der gebaute Raum nicht nur als Intervention in den städtischen Raum zu betrachten ist, sondern ebenso die um den Raum strukturierten sozialen Relationen betrifft. Dieses neue Raumverständnis im Zuge des spatial turn konturiert die kulturellen Wechselverhältnisse zwischen der lokalen Symbolik, repräsentativer Ikonographie und städtischer Eigenlogik. Deutlich wird dabei, anlehnend an Lefebvre, dass diverse Kräfte an der Entwicklung von Architektur und urbanen Typologien Anteil haben. Dabei wird kein leerer Raum gestalterisch gefüllt, sondern der soziale Raum reproduziert.[32] Die urbane Wirklichkeit ist somit als soziale Konstruktion zu untersuchen und folglich als Spiegelbild des städtebaulichen Zeitgeistes zu betrachten.

Städte kommunizieren über die Stadtgestaltung und ihre Architektur. In diesem Sinne dient eine ikonographische Anpassung der Architektur an zeitgenössische globale Bautypen als kommunikatives Medium und Sprungbrett ins internationale Städteranking. Gängige Instrumente hierfür sind städtebauliche Großprojekte und lokal verortete Großveranstaltungen globaler Aufmerksamkeit aus Sport, Kultur und Wirtschaft. Dementsprechend konstatiert auch Kevin Lynch: „Ein klares und umfassendes Image für ganze Stadtregionen zu entwickeln ist die Hauptaufgabe der Zukunft.“[33]

3. Der Stuttgarter Bahnhof am Übergang zum 21. Jahrhundert

Bahnhöfe und deren architektonische Gestaltung avancierten im 19. Jahrhundert zu einem materialisierten Symbol des kulturellen Zeitgeistes und dem durch die Industrielle Revolution hervorgerufenen gesellschaftlichen Wandel. In dieser Zeit setzte eine städtebauliche Entwicklung ein, welche den Bahnhof als städtischen Raum im Sinne einer repräsentativen Funktion verstand und neben seiner infrastrukturellen Funktionalität auch eine Gestaltung entsprechend der Stadtkultur angestrebt wurde.[34] In diese Zeit fällt auch die Charakterisierung des Bahnhofs als Symbol verdichteter Urbanität und Kristallisationspunkt städtischer Entwicklungsschübe. Die Infrastrukturbauten wurden als Räume repräsentativer Stadtgestaltung zu Wahrzeichen technologischen Fortschritts und Orientierungspunkte der Stadtbevölkerung als Orte der Alltagserfahrung und symbolischer Repräsentation.[35]

Bahnhöfe fungierten als neue Tore zur Stadt, Orte der Ankunft und des Abschieds, der wirtschaftlichen Verbindung sowie der politischen Repräsentation. Als bedeutender architektonischer Bautypus im 19. Jahrhundert verdichteten sich am Bahnhof der gesellschaftliche Fortschritt und kulturelle Zeitgeist.[36] Als neue Kristallisationspunkte der Metropolenkultur wurden die Infrastrukturanlagen zu Wahrzeichen lokaler Repräsentativität und städtischer Kultur und standen somit im „Mittelpunkt städtischen Lebens. Der Dom hat seine Zeit gehabt.“[37] Die Architektur der Bahnhöfe als „Kathedralen der Moderne“[38] vermittelte darüber hinaus den politischen Machtanspruch der Städte und Regionen sowie wirtschaftliche Prosperität durch die Konstruktion urbaner Erlebniswelten. Insbesondere die Bahnhofsarchitektur des Kopfbahnhofes stellte den transitorischen und vermittelnden Charakter des Übergangsraums zwischen Stadt und Welt heraus.

„Die Bahnhöfe versinnbildlichen damit neue Stadtportale, schaffen sich Triumphbögen ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Macht, Brückenköpfe der Stadterweiterung, um die herum sich Geschäftsleben, Kultur, Unterhaltung, neue Industrie- und Wohngebiete etablieren.“[39]

Auch die Stuttgarter Stadtentwicklung ist eng mit der Entwicklung seiner Bahnhofsbauten verbunden. Den Zwängen und Möglichkeiten des durch die Industrialisierung hervorgerufenen rasanten Wachstums, galt es einen sowohl repräsentativen als auch leistungsfähigen Bahnhof zu konzipieren. Der erst 1867 fertiggestellte Vorgänger des Bonatz-Baus war schon zur Jahrhundertwende mit dem erhöhten Verkehrsaufkommen überlastet, so „dass nur ein großzügiger Neubau der abermals unterschätzten Entwicklung des Eisenbahnverkehrs gerecht werden konnte.“[40] Die Standortfrage wurde dabei nicht ausschließlich betriebstechnisch untersucht, sondern ebenso als repräsentative Aufgabe gedacht. Die Möglichkeit eines Durchgangsbahnhofes wurde schon damals neben repräsentativen Gründen auch funktional aufgrund von Ergebnissen einer Umfrage verworfen, welcher zufolge 95% der Reisenden Stuttgart als Ziel[41] benannten. Die Planung des Stuttgarter Kopfbahnhofes fiel in eine Zeitepoche der „Megalomanie immer größerer, pompöserer, prestigeträchtigerer Bahnhofsbauten.“[42] Die Entscheidung zugunsten eines Kopfbahnhofes hatte folglich stadträumliche und repräsentative Gründe. Der Kopfbahnhof und die damit verbundene Empfangssituation sollten die Bedeutung der Stadt als Verkehrsziel hervorheben und gleichzeitig somit das Stadtzentrum nachhaltig stärken. Neben der besseren wirtschaftlichen Einbindung des Stadtzentrums galt es folglich, der Hauptstadt Württembergs, einer bedeutenden Residenzstadt, eine entsprechende infrastrukturelle Repräsentation zu verleihen. Die fortschrittliche urbane Bedeutung des neuen Bahnhofs, der „richtungsweisend für den modernen Bahnhofsbau in Deutschland wurde“, spiegelte sich unter anderem in der „Bündelung verschiedener Nutzungsformen“[43]: Im Bahnhofsgebäude waren sowohl ein Postamt und ein Hotel als auch unter anderem ein Kino untergebracht.

Die Standortentscheidung für den neuen Bahnhof repräsentiert den für die Stadtentwicklung logischen Kompromiss der Einbindung historischer Bezüge bei der Planung der zukünftigen Entwicklung. Es entstand ein großzügiger Bahnhofsneubau außerhalb der historischen Stadtgrenzen, dessen Bahnhofsturm das alte Königstor ersetzte. Die Entscheidung für den Standort fällte König Wilhelm II. von Württemberg infolge eines Planungswettbewerbes. Die Relevanz des Bahnhofsprojekts lässt sich leicht an der regen Teilnahme an der Ausschreibung erkennen: 70 Büros reichten auf Anfrage der Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen ihre Pläne ein. Den Wettbewerb gewann der Vorschlag des Architekturbüros von Paul Bonatz und Friedrich Eugen Scholer. Der Name des Konzeptes von Bonatz und Scholer – umbilicus suevaie (dt: Nabel Schwabens) – kennzeichnet dabei die intendierte symbolische Monumentalität des Bahnhofs, „der mehr bedeutet als früher ein Stadttor, mehr als alle Tore einer Stadt zusammen, der wirklich der Nabel des Landes und im Stadtorganismus ein wichtiges Glied ist.“[44] Lediglich einer Veränderung wurden die Pläne unterzogen: der Bahnhofsturm wurde von der Hauptfassade an den Südflügel versetzt, zum einen um in die perspektivische Hauptachse der heutigen Königsstraße zu rücken, zum anderen um den Bahnhofsturm mit dem Königlichen Wartesaal zu verbinden[45] und ihn somit repräsentativ in Szene zu setzen. Somit konnte der Bahnhof in die historische Stadtgestalt eingegliedert werden und die Wahrnehmung des traditionellen Stadtraums Stuttgarts verstärken.

Die städtebauliche Einbindung des Bahnhofs war also ein zentrales Element der Bahnhofskonzeption und wird auch in der Bahnhofsarchitektur repräsentiert.[46] So entsprechen beispielsweise die Dimensionen der beiden Schalterhallen der jeweiligen städtebaulichen Relevanz der Königsstraße und der Lautenschlagerstraße.[47] Die größere Schalterhalle, der Bahnhofsturm und der Königliche Wartesaal setzen den Zielpunkt der zentralen städtebaulichen Achse Stuttgarts, der Königstraße. Die kleine Schalterhalle wurde in Bezug zur, nachträglich in den Stadtraum eingefügten, Lautenschlagerstraße gesetzt und vorrangig durch die Berufspendler genutzt. Auch funktional wurde der großen Schalterhalle am Ende der Königstraße mehr Bedeutung zugemessen: So war diese dem Fernverkehr vorbehalten, während die kleine Schalterhalle den Vorortverkehr koordinierte.[48] Entlang der Empfangshalle des Bahnhofs wurde der öffentliche Raum konzipiert als verbindendes Medium zur Stadtstruktur. Der Bahnhofsplatz wurde zum Sinnbild des neuen Stuttgarts im Aufbruch ins 20. Jahrhundert.[49][50]

Der Stuttgarter Stadtraum wurde im Zuge des Zweiten Weltkrieges zu großen Teilen zerstört und spätestens durch die städtebaulichen Maßnahmen entsprechend der urbanistischen Moderne im Sinne der autogerechten Stadt auch in seiner Struktur nachhaltig transformiert und zergliedert. Hierin lässt sich ein Grund für die emotionale Bindung an die stadträumlichen Kulturdenkmäler erkennen.

"Viele Stuttgarter lehnen das Projekt ab, weil es nicht zum Stadtbild passt. Architekten sprechen von einer vierten Zerstörung Stuttgarts, nach jener durch den Krieg und die Verkehrsplanungen der 50er und 60er Jahre."[51]

In ähnlicher Weise argumentiert Stephan Trüby, indem er auf die wahrzunehmende „Abrissgeschichte historischer Baudenkmäler“ in Stuttgart im 20. Jahrhundert verweist, welche „zwangsläufig zu allergischen Reaktionen führen musste.“.[52] Bedeutende Beispiele der Stuttgarter Abrisserfahrungen sind das Kaufhaus Schocken, welches 1960 gegen internationalen Protest einer Straßenverbreiterung weichen musste, oder das 1963 abgerissene Kronprinzenpalais. Weitere Gebäude, wie das Alte Schauspielhaus, die Markthalle und das Neue Schloss konnten nur durch den Protest von Denkmalschützern und Teilen der Stuttgarter Bürgerschaft erhalten werden. Der in den 1960er Jahren entstandene zweifelhafte Ruf der „Abrisshauptstadt Deutschlands“, kündet laut Trüby „(…) auch von der Entfremdung einer technokratisch geprägten politischen Elite von ihrem Land“.[53] Die Stuttgarter Stadtentwicklung stellt in Folge dessen ein anschauliches Beispiel der Emotionalisierung und symbolischen Aufladung der Stadtgestaltung dar.

„Auch so kann man Stuttgart 21 sehen: zum zweiten Mal innerhalb eines guten halben Jahrhunderts lässt sich die Stuttgarter Stadtbaupolitik dazu hinreißen, die Flucht nach vorn anzutreten, jede Menge unerledigte Geschichte(n) als städtebaulichen Albtraum liegen zu lassen und einer verheißungsvoll schillernden neuen Identität nachzujagen.“[54]

Die städtebauliche Einbindung des Stuttgarter Hauptbahnhofs wurde durch die Transformationen der autogerechten Stadt weitgehend aufgegeben. Die Neukonzeption des Stadtraums soll den Bonatz-Bau aus seiner stadträumlichen Isolation befreien und trotz der verkehrstechnischen Anforderungen wieder ein Bezugspunkt Stuttgarter Urbanität werden. Hierbei richtet sich jedoch die urbanisierende Funktion des Bahnhofs in Richtung der neu entstehenden Stadtmitte auf dem jetzigen Gleisvorfeld. Die stadträumlich trennende Wirkung des Arnulf-Klett-Platzes, welcher eher als verkehrstechnische Magistrale zu bezeichnen ist, wird somit indirekt gesteigert. Das Bahnhofsgebäude wendet sich der neuen Stadtmitte zu und die alte Innenstadt Stuttgarts bewegt sich perspektivisch hinter den Bahnhof.[55] Die städtebauliche Moderne tritt der traditionalen Stadtstruktur entgegen. Symbolisiert wird dies durch die perspektivische Kappung der Königsstraße, welche infolge der Realisierung des Tiefbahnhofes nicht mehr optisch am Schlossgartenflügel entlang ins Neckartal verlängert wird, sondern an einem stadtraumzerschneidenden Wall endet.[56] Hierin begründet sich die Skepsis gegenüber der Konstruktion der neuen Stadtmitte, welche unzureichend mit dem alten Stadtkern verbunden ist.

Hinzu tritt der häufig genannte Kritikpunkt, dass die Bahnhofshalle zur nutzlosen Beilage des neuen Bahnhofs verkümmern würde[57], welcher den Bonatz-Bau in seiner institutionalisierten urbanen Funktion als Empfangsgebäude repräsentiert. Hier wird darauf verwiesen, dass ein entscheidendes Wahrzeichen und Kulturdenkmal einer Stadt seinem Wert entsprechend in der Stadtstruktur und Raumwahrnehmung konzipiert sein müsse. Der Stuttgarter Kopfbahnhof gilt weithin als wichtigstes Bahnhofsgebäude zwischen Historismus und Moderne und stellt gleichzeitig ein Wahrzeichen und Orientierungspunkt für die jüngere Geschichte und das Stadtbild Stuttgarts dar. Insbesondere in jener stadträumlichen Suggestionskraft liegt der Grund für die Emotionalisierung der Diskussion um die städtebauliche Entwicklung. Als besonders problematisch gilt, dass es die Stadt Stuttgart selbst ist, die in Verbindung mit der Deutschen Bahn ein städtisches Kulturdenkmal aufgibt. 1987 wurde der Bahnhof in seiner Gesamtkonstruktion als „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“ ins Denkmalbuch gemäß des Denkmalschutzgesetztes eingetragen.[58]

„Seine singuläre Bedeutung gewinnt der Bau insbesondere durch seine unbestrittene Qualität und Ausstrahlungskraft (...) Von Anbeginn ragte zudem der Stuttgarter Hauptbahnhof aus der Reihe der deutschen Bahnhöfe heraus durch seine das Stadtbild bis in die Gegenwart prägende Gestalt und Stellung (...), dass seine Urheber sich des baukünstlerischen Werts entweder überhaupt nicht bewusst sind oder Ignoranz die bisherigen Planungsschritte bestimmt hat. (...) Jegliches Gespür für den Wert der eigenen Geschichte droht in Stuttgart jedoch verloren zu gehen.“[59]

Deutlich wird, dass Architekturen Bilder und Räume mit diversen Deutungsmustern produzieren, welche den Umgang mit den jeweiligen Typen definieren und nachhaltig bestimmen. Der Bonatz-Bau steht als bedeutendes Bauwerk der Baugeschichte repräsentativ für die Stadtentwicklung. Der Stuttgarter Kopfbahnhof als repräsentatives Beispiel eines lokalen Mikrokosmos mit urbaner Symbolfunktion besitzt demnach den Rang eines „architektur- und geistesgeschichtlichen Kulturzeugnisses“[60], den in Stuttgart nur noch die Weißenhofsiedlung verdient. In dem Sinne sind in Stuttgart zwei bedeutende Architekturströmungen des 20. Jahrhunderts („Neues Bauen“ und „Traditionalistisches Bauen“) vertreten, die als Erbe der Stuttgarter Stadtgeschichte gewürdigt und präsentiert werden sollten.[61]

„Als Fazit bleibt die Erkenntnis, dass der Stuttgarter Hauptbahnhof wie kein anderes Bauwerk der Stadt und des Landes die Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt: entworfen und begonnen in der liberalen württembergischen Monarchie, fertiggestellt in der Weimarer Republik, teilweise zerstört im Dritten Reich, wiederaufgebaut in den Jahren des Wirtschaftswunders, lieblos behandelt in den letzten Jahrzehnten und jetzt vom Teilabriss bedroht.“[62]

Bahnhöfe werden über den urbanen Kontext und die zeitgenössischen Sichtweisen definiert. Traditionell wird der Bahnhof als Kristallisationspunkt urbanen Lebens, als funktionaler anonymer (Nicht-)Ort oder als Inbegriff von Öffentlichkeit beschrieben.[63] Ausgehend von diesen Kategorien sollen in den folgenden Kapiteln die Inszenierung der spezifischen stadträumlichen Situation des Stuttgarter Hauptbahnhofes im Kontext der jeweiligen städtebaulichen Projekte und Visionen analysiert werden. Dadurch soll die metropolitane Symbolik und städtebaupolitische Identität im Kontext des Städtebauprojekts Stuttgart 21 herausgearbeitet werden.

4. Stuttgart 21 Zwischen Zukunftschance und Schwabenstreich

Die Strukturierung und Gestaltung von Städten zur Konstruktion und Konstitution von Bildern und Suggestionskräften urbaner Qualitäten unterliegt als Gegenstand von Identitäts- und Wahrnehmungskonflikten einer starken Politisierung. Paul Sigel betrachtet diesen Konflikt unter Verweis auf den italienischen Schriftsteller Italo Calvino als grundsätzliches Problem der widersprüchlichen Erinnerungs- und Benennungsprozesse:

Einerseits folgt individuelle Erinnerung bildlichen und räumlichen Strukturen, andererseits erzeugt ihre Fixierung durch Verbildlichung und Verwörtlichung eine Begrenzung, die gleichzeitig auch die Gefahr des Ausschlusses möglicher anderer Bilder bedeute.“[64]

Ähnlich verhält es sich bei Transformationsprozessen der Stadtgestalt. Durch die Rekonstitution urbaner Räume werden ebenso Bedeutungszusammenhänge, welche als immanente Strukturen der Stadtstruktur wahrgenommen werden, nachhaltig verändert und den städtebaulichen Leitbildern entsprechend modernisiert. Der Städtebau als politisches und wirtschaftliches Medium im Spannungsfeld zwischen spatial und iconic turn sowie genius loci und Identitätsankern fungiert dementsprechend als Ort politischer Implikationen. Übertragen auf den Städtebaukonflikt Stuttgart 21 gilt es daher nun die Akteure, Strategien sowie die Zielsetzungen zu analysieren und zudem die mediale Repräsentation mit der urbanen Topik zu verbinden. Als zielgerichtete Analysekategorien dienen dabei sowohl die Struktur der Stadtbilder als auch die Inszenierung des Bonatz-Baus als Erinnerungsort der Stuttgarter Stadtentwicklung und Kristallisationspunkt spezifischer urbaner Qualitäten. Dementsprechend konstatiert Sigel ebenso einen topological turn, welcher die Funktion identitätsstiftender urbaner Topoi neu beleuchtet.[65] Es besteht eine Zusammenwirkung der Zuschreibungen an die Stadträume einerseits und dem alltäglichen Erfahrungsraum und der entsprechenden medialen Verbreitung der Stadtbilder andererseits.[66] Gleichzeitig führt die daraus resultierende Regiemacht über die Bilder und Zuschreibungen zu einem Spannungsverhältnis der Stadtwahrnehmungen. Dieser Logik entsprechend galt es für die Protestbewegung alternative Stadtbilder zu erzeugen und somit mediale Repräsentativität zu erlangen. Hieraus entstand das Spektrum der Bilder zwischen Totengräber und Zukunftschance Stuttgarts, welche als mediale Kategorien auf den stadtpolitischen Diskurs einwirkten.

4.1 Stadtentwicklungskonzept Stuttgart – Leitbilder und Impulsprojekte

Das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21 dient als eines der zentralen Impulsprojekte der städtebaulichen Entwicklung und zukunftsgerechten Stadtpolitik.[67] Im Stadtentwicklungskonzept wurden acht Impulsprojekte erarbeitet, die die Prioritäten des Stadtumbaus definieren, „beispielhaft städtebauliche Ziele verkörpern, Kräfte bündeln und Motivation fördern“ und somit als „Multiplikatoren (…) für die Entwicklung des Gesamtraums fungieren“[68] sollen. Grundlegend lassen sich die Leitlinien und Impulsprojekte als Repräsentationsfeld des modernen Städtebaus lesen. Über die „Gestaltungsoffensive Historischer Stadtkern“, die Transformation von Verkehrsstraßen zu Boulevards (Umgestaltung des City-Rings), die Stärkung der Wohnfunktion in zentraler Lage, die Weiterentwicklung stadtbildprägender Quartiere (Stadtquartier Pragsattel „City Prag“ und Killesberg „Forum K“) bis hin zum Leitprojekt Flusslandschaft und zu der mit dem neuen Bahnhofsbau verbundenen Konzeption des Europaviertels, der Wissenschaftsstadt und der „Ausbildung eines urbanen Quartiers“[69] (Rosensteinviertel) bietet sich ein umfassendes Bild zeitgenössischer Stadtpolitik in Angesicht der Standortkonkurrenz. Deutlich wird daran, inwiefern metropolitane Imaginationen als Grundlage der Stadtentwicklung instrumentalisiert werden und über die Konstitution städtebaulicher Leitbilder Angebote städtebaulicher Identitätsstiftung inszeniert werden.

Die Impulsprojekte werden durch die Konzeption von vier thematischen Leitbildern im strategischen Stadtentwicklungskonzept von 2006 kontextualisiert und in ihrem Profil geschärft. Die Leitbilder verfolgen dabei insbesondere die Intention der Hervorhebung und Definition urbaner Potentiale und die Steigerung der Attraktivität öffentlicher Räume. Die Leitbilder „Urbanes Wohnen und Renaissance des öffentlichen Raums – Schwerpunkt Stuttgart Mitte“ sowie „Industriestandort im Wandel – Schwerpunkt Stuttgart Nord“[70] verdeutlichen den Anspruch der Stuttgarter Stadtpolitik den verändernden strukturellen Anforderungen sowohl durch Nutzungsvielfalt, attraktive Stadtplätze und kulturelle Angebote als auch durch die Ausbildung neuer Kreativquartiere und Mischnutzungen als Grundlage lebendiger Wohnquartiere[71] zu begegnen. Die zwei weiteren Konzepte „Flusslandschaft der Zukunft – Schwerpunkt Stuttgart-Neckar“ und „Neuen Wissenslandschaft – Schwerpunkte Vaihingen und Filderebene“[72] symbolisieren die metropolitane Logik der repräsentativen Stadtgestaltung und stadtpolitische Ausrichtung auf die Erfordernisse der Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft.

Repräsentativ für die Etablierung einer neuen urbanistischen Perspektive steht dabei die Stadtentwicklung zum Neckar. Für diese Konzeption hat das Projekt Stuttgart 21 Schlüsselbedeutung und wird dementsprechend als grundsteinlegendes Großprojekt der Stadtentwicklung impulsgebend inszeniert. Die Tieferlegung der Bahnanlagen und die Planung der frei werdenden Flächen ermöglichen eine städtebauliche Verlagerung, welche die Stadtentwicklung aus dem Stuttgarter Talkessel befreit. Die Stadtentwicklungskonzeption betont „die große Chance, eine neue Mitte mit hohem Identifikationswert und einzigartiger Atmosphäre zu entwickeln“[73] und greift damit die stadtpolitische Zielsetzung der umfassenden Neustrukturierung des Stadtraums Stuttgarts auf:

„Eingelagert in eine Sport-, Freizeit- und Erholungslandschaft sollen sich hochtechnologische Produktion, unternehmensbezogene Dienstleistungen, historische Ortskerne und neue Wohngebiete am Wasser zu einer Flusslandschaft ganz eigener Prägung verbinden.“[74]

Die städtebauliche Einbindung des Neckars entspricht dabei gleichsam dem Zeitgeist der repräsentativen Gestaltung des Stadtbildes mittels der Inszenierung des urbanen öffentlichen Raums am Wasser. Die Inszenierung der Beziehung zwischen Stadtraum und Gewässer fungiert demnach als stilbildendes Element eines Stadtimages und der Konstruktion von Urbanität. Neben der Projektkonzeption zu Stuttgart 21 dienen vor allem die Impulsprojekte und Leitthemen der strategischen Stadtentwicklung als beispielhafte Einblicke in die metropolitane Symbolik der Konstruktion von Imaginationen und Atmosphären. Entscheidend für die Konzeption des Stadtentwicklungskonzepts ist dabei die repräsentative Logik einer metaphorischen Stadtplanung und der mit ihr verbundenen Verwertungsinteressen des öffentlichen Raums.

Der Durchgangsbahnhof, seine urbane, wirtschaftliche und infrastrukturelle Funktion erfährt eine politische Inszenierung, welche an das städtebauliche Leitbild der Stadt als Organismus erinnert. Politisch konzipiert wurde das neue Herz Europas[75], welches die Grundlage der notwendigen Eingliederung in die Magistrale für Europa darstellte. Die Kampagne wurde 2008 anstelle von „Baden-Württemberg 21“ ins Leben gerufen, um die europäische Dimension anschaulicher repräsentieren zu können. Folglich ist das Projekt Stuttgart 21 ein wirtschaftspolitisches Projekt europäischer Rangordnung. Zentrale Elemente der politischen Vermittlung sind dabei die Zukunftsfähigkeit der Stadtentwicklung und Steigerung des wirtschaftlichen Potentials durch eine infrastrukturelle Verbesserung und die Ausstrahlungskraft eines „architektonischen Glanzpunktes[76] in Stuttgart. Das futuristisch anmutende Bahnhofskonzept in Verbindung mit dem Stadtentwicklungskonzept des Europa-Quartiers repräsentiert das Leitbild des Anschlusses an die globalen Wirtschaftsräume und deren Metropolitanität.

4.2 Akteure und Positionen

Das Projekt Stuttgart 21 wurde der Öffentlichkeit am 31. Januar 1997 auf Basis der Entwürfe des Architekturbüros Trojan, Trojan + Neu vorgestellt. Schon am 24. Juli desselben Jahres beschloss der Gemeinderat Stuttgarts den Städtebaulichen Rahmenplan und brachte das Stadtentwicklungskonzept für die freiwerdenden Gleisflächen auf den Weg. Das Stadtentwicklungskonzept Stuttgarts umfasst dabei die systematische Neuausrichtung des Stadtraums auf die Erfordernisse der Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft und deren lokalen Verortungsbedingungen. Klimaschutz und Energieverteuerung werden dabei als Faktoren dieses Transformationsprozesses herausgearbeitet. Unter dem Titel „Die Modernisierung der Moderne“[77] soll die Stadt, ihre Infrastruktur und das Planungsverständnis weiterentwickelt werden:

„Es geht mehr denn je um Planungskultur, sprich um kommunikative Form der Planung (Dialogische Planung), um eine Teilhabe gesellschaftlicher Gruppen an Planungsprozessen (Partizipation), um eine Strategie der kleinen Schritte und Prioritätensetzungen (Planungsmanagement), um neue Trägerformen der Planung (Public-Private-Partnership) und um modellhafte Initiativen und Experimente sowie deren Koordination (Projektsteuerung).“[78]

Die Komplexität jenes Planungsverständnisses hatte jedoch entscheidenden Anteil an der Emotionalisierung der Diskussion. Der selbstgesetzte Idealtypus der Stadt Stuttgart bezüglich der städtebaulichen Planung stammt aus dem Jahr 2004, einem Zeitpunkt als die grundsätzlichen Entscheidungen zu Stuttgart 21 schon gefällt waren. Dementsprechend fand die von Teilen der Stuttgarter Bürgerschaft gewünschte neue Einschätzung anhand der Komponenten der neuen Planungskultur keine Anwendung. Nichtsdestotrotz beruft sich die Stuttgarter Bürgerschaft auf die in der Planungskultur festgeschriebenen Möglichkeiten zur Partizipation.

Die Akteure lassen sich zunächst in zwei Gruppen aufteilen: Projektbefürworter und Projektgegner. Auf der einen Seite die Gründerväter des Projekts, die Deutsche Bahn AG sowie Politiker auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene, hauptsächlich Vertreter der CDU. Des Weiteren die mit den politischen Akteuren vernetzten Firmen aus der Bau-, Finanz- und Immobilienwirtschaft sowie natürlich Teile der Stuttgarter Bevölkerung. Auf der anderen Seite die seit der Frühphase aktiven Umwelt- und Verkehrsverbände und diverse während der Planungsphase auf die Bildfläche getretenen Interessengruppen. Beispielhaft sollen an dieser Stelle die Initiativen „UMKEHR Stuttgart“, „Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21“, die „Parkschützer“ als auch das Bündnis „Stuttgart Ökologisch Sozial“ genannt werden. Der Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21 formierte sich 1995 durch die Initiative von Umwelt- und Verkehrsverbänden. Vor allem wegen geringer medialer Resonanz bezüglich der alternativen Vorschläge gelingt es den Projektgegner nicht, entscheidend auf den Entscheidungs- und Planungsprozess einzuwirken. 1995 ergab eine erste Meinungsumfrage zum Projekt Stuttgart 21 eine Mehrheit, die sich für die städtebauliche Konzeption aussprach. 51% der Befragten standen Stuttgart 21 positiv gegenüber, beachtliche 41% sprachen sich jedoch dagegen aus.[79] Auch die Gegnerschaft ist in der Bundespolitik verankert: hier sind hauptsächlich DIE GRÜNEN zu nennen, welche sich offensiv für einen Ausstieg aus dem Projekt einsetzen. Diese Aufgliederung dient zunächst einer groben Kategorisierung der am politischen Prozess um das Projekt Stuttgart 21 beteiligten Akteure. Im Folgenden sollen nun die Positionen in Bezug zum Stadtraum Stuttgart gebracht werden. Als theoretische Grundlage zur wissenschaftlichen Analyse soll Reubers Begriff des raumbezogenen Konfliktes dienen.[80]

Raumbezogene Konflikte sind dynamische Prozesse, welche den jeweiligen Zeitgeist und die symbolischen Zuschreibungen des Stadtraums repräsentieren und thematisieren. Wesentliche Aspekte des raumbezogenen Konfliktes unterteilt Reuber in die akteursspezifisch unterschiedlich wahrgenommene räumlich-strukturelle Ausgangssituation, die Zielsetzungen im Sinne der raumbezogenen Verwertungsinteressen, die soziopolitischen Strukturen und Machtpotentiale sowie die Handlungsstrategien. Als letzten Punkt benennt Reuber die Folgen des Konflikts unter anderem für die räumliche Struktur.[81] Diese Differenzierung soll im Folgenden als analytische Grundlage der Positionen im Städtebaukonflikt Stuttgart 21 herangezogen werden. Zunächst gilt es die Zielsetzungen, Verwertungsinteressen und Handlungsstrategien der Akteure herauszuarbeiten. Die Analysekategorie der räumlich-strukturellen Ausgangssituation wird aufgrund seiner zentralen Bedeutung in dieser Master-Arbeit im Kapitel „Konflikte metropolitaner Bildwelten“ thematisiert. Die Folgen des Konflikts für die räumliche Struktur stehen im Fokus des Kapitels „(Re-)Konstruktionen lokaler Identität“.

4.2.1 Zielsetzungen und Verwertungsinteressen

Der Kopfbahnhof Stuttgart unterlag im Zuge der vom ehemaligen Bahnchef Heinz Dürr ausgerufenen Modernisierungsoffensive nicht nur einer konzeptionellen Aufwertung, sondern wurde als Aushängeschild repräsentativer Bahnhofsarchitekturen stadtpolitisch neu gedacht. Hauptbahnhöfe deutscher Städte als zentrale Repräsentationsorte der Deutschen Bahn sollten wieder neben ihrer Funktion als Verkehrsknotenpunkte zu „Empfangssalons der Städte in begehrten Wohn- und Geschäftslagen"[82] werden. Die verkündete Renaissance der Bahnhöfe[83] steht dabei in unmittelbarem Zusammenhang zur Transformation der Repräsentativität von Bahnhöfen im Sinne einer urbanen Multifunktionalität: „Die Bahnhöfe der Zukunft (…) werden mehr als nur Verkehrsstationen sein. Sie sollen zunehmend zum „vitalen Kommunikations- und Dienstleistungszentrum innerhalb des städtischen Gefüges“ ausgebaut werden.“[84]

Diese Politik lässt sich als Antwort auf die von Thomsen konstatierte Identitätskrise der Deutschen Bahn in Bezug auf ihre Bahnhöfe lesen, denn „sie wissen nicht mehr so recht, was sie eigentlich sind, Einkaufs- und Dienstleistungszentren mit Gleisanschluss oder doch etwas originär Bahnspezifisches.“[85] Mitte der 90er Jahre werden demzufolge die Bahnhöfe unter Aufwertungsdruck gesetzt und als Katalysatoren der Immobilienwirtschaft (re)inszeniert. Demzufolge gilt es nicht nur durch umfassende Aufwertungsstrategien und neue Architekturtypen moderne urbane Orte zu konstruieren, sondern darüber hinaus neue Imaginationen zu konzipieren. Die Deutsche Bahn AG fungiert folglich als Akteur der Stadtentwicklung, welcher dabei ökonomischen Verwertungsinteressen folgt. Dazu gehört neben der Instandsetzung und der repräsentativen Aufwertung der Bahnhofsgebäude eine durch Flächenrecycling bewirkte Inwertsetzung der Grundstücke der Bahn. Ziel ist es daher frei werdende Areale mittels der Immobilienwirtschaft in städtischen Raum inklusive möglichst hoher Rendite zu transformieren. In Zusammenarbeit mit den Städten werden folglich die ehemals abseitigen Quartiere in Nähe der Bahnhöfe und Gleisanlagen umgewandelt und als Felder moderner Urbanität konzipiert und aufgewertet. Der neue Idealtypus der Bahnhofmetaphorik institutionalisiert Bahnhöfe als Zentren des Reisens und Konsums sowie als städtische Markenprodukte und Imageträger. In diesem Zusammenhang lässt sich beispielhaft das Marketingkonzept des Leipziger Hauptbahnhofes von 1997 anführen, welcher als „Erlebniswelt mit Gleisanschluss auf drei Ebenen“[86] bezeichnet wurde und dem Impulscharakter für die moderne Bahnhofsentwicklung zuzusprechen ist. Die aufgewertete Bahnhofsarchitektur und Imagination steht dabei im Zentrum eines stadtpolitischen Entwicklungsplans und fungiert somit als Repräsentationsfeld der städtebaulichen Moderne.

„Die Einrichtung eines neuen Hauptbahnhofs und die Neugestaltung seines Umfeldes stellen eine herausragende städtebauliche Aufgabe dar. Es bietet sich die Chance, die sich wandelnde Identität Stuttgarts als Mittelpunkt der Region und des Landes Baden-Württemberg in Europa darzustellen.“[87]

Deutlich wird anhand dieser Konzeptionen der repräsentative Faktor, welcher dem Städtebauprojekt zugeschrieben wird. Die Konstitution einer neuen Stuttgarter Identität durch die Umstrukturierung des Stuttgarter Stadtraums und die einhergehende Konstruktion einer neuen City werden als Ausgangspunkt einer nachhaltigen Aufwertungspolitik und stadtpolitischen Ausrichtung auf „Dienstleistungen, Einzelhandel, Kultur und Sondernutzungen mit überregionaler Bedeutung.“[88] Viel beschworen wird eine „historische Chance“ der Wiedervereinigung des Stadtraums und der damit verbundenen Entwicklung neuer Stadtquartiere im Herzen der Innenstadt. Hierbei wird von Seiten der Stadtverwaltung auch das Ziel der „Wettbewerbsfähigkeit, (…) Attraktivität und Zukunftsfähigkeit der Stadt Stuttgart“[89] formuliert.

Die Zielsetzungen der Projektgegner liegen vor allem in dem Erhalt der stadträumlichen Spezifik, der Restaurierung des bestehenden Kopfbahnhofes und der vorrangigen Orientierung der Stadtpolitik an den Interessen der Bürgerschaft, die das Investitionskapital von Stuttgart 21 zur Aufwertung bestehenden Strukturen einsetzen möchte. Ein häufig angeführtes Argument sind die räumlichen Qualitäten, welche durch die Durchführung des Projektes Stuttgart 21 verloren gehen würden. Zentral dabei ist der Widerstand gegen die Transformation Stuttgarts entsprechend beliebiger und austauschbarer Strukturen von Urbanität, denn „die inszenierte Stadt ist selbst zum uniformen Konsumobjekt geworden.“[90]

4.2.2 Handlungsstrategien

Nach Gerhard und Schmid lassen sich vier Kategorien urbaner Inszenierung festhalten: Festivalisierung des öffentlichen Raums im Sinne der Konstituierung der Stadt als Erlebnisraum, die repräsentative Historisierung des Stadtraums durch die Betonung lokaler Geschichte, die Kulturalisierung durch die Inszenierung des Stadtraums als sinnliches Erlebnis und der Konstitution von Atmosphären sowie die vierte Kategorie urbaner Gestaltung mittels globaler Architektur- und Urbanisierungstypologien, die zwar als Fremdkörper im Stadtraum wahrgenommen werden können, jedoch durch den globalen Inszenierungswert Prestigewerte im Standortwettbewerb erzeugen.[91]

"Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft sind die hervorragenden Eigenschaften, mit denen die Comic-Figur Mickymaus die Herzen von Jung und Alt immer wieder erobert hat. Damit passt sie gut zur Bahn.“(Johannes Ludewig, ehemaliger Vorstandsvorsitzenden der Bahn AG) Das heißt entgegen der Behauptung der Bahn AG, die Bahnhöfe zu "urbanen Marktplätzen und Kommunikationsorten" gestalten zu wollen, geht es im Kern um die Durchsetzung von Normen, die für Kleinstädte oder Dörfer angesagt sind, aber bestimmt nicht für urbane Zentren.“[92]

Die Disneyfizierung[93] der Innenstädte durch die Ästhetisierung des öffentlichen Raums und die einhergehende Verdrängung unerwünschter Nutzungen beschreibt den stadtpolitischen Weg, den die Deutsche Bahn als Akteur der public-private-partnership begeht. Stuttgart 21 steht beispielhaft für die Aufwertung der „Attraktivität der Personenbahnhöfe und ihres Umfeldes als Drehscheibe des Fern- und Nahverkehrs sowie als Mittelpunkt städtischen Lebens“[94]

Die Inszenierung der Stadt als Marke bewirkt Prozesse der Ästhetisierung des öffentlichen Raums, während gleichzeitig das politische Konzept der urban governance mit dem Instrument der public-private-partnerships Allianzen konstruiert, welche den Politikstil der unternehmerischen Stadt hervorrufen. Infrastrukturprojekte des Niveaus von Stuttgart 21 entsprechen der Logik einer unternehmerischen Stadtpolitik. Public-private-partnerships dienen, hervorgerufen durch finanzielle Zwänge der Stadtverwaltung bei gleichzeitigem Wunsch nach Stärkung des Standortfaktors, der Durchsetzung von Großprojekten der Stadtentwicklung. Dabei sind diese Modelle der Realisierung baulicher Maßnahmen keine neuen Phänomene, sondern waren schon ab Ende der 80er relevante Strategien der Stadtentwicklung.[95] Durch den wirtschaftlichen Strukturwandel, zunehmende Prozesse der Deregulierung und Privatisierung und den einhergehenden Transformationsprozess kommunaler Verwaltungen[96] hervorgerufen, erlangten diese Modelle stadtpolitischen Einfluss und führten zu einer stärkeren Positionierung der wirtschaftlichen Gewinninteressen gegenüber den Interessen des Gemeinwohls.

„Partnerschaftliche Aktivitäten konzentrieren sich zunächst vor allem auf komplexe und oft spektakuläre Großprojekte, die unterschiedliche tertiäre Funktionen und Nutzungen kombinieren und auf eine Aufwertung von Standort-, Stadtteil- oder auch gesamtstädtischen Profil zielen.“[97]

Das Projekt Stuttgart 21 stützt sich folglich auf breite wirtschaftliche Interessen, die bedient werden wollen. Stuttgart 21 als letztes verbliebenes Vorhaben der 21er-Projekte[98] steht darüber hinaus symbolisch für das schöpferische Potential der Deutschen Bahn und unterliegt daher starkem Realisierungsdruck, denn „sein Erfolg oder Misserfolg dürfte wesentlich über die Zukunft des Bahnhofsbaus in Deutschland“[99] entscheiden. Die Umwandlung des Stuttgarter Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof könnte als Vorbild der städtebaulichen Entwicklung inszeniert werden und die Deutsche Bahn als Akteur der Stadtentwicklung nachhaltig positionieren.

Der Protest der Gegnerschaft wird vor allem aufgrund eines empfundenen Demokratiedefizits bezüglich der Prozesse der Stadtentwicklung auf die Straße, in den öffentlichen Raum getragen. Dabei erweist sich, dass der öffentliche Raum als Gegenpunkt einer politischen Öffentlichkeit institutionalisiert wird und als Raum einer partizipatorischen Szenerie als Konstruktionspunkt lokaler Identität fungiert. Der Handlungsstrategie der Befürworter, die der Potentiale der Stadtentwicklung und die Risiken des Ausstiegs thematisieren, steht damit die Inszenierung des Wertes der bestehenden Stadtstruktur gegenüber.

Der Protest gegen die Umsetzung des Städtebauprojekts Stuttgart 21 wird weitestgehend informell gestaltet, da die formalisierten politischen Einflussmöglichkeiten als abgeschlossen wahrgenommen werden. Zwar strebten die Projektgegner eine erneute Formalisierung der politischen Aushandlung an, doch grundlegend ging es darum, den politischen Prozess mittels informeller Handlungen zu karikieren sowie weite Teile der Bürgerschaft zu mobilisieren, um eine breite politische Partizipation als Basis der Formalisierung zu erreichen. Eine der zentralen Handlungsstrategien der Projektgegner ist neben der demonstrativen Aneignung des öffentlichen Raums die zeitlich strukturierte - jedoch ´spontane´ – kollektive Protestform des Schwabenstreichs. Diese Protestform wird dem als Schwabenstreich der Stadtentwicklung wahrgenommenen Projekts Stuttgart 21 („ein gigantischer Schwabenstreich, den sich Politiker und Ingenieure ausgedacht haben.“[100] ) entgegengestellt. Zusätzlich beinhaltet diese durch die Reminiszenz an die lokale Spezifik einen identitätsstiftenden Mechanismus auf Basis des kulturgeschichtlichen Bezugs.

„"Schwabenstreiche" werden sie genannt. Jeden Abend, 19 Uhr, egal wo, greifen StuttgarterInnen für 60 Sekunden zur Pfeife, zu Trommeln, zu Kuhglocken und Vuvuzelas. Sie klatschen, schreien, kreischen. Ein sonst so solides Schwabenland befindet sich im Ausnahmezustand - es ist die Empörung der Unerhörten.“[101]

Der Ausdruck Schwabenstreich beschreibt überwiegend eine törichte beziehungsweise einfältige Handlung. Ähnlich einem Schildbürgerstreich bezeichnet der Schwabenstreich im schwäbischen Sprachraum aber auch eine risikobehaftete, mutige Handlung. Der Schwabenstreich erfährt hierbei eine neue Konnotation: Er wird als bürgerschaftliche Protestform zeitlich und räumlich institutionalisiert. Der Zuspruch zu informellem Protestverhalten lässt sich auch durch die beklagte mangelnde Ergebnisoffenheit des Schlichtungsprozesses erklären. Die schon erfolgte vertragliche Festschreibung des Projektes machte den Ausstieg aus Stuttgart 21 nahezu unmöglich. So stellte auch Peter Hauk, der damalige Fraktionschef der CDU, fest: „Egal was der Schlichterspruch bringt, Stuttgart 21 wird gebaut.“[102] Das Schlichtungsverfahren war dementsprechend nur oberflächlich als beiderseitiges Feld der entscheidungsorientierten Argumentationspräsentation zu betrachten, da es eher der Vermittlung der Inhalte des Städtebauprogramms Stuttgart 21 als der offenen Aushandlung der Interessen galt.

Im folgenden Kapitel soll das Stuttgarter Bahnhofsprojekt kontextualisiert werden, um die Inszenierung der räumlich-strukturellen Ausgangssituation in Bezug zur städtebaulichen Logik des Bahnhofsprojekts zu setzen. Des Weiteren soll verdeutlicht werden, dass der Bahnhof nicht per se als Identifikationspunkt der Stuttgarter Stadtbevölkerung dient, sondern in dieser Funktion erst im Konflikt um die zukünftige Stadtentwicklung institutionalisiert wurde.

5. Zur urbanen Ikonographie städtischer Infrastrukturanlagen

Die repräsentative Ikonographie der Stadtentwicklung gehört zu den Konstanten der Konstitution von Stadtkulturen. Ikonographische Architektur als zentrumsbildende Kraft sowie als repräsentative Metapher gehört sowohl zu den elementaren Konzepten einer Stadtgründung als auch zu den metropolitanisierenden Stadtentwicklungskonzepten. Die politische Symbolik liegt in der verräumlichten Ideologie und Entwicklung von entsprechender Metaphorik. Die immaterielle Zuschreibung von Raumqualitäten durch Zeichensysteme, Symboliken und Atmosphären lässt den Raum als Text verstehen, in dem „sich gesellschaftliche Verhältnisse, Ereignisse und Nutzungsweisen (…) einschreiben.“[103] Die daraus resultierenden Raumvorstellungen konstituieren den Raum als Bestandteil von gesellschaftlichen Diskursen und Wertvorstellungen.

„Gerade das Aufeinanderbezogensein von Materialität, Immaterialität und Sozialität ist es, das die Bedeutung und Wirkungsmächtigkeit von Räumen ausmacht und diese zu hegemonialen Feldern und Bühnen gesellschaftlicher Auseinandersetzung werden lässt.“[104]

Architektur und Städtebau werden folglich zu Räumen der Konstruktion von Symbolen und medialer Bildwelten, die im Kontext lokaler Imagepolitik und Standortentwicklung zu denken sind. Paul Sigel kritisiert in Bezug auf die Konstruktion von Bildwelten und urbanen Visionen im Zuge des Rekonstruktivismus die „ungeheure mediale Bildproduktion zu Stadt und Architektur“, welche die Wahrnehmung von Stadtstrukturen verkläre:

„Sie fördert im Kontext der enormen Beschleunigung von zivilisatorischen Transformationsprozessen die Bereitschaft, vedutenhafte, auf ihren Bildcharakter bezogene Stadtstrukturen zu akzeptieren, (…).“[105]

Im ähnlichen Sinne ist das Vertrauen auf und die Initiierung der Großprojekte als Impulsgeber der Stadtentwicklung zu betrachten. Die Konzentration auf städtebauliche Statusobjekte kann die Wahrnehmung von städtebaulicher Gestaltung und derer symbolischen Zuschreibungen nachhaltig negativ beeinflussen.

Infolge der Intensivierung der internationalen Beziehungen und der Entwicklung hin zu einer globalen Dienstleistungsgesellschaft verknüpft durch die virtuellen Kommunikationstechnologien haben die Standorte der Wirtschaftsunternehmen und somit die Städte an Relevanz gewonnen. Um diese Entwicklungen zu verstehen, ist der weithin bekannte Ansatz von Saskia Sassen zu den Global Cities dienlich. Die transnationale und supranationale Politik und Wirtschaft orientiere sich dabei an größeren und kleineren Ballungszentren globaler Wirtschaftshandlungen und politischer Legitimation.[106] Die Global Cities haben sich in einer globalisierten Welt von den Staaten scheinbar losgelöst, so dass die von Sassen benannten Städte Tokio, London und New York weit mehr Gemeinsamkeiten in Struktur, Wertesystem und Gestaltung aufweisen, als mit anderen Städten der gleichen Nationalität. Die Gemeinsamkeiten bestehen nach Sassen in der globalen wirtschaftlichen Relevanz, der politischen Symbolkraft sowie der Präsenz der sogenannten creative class, welche Produkt und Ausdruck der Innovationskraft eines Ballungsgebietes darstellen. Jene kreative Klasse ist zum Statussymbol und Nachhaltigkeitsideologem moderner Stadtentwicklung mutiert. Im Werben um die besten Köpfe, die kreativsten Unternehmen und um finanzkräftige Investoren hat sich die Stadtpolitik verändert. So gelten sowohl Imagekampagnen, als auch die Festivalisierung der Stadtpolitik und die Musealisierung der Stadtstruktur als gängige Methode in der Konkurrenz um Unternehmen, Touristen und das Bildungsbürgertum. Gleichzeitig sinkt der Handlungsspielraum der Städte, die trotz der verstärkten politischen Relevanz und kulturellen Fokussierung unter Ökonomisierungsdruck stehen und folglich die Wirtschafts- und Sozialpolitik in Einklang gebracht werden muss mit den Anforderung der Dienstleistungsgesellschaft und dem einhergehenden Wettbewerb.

„Eine Stadt mit einer bestimmbaren und positiv besetzten, nach innen und außen wirksamen Identität hat eben auch ein positives Image, und ein damit in Verbindung stehendes branding kann zum Standortvorteil werden.“[107]

Die stadtpolitische Lösung der Anforderungen im Zuge der Städtekonkurrenz scheint unter anderem in der Ökonomie der Symbole zu liegen, wie sie Sharon Zukin in ihrem gleichnamigen Aufsatz „Die Ökonomie der Symbole“ darlegte.[108] Der Wettbewerbsdruck bewirke eine zunehmende Kommerzialisierung der Stadtpolitik und gleichzeitig eine stärkere Wertlegung auf Bildwelten als städtische Marketinginstrumente. Stadtplanung und Städtebau fokussieren dabei Konzepte moderner Urbanität als Mittel der nachhaltigen Stadtentwicklung. Die wirtschaftlich-orientierte Stadtentwicklung droht jedoch den Charakter spezifischer Stadtstrukturen zu untergraben und Kulturdenkmale mit deren wirtschaftlichen Potential gleichzusetzen. Durch die wirtschaftliche Rationalisierung ist der Begriff des Kulturdenkmals entscheidend in Frage gestellt. Hieraus resultiert auch eine Funktionalisierung des Gedächtnisses einer Stadt und somit eine umfassende städtebauliche Neuorientierung:

„Direkt und unmittelbar werden städtische Sujets nicht als Räume, sondern als Bilder konzipiert, um in einer Ökonomie der Aufmerksamkeit beachtet zu werden. Die Bilder werden zu den eigentlichen Attraktoren: höher, einmaliger, auffälliger, eleganter, authentischer, lokaler, globaler… sie müssen sich angesichts eines gigantischen Bilderrauschens einbrennen. (…) Bild und Wirklichkeit sind nicht mehr getrennte Sphären. In diesem Spannungsfeld agiert die Architektur der Stadt.“[109]

Neben der Entwicklung der Stadtgestaltung erfährt die mediale Repräsentation erhöhte Präsenz, wodurch städtische Qualitäten zunehmend über visuelle Zeichensysteme kommuniziert werden. Infolgedessen entwickeln sich die städtische Imaginationsleistungen zu einem Element der Stadtentwicklung, welche gleichzeitig die Wahrnehmung des Stadtraums nachhaltig verändern: „Symbole ersetzen räumliche Orientierung. Architektur muss Kommunikation leisten, dabei ist nicht subtiler Ausdruck gefragt, sondern eindeutiger Dienst an der Kommunikation.“[110] Die Macht der Bilder konstituiert jedoch gleichsam Gegenräume der städtischen Kommunikation. Es geht folglich um differente Bedeutungszuschreibungen und Identitätsmuster, auf deren Basis gegensätzliche Verwertungs- und Nutzungsinteressen ausgehandelt werden. Daraus resultieren Prozesse der Inszenierung, Aneignung und (Re)Produktion des städtischen Raums und somit die Institutionalisierung des öffentlichen Raums als Kristallisationspunkt lokaler Identität und Fokus lokalspezifischer Aushandlungsprozesse.

Die Positionierung der Stadt in der Standortkonkurrenz erfolgt über die Verbindung architektonischer Wahrzeichen, urbaner Lebensstile und kommerzieller Konsumwelten. Wenn sich in diesem Sinne die Ästhetisierung des öffentlichen Raums als stadtpolitisches Konzept lesen lässt, ist die Konstitution von Großprojekten als eine „exzentrische Geste der Hyperästhetisierung[111] zu betrachten. Ein Element dieser Stadtpolitik ist in der städtebaulichen Aufwertung der Bahnhöfe zu erkennen und repräsentiert gleichzeitig die diskursive Rückkehr zur Bahnhofskultur.

„Großbahnhöfe steigen in die Liga der postmodernen Flaniermeilen, Konsumlandschaften und Erlebniswelten auf. In diesen artikulieren sich eine konsumorientierte Funktionalisierung des städtischen Raums als (stadt)unternehmerische Marketingstrategie, operative Kapitalverwertungsstrategien globalisierter Projektentwickler und eine Ausdifferenzierung von Konsummustern, in denen längst nicht mehr nur Gebrauchswaren konsumiert werden, sondern zunehmend auch Dienstleistungen, Zeichen und Atmosphären.“[112]

In ähnlicher Weise betont auch von Gerkan die Bedeutung der Abkehr vom diskursiven Modell des Bahnhofsmilieus[113] für die Renaissance der Bahnhöfe als Ausgangspunkt einer modernen Stadtentwicklung. Die Bahnhöfe werden zu Immobilien der Mobilität[114] ausgebaut und im Sinne eines Markenprodukts im städtischen Raum positioniert. Weiterhin sollen die Bahnhöfe als integrale Bestandteile von Reisekomfort und Reiseerlebnis wieder zu bedeutenden öffentlichen Räumen aufgewertet werden und gleichzeitig der Bahnhof als Teil lokaler Identität in Szene gesetzt werden.[115] Demzufolge gerät nicht nur die Qualität des Bahnhofs in den Mittelpunkt der Stadtentwicklung, sondern insbesondere das Umfeld des Bahnhofsgeländes in den Fokus der Stadtpolitik. Insbesondere die zentrale Lage der Bahnhöfe gilt als zentrales Argument der städtebaulichen Aufwertung und Ausschöpfung der stadträumlichen Potentiale.

„Zwar bleibt der Bahnhof weiterhin öffentlicher Raum, da das Recht auf Zugänglichkeit der Transportmittel gesetzlich garantiert ist. Dies beinhaltet jedoch kein generelles Aufenthaltsrecht. Die Aufwertungspolitik der neuen Managementphilosophie zielt deshalb darauf ab, diese klassischen Orte einer städtischen Öffentlichkeit in "Kathedralen des Wohlbefindens" zu verwandeln, die ausschließlich den konsumierenden oder reisenden Kunden vorbehalten sein sollen.“[116]

Als zentrales städtebauliches Programm hinsichtlich dieser Aufwertungsprozesse lassen sich die 21er-Projekte der Deutschen Bahn in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Stadtverwaltungen verstehen. Die Konzeptionen der Umwandlung der Kopfbahnhöfe von Frankfurt („Frankfurt 21 – And then forever straight ahead“) und München („München 21 – The new station – the noble window“) wurden jedoch zugunsten der Qualitäten der Kopfbahnhöfe und in Anbetracht der Kosten verworfen. Übrig blieb das Projekt Stuttgart 21. Der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs, der durch von Gerkan als ,,letztes beachtliches Beispiel der Bahnhofsbaugeschichte"[117] bezeichnet wird , unterliegt daher besonderem Realisierungsdruck. Entsprechend der Renaissance der Bahnhöfe als „Nukleus des modernen Städtebaus“[118] wird der Bonatz-Bau und sein Kulturdenkmalwert funktionalisiert und hinsichtlich der städtischen Zukunftsfähigkeit relativiert.

Der zukunftsgerichteten Projektkonzeption entsprechend, wurde der Stuttgarter Kopfbahnhof als Relikt einer veralteten Bahnhofarchitektur negativ inszeniert und als Hemmnis der Stadtentwicklung thematisiert. In der Folge ging es um die Entscheidung zwischen Kulturdenkmal und Prestigebauwerk und die Diskussion fokussierte Konzepte von Identität, symbolischer Werterhaltung und Heimat einerseits und Repräsentation, Moderne und Zukunft andererseits. Die Emotionalisierung der Diskussion ist dabei ein Indiz dafür, dass die Aushandlung über das Projekt Stuttgart 21 als lokaler Selbstverständigungsprozess zu verstehen ist. Der Sorge um die Zukunftsfähigkeit Stuttgarts steht die Angst vor einer erinnerungsentleerten glokalen Metropole entgegen.

6. Konflikte metropolitaner Bildwelten

Der Konflikt um Stuttgart 21 symbolisiert den Konflikt um Wahrnehmungen von Metropolitanität. An der stadtpolitischen Definition und städtebaulichen Umsetzung treffen sich polarisierte Akteursinteressen zwischen technokratischem Fortschrittsglauben und soziokulturellen Beharrungskräften. In diesem Sinne sind gegenwärtige Prozesse des Städtebaus als „hinge points between the globally oriented economic functions of a city and the locally rooted society and culture“[119] zu betrachten. Im Zuge der globalisierten Standortkonkurrenz wird die Konstitution von Metropolitanität als immaterieller Faktor von Stadtimages tendenziell zu einer stilprägenden Komponente der Stadtpolitik. Gleichzeitig trifft die metropolitane Konstruktion von Stadttypen auf gewachsene urbane Strukturen und somit Kristallisationspunkte lokaler Identität, denn „a city is not a neutral container, which can be arbitrary filled, but a historically saturated, culturally coded space already stuffed with meanings and mental images.“[120] An dieser Schnittstelle konkurrieren stadtpolitische Konzepte und Leitbilder um Mechanismen der Stadtentwicklung. Metropolitanität als Konstrukt eines transnationalen Urbanismus[121] steht dabei im Aushandlungsprozess mit Mechanismen urbaner Identitäten. Die Stadtgestaltung ist überlagert von mentalen Aufladungen und fungiert folglich als Raum der Alltagserfahrung sowie als Verortungspunkt des kollektiven Gedächtnisses. Der Kompromiss der Interessen liegt in einem Konstrukt städtischen Kosmopolitismus, welches Akteursinteressen, Identitätsbezüge und symbolische Repräsentationen miteinander vereint. Letztendlich geht es um eine Akkulturation lokaler Verwertungsinteressen und somit um Konzepte von Urbanität und Metropolitanität mit den lokalen identitätsstiftenden Strukturen zu vereinen. In ähnlicher Weise betrachtet Thomas Bender Metropolitanität als translokalen Urbanismus.[122]

Unter anderem die kulturwissenschaftliche Stadtforschung hat in der wissenschaftlichen Analyse städtischer Strukturen soziologische Kategorien fokussiert, welche den Stadtraum gestalten, aneignen und prägen. Insbesondere Bernward Joerges nimmt dabei eine Kategorisierung vor, die für die Erklärung der Konfliktlinien bezüglich von Aneignungsprozessen nützlich erscheint: die Unterscheidung zwischen Stadtbewohner und Stadtbesucher, welche eine unterschiedliche Beobachterperspektive konstituiert.[123] Eben jene Beobachterperspektive lässt sich weiter diversifizieren und soll als Untersuchungsgegenstand der wissenschaftlichen Analyse des Konflikts um Stuttgart 21 angeführt werden.

Im Vorwort der Tagung „Urbanität und Identität zeitgenössischer europäischer Städte“ wirft Vittorio Magnano Lampugnani die Frage von städtischer Identität angesichts der postmodernen Stadtpolitik in Zeiten von Globalisierung und Informationsgesellschaft auf: „Zerfließt die Identität dieses Gemeinschaftswerkes [Anm.: die europäische Stadt] unwiederbringlich im kulturellen Pluralismus der neuen sozialen Ordnung, die mit der Globalisierung im Informationszeitalter hervorgeht?“[124] Moderner Städtebau und Stadtentwicklung als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklung drohen eines der konstituierenden Elemente einer Stadt zu untergraben: die lokale Identität. Diese Master-Arbeit basiert unter anderem auf der These, dass die Ursache für die Konkurrenz um den Stadtraum in der Funktion des Stadtraums als Identitätsanker zu begründen ist. Urbane Identität konstituiert sich entgegen der Stadtentwicklungspolitik, welche zukunftsgerichtete und wirtschaftlich orientierte Leitbilder erzeugt, über den Stadtraum als Chronotopos. Die Glokalisierung städtischer Strukturen wirft daher nicht zuletzt neue Perspektiven auf die Repräsentationslogik urbaner Kulturen und den Prozessen der Stadtpolitik. Der Kopfbahnhof von Stuttgart als Mittelpunkt des konfliktreichen Stadtumbauprogramms öffnet für die Untersuchung des Stadtraums als Bedeutungsträger mehrere Perspektiven. Als Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit im Sinne seiner infrastrukturellen, repräsentativen und urbanen Funktion sowie als Ort symbolischer Zuschreibungen soll der Bahnhof im Schlaglicht des Zeitgeistes und seiner stadtarchitektonischen Wirkung als Grundlage des Konflikts im Folgenden analysiert werden.

6.1 Stadtentwicklung zwischen Technokratie und politischer Symbolik

Michel Foucault betrachtet Raum als Ensemble von Relationen und dementsprechend als Repräsentation von lokaler Verortung und funktionalen Raumbeziehungen. Foucault konstatiert, dass durch die Betrachtung des Räumlichen die Beziehung zwischen Macht und Wissen zu analysieren sei.[125] In diesem Kapitel soll die Diskussion um das Projekt Stuttgart 21 als Initiator beziehungsweise als Repräsentant einer urbanen Heterotopie analysiert werden. Heterotopien sind dabei als Gegenräume und lokalisierte Utopien zu bezeichnen. Die lokale Verortung von Heterotopien als Instrument der Verräumlichung der Zeit dient dabei als Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse. Es geht im Sinne Foucaults um die Konstitution einer Illusion, eine Produktion eines Ortes imaginärer Werte im Gegensatz zur bestehenden Ordnung.[126] Foucault bezeichnet die Konstruktion von Heterotopien als „Konstante aller menschlichen Gruppen[127] und als Folgeleistung der „Idee, alles zu sammeln und damit gleichsam die Zeit anzuhalten oder sie vielmehr bis ins Unendliche in einem besonderen Raum zu deponieren; die Idee, das allgemeine Archiv einer Kultur zu schaffen; (…) die Idee, einen Raum aller Zeiten zu schaffen, als könnte dieser Raum selbst endgültig außerhalb der Zeit stehen.“[128]

Der Stuttgarter Hauptbahnhof definiert seit Beginn der Planungen für Stuttgart 21 ein nachhaltiges Politikum. Seitdem hat ein Diskurs bezüglich symbolischer Zuschreibungen in den politischen Prozess Einzug gehalten. Auf der einen Seite dargestellt als modernisierungsbedürftiges Hindernis einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung und auf der anderen Seite inszeniert als Symbol für den Widerstand gegen eine neoliberale Stadtpolitik ohne Rücksicht auf die lokalspezifischen Bedürfnisse einer Stadt. Die Diskussion rund um Stuttgart 21 strukturiert sich über diese beiden gegenläufigen Politisierungen des öffentlichen Raums, ausgehend von den beiden Bahnhofskonzeptionen und der damit verbundenen städtebaulichen Einbettung. Die Aneignung, Nutzung und Gestaltung des öffentlichen Raums sind Kristallisationspunkte gesellschaftlicher Entwicklung und demzufolge Konfliktfelder polarisierter Interessenverbände. Durch die Politisierung des öffentlichen Raums werden Referenzpunkte von Kommunikations- und Interaktionsprozessen geschaffen. Als Beispiele dienen neben der Inszenierung des Bonatz-Baus als Identitätsanker einer Stuttgarter Stadtkultur, die künstlerische Institutionalisierung des Bauzauns als Forum der politischen Öffentlichkeit und die negative Inszenierung des Projektes Stuttgart 21 als neoliberales Modell der Ökonomisierung des Stadtraums und damit der Gesellschaft.

Stuttgart 21 wird vor allem getragen durch das mit dem Konzept verbundene Versprechen der Metropolregion, welches architektonisch und bildlich inszeniert wird. Die Begrifflichkeit der Metropole lässt sich als symbolisches Versprechen eines Vorteils in der Standortkonkurrenz um Unternehmen, Innovationen und Nachhaltigkeit lesen. Petrin und Knieling konstatieren in ihrem Artikel sogar eine stadtpolitische Verpflichtung gegenüber dem Raumbild der Metropolitanität.[129] Gleichzeitig verweisen sie auf die Problematik der Stadtpolitik, welche sich am Leitbild der Metropole und der Metropolitanität orientiert, denn „es wird ein symbol- und bildmächtiger Begriff eingeführt, ohne dass reflektiert würde, ob der Begriff auch in all seiner landläufigen Deutungsbreite dazu geeignet ist, den Gegenstand zu beschreiben.“[130] Folglich entwickelt die symbolische Raumproduktion als Element von Metropolitanität eine stadtpolitische Eigendynamik, die das Risiko des „unkritischen Setzens auf stereotype Erfolgsmodelle[131] beinhaltet.

Die Gestaltung des öffentlichen Raums wird so tendenziell zu einem politischen Imaginationsraum, dessen zentrales Leitbild in der Metropolitanität liegt. Knieling und Petrin werfen daher die Frage auf, ob das Bildversprechen der Metropole das Potential einer neuen Raumstruktur beinhalte oder eher als ein städtebauliches Etikett zu betrachten ist.[132] Der Bedeutung der Bilder für die Stadtpolitik entsprechend, entwickeln beide die These, dass eben jene Bildmächtigkeit des Begriffs in Verbindung mit seiner definitorischen Offenheit den Erfolg des Konzepts der Metropolregion ausmacht. Das Konstrukt einer bildmächtigen Hülle formt einen Gegenstand, der sich erst allmählich deutlicher abzeichnet.[133] Das Konzept der Metropolregion strukturiert einen Rahmen zu entwickelnder Raumqualitäten. Daraus entstehen neben den Potentialen der symbolischen Produktivität im Wettbewerb der Städte jedoch auch Risiken der lokalen Entfremdung aufgrund der Austauschbarkeit metropolitaner Stereotype.[134]

„Die zunehmende „Eventisierung“ der Stadt und Festivalisierung der Stadtpolitik, das immer stärkere Abzielen auf gute Positionen in Standort-Rankings und vermarktbare Medienbilder können als Indiz gedeutet werden: Das „Bildversprechen“ der Metropole, das ein konstituierender Bestandteil der Anziehungskraft von Metropolregionen ist, kann sich ins Zwanghafte verkehren. Hauptsache Metropole – koste es, was es wolle?“[135]

Zudem kann es durch die tendenziell zunehmende Medialisierung der Stadtpolitik sowie der Stadtentwicklung zu erhöhtem Vertrauen in stereotype Erfolgsmodelle kommen, welche im Sinne eines Zeitgeistes der Stadtpolitik als unkritisch initiierte städtebauliche Maßnahmen die „Balance der Stadt- wie der Raumentwicklungspolitik (…) gefährden“.[136]

„Ob das Gebäude einen bestimmten metropolitanen „Geist des Ortes“ widerspiegelt, scheint nachrangig – auch, ob ein solchermaßen inszeniertes Projekt nicht sogar die Austauschbarkeit räumlicher Identitäten fördert und die „uniqueness“ eines Standortes schwächt.“[137]

Petrin und Knieling zeigen mit dieser Aussage die Problematik metropolitaner Konstruktion und entsprechender Prozesse der Stadtentwicklung auf, welche durch unterschiedliche Wahrnehmungen von Metropolitanität und Urbanität gekennzeichnet sind. Während einerseits der Symbolcharakter von Großprojekten des Städtebaus beschworen wird, gelten für die andere Seite die gewachsenen Kristallisationspunkte urbaner Identität als metropolitane Verräumlichungen. Lokale Urbanität unterliegt dynamischen Wertungsprozessen, die spezifische städtische Wirklichkeiten konstruieren. Deutlich wird, dass Räume als „Illusions- oder Kompensationsräume institutionalisiert[138] sein können. Raumbilder fungieren demzufolge als elementare Bestandteile stadtpolitischer Vermittlung von stadtgestalterischen Transformationsprozessen.

Konzepte von Urbanität und Metropolitanität dienen der Konstruktion stadträumlicher Idealtypen, die in der Lage sind Image, Lebensqualität und Innovationskraft miteinander zu verknüpfen. Zu problematisieren bleibt jedoch eine städtische Raumproduktion entsprechend der Logik der Ökonomie der Zeichen. So verweist auch Martina Löw darauf, dass im Wettbewerb der Städte vor allem das Bild zählt.[139] Das Risiko einer Stadtentwicklung, welche den symbolischen Gewinn über die praktische Funktionalität stellt, besteht in der spekulativen Raumentwicklung. Hieraus kristallisieren sich politische Konflikte und Konkurrenzsituationen um den öffentlichen Raum. Knieling und Petrin umschreiben diesen Zustand mit der These, dass Metropolisierung auch immer Polarisierung bedeute.[140] Städtebau und somit die vorgesehene Nutzung des Stadtraums werden somit zu Orten, die als „poly-(multi)-zentrische Räume[141], als privilegierte Orte oder als Kristallisationspunkt konkreter Widersprüche konzeptualisiert werden können. Peter Noller beschreibt die modernen Prozesse der Stadtgestaltung als

„Zeichen der Zerrissenheit einer globalisierten Gesellschaft, die durch Enttraditionalisierung und die Enträumlichung sozialer Milieus immer weitreichendere Verbindungen mit verstärkten Formen der Differenzierung hervorbringen und Globalität und Lokalität, Kosmopolitismus und Provinzgeist, Weltgesellschaft und Nationalismus nicht als Gegensätze, sondern als wechselseitig sich verstärkende Muster des Weltgeschehens erscheinen lassen.“[142]

Demzufolge sind es eben jene Konzepte der Metropolitanität und die entsprechenden städtebaulichen Leitbilder und Identitätskonstruktionen, die die Stadtgesellschaft und damit die Stadtkultur spaltet. Die Tendenz zur Glokalisierung bringt gleichzeitig eine Tendenz zu Verortungsprozessen des kollektiven Gedächtnisses hervor. Die Verwertungsinteressen werden zunehmend polarisiert und der öffentliche Raum zum soziokulturellen Konfliktfeld. Die städtebauliche Konstruktion von repräsentativen Architekturen und Images als Elemente der symbolischen Ökonomie führen also aufgrund der instrumentalisierten Inszenierung des öffentlichen Raums zwangsläufig zu Gegenbewegungen, die gleichsam Punkte des öffentlichen Raums für ihre Zwecke inszenatorisch instrumentalisieren: „Gerade in ihrer Funktion als neue Kultstätten können diese Räume zu symbolischen Zentren für marginalisierte Gruppen werden.“[143] Dementsprechend betrachtet Noller die Inszenierung von öffentlichen Räumen als Kultstätten und lesbare Gegenbewegung zu den durch Image, Architektur und Skyline geprägten städtischen Ordnungen der Dienstleistungsökonomie.[144]

Der Konflikt um den Stadtraum konstituiert somit neue Ebenen der Identifikation, welche sich einerseits auf lokale Spezifika und andererseits auf urbane Potentiale ausrichtet. Als Grundlage einer raumbezogenen Identität fungieren die funktionalen Wertzuschreibungen als konstitutiver Faktor von öffentlichen Räumen und ihren Kommunikationsmustern: „Der physische Raum wird hier als territoriale Projektionsfläche von Werten, Sinnkonfigurationen und sozialen Bezügen dargestellt, er gilt als symbolische Repräsentation sozialer Interaktionen und sozialer Werte.“[145] Hiermit lässt sich zum einen das hohe Konfliktpotential bezüglich von Prozessen der städtischen Transformation erklären sowie zum anderen das identitätsstiftende Potential infolge der durch die kommunikative Auseinandersetzung einsetzendenden (Re-)Produktion des öffentlichen Raums nachvollziehen. Diese Aushandlungsprozesse repräsentieren den stadträumlichen genius loci. In ähnlicher Weise sind die Arbeiten von Detlef Ipsen zur regionalen Identität einzuordnen, dessen zentrale These darin besteht, dass „regionale Identität Produkt ihres Gegenteils ist, der Herausbildung nationaler und internationaler Räume und der damit einhergehenden Modernisierungsprozesse.“[146] In diesem Sinne ist regionale als auch lokale Identität als Abwehrhaltung gegenüber umfassenden externen Einflüssen auf städtische Strukturen zu betrachten. Problematisch hierbei ist jedoch, dass lokale Identität bei Ipsen relativ protektionistisch gedacht wird. Nichtsdestotrotz soll eine weitere Konzeption seiner Arbeiten angeführt werden, da sie die Protestkultur gegen Stuttgart 21 und die endogenen Inszenierungs- und Aneignungsprozesse einzuordnen hilft: der besondere Ort.

„Der besondere Ort ist der, der von Einheimischen und Fremden als herausgehoben begriffen wird. (…) Besondere Orte werden immer als historisch empfunden, sie sind mit Bedeutung aufgeladen.“[147]

Hieran lässt sich ablesen, dass der Konflikt um Stuttgart 21 nachhaltig zur Konstruktion von städtischen Identifikationspunkten beiträgt. Insbesondere durch die langfristige mediale Repräsentation des Konflikts und die Entwicklung von Codes und Symbolen können diese die stadträumliche Identität konturieren und folglich integrativ und repräsentativ wirken. Sowohl der Bonatz-Bau, der Schlosspark als auch der Bauzaun fungieren demnach als Symbole einer transformierten Stuttgarter Öffentlichkeit und Stadtkultur.

6.2 Räume repräsentativer Stadtkultur

Diverse Ansätze der Raumsoziologie bieten differente Deutungen der Strukturiertheit von Räumen. Neben dem klassischen Ansatz, den Raum als Container aufzufassen, lassen sich Räume sowohl als Systeme von Lagebeziehungen, als Element von Sinneswahrnehmungen als auch als durch Kommunikationsprozesse (re)produzierte Konstruktion definieren. In Wechselwirkung zur Raumstruktur werden dabei Symbolsysteme entwickelt, die Kommunikationsprozesse und Wahrnehmungsweisen nachhaltig prägen.

„Raum, wie man ihn unter topologischen Gesichtspunkten verstehen sollte, ist kein Apriorismus im Sinne Kants mehr, er ist Informationsträger, ein >Vehikel< einer ganzen Kulturgeschichte, die sich mit ihm auseinandergesetzt hat.“[148]

Die Topologie des Raums lässt sich als Versuch der räumlichen Beschreibung komplexer sowie nicht-repräsentierbarer Dinge und immaterieller Strukturen lesen, welche den Raum (re)konstituieren und ihm Deutungssysteme verleihen. Die Topologie, welche durch symbolische Zuschreibungen kollektivierte Deutungssysteme geschaffen wird, lässt sich dabei gleichsetzen mit dem sozialen Raum bei Henri Lefebvre. Der soziale Raum bei Lefebvre ist zusammengesetzt aus dem natürlichen Raum als wahrgenommener Raum der räumlichen Praxis, dem absoluten Raum als mentaler, imaginärer Raum der Repräsentation von Raum und dem symbolischen Raum als Raum des repräsentierenden Raumes.[149] Der soziale Raum als Handlungsraum ist somit sowohl Ergebnis als auch grundlegende Richtlinie gesellschaftlicher Entwicklung. Die durch die Globalisierung bewirkte Virtualisierung der Stadt im Sinne der Konstruktion von Images, Visionen und Informationen führt zu einem topologischen Transformationsprozess des sozialen Raums, worin die Konkurrenz um den Stadtraum zu begründen ist.

Gabriela Christmann unterscheidet zwischen immateriellen und materiellen Objektivierungen von Stadtkultur.[150] Neben dem Stadtraum in seiner physischen Gestalt als materielle Objektivierung lassen sich in den lokalen kommunikativen Prozessen spezifische Wirklichkeitsdeutungen festhalten, welche in Form ideeller Objektivierungen zur Stabilisierung einer Stadtkultur beitragen. Die daraus resultierenden Kategorien von Identität und Identifikation, welche Christmann als „immaterielle Objektivierungen“[151] bezeichnet, stehen dabei in Wechselwirkung zum Stadtraum. Daher sind insbesondere stadtbezogene Diskurse Kristallisationsfeld und Repräsentationsraum lokaler Identität. Der Stadtraum als Bedeutungsträger erlangt in seiner diskursiven Inszenierung öffentliche Relevanz für die Stadtkultur. Zentral für die Arbeit Christmanns sind die Wirklichkeitsdeutungen von der Stadt, welche in lokalen Kommunikationsprozessen tradiert werden und als Grundlage der Konstruktion und Rekonstruktion städtischer Identität und Stadtkultur betrachtet werden können.

Die Politik der unternehmerischen Stadt funktionalisiert die kulturellen Ressourcen einer Stadt bezüglich der Logik der symbolischen Ökonomie. In ähnlicher Weise argumentiert Kaschuba, dass durch die Medialisierung des Stadtraums mittels der Konstruktion von Images, Logos und Leuchtturmprojekten die „urbane Öffentlichkeit verstärkt Ort und Bühne kultureller Repräsentation“[152] wird. Infolgedessen führe die Festivalisierung und Eventorientierung der Stadtpolitik zu einer „Narbenkultur“[153] der Städte, welche zwangsläufig einen Konflikt über städtebauliche Identitäten nach sich zieht. Die Fokussierung des Leitbildes der Urbanität beschwört eine Stadtkultur, „die sich zu spezifischen räumlichen und geschichtlichen Identitäten eher neutral verhält und die nur „strukturell“ existiert – uniform, unspezifisch, gleichförmig.“[154] Somit entsteht eine Diskrepanz zwischen der soziokulturellen Spezifik eines Stadtraums und dem Mythos Urbanität. Jedoch bietet der politische Aushandlungsprozess über städtebauliche Leitbilder und Projekte ein Repräsentationsfeld für die Stadtkultur und dementsprechend haben nichtsdestotrotz genau diese soziokulturellen Bezüge und historischen Hintergründe politische Relevanz für die Stadtentwicklung.

Die Instrumentalisierung des Raums als Ort einer lokalen Signifikanz und somit als Medium einer städtischen Erinnerungskultur konstituiert Kristallisationspunkte lokaler Identifikationsprozesse. Solche Raumkategorien unterliegen dabei dynamischen Klassifikationen und Interpretationen, welche den jeweiligen kulturellen Kontext widerspiegeln. Die Gestaltung und Entwicklung der Stadt ist ein stetiger Aushandlungsprozess zwischen Erinnerungskultur und urbanen Visionen. Kollektive Kommunikationsprozesse strukturieren Gedächtnis und Erinnerung anhand der Gestaltung von Stadträumen.[155] Dementsprechend fungieren sie als Kategorien einer Stadtkultur, welche gleichsam als Habitus oder als Identität einer Stadt beschrieben werden.

Die gedächtniskommunizierende Funktion von Architektur wird durch Prozesse der Medialisierung unterstützt. Diese unterliegt dabei den Regeln und der Logik des öffentlichen Bewusstseins, wodurch Bedeutungszusammenhänge und der Stellenwert eines Stadtraums oder eines Architekturtypus infolge dynamischer Prozesse einer ständigen Transformation unterliegen. Somit spiegelt sich über die ursprüngliche Symbolträchtigkeit von Architektur hinaus der gesellschaftliche Zeitgeist an städtebaulichen Projekten. Verräumlichte Erinnerung ist Produkt sozialer Prozesse und gleichsam nachhaltiges Medium und somit Basis derer. So weist insbesondere Pierre Nora in seinen Arbeiten darauf hin, dass die Herausbildung von Gedächtnisorten durch die Zuschreibung einer identitätsstiftenden Bedeutung der Lokalisierung des kollektiven Gedächtnisses dient und somit Erinnerungsorte konstruiert werden, deren symbolische Bedeutungszuschreibung wiederum nachhaltig das kollektive Gedächtnis tragen.[156] Diese konstruierten Erinnerungsorte sind vergleichbar zu der Terminologie des Chronotopos des russischen Literaturwissenschaftlers Bachtin im Sinne der diskursiven Verknüpfung von Raum und Zeit beziehungsweise der Einschreibung der Zeit in die Raumstrukturen.[157] „Der Raum gewinnt Intensität, er wird in die Bewegung der Zeit, des Sujets, der Geschichte hineingezogen."[158] Der Chronotopos als internes Orientierungssystem fungiert sowohl als Schauplatz der durch Wahrnehmungsmuster strukturierten Handlungsmöglichkeiten als auch als sinntragendes Element von Stadtkulturen.

Stadträume sind auf spezifische Weise organisiert anhand von topologischen Kommunikationsprozessen. Der Raum ist folglich das Produkt des Diskurses, welcher über den Raum gepflegt wird. Dabei definiert die Menge und Qualität aller Zuschreibungen den Stadtraum als Produkt urbaner Topologie. Die Rolle von räumlichen Strukturen lässt sich daher nur über die Handlungen der Akteure analysieren, da der Raum keine objektive, sondern eher als eine objektivierte Kategorie des sozialen Systems zu begreifen ist.

„In diesem Sinne werden räumliche Strukturen im Konflikt v.a. als Ressourcen begriffen, auf die sich die subjektiven Verwertungsinteressen unterschiedlicher Akteure richten. Die Handlungen von Entscheidungsträgern zielen dabei auf eine räumliche Gestaltung im Sinne ihrer Interessen.“[159]

Demzufolge müssen auch die Stadtinszenierungen in Bezug zu den entsprechenden Leitbildern gesetzt werden. Darüber hinaus müssen die Inszenierungen unter der Prämisse der akteursspezifisch „selektiven Wahrnehmung und Symbolisierung der physisch-materiellen Umwelt[160] betrachtet werden, um die Konfliktlinien einordnen zu können. Zur Rolle räumlicher Strukturen bei politischen Konflikten konstatiert auch Reuber, dass diese nicht nur selektiv wahrgenommen werden, sondern als politisches Medium instrumentalisiert werden und verweist dementsprechend auf das Konzept einer dreifachen Subjektivierung räumlicher Strukturen. Unterschieden wird zwischen erstens subjektiven Raumbildern, zweitens subjektiven räumlichen Zielvorstellungen und drittens subjektiven strategischen Raumbildern.[161] Den subjektiven Raumbildern entsprechend, wirken die räumlich lokalisierten Ressourcen auf das Handeln der Akteure in der Konfliktsituation. Einher gehen die alternativen räumlichen Zielvorstellungen als Grundlage des Handelns sowie Prozesse Instrumentalisierung der subjektiven strategischen Raumbilder.

„Dazu stellen die Beteiligten vorhanden strukturelle Zusammenhänge im Rahmen der Möglichkeiten strategisch einseitig dar, so dass sie zu ihren eigenen Interessen passen. Räumliche Strukturen können also nicht nur Ziel, sondern auch Mittel im Raumnutzungskonflikt sein.“[162]

Daraus ableitend lässt sich festhalten, dass die Aushandlungsprozesse des kommunikativen Gedächtnisses in Bezug auf Raumnutzungskonflikte Kristallisationspunkt unterschiedlicher Interessen und instrumentalisierter Raumwahrnehmungen die Grundlage von Raumstrategien sind.

Architekturdebatten sind über ästhetische Komponenten hinaus Kristallisationspunkte einer grundsätzlichen Diskussion über das gesellschaftliche Selbstverständnis. Die architektonische Stadtgestaltung fungiert somit als vertrauliches Abbild sozialer Prozesse, „denn Architektur ist ein öffentlicher und offensichtlicher Ausdruck dessen, wie sich eine Gesellschaft versteht, wie wir bauen, zeigt, was uns wichtig ist und was wir wollen.“[163] Infolge der verstärkten medialen Repräsentation von Prozessen der Stadtentwicklung haben Mechanismen der Wahrnehmung und symbolischen Codierung von Stadträumen sprunghaft an Bedeutung zugenommen. Die Macht der Bilder beeinflusst daher die Planungspraxis. Die konstruierten Bilder basieren auf Inszenierungen von Erinnerungsorten, welche durch Aushandlungsprozesse des kommunikativen Gedächtnisses konstituiert werden. Ähnlich den Prozessen der Produktion des Raums wird der symbolische Wert durch Kognition, Kommunikation und Kooperation konzipiert. Die Funktion als Erinnerungsort und Verortungspunkt lokaler Identität wird folglich durch Prozesse der Inszenierung und Instrumentalisierung unterstützt, kontextualisiert und institutionalisiert.

Jede Stadt entwickelt auf Grundlage ihrer geographischen Spezifik, ihrer Geschichte und stadträumlichen Gestaltung ihren Habitus, welcher als Rahmen ökonomischer, politischer und kultureller Aushandlungsprozesse hinsichtlich städtebaulicher Projekte fungiert. Folglich gibt es eine Wechselwirkung zwischen gebautem Raum und der Kultur einer Stadt. Dementsprechend betrachtet Martina Löw den Raum als „relationale (An)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten.“[164] Des Weiteren pointiert sie zwei Prozesse der Raumkonstitution: „das Spacing und die Syntheseleistung“.[165] Spacing, die Plazierung sozialer Güter und Menschen beziehungsweise die Konstitution symbolischer Markierungen, strukturiert den Raum in seiner Architektur und Gestaltung als Basis für die Wahrnehmungs-, Vorstellungs- oder Erinnerungsprozesse, welche bei Löw als Syntheseleistung bezeichnet werden.[166] Dieser handlungstheoretische Ansatz der Raumproduktion repräsentiert sowohl die Bedeutung von Symbolik und Materie, als auch die Relevanz von Atmosphäre und Habitus; Kategorien und Dimensionen, die die Konstitution von Raum nachhaltig bestimmen und den Raum als sozial konstruierten Raum definieren. In jener Institutionalisierung räumlicher Strukturen erkennt Löw die Wechselwirkung der Konstitution von Raum zu den gesellschaftlichen Strukturen.[167] Hierin liegt der für diese Arbeit grundlegende Erklärungsansatz für die Emotionalisierung des Stadtraums. Sowohl das Städtebauprojekt Stuttgart 21 als auch die alternative Konzeption Kopfbahnhof 21 konstituieren Räume, welche am bestehenden Bahnhof mittels des Spacing und der Syntheseleistung verortet werden. Ausgehend von der These Löws, dass „an einem Ort (…) verschiedene Räume entstehen (können), die nebeneinander sowie in Konkurrenz zueinander existieren“[168] gilt es in der Folge die Mechanismen der Rauminszenierung zur Institutionalisierung von gesellschaftlichen Interessen herauszuarbeiten.

Ziel dieser Analyse ist es darzulegen, inwieweit sprachliche Mittel unter Anwendung historischer Bezüge und visionärer Entwicklungsperspektiven sowohl durch die Projektbefürworter als auch durch die Projektgegner genutzt wurden, um für Unterstützung zu werben und städtebaupolitische Identität zu konstruieren.

7. Der Kopfbahnhof als urbanes Symbol

„Die Stadt gibt sich zu erkennen. Wir fahren auf das moderne Stadttor, den Hauptbahnhof zu, die beiden Flügelbauten des Bahnhofs umarmen/empfangen uns, Der Hauptbahnhof, ein ganz besonderer Ort, ist mehr als nur Ort des Ankommens und Abfahrens, ist Wahrzeichen, Erinnerung, Gedächtnis der Stadt.“[169]

Diese Aussage von Ostertag verdeutlicht, dass der Bahnhof nicht nur als funktionaler Raum zu betrachten ist, sondern als repräsentativer Raum städtischer Lebenswelten. Demzufolge entspricht eine technokratische Städtebaupolitik, die sich lediglich an funktionalen Parametern orientiert, nicht den komplexen Anforderungen einer Stadtmorphologie. Durch Stuttgart 21 verliert Stuttgart an urbaner Qualität und Geschichte, denn „ein Land, in dem Kulturdenkmale untergehen, ist wie ein Mensch, der sein Gedächtnis verliert.“[170] Entscheidend für die Repräsentativität des Kopfbahnhofes scheint weiterhin die unmittelbare Verknüpfung zum Stadtraum, welche durch die Bahnhofsarchitektur verstärkt inszeniert wird.

„Das monumentale Stadt-Portal entlässt uns in die Stadt. (…) Anspruchsvoller Übergangsbereich, Schwelle, Entree zur Stadt (und) ein Ort voller Eigenart und Atmosphäre. Nicht ein Ort des puren Verkehrs und Kommerzes, der Mononutzungen. Wir wurden von der Stadt, ihrer Mannigfaltigkeit, ihrem Charakter empfangen.“[171]

Als grundlegendes Element der Inszenierung des Kopfbahnhofes lässt sich die Repräsentationsästhetik des Lokalcholorits herauslesen. Die Argumentation basiert dabei zu weiten Teilen auf der stadtbildprägenden Komponente des Bahnhofs. Zur Unterstützung werden architekturgeschichtliche Argumente sowie infrastrukturelle Nutzensabwägungen und Anmerkungen zur urbanen Qualität eines Kopfbahnhofes angeführt. Kernthemen der stadträumlichen Inszenierung sind die Erlebnisqualität der Ankunft in Stuttgart, die Repräsentativität des Stadtbildes sowie die Instrumentalisierung des Bonatz-Baus als Erinnerungsort des kollektiven Gedächtnisses und als schützenswerter Kristallisationspunkt einer Stuttgarter Identität. Die entsprechenden Argumente und stadträumlichen Wahrnehmungen werden in diesem Kapitel analysiert, um die symbolische Bedeutung der stadträumlichen Gestaltung und Wahrnehmung zu hinterleuchten. Zunächst steht die repräsentative Funktion des Kopfbahnhofes und der Einfahrtsituation im Mittelpunkt.

„Die herausragende architektonische Leistung, die den Stuttgarter Hauptbahnhof in die Nähe von Behrens-Bauten rückt, liegt nicht so sehr in den formalästhetischen Details, eher im Funktionalen und Städtebaulichen. … Das Motiv einer Großstadtarchitektur, die in sich selbst das pulsierende, bewegte Großstadtleben widerzuspiegeln habe, wurde wenig später eine bedeutende Forderung der Vertreter des Internationalen Stils.“[172]

Hier wird sowohl die architekturgeschichtliche Ausstrahlungskraft als auch das Moment der städtebaulichen Funktionalität des Kopfbahnhofes deutlich. Ein Argument, welches auch für die Deutsche Stiftung Denkmalschutz zentral ist:

„Seine singuläre Bedeutung gewinnt der Bau insbesondere durch seine unbestrittene Qualität und Ausstrahlungskraft. … Von Anbeginn ragte zudem der Stuttgarter Hauptbahnhof aus der Reihe der deutschen Bahnhöfe heraus durch seine das Stadtbild bis in die Gegenwart prägende Gestalt und Stellung.“[173]

Das Stadtbild und die urbane Funktion des Kopfbahnhofes bilden den roten Faden der städtebaulichen Argumentation der Projektgegner. Zentrale Punkte dieser Argumentation lassen sich wie erwähnt in der repräsentativen Zufahrtssituation sowie in der Terminologie Empfangsgebäude erkennen. Kristallisationspunkt dieser Argumente ist die Funktion des Bahnhofes als Tor zur Stadt. Der Stuttgarter Bezirksbeirat Dieter Laube konstatiert, dass mit der Umsetzung des Projektes das „Entree zur Landeshauptstadt“[174] zerstört werden würde. Auch wenn der ursprüngliche Raumeindruck durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und die anderen Leitbildern folgenden Wiederaufbauleistungen verloren gegangen sein mag, betont Laube die vermittelnde Funktion des Bahnhofsgebäudes zum Stadtraum:

„Verließen die Reisenden nach ihrer Ankunft den Zug, so wurden sie durch die Kopfbahnsteighalle auf den durch die vom Königstor hierher versetzten Figurengruppen betonten Ausgang geleitet, über dem immer noch das ebenfalls vom Königstor stammenden Wappen Württembergs angebracht ist. Über die breite Treppe schritten sie hinunter auf den Vorplatz, um von dort in die Stadt zu gelangen.“[175]

In ähnlicher Weise argumentiert Ostertag, der die Ankunft in Stuttgart als Zelebration beschreibt, bei der die Stadt die Bewohner und Besucher empfängt. „Die Stadt heißt uns willkommen. Wir gehen zu ihr hinunter. Sie empfängt uns.“[176] Der Stadtraum wird durch Ostertag personalisiert und folgerichtig emotionalisiert. Der Stadtraum tritt in dieser Argumentation als repräsentativer Akteur auf. Dieser Logik folgend dürfe nicht nur an der Beschilderung erkannt werden, „dass darüber irgendeine Stadt ist, die sich Stuttgart nennt.“[177] Weiterhin wird der historisch wertvolle Charakter des Bonatz´schen Kopfbahnhofes beschworen. Ein Charakter, welcher die Stadtgeschichte und die stadträumliche Qualität Stuttgarts an den Erhalt des Gebäudes bindet.

Die Inszenierung des Bonatz-Baus wird durch historische Zitate zur Qualität und Funktion des Kopfbahnhofes unterstützt. Diese Verweise dienen der Inszenierung des Baus als historisches Denkmal einer Stuttgarter Spezifik, die nur mit wenigen Stadträumen vergleichbar und daher erhaltenswert ist. Die Zitate aus verschiedenen Architekturepochen inszenieren eine Bildgeschichte des Bauwerks, welche ihn entgegen der Schnelllebigkeit des architektonischen Zeitgeistes einzigartig erscheinen lässt. Die wenigen Vergleiche, mit denen der Kopfbahnhof Stuttgarts in Einklang gebracht wird, dienen dabei der Erzeugung von Bildwelten. So dient als beliebtes Beispiel die stadträumliche Funktion der Kopfbahnhöfe in Paris. Besonders deutlich wird dies unter anderem anhand der von Mitgliedern des Internationalen Denkmalrates ICOMOS getätigten Nominierung des Bonatz-Baus als „Teil des europäischen Weltkulturerbe-Gesamtprojekts „Bahnhöfe des Orient-Express“, zu dem so legendäre Bahnhöfe wie der Gare de l´Est in Paris und der Sikeci-Bahnhof in Istanbul gehören.“[178]

Ein weiteres entscheidendes Element der städtebaulichen Diskussion liegt in der Metaphorik und Imaginationskonstitution begründet. Während einerseits die visionäre Zukunftschance einer neu entstehenden Stadtmitte moderner urbaner Qualität in Verbindung mit einem architektonischen Vorzeigeprojekt herausgehoben wird, betonen die Projektgegner andererseits den Unterschied zwischen Bürgerbahnhof und Maulwurfsatmosphäre.[179] So wird unter Bezug auf die unterirdische Reisesituation des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 ein Unterschied „wie Tag und Nacht“ konstruiert.[180] In ähnlicher Weise wird die Stuttgarter Sprachspezifik in den Protest mit eingebunden und somit ein kommunikativer Impuls der Identifikation übertragen. So wird wie erwähnt dem Schwabenstreich gegenüber der Stadt- und Baukultur der Schwabenstreich als Protestform und Interessensvermittlung der Stuttgarter Stadtbevölkerung im Stadtraum Stuttgarts entgegengestellt. Des Weiteren wird durch den Verweis auf eine der eigenen Geschichte gegenüber ignorante Stadtpolitik auf den identitätsstiftenden Denkmalwert des Gebäudes verwiesen. Dementsprechend führen die Unterstützer des Kopfbahnhofes ein weiteres Zitat von Horst von Basswitz an:

„Jegliches Gespür für den Wert der eigenen Geschichte droht in Stuttgart jedoch verloren zu gehen. Die Mitglieder der Wissenschaftlichen Kommission appellieren daher an das gesamtgesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein der Deutschen Bahn, sie möge die derzeitigen Planungsschritte(…) im Sinne eines größeren Respekts vor der Leistung ihrer Urheber verändern.“[181]

Anhand dieser Aussagen wird deutlich, dass es für die Projektgegner nicht nur um ein Verkehrs- und Städtebauprojekt geht, sondern die Geschichte der Stadt auf dem Spiel steht. Jene Konstitution städtebaulicher Polarisierung bringt die Emotionalisierung der Diskussion auf den Punkt. Es wird ein Bild konstruiert, bei dem sich die Bürger der Stadt Stuttgart gegen ein Projekt wehren sollen, was die Stadt in ihrer Substanz bedroht. Die umfassende Anführung vergleichbarer Zitate beschreibt die politische Ebene der Protestbewegung treffend. Die Stuttgarter Bürgerschaft soll mit Hilfe einer verstärkten medialen Repräsentation und des Verfassens einer Grundsatzfrage sensibilisiert werden für den Widerspruch gegen eine städtebauliche Identität, welche statt auf die Kulturdenkmäler auf einen strikten Fortschrittsglauben Bezug nimmt. Im gleichen Sinne ist die Kritik an der „Funktionalismus-Ideologie, die den Fortschritt nach Minuten zählt“[182] zu erklären, welche mittels Eingriffen in die Stadtstruktur „das historische, das begehbare Gedächtnis der Stadt missachtet und zerstört.“[183]

Innenentwicklung und Flächenrecycling gelten für die Planungen zu Stuttgart 21 als zentrale städtebauliche Kategorien. Diese greifen dementsprechend auch die Vertreter der Alternativplanungen auf und verweisen auf die nur minimal geringere frei werdende Fläche beim alternativen Konzept. Zudem verfüge die Stadt laut der Gegner von S 21 unter Berufung auf den Lagebericht des „Nachhaltigen Bauflächenmanagement der Stadt Stuttgart“ von 2008 über genug Brachflächen sowohl für den Wohnungsbau als auch für Bauten des Gewerbes.[184] Stadtentwicklung im Zentrum wäre folglich möglich und dabei jedoch angesichts des demographischen Wandels nur in begrenztem Rahmen nötig. Insgesamt wird die Effizienz von Stuttgart 21 in Frage gestellt und die Alternative K 21 ausgehend von den aktuellen stadtpolitischen Erfordernissen in seiner Funktionalität hervorgehoben. Der Architekt Roland Ostertag, ehemaliger Präsident der Bundesarchitektenkammer und führender Vertreter der Konzeption K21, plädiert für einen Städtebau, welcher auf Qualität statt auf Quantität setze, da städtebauliche Qualitäten nicht durch Flächen, sondern durch räumliche Atmosphären geprägt seien.[185] Dementsprechend gehe es nicht vorrangig darum, möglichst große Flächen für den Städtebau zu gewinnen, sondern die bestehenden Flächen sinnvoll zu entwickeln. Durch die Projektkonzeption von Stuttgart 21 sieht er gar das Grundgesetz beziehungsweise die Grundstruktur der Stadt verletzt.[186]

„Hinzu treten stadtinszenatorische Argumente: Das Erlebnis sehenden Auges in eine charakteristische Stadttopographie mit bewohnten Kesselwänden hineinzugleiten, geht verloren. Überdies degeneriert der von Paul Bonatz entworfene, denkmalgeschützte Bahnhof, im Stadtzusammenhang ein groß inszeniertes Tor zwischen Ferne und Stadt, zur funktionslosen Übergangsfläche zum neuen Tiefbahnhof.“[187]

Ein weiteres Kernthema der stadträumlichen Inszenierung ist die konstruierte Perspektive des Reisenden. Hier wird der Repräsentativität einer lichtdurchfluteten Empfangshalle mit großzügigen Bahnsteigen die triste Atmosphäre eines U-Bahnhofs entgegengestellt:

„Die psychologische Wirkung der Verbannung in den Untergrund vermittelt dem Bahnkunden seine Geringschätzung, denn das bisherige Reiseerlebnis der oberirdischen Einfahrt in den Kopfbahnhof wird ersetzt durch die Maulwurfsperspektive (…).“[188]

Jene Aussagen sind hochgradig politisiert und daher kritisch zu betrachten. Jedoch verbleibt ein Eindruck der inszenatorischen Wirkung des Kopfbahnhofes für den Stadtraum Stuttgarts. Deutlich wird auch durch die Inszenierung des Bahnhofs am Bauzaun, dass Stuttgart nicht nur anhand Beschilderung der Infrastruktureinrichtung Bahnhof erkennbar bleiben soll.[189] Wichtig erscheint ebenso die repräsentative Einfahrt in den Stadtraum Stuttgart, welcher durch einen unterirdischen Bahnhof verloren gehen würde. So verweist auch der Schlichter Heiner Geißler in seinen Ausführungen auf den einzigartigen Erlebnischarakter der Einfahrt nach Stuttgart.[190] Darauf aufbauend argumentieren die Projektgegner für eine oberirdische und somit erlebnisreiche Ankunft in Stuttgart: „Wir stellen uns einen schönen, freundlichen, hellen und übersichtlichen Bahnhof vor. Einen Bahnhof, an dem man gerne aussteigt. Der Bahnhof sollte wieder so etwas sein wie das Tor zur Stadt.“[191] Darüber hinaus wird die topographische Einfahrtsituation als lokales Spezifikum und Vorteil in der Standortkonkurrenz hervorgehoben: Die stadträumliche Situation Stuttgarts sei ein

„Alleinstellungsmerkmal, das man direkt bei der Einfahrt nach Stuttgart erleben kann, [welches man] heutzutage nicht unter die Erde verbannen kann. Das ist im Wettkampf mit anderen Städten das Unklügste, was man tun kann; denn das, was diese Stadt ausmacht, ist nicht irgendein Bauwerk oder sonst was, sondern das ist der Geist dieses Ortes. Der verschwindet im Keller. Das ist traurig.“[192]

Diese Aussagen repräsentieren, dass die Projektgegner keineswegs die lokale Identifikation über den wirtschaftlichen Fortschritt der Stadt stellen, sondern ein differentes Bild der Inszenierung von urbanen Qualitäten konstruieren. Das Bild der Stadt Stuttgart ist folglich ein ebenso elementarer Teil der Gegnerschaft von Stuttgart 21. Es gibt ein starkes Bewusstsein über die Relevanz repräsentativer öffentlicher Architektur. Dementsprechend betont Walliser. „Wir brauchen einen attraktiven Stadtbaustein. Ein Bahnhof ist ein ganz wichtiger Baustein in der Stadt, sonst könnten wir ihn an den Stadtrand legen.“[193]

Die Alternative Kopfbahnhof 21 sieht, ähnlich der Projektkonzeption von Stuttgart 21, im Bahnhofsbau den Ausgangspunkt nachhaltiger städtischer Entwicklung, nur dass bei K 21 der bestehende Kopfbahnhof als Grundlage des städtischen Transformationsprozesses dient. So verweisen die Kopfbahnhofbefürworter auf das bisher ungeahnte Potential des Kulturdenkmals Bonatz-Bau für die städtische Entwicklung. Betont wird

„die einmalige Chance, an der Nahtstelle von Innenstadt und der heutigen Brachfläche hinter dem Bahnhof (…) einen attraktiven kulturellen Schwerpunkt-Bau einer gläsernen Bahnsteighalle mit Tageslicht, Galerie-Dependancen, Cafés, Restaurants, Ausstellungsräume … zu setzen und eine lebendige Urbanität zu schaffen.“[194]

Interessant hierbei ist die beiderseitige Konstruktion von urbanen Imaginationen. Sowohl die städtebaulichen Konzeptionen von Stuttgart 21 als auch die von K 21 bedienen sich einer metropolitanen Bildsprache. Offensichtlich wird daran, welche Bedeutung der Konstruktion von Urbanität für die moderne Stadtpolitik zugesprochen wird. Dementsprechend geht es in der städtebaulichen Diskussion rund um den Transformationsprozess der Stadtstruktur vorrangig um den Wert, der lokalen Spezifika sowie städtischen Kulturdenkmälern und Kristallisationspunkten urbaner Identität zugesprochen wird. Dem Leitbild eines Stadtraums urbaner Qualität wird dabei nicht widersprochen, jedoch werden die entsprechenden Planungen kritisch betrachtet und daher Alternativmodelle entworfen.

Durch die Planungen zu Stuttgart 21 wird nicht nur der Bahnhof in seiner urbanen Repräsentativität in Mitleidenschaft gezogen, sondern ebenso der Schlossgarten als elementarer Bestandteil des Stuttgarter Stadtraums in seinen Funktionen beschnitten. Hierfür wird das Argument des Halbtiefbahnhofes angeführt, da die Deckenkonstruktion des Durchgangsbahnhofs sich wie ein Wall durch die Stuttgarter Stadtmitte und den Schlossgarten ziehen würde und somit historische Blickperspektiven vom Zentrum ins Neckartal verstellen würde. So formulieren die Projektgegner die Sorge, dass der Stadtraum durch „eine mehrere Meter über die natürliche Höhe aufgewölbte baumlose Mondlandschaft mit riesigen Glubschaugen[195] in zwei Stadtzentren zerschnitten wird, sowie dass Stuttgart „nicht nur sein Gesicht, sondern auch seinen Ruf als bekannte Park-, Garten- und Bäderstadt verliert.“[196]

„Vor allem gibt es keine Großstadt in Deutschland, die so in Talhängen gebaut ist. Das gilt aber nicht nur dann, wenn man von oben die Weinsteige herunterfährt, sondern das gilt auch dann, wenn man nach Stuttgart hereinfährt. Das verschwindet natürlich bei dem Konzept Stuttgart 21. […] Ich habe mich eigentlich immer darauf gefreut, wenn es nach Stuttgart heruntergegangen ist. Das ist schön gewesen. Man ist durch Tunnel gefahren und dann hat man wieder die Stadt gesehen. So ist das wirklich ein Erlebnis gewesen.“[197]

Die Betrachtung des Erlebniswertes eines Stadtraums sowie des Ankunftsprozesses symbolisiert, dass Architektur und Gestaltung einer Stadt nicht nur anhand ihrer Funktionalität bewertet werden können, sondern als immaterielle, identitätsstiftende Spezifika einer lokalen Qualität gesehen werden. Dementsprechend wird diese Qualität als einzigartiges Charakteristikum herausgehoben. Der Denkmalwert des Kopfbahnhofes wurde durch die Ernennung zum Kulturdenkmal institutionalisiert und fungiert dementsprechend als Mahnmal gegen den städtebaulichen Zeitgeist.

„Der Städtebau ist stets der Vollzugsbeamte der Epochenstimmung. Entsprechend sehen unsere Städte und Landschaften aus, auch unsere Stadt Stuttgart: verdinglicht, entleert, entzaubert, ort- und bilderlos. (…) Stuttgart 21 ist die Fortsetzung dieser Entwicklung, dieses Denkens. Dagegen, gegen die radikale Wandlung, gegen die Ver- und Entfremdung ihrer Welt, revoltieren die Menschen, nicht gegen die Fakten, sondern sie spüren, dass hier in ihr Tiefstes eingegriffen wird. (…) Sie wollen in einer Stadt leben voller Erinnerung, Gedächtnis, begehbares Gedächtnis, Atmosphäre, ihrer Stadt. (…) Die Stadt wird nicht als Gesamtheit, als Organismus bezeichnet.“[198]

Roland Ostertag thematisiert eine emotionale Aufladung des Stadtraums, der sich als verräumlichtes kollektives Gedächtnis im städtebaulichen Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne befindet. Die Erinnerungsorte und ihre immanenten atmosphärischen Qualitäten einer Stadtkultur, die sich in der Stadtgestalt wiederfinden, drohen angesichts der Anwendung globaler Architekturtypen verloren zu gehen. Die Vorstellungsbilder und die damit verbundenen Wirklichkeitsdeutungen stehen sich diametral gegenüber und verursachen die Emotionalisierung der Städtebaudiskussion, welche gleichzeitig als politische Grundsatzfrage inszeniert wird. Der Erhalt des Kopfbahnhofes und der traditionellen Stadtstruktur wird so durch Ostertag als öffentliches Interesse dargestellt. Der Bahnhof wird als Symbol einer Stuttgarter Identität inszeniert und als Erinnerungsort konstitutiv für das politische Bewusstsein der Stuttgarter Bürgerschaft.

„An solchen Stellen wird Erinnerung ritualisiert. Sie können unabhängig von ihrer aktuellen Funktion zu symbolischen Referenzorten für eine gemeinschaftlich erworbene oder doch als solche imaginierte Identität werden.“[199]

Weiteres Element der Projektgegner ist die Entwertung des Bonatz-Baus von einem denkmalgeschützten Kopfbahnhofsempfangsgebäude zu einem funktionsentleerten Torso. Roland Ostertag richtet sich darüber hinaus gegen die Funktionalisierung der Stadtstruktur entsprechend einer Maschine und das sie konstituierende Wertesystem:

„Das Wesentliche wird vernachlässigt, wurde vernachlässigt: und zwar die Menschen mit Augen, mit Gefühlen, nicht mit quantifizierbaren Aspekten, sondern mit qualitativen Aspekten. (…) Wir orientieren uns an den schwachen Kräften: der Natur, der Ökologie, des Sozialen, (…) kulturellen, emotionalen, geschichtlichen, den atmosphärischen, ja den menschlichen Dimensionen, den Themen geistig-räumliche Mobilität, Denkmalschutz, Gedächtnis der Stadt, den Menschen, Stadt als Organismus.“[200]

Diese Aussage von Ostertag symbolisiert das Spannungsfeld moderner Stadtpolitik zwischen städtebaulichen Leitbildern und die daraus resultierende Herausforderung der Ausbalancierung zwischen Tradition und Moderne und den divergierenden Akteursinteressen. In diesem Zusammenhang geht es den Projektgegnern darum, den Stadtraum Stuttgart nicht städtebaulichen Moden zu unterwerfen. Dementsprechend werden der Kulturdenkmalwert und der identitätsstiftende Faktor des Kopfbahnhofes den Mechanismen der Eventarchitektur entgegengestellt. Ilse Helbrecht wendet sich in ihrem Artikel „Die Stadt als Ereignis“ gegen die städtische Eventkultur, welche einen „Substanzverlust von Stadtkultur und Stadterleben“[201] nach sich ziehe. Diese Kritik lässt sich ebenso auf städtebauliche Großprojekte im Sinne von Eventarchitekturen anwenden, da die Struktur des Raums in Wechselbeziehung zur Stadtkultur durch Prozesse der architektonisch medialisierten Vermarktung der Innenstädte die Stadtkultur transformiert. Helbrecht fordert daher die Stadt an ihrem Ereigniswert statt an ihrem Erlebniswert zu bemessen.[202] Hieran werden die unterschiedlichen Konzepte von Metropolitanität und städtebaulichen Imaginationen deutlich.

Ein weiteres Kernthema ist die mangelnde Möglichkeit zur Partizipation am Städtebau, welches jedoch nur am Rande Erwähnung finden soll. Der Kopfbahnhof Stuttgarts wird als Ankerpunkt gegen eine neoliberale Stadtpolitik inszeniert. Gleichzeitig wird eine politische Symbolfunktion generiert, die mit urbanen Qualitäten und kultureller Codierung verbunden wird. Problematisiert werden dabei die politischen Versprechungen eines offenen Planungsverfahrens bezüglich der stadträumlichen Entwicklung des Gleisvorfeldes.

„Bei allen Stuttgarter Großprojekten der vergangenen Jahre hatte nicht die Bürgerschaft, sondern hatten die Investoren das Sagen: der Trump-Tower in Feuerbach, das Fürst-Modezentrum am Killesberg, das Einkaufsquartier „S“ der Württembergischen Versicherung in Stuttgart-Süd, das Da-Vinci-Zentrum von Breuninger in der Stadtmitte – überall fordern die Investoren eine massive Erhöhung der zulässigen Baunutzung und überall hat die Stadtverwaltung bisher nachgegeben.“[203]

Die Kritik an der investorenfreundlichen Stadtpolitik symbolisiert die empfundene Ohnmacht gegenüber einer Stadtentwicklung, die der Logik einer wirtschaftlich-orientierten Repräsentativität entsprechend globale Schablonen städtischer Strukturen entwirft. Zentraler Einspruch daher ist: „Stuttgart hat Besseres verdient“, als „maßstabslose Bürohausarchitektur“[204], die durch die auf effiziente Vermarktung der innerstädtischen Flächen ausgerichtete Stadtpolitik zu erwarten wäre. So fokussiert die Projektgegnerschaft die immateriellen Qualitäten des Stadtraums, denn „eine Stadt ist keine Maschine, die man einfach nur auf Hochleistung trimmen kann, sondern eine Stadt ist viel mehr.“[205] Das Versprechen der Stuttgarter Stadtverwaltung, die Entwicklung des neuen Bezirks in einem offenen Planungsverfahren zu gestalten, wird demnach lediglich als politisches Instrument zur Befriedung des Konfliktes wahrgenommen.

Entgegen dem Abriss von Kulturdenkmälern, der Zerstörung von städtischen Lebensräumen sowie dem Verwertungsdruck der frei werdenden Flächen, welcher eine behutsame Stadterneuerung unmöglich machen würde, befürworten die Projektgegner von S 21 eine Stadtentwicklung, bei der vorhandene Qualitäten aufgegriffen und entwickelt werden sollten.[206] Dementsprechend wird ein modernisierter Kopfbahnhof als Medium zwischen Stuttgarter Geschichte und nachhaltiger Entwicklung angeführt und als eigentliche Zukunftschance inszeniert. Die stadträumliche Funktion und unersetzliche Qualität des Kopfbahnhofs wird durch ein Zitat von Klaus-Jürgen Sembach, einem Stuttgarter Architekt und Autor, verdeutlicht:

„Aber wesentlich ist wohl, dass hier nicht einfach ein neuer Stuttgarter Bahnhof gebaut worden ist, sondern ein Bahnhofgenau und sehr gerecht IN und FÜR diese Stadt. (…) Damit wird das Gebäude … zu einem wichtigen Element innerhalb der modernen Architekturentwicklung.“[207]

Ein Argument, welches jedoch gleichsam die Projektbefürworter für sich in Anspruch nehmen. Der Argumentationsstrang der Urheber und Befürworter des Städtebauprojekts Stuttgart 21 soll im Folgenden analysiert werden.

8. Stuttgart 21 – Impuls urbaner Vision

„Der „subjektive“ Raum des Architekten ist mit objektiven Bedeutungen beladen. Als visueller Raum reduziert er sich auf das Bild: auf die „Welt des Bildes“, die Widersacherin der Imagination. (…) Der Architekt hat somit eine bestimmte Repräsentation des Raumes, die an graphische Elemente gebunden ist. Diejenigen, die sich dieses konzipierten Raumes bedienen, halten ihn für wahr, obwohl oder gerade weil er geometrisch ist. So wird er zum Ort der Objektivierung von Projekten.“[208]

Der urbane Charakter des Projektes Stuttgart 21 liegt in der städtebaulichen Konstruktion von Bildwelten begründet. Entgegen der Inszenierung des bestehenden Kopfbahnhofes durch die Projektgegner sind die Befürworter darauf angewiesen aktuelle städtebauliche Leitbilder mit der Spezifik des Ortes durch Mechanismen medialer Repräsentation zu erzeugen. Hierfür findet neben der Präsentation der städtebaulichen Konzepte vor allem die städtebauliche Kontextualisierung Anwendung. Stuttgart steht demnach vor Aufgabe sich den transformierten Anforderungen der Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft anzupassen und einen städtebaulichen Entwicklungsschritt als Grundlage des Bestehens in der Standortkonkurrenz um Investitionen, Image und Kreativität.

Schon eine anfängliche Diskursanalyse der städtebaulichen Bildsprache deckt elementare Unterschiede der stadträumlichen Wahrnehmung und der ihnen zugesprochenen Potentiale auf. Während durch die Vertreter des Kopfbahnhofkonzeptes Kategorien wie Stadtbild, Wahrzeichen und Denkmalwert entscheidend für die Stadtgestaltung sind, werden durch die S21-Träger und Befürworter eher wirtschaftlich anmutende Kategorien angewandt: die „neue Visitenkarte für die Stadt“[209] wird zum Symbol der Inszenierung des Bahnhofs als innovatives Großprojekt internationaler Architektur oder des Setzens von Maßstäben technokratischer Funktionalität. Dem Stuttgarter Hauptbahnhof wird seine repräsentative Funktion zugunsten des städtebaulichen Konzepts der neu entstehenden Stuttgarter Innenstadt genommen und gleichzeitig als Bahnhof eines modernen Zeitgeistes inszeniert – als „Bahnhof des 21. Jahrhunderts.“[210] Dementsprechend ist auch die politische Begeisterung für die stadtpolitische Lösung des wirtschaftlichen Großprojekts als Wegbereiter der Moderne einzuordnen. Das Stadtplanungsamt Stuttgarts verwies daher auf „die grandiosen Chancen“ des „Jahrhundertprojekts“ und betonte im Zusammenhang mit Stuttgart 21 den „Beginn eines modernen, komfortableren Zeitalters“ als „eine Art zweite Stadtgründung“.[211]

Beachtenswert ist, dass sich während der Schlichtungsgespräche die konkurrierenden Positionen in der Formulierung ihrer stadtentwicklungspolitischen Ziele angenähert haben. So greift beispielsweise Klaus Arnoldi, Gegner des Projekts, das Bild der städtischen Visitenkarte auf und positioniert das Alternativmodell „Kopfbahnhof 21“ als „freundliche Visitenkarte“[212] für Stuttgart. Beide Seiten instrumentalisieren ihre städtebauliche Konzeption als stadtbildprägendes Statussymbol Stuttgarts. Durch die gewachsene Standortkonkurrenz und die stärkere Medialisierung der Stadtpolitik haben städtebauliche und architektonische Themen an Präsenz zugenommen und dabei „die symbolische Aufladung der Städte mit Architektur, spektakulärem Ingenieurbau und großen städtebaulichen Projekten zu einem festen Bestandteil der „Erlebnisgesellschaft“ gemacht.“[213]

Die Projektbefürworter konzentrieren sich bei ihrer Argumentation auf die Verdeutlichung der Chancen für die Stadtentwicklung und nutzen dafür Mechanismen der Imagination. Anwendung finden im Rahmen einer umfassenden Marketing-Kampagne Plakate, Motion-Filme und umfassende Informationsmaterialien sowie eine Ausstellung im Turmforum des Bonatz-Baus. Die vielseitige Präsentation der Planungen symbolisiert dabei die hohe Relevanz der Verbildlichung urbaner Visionen für den Städtebau, da durch die Globalisierung und Medialisierung imaginative, symbolische sowie emotionale Prozesse der Stadtgestaltung gesteigerte Bedeutung erlangen.

Das alte Bahnhofsgebäude nimmt aufgrund seiner stadträumlichen Symbolik und seiner Fokussierung durch die Projektkritiker hinsichtlich seines Denkmalwertes nur eine geringfügigere Position im Darstellungsprozess pro Stuttgart 21 ein. Der Bonatz-Bau wird hinsichtlich der leitbildgerechten Realisierung des städtischen Transformationsprozesses vorrangig kontextualisiert. Zentrales Thema der städtebaulichen Präsentation ist das Gleisvorfeld, welches als Trennlinie in der Stadt dargestellt wird, wie „ein Keil, der da hinein getrieben ist.“[214] Durch den Verweis auf den Keil in der Stadtstruktur wird der städtebauliche Eingriff durch Stuttgart 21 relativiert und das Projekt somit als wiedervereinendes Element des Stuttgarter Stadtraums inszeniert:

„Nur dieses Projekt bietet der Stadt Stuttgart die Chance, die schweren Eingriffe, die vor 100 Jahren mit den Gleisanlagen in das Stadtgefüge gemacht wurden, zu beseitigen und die Stadtteile Nord und Ost wieder zu vereinigen.“[215]

Hierbei findet jedoch keine Erwähnung, dass der Kopfbahnhof und das Gleisvorfeld erst durch das Wachstum der Stadt in die städtische Mitte gerückt sind. Der Stuttgarter Kopfbahnhof fungiert dementsprechend als Relikt einer überholten Stadtpolitik, dessen unmoderner Zustand darüber hinaus seine Vergänglichkeit symbolisiert.

„Jeder, der auf diesen Zustand stolz ist und mit diesem Zustand die Liebe der Stuttgarter zu ihrem Bahnhof illustrieren möchte, möchte sich bitte vergewissern, ob er weiß wovon er redet. (…) Wir finden heute überhaupt kein einziges der wesentlichen Gestaltungselemente aus dem Entwurf und aus dem Bauzustand dieses Bahnhofes noch wieder.“[216]

Die Perspektive des Architekten Ingenhoven verkennt dabei jedoch die sozialräumliche Aufwertung, die der Ort unabhängig von seinem jetzigen Zustand erlangt hat. Des Weiteren verkennt Ingenhoven die Sorge vor einer strukturellen Transformation des Stadtraums, welche der „alten“ Innenstadt eine neue City globaler urbaner Logik entgegen stellt. Christoph Ingenhoven sieht das Hauptanliegen seines architektonischen Entwurfs in der Befreiung des Tals von den Gleisanlagen und dem Flächenrecycling als Grundlage eines Zusammenwachsens der Stuttgarter Stadträume über das ehemalige Gleisvorfeld hinweg. Den Bahnhofsbau betrachtet er als verbindendes Element und neues Zentrum der Innenstadt Stuttgarts. Dementsprechend bezeichnet er die Bahnhofsfenster des Bonatz-Baus als „Entree in (…) das neue Stadtgebiet.“ Weiterhin verweist er auf den Erhalt des Stadtbildes und die Instandsetzung der Bonatz´schen Bahnhofshalle durch das Projekt Stuttgart 21, denn „all das, was die Stuttgarter von diesem Bahnhof sehen – funktional, volumetrisch – wird erhalten.“[217] Für den Architekten zählt dabei neben der Zielsetzung des Flächenrecyclings vor allem das Argument der architektonischen Repräsentativität des Projekts, weshalb sein letztes vorgetragenes Argument während der Schlichtungsrunde in der externen Wahrnehmung begründet liegt: „Das ist ein Projekt, dass von außen gesehen mit sehr vielen Preisen bedacht worden ist. Es gibt viele Menschen, die das deutlich weniger kritisch sehen, als es in Stuttgart geschieht.“[218]

Hieran wird deutlich, dass die kritische Haltung großer Teile der Stuttgarter Bevölkerung gegenüber der Logik global wirkender Ikonographie von Architektur tendenziell als irrelevant betrachtet wird. Ein Projekt dieser Größenordnung wäre demnach nicht den spezifischen Erfordernissen des Stuttgarter Stadtraums entsprechend konzipiert, sondern für die lokale Repräsentativität gedacht. Architektur in diesem Sinn entwickelt sich somit zu einer Bildsprache, die ohne die stadträumliche Verortung als Kommunikationsmittel gedacht werden kann. Die Öffentlichkeitsarbeit für Stuttgart 21 konstruiert dabei den neuen Bahnhof als Ausgangspunkt einer verheißungsvollen Zukunft und entwirft über einen hellen, sauberen Bahnhof hinaus ein neues urbanes Stadtviertel mit Plätzen und Cafés. Auch die Namensgebung für das konzipierte Stadtquartier und die verbundene Straßenbenennung nach europäischen Großstädten vermitteln anschaulich die konstituierte metropolitane Symbolik.

Ein weiteres metaphorisches Element liegt in der Terminologie des „Jahrhundertprojekts“[219] begründet. Neben der Kontextualisierung der räumlichen Komponente hinsichtlich der den lokalen Interessen übergeordneten regionalen Entwicklungsbezügen sind demzufolge Widerstände des städtebaupolitischen Zeitgeistes als kritisch zu betrachten. Der Argumentationsstrang des Jahrhundertprojektes folgt einer Logik visionären Charakters, welche auch über umfassende Kritik hinweg realisiert werden müsse. So stellt Thomas Bopp vom Verband Region Stuttgart heraus, es sei „wichtig, dass wir uns mit Stuttgart 21 für eine Lösung entschieden haben, die weit über 2020 hinaus Perspektiven und Optionen hat für Entwicklungen, die wir heute noch gar nicht absehen können, (…).“[220] Die Projektbefürworter versuchen somit die Kritik am Projekt Stuttgart 21 als Nebengeräusche des temporären Widerstands darzustellen, welcher sich nach Realisierung des Projekts in Wohlgefallen auflösen würde. Dieser Logik entsprechend wird beispielhaft der Planungsprozess der Stuttgarter Weißenhofsiedlung angeführt, welche gegen Widerstand durchgesetzt, 1927 errichtet wurde und heutzutage als wichtiges Architekturzeugnis der Stuttgarter Stadtgeschichte Erwähnung findet. In diesem Sinne bringt Stefan Mappus, der damalige Ministerpräsident Baden-Württembergs, das Projekt Stuttgart 21 mit der Weißenhofsiedlung in Einklang: „Lassen Sie uns gemeinsam auf dem neuen Gelände von Stuttgart 21 eine neue Weißenhofsiedlung bauen, modellhaftes und vorbildliches Wohnen und Arbeiten im Kontext des 21. Jahrhunderts. Lassen Sie uns diese Chance gemeinsam nutzen.“[221] Stefan Mappus konstituiert mit seinen Aussagen hierbei gleichsam einen Idealtypus urbaner Kultur und der nachhaltigen Nutzung des Stadtgebiets. Weiterhin wird das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21 als historisch einmalige Möglichkeit inszeniert. So verweist Stuttgarts OB Dr. Wolfgang Schuster in seinem Abschlussplädoyer während der Schlichtungsrunde mit Nachdruck darauf, „diese wirklich historische städtebauliche Chance (…) zu nutzen“.[222] Ein entscheidendes Schlaglicht auf die Argumentation der Projektbefürworter stellt der Verweis auf die Weißenhofsiedlung dar, die auch gegen Widerstand durchgesetzt wurde und heute sowohl Kulturdenkmal als auch Repräsentationsort Stuttgarts ist. Hierbei spielt auch die mediale Konstruktion des „Wutbürgers“[223]: ein Bürger, der ohne die nötige Weitsicht gegen Veränderungen protestiere. Die unterstellte Irrationalität hinsichtlich eines modernen Städtebaus ist dabei eine der grundlegenden Erfahrungen, welche zu der starken Emotionalisierung der Diskussion um Stuttgart 21 führten. Insgesamt wird durch die Vertreter von Stuttgart 21 ein metaphorisches Spannungsfeld inszeniert, welches die Projektkritiker als Gegner des städtischen Fortschritts darstellt und somit Legitimationsdruck erzeugt.

„Die Durchsetzungskraft einzelner Akteure wird dann besonders groß, wenn sie individuelle und institutionelle Komponenten von Macht in sich vereinigen. Sie fungieren in diesem Fall als besondere Förderer des Entscheidungsprozesses, als Schlüsselpersonen im Gefüge kommunaler und regionaler Raumnutzungskonflikte.“[224]

Während im Planungsprozess Landesregierung, Stadtregierung und die Deutsche Bahn AG als geschlossener Akteur auftraten und somit die Entscheidungsprozesse schnell zum Abschluss brachten, übernahm der Schlichtungsprozess die Rolle eines Akteurs der rückwirkenden Reproduktion politischer Legitimation. Hierbei ist aber zu beachten, dass kaum Alternativvorschläge in einem offenen Entscheidungsprozess behandelt wurden, sondern die Schlichtung als mediale Repräsentationsbasis der Projektakteure genutzt wurde.

9. Der Stadtraum als Träger lokaler Identität

„Ein Ort ist ein Raum, in dem man die individuellen und kollektiven Identitäten, ihre Beziehungen und ihre Geschichte ablesen kann. (…) Ein Nicht-Ort, definiert sich umgekehrt als ein Raum, in dem sich weder Identitäten noch Beziehungen, noch Geschichte ablesen lassen.“[225]

Städtische Räume werden über soziale Aushandlungsprozesse konstruiert und wirken gleichsam als soziokulturelle Kategorie. Die materielle Qualität des Raums steht im Wechselverhältnis zur immateriellen Wertzuschreibung, die Grundlage und Produkt von Stadtkulturen, Symboliken und Images ist. Saskia Sassen konstatiert eine umfassende Reorganisation der Raumstruktur und der Raumerfahrung im Zuge der Globalisierung.[226] Die überregionale Standortkonkurrenz entferne die Stadtpolitik in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht von der der Stadtkultur, wodurch Konflikte um Erinnerungsorte, das kollektive Gedächtnis und Partizipationslogiken entstehen. Diese Konflikte basieren auf unterschiedlichen stadträumlichen Vorstellungsmustern, Ansprüchen und Identitätsbezügen.[227]

„Denn in die räumlich-topographische Ordnung der Stadtlandschaft sind noch andere, ganz unterschiedliche Ordnungen der Geschichte, der Erinnerung, der Kultur eingeschrieben. Es sind Texte und Kon-Texte eines kollektiven Gedächtnisses, das sich über die einzelnen Teile wieder an das Ganze erinnert.“[228]

Die Emotionalisierung der Diskussion um Stuttgart 21 entspricht den von Läpple angeführten gesellschaftlichen Rückbettungskontexten im Zuge der Globalisierung. Durch die Transformation und Auflösung gesellschaftlicher Strukturen und Traditionen entwickeln sich Tendenzen der institutionellen Wiedereinbettung. Die Inszenierung von lokalen Erinnerungsorten dient dabei als Ankerpunkt eines kollektiven Gedächtnisses. Entgegen der Hinwendung zu globalen Architekturtypen basiert der Rückbettungskontext einer Stadt jedoch insbesondere auf der differentiellen Qualität des Stadtraums.[229] In diesem Sinne werden Bedeutungszusammenhänge wie Orte, Bewegungen oder Gebäude als Identitätsanker symbolisch aufgeladen und (re)konstituieren einen „Habitus der Stadt“[230] entgegen der Homogenisierung glokaler Stadträume. Dementsprechend führen Prozesse der Globalisierung, die sich im städtischen Raum auswirken, zwangsläufig zu einer strukturellen Spaltung der Stadt. Der Konflikt besteht dementsprechend zwischen den unter anderem auch von Castells betonten Tausch- und Gebrauchswerten[231] von Stadtstruktur. So konstatieren Gröschel und Kirchberg, dass an die Stelle normativer Stadtkultur die Suggestionskraft von Bildern, Ästhetik und globalen Produkten tritt.[232] Darauf aufbauend lässt sich die These Reuters, public-private-partnerships seien typische Auslöser für den Konflikt zwischen stadträumlicher Ökonomisierung und Bewahrung des Stadtgedächtnisses[233] kontextualisieren. An der politischen und wirtschaftlichen Differenzierung der Stadtpolitik und Stadtkultur entzünden sich folglich Aushandlungsprozesse um Identitätsbezüge, stadträumliche Strukturen und deren symbolische Verortung.

Der Erfahrungsraum einer Stadt basiert auf der stadtspezifischen Morphologie, der Geschichte und ihrer Lesbarkeit. Ebenso von Bedeutung als Merkmale und Merkzeichen lokaler Charakteristik sind Architekturtypen, Perspektiven, Silhouetten und die sich daraus konstituierenden Bilder einer Stadt. Die daraus resultierende Einprägsamkeit und Orientierung wirkt im Zusammenspiel mit dem Stadtraum als Bedeutungsträger und als konstruierendes Element der Alltagserfahrung. Walter Cernek fasst darauf aufbauend drei Ebenen des Stadtentwurfes zusammen, welche repräsentativ für die Stadt, ihre Geschichte und ihr Gedächtnis stehen: „das Bild einer Idee, der Grundriss und der Aufbau, also die Architektur der Stadt.“[234] Neben den schon genannten Bildern und Architekturtypen als Träger der Stadtgeschichte, führt Cernek zudem den Stadtgrundriss als prägendes Element an. Der Grundriss einer Stadt wird als Gedächtnis der Stadt verstanden, als Abbild der Ideen der Stadtgründung und ihrer Entwicklung. Demzufolge könne die Veränderung des Grundrisses einer Stadt auch als Arbeit am Gedächtnis einer Stadt verstanden werden.

Die auf dem Grundriss basierende Architektur unterstreicht die Stadtstruktur und dient folglich als Orientierungspunkt und Bedeutungsträger der symbolischen Repräsentation der Stadtkultur.

„Es ist dies die Stadt der interpersonalen Begegnungen, die Stadt individueller und kollektiver Erinnerung, die Stadt, über die es ein soziales, kommunizierbares Wissen gibt, kurzum: die Stadt einprägsamer und vertrauter Raume und Orte.“[235]

Solche Räume und Orte in der Stadt sind folglich untrennbar mit gesellschaftlicher Entwicklung verbunden. Sie haben einen diskursiven Charakter, weshalb sie unterschiedlichen Deutungen und Wertzuschreibungen unterliegen. Die moderne Stadtforschung hat basierend auf den Arbeiten von Henri Lefebvre den Raum in seinem prozessualen Charakter wiederentdeckt und ihn fortan als Deutungszusammenhang ins Blickfeld genommen. Insbesondere Martina Löw hat mit ihren Konzepten von Spacing und Syntheseleistung entscheidenden Einfluss auf die aktuelle Stadt- und Raumforschung. Die schon oben angeführten Prozesse der Raumproduktion konstituieren eine Wechselwirkung zwischen Handlung und Struktur. Aus dieser Annahme resultiert der Raum als relationale (An)Ordnung. In diesem Sinne ist städtischer Raum als ein durch spacing und Syntheseleistung selbst geschaffener Kommunikationsraum, welcher Orientierung in Form von mental maps sowie affektive Bindung erzeugt.

„Mental maps sprechen von vornherein nicht von einem Raum, sondern von vielen Räumen. Die Rede von den mental maps impliziert so viele Räume, wie es Sichtweisen, Wahrnehmungsweisen, Erfahrungsweisen gibt. Mental maps sind im Grunde das Ende der Vorstellung von dem einen Raum, eine radikale Subjektivierung der Raumvorstellung.“[236]

Mental maps sind das Ergebnis kognitiver Bezugssysteme mit soziokulturellem Hintergrund. Sie fungieren als Sammlung von Erinnerung, Bildern und Wahrnehmung, welche im Moment der Auseinandersetzung mit dem Wert eines Ortes aus dem Hintergrund treten und verlorene Räume verdeutlichen. Dabei können sie zwar laut Schlögel von der Wirklichkeit überholt werden und wirken demnach anachronistisch als Bedeutungsträger weiter. Dieser Prozess lässt sich anhand der Inszenierung des Bonatz-Baus als Erinnerungsort einer originären Stuttgarter Urbanität ablesen, welcher im Moment des Abrisses des Südflügels zur Ikone einer Stadt als Identifikationsraum wird. Folglich dienen diese kognitiven Bezugssysteme gleichsam als konstituierende Elemente von lokaler Identität und Stadtkultur. Daher obliegt es der Stadtpolitik Entwicklungs- und Transformationsprozesse in den materiellen und immateriellen Stadtraum einzugliedern. Ähnlich argumentiert Cernek:

„Nicht die plakativen Inszenierungen, flüchtige, angeblich unsere Zeit charakterisierende „technoide“ und modische Architekturobjekte können der Geschichte der Stadt und ihrem Erinnerungsbild kongruent sein, sondern nur Projekte, die in der Sprache eines spezifischen Ortes verständlich sind, die sich der Grammatik, auch wenn sie dialektisch organisiert sein mag, des konkreten Ortes bemächtigen.“[237]

Walter Cernek konstatiert gar die bedrohte Identität der Stadt, aufbauend unter anderem auf den Arbeiten von Rem Koolhaas zur Stadt ohne Eigenschaften in Zeiten der urbanen Nivellierung moderner Stadtentwicklung. Koolhaas´ Theorie der generic city basiert auf der Verbindung von Eigenschaftslosigkeit der Stadtgestaltung und des daraus resultierenden Identitätsverlustes.[238] In ähnlicher Weise argumentierte schon Mitscherlich bezüglich der Unwirtlichkeit unserer Städte. Obwohl jeweils unterschiedliche Perspektiven auf die Verräumlichung gesellschaftlicher Entwicklung genommen wurden, bleibt festzuhalten, dass die aktuelle Stadtentwicklung wiederum vor neue Herausforderungen gesetzt wird. Die gesellschaftlichen Entwicklungen haben diverse Abbilder städtischer Räume hervorgebracht. Im Zuge der Globalisierung, den Anforderungen der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft sowie der Event- und Imageorientierung geraten jedoch die lokalen Spezifika in den Blickpunkt, indem sie als Standortfaktor historisiert und gestärkt oder kulturell nivelliert und aus dem Stadtraum verdrängt werden. Die Bedrohung der lokalen Identität liegt dabei im Umgang mit den Kontinuitäten im Stadtraum, welche im Zuge von nötigen Umstrukturierungsprozessen transformiert werden beziehungsweise eine Umnutzung erfahren. Die traditionale Stadt als Ort der Sehnsucht wird im Zuge der Umstrukturierung des Stadtraums symbolisch aufgeladen. Der genius loci, die Individualität und Geschichte eines Ortes, ist folglich zu einem Kristallisationspunkt in der Stadtplanung geworden, an dem Konflikte um den Stadtraum aufbrechen. Eine Entwicklung, welche in diesem Ausmaß ohne die zunehmende Glokalisierung der Innenstädte nicht denkbar wäre. Die Stadt als Text wird der Stadt als Bild gegenübergestellt. Robert E. Park, neben Burgess und Wirth einer der zentralen Vertreter der Chicago-School, konstatierte schon in seiner maßgeblichen Arbeit “The City: Suggestions for the Investigation of Human Behavior in the Urban Environment” von 1925: „The city is, rather, a state of mind, a body of customs and traditions, and of the organized attitudes and sentiments that inhere in these customs and are transmitted with this tradition.“[239] Die Stadt als Bedeutungszusammenhang ist folglich kollektive Konstruktionsleistung der Bürger, welche über Kommunikationsprozesse entwickelt wird. Insbesondere die Prozesse der Stadtentwicklung sind dementsprechend als öffentliche Kommunikationsmedien zu analysieren. Der cultural turn in der Stadtforschung rückt die Vorstellungsbilder von Raum beziehungsweise von Stadt und deren Symbolik in den Mittelpunkt wissenschaftlichen Arbeitens. Die Geschichte und Gestalt des Stadtraums konstituieren eigene Bilder der Stadt und somit eine lokalspezifisch geprägte soziokulturelle Wahrnehmung. Kaschuba beschreibt diese als „eine eigene atmosphärische Idee und Dichte lokaler Identität.“[240]

„Es handelt sich um langlebige, Generationen überdauernde Kristallisationspunkte kollektiver Erinnerung und Identität, die in gesellschaftliche, kulturelle und politische Üblichkeiten eingebunden sind und die sich in dem Maße verändern, in dem sich die Weise ihrer Wahrnehmung, Aneignung, Anwendung und Übertragung verändert.“[241]

In Anlehnung an die Arbeiten von Kevin Lynch zum Bild der Stadt findet man hier einen Verweis auf die sinnliche Wahrnehmung einer Stadt. Die symbolische Bedeutung ist demnach relevanter als die technische Funktionalität. In ähnlicher Weise argumentiert Christmann zur Architektur als Element der Stadtkultur am Fallbeispiel Dresden: „Zwar beziehe man durchaus Selbstbewusstsein aus technischer Modernisierung, ´aus Stein gefügte Ideen´ habe man aber immer bevorzugt.[242] Der Kopfbahnhof dient als Referenzpunkt einer raumbezogenen Identität. Die Bahnhofsarchitektur des Bonatz-Baus liegt im Fokus differenter Wirklichkeitsdeutungen und repräsentiert damit unter anderem gegenläufige Stadtmodelle bezüglich funktioneller, sozialer als auch ästhetischer Fragen. Daraus resultieren gleichsam Vorstellungsbilder, die für die architektonische Gestaltung der Stadt maßgeblich sind. Einerseits wird der Erhalt des Kopfbahnhofes als anstrebenswertes Monument verstanden, welches repräsentativ für eine qualitative Stadtentwicklung steht, denn

„bei der Stadt geht um mehr: um das Bestehende, ein begehbares Gedächtnis, um Heimat – um genau das, warum gerade so viele Leute auf die Straße gehen und sich gegen dieses Bahnhofs- und Städtebauprojekt wehren.“[243]

Kollektive Identitäten stehen im Spannungsverhältnis zu städtebaulichen Entwicklungsprozessen, da sie sich auf einen kollektiv tradierten Sozialzusammenhang berufen, welcher in der Architektur und Gestalt des Stadtraums symbolisch manifestiert ist. Es sind symbolische Konstruktionen, welche den Stadtraum in seinem Bedeutungsgehalt inszenieren und als Impuls von gemeinschaftlichen Handlungen entwickeln. Demzufolge entstehen Räume, die als Gegenpol zur Entstehung der Nicht-Orte zu Kultstätten der lokalen Spezifik und Stadtkultur werden.

„Gerade in ihrer Funktion als neue Kultstätten können diese Räume zu symbolischen Zentren für marginalisierte Gruppen werden. (Hetherington) Die sakrale Stilisierung von Räumen (…) ist in diesem Zusammenhang als Ausdruck der Notwendigkeit zu interpretieren, die dort vollzogenen sozialen Praktiken zu einer bedeutungsgeladenen Handlung zu stilisieren.“[244]

Folglich stehen die Inszenierung des Bonatz-Baus und die an ihm orientierte Handlung in Wechselwirkung zur Steigerung des repräsentativen Charakters der Proteste gegen das Städtebauprojekt Stuttgart 21. Weitere Medien der Gegenbewegung sind die Transformation des Bauzauns in ein Diskussionsforum und eine Klagemauer des Widerstands sowie die Besetzung und Politisierung des Schlossparks gegen das Großprojekt. Diese materiellen Ausdrücke des Protests werden durch diskursive Modelle und Aktionsformen unterstützt. Beispielhaft zu nennen sind an dieser Stelle der auf stärkere Identifikation abzielende Code „Oben bleiben“, der auf Mobilisierung ausgerichtete Schwabenstreich[245] und karikierende Bedeutungsträger wie die „Stuttgarter Pflastersteine“[246], die die Kritik an der politisch-medialen Öffentlichkeit pro Stuttgart 21 symbolisieren, welche versucht den Protest in seiner Wahrnehmung zu radikalisieren oder sogar zu kriminalisieren.

Der Stadtraum als Kristallisationspunkt von Identitätsstrukturen lässt sich auf Basis dreier Ebenen analysieren, die in Wechselbeziehung zueinander stehen und als Wirkungsbereiche der Inszenierung lokaler Spezifika dienen: die materielle Ebene, die Ebene der medialen Repräsentation und die Handlungsebene.[247] Als materielle Ebene sind die Orte der städtischen Erfahrungswelten, die Gestaltung und Bebauung, zu bezeichnen. Durch die visuelle und sprachliche Inszenierung und Bedeutungsaufladung wird die Wahrnehmung des Ortes beeinflusst und anhand von Zeichen und Symbolsystemen repräsentiert. Die dritte Ebene der Handlung lässt sich als Erlebnis- und Konsumprozess der vorstrukturierten Ortsgegebenheiten betrachten.[248] Der städtische Raum ist folglich ein Konglomerat aus Zeichensystemen, diskursiven Bezugspunkten und Aneignungsprozessen. Die Konstrukte Stadtstruktur und Stadtbild als Grundlage von Identität konstituieren sich daher durch semiotische und handlungstheoretische Prozesse der Stadtpolitik.

Die Gestalt des Stadtraums, die materialisierten Orte lokaler Geschichte sowie das Bild der Stadt dienen als Identitätsraum und werden gleichsam in städtebaulichen Prozessen in den Kategorien Stadt, Kommunikation und Identität thematisiert. Diese Kategorien stellen die Konfliktlinie des Interessengegensatzes um das Projekt Stuttgart 21 dar. Hierin liegt die Grundlage für „die größte Protestbewegung, die Stuttgart je erlebt hat.[249] Das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21 wird als Maxime einer neoliberalen Städtebaupolitik verstanden: Die unternehmerische Stadt mobilisiert und inszeniert den öffentlichen Stadtraum als Ressource einer zukunftsträchtigen Stadtpolitik. In diesem Sinne wird insbesondere der zentrumsnahe öffentliche Raum zur Projektionsfläche der Konstitution von Konsum- und Erlebnislandschaften und als Standort der Dienstleistungsökonomie neu ausgerichtet. Der Idealtypus des konsumtiven Raumerfahrens konstituiert den Stadtbürger als Konsumenten, dessen integrale Perspektive auf die Stadtpolitik durch Ästhetisierung und Imagination transformiert wird im Sinne einer konsumorientierten lokalen Identität. Dem entgegen steht die Wahrnehmung des Stadtraums als Verräumlichung des genius loci und somit als Strukturierungsmoment räumlicher Identität. Stuttgart 21 bewirkt unabhängig vom Städtebauprojekt die Konstruktion eines neuen Geist des Ortes. Die kommunikativen Aushandlungsprozesse rekonstituieren die Räume und Orte in Stuttgart durch die in Bezug zu Stuttgart 21 entstandenen Deutungsmuster und Handlungsfelder.

„Orte sind mit Historie gefüllt und in der lokalen Geschichte verankert. Orte sind rhetorische Territorien, in denen man Codes teilt und in denen es möglich ist, sich über Andeutungen und stumme Übereinkünfte zu verständigen. Orte sind Horte des Spezifischen.“[250]

Diese Horte des Spezifischen stehen im Zuge der wahrgenommenen Entfremdungsprozesse der globalisierenden Stadt im Fokus des Wunsches nach Gestaltungsmöglichkeiten und Partizipation.

10. (Re)Konstruktionen lokaler Identität

„Die Situierung sozialer Interaktion kann man sinnvoll im Verhältnis zu den verschiedenen Orten untersuchen, durch die hindurch die Alltagsaktivitäten der Individuen koordiniert werden. Orte (locales) sind nicht einfach Plätze (places), sondern Bezugsrahmen von und für Interaktionen.(…) Der wesentlich „gegebene“ Charakter des physischen Milieus des Alltagslebens ist mit der Routine verwoben und hat starken Einfluss auf die Konturen der institutionellen Reproduktion.“[251]

Aktuelle stadtplanerische Projekte, die sie konstituierenden städtebaulichen Prozesse sowie die um sie kreisenden Diskurse repräsentieren die modernen Qualitäten des Stadtraums im Fokus des Interessenkonflikts. Jener Interessenkonflikt lässt sich im Zuge der Stadtentwicklung unter den Bedingungen der globalisierten Informations- und Dienstleistungsökonomie als Kristallisationspunkt der Erfahrung des Stadtraums zwischen Entgrenzung und verstärkter Zuwendung als Identitätsanker darlegen. Städte und insbesondere die Stadtpolitik stehen zunehmend im Spannungsfeld zwischen der Auflösung des Profils der Stadt und den kohäsiven Gegenbewegungen, welche den Stadtraum emotionalisieren, aneignen und als Identifikationsangebot konstituieren. So weist Adelheid von Saldern zu Recht darauf hin, dass Kohärenz und Entgrenzung zwei Konstrukte mit binärem Muster sind.[252] Auf der einen Seite sieht sie die Entgrenzung des Städtischen verbunden mit dem Verlust der urbanen Qualität als Grundlage einer lokalen Identität, da „die Stadt und das Städtische nur mehr gedankliche Konstruktion (seien), sie spielten realiter keine Rolle mehr.“[253] Andererseits weist sie auf eine verstärkte sozialräumliche Gebundenheit hin, welche ihren Ausdruck unter anderem in stadtbezogenen Partizipationsbewegungen finden. So konstatiert sie:

„Solchen Szenarien mehrdimensional entgrenzter Stadträume stehen Überlegungen entgegen, die in der Stadt hinsichtlich des Städtischen gleichwohl Beharrungs- und Gegentrends ausmachen, die der Stadt noch mehr Gewicht verleihen.“[254]

Auf diesen Überlegung basiert meine These, dass die lokale Qualität eines Raums, die emotionale und symbolische Repräsentativität des Stadtraums, der Logik der modernen Stadtplanung entgegensteht und somit unter anderem der Konflikt um Stuttgart 21 kein lediglich lokales Phänomen ist, sondern eher einen repräsentativen Konflikt aktueller Stadtentwicklungsprozesse darstellt. Die stadtplanerische Unterscheidung zwischen Tradition und Moderne sowie die leitbildgerechte Stadtpolitik zwischen abstrakter Historizität und Zukunftsorientierung geben den Konflikt um den Stadtraum dabei nur unzureichend wider, wodurch die starke Emotionalisierung und Polarisierung des Diskurses rund um das Städtebauprojekt Stuttgart 21 zu erklären ist. Gleichzeitig führt der Städtebaukonflikt zu einer Rekonstitution Stuttgarter Identität, da die polarisierten Standpunkte einer Harmonisierungsleistung bedürfen, welche als Grundlage der Identitätskonstruktion zu betrachten ist.[255]

Die immaterielle Bedeutung eines Raums, die Symbole lokaler Verwurzelung und die Identität einer Stadt werden zunehmend als Qualitäten betrachtet, auf denen die Kritik an der wirtschaftlichen Funktionalisierung, Materialität und Ikonographie des modernen Städtebaus basiert. In diesem Zusammenhang weist von Saldern in ihrem Aufsatz beispielhaft darauf hin, dass „das Abreißen städtischer Wahrzeichen (…) immer wieder den Protest von StadtbewohnerInnen gegen angebliche oder tatsächliche Identitätsverluste heraus(fordere).“[256] Eines scheint dabei sowohl angesichts des öffentlichen Diskurses, der Prozesse der Visualisierung und Ästhetisierung der Stadt als auch der medialen Kontinuität von Konflikten um den Stadtraum eindeutig: die Stadtentwicklung befindet sich in einem Epochenwechsel. Städte werden zu Orten einer selbsterfüllenden Prophezeiung, zu Räumen der Inszenierung der Historizität und der Moderne und ihre Stadtbilder zu Images.

„Heute, in einem Zeitalter, in dem sich die historische Zeit und die Geographie vollständig durch die Globalisierung überschneiden, erscheint die Stadt unmittelbar und perfekt im Einklang mit ihrer Zeit. Zufrieden mit der eigenen Selbstdarstellung ohne Ausschweifungen in die Vergangenheit oder Zukunft ist es eine Stadt des großen Augenblicks, der im Zugegensein der Technik vollendeten und verwirklichten Geschichte.“[257]

Angesichts der Anforderungen verstärkter Standortkonkurrenz um Unternehmen, Innovation und die vielbeschworene kreative Klasse bei größeren finanziellen Herausforderungen sind Städte zunehmend gezwungen stadtpolitische Aufgaben und Projekte Unternehmen und Investoren aus der Wirtschaft zu überlassen. Die Stadt wird folglich zu einem Produkt, welches als Marke positioniert und beworben werden soll. Gleichzeitig obliegt der Stadt aber immer noch und immer mehr die Aufgabe der Integrationsmaschine. Die auf Repräsentation orientierten Konzepte der Stadtplanung lancieren eine Entwicklung, welche an der Oberfläche bleibt. Festivalisierung, Ästhetisierung und Imagination sind nur einige der Prozesse welche hinsichtlich des öffentlichen Raums festzustellen sind. Die Hybridität sozialer Identitäten städtischer Gesellschaften soll durch eine Reorganisation des Stadtraums als Identitäts- und Repräsentativitätsraum mit Mitteln der Sichtbarkeit, Symbolik und Diskursivität aufgewogen werden. Zentrales Leitbild oder gar stadtbaupolitische Ideologie ist dabei die Urbanität.

So wird der Stadtraum mit Mythen und Utopien sowie mit historischen und kulturellen Identitätsangeboten gefüllt und als Stadtbild rekonstruiert und als Kommunikationsmedium in der Öffentlichkeit manifestiert. Wolfgang Kaschuba entwirft in seinem Artikel „Urbane Identität: Einheit der Widersprüche?“ ein Modell der Selbst- und Fremdbebilderung des Urbanen.[258] Das Modell steht im Kontext zur städtebaulichen Gestaltung des Stadtbildes im Sinne eines ikonographischen Steckbriefes. Kaschuba differenziert zwischen „Literarisierung“, „touristischer Modellierung“, „Medialisierung“ und „Biografisierung“ der Stadt.[259] Über die „Mythologisierung urbaner Geschichte, Kultur und Mentalität“[260], den Dialog zwischen Eigenbildern und Fremdwahrnehmungen, die umfassende Vermarktung städtischer Wahrzeichen sowie dem Verweis auf die schicksalhafte Stadtgeschichte erscheint die Stadt „gleichsam als ein Individuum, dessen Schicksal und Personalität sie zu kollektiver Identifikation befähigen.“ Hierbei werden jeweilig Stadtkonzepte und ihrer Logik entsprechend Imaginationen des Stadtraums entwickelt, welche den gewachsenen Stadtraum in Frage stellen und anhand seiner Zukunftsfähigkeit elementar überprüfen. Die Stadt macht sich selbst zum Akteur und produziert dabei eine spezifische Mythologie, die sich im Stadtraum ablesen lassen soll. Dementsprechend fungieren Stadtbild und Gestalt nicht nur als Medium historischer Entwicklungsprozesse, sondern darüber hinaus als Kristallisationspunkt des Zeitgeistes. Folglich dient der Stadtraum nicht nur als Träger symbolischer Codierungen, sondern strukturiert auch dynamische Prozesse der Rekonstruktion lokaler Identität.

Urbane Identitäten kristallisieren sich aus dynamischen Strukturen stadtpolitischer Entwicklung und soziokulturellen Zeitgeistes heraus. Hinzu treten Leitbilder und Konfliktkulturen, die den Stadtraum mit Bedeutungen aufladen und zum Politikum werden lassen. Lokale Identität ist folglich Produkt von Kommunikationsprozessen zwischen der Stadtgeschichte und der stadtpolitischen Ausrichtung. Erst in diesem Kommunikationsprozess versetzt sich der Stadtbürger in den genius loci des Raums und identifiziert sich mit der (im)materiellen Qualität des Stadtraums beziehungsweise der inszenierten Stadtkultur. Der physische Raum wird resultierend daraus sowohl zur Projektionsfläche des personalen Ichs[261] als auch kollektiv geteilter Interessen.

10. 1. Reproduzierte Stuttgarter Räume nach Lefebvre

Um die Stuttgarter Proteste als Grundlage einer Transformation der Stadtstruktur zu betrachten, lohnt sich zunächst ein Exkurs zu den Theorien Lefebvres zur Produktion des Raums. Lefebvre unterscheidet zwischen mentalem, physischem und sozialem Raum, womit er darauf verweist, dass der Begriff des Raums allein nicht in der Lage ist, als Raumkategorie zu wirken.[262] Dementsprechend entwirft Lefebvre Dimensionen des Raums, die sich überlagern und wechselseitig aufeinander einwirken. Räume sind daher als komplexe Systeme gesellschaftlicher Produktion zu betrachten. Klassifizieren lassen sich die Raumtypen wie folgt:

„Der mentale Raum ist der durch die Theorie definierte und bloß in der Vorstellung existierende Raum. Der physische Raum zeichnet sich durch seine Materialität aus. Der soziale Raum schließlich ist der durch die soziale Praxis produzierte Raum.“[263]

Jener soziale Raum ist auf die erste Unterscheidung aufbauend die zentrale Kategorie der Arbeit Lefebvres zur Raumproduktion. So klassifiziert er den sozialen Raum in seiner zweiten Begriffstriade in die Dimensionen der „räumlichen Praxis“, der „Räume der Repräsentationen“ sowie den „Repräsentationen des Raums“. Der Prozess der räumlichen Praxis produziert Raum und setzt ihn dennoch schon voraus. Somit ist die Produktion nicht von der Reproduktion zu trennen, da die räumliche Praxis auf den bestehenden Raumstrukturen basiert. Der Prozess der räumlichen Praxis besteht in der infrastrukturellen Funktion, aus der sich mental maps ergeben. Ergebnis dieses Prozesses ist der praktisch-sinnliche Raum, denn „die räumliche Praxis einer Gesellschaft bringt ihren Raum hervor; sie setzt ihn und setzt ihn voraus, in dialektischer Wechselbeziehung; langsam, aber bestimmt erzeugt sie ihn, beherrscht ihn und eignet sich ihn an.“[264] Ein erstes Beispiel dieser räumlichen Praxis ist zum einen in der Inszenierung des Bonatz-Baus in seiner Alltagswahrnehmung und –nutzung als Teil einer Stuttgarter Identität zu erkennen als auch zum anderen durch die Verortung der Protestbewegung gegen Stuttgart 21 im unmittelbaren Umfeld des Kopfbahnhofs. Als weiteres prägnantes Beispiel der räumlichen Praxis lässt sich die Umfunktionierung des Bauzauns in ein Ort des Protests und der Konstruktion von Öffentlichkeit darstellen.

Die durch Lefebvre theoretisierten Repräsentationen des Raums sind unter anderem abzulesen an den Entwürfen der Stadtplanung. Hier werden Idealtypen der Stadtentwicklung entworfen und als planerische Vision institutionalisiert. Die planerische Abstraktion der Modellierung urbaner Qualitäten initiiert eine Neuerfindung des Stadtraums. Dementsprechend stellt Lefebvre fest:

„Die Raumkonzeptionen tendieren [...] zu einem System verbaler, also verstandesmäßig geformter Zeichen.“[265] Und weiter zur Produktion derer: „’Raumrepräsentationen’ sind [...] von einem stets relativen und sich verändernden Wissen (einer Mischung aus Erkenntnis und Ideologie) durchdrungen. Sie sind also objektiv und dennoch korrigierbar.“[266]

Folglich sind diese Ausdruck politischer Leitbilder und Systeme objektivierter urbaner Qualitäten. Der dritte Produktionsprozess nach Lefebvre strukturiert Repräsentationsräume, die durch Bilder und Symbole vermittelt wird „Er legt sich über den physischen Raum und benutzt seine Objekte symbolisch[267].

„Die Räume der Repräsentation, das heißt der Raum, wie er durch die ihn begleitenden Bilder und Symbole hindurch erlebt wird, (…) Es ist der beherrschte, also erfahrene und erlittene Raum, den die Imagination abzuwandeln und sich anzueignen sucht.“[268]

Die Produktion der Räume der Repräsentation zielt dabei auf die Konstitution von Zeichensystemen ab und folgt dabei gesellschaftspolitischen Trends. Sie unterliegen komplexen symbolischen Zuschreibungen, die in dynamischen Prozessen der Konstruktion von Imaginationen und Symboliken auf Basis des soziokulturellen Hintergrunds konturiert werden. Die konzipierten Raumrepräsentationen bedrohen dabei die dritte Kategorie der Räume der Repräsentation, womit sich das zentrale Konfliktfeld des Städtebauprojekts Stuttgart 21 theoretisch einfassen lässt, denn „das spekulative Primat des Konzipierten bringt mit dem Leben auch die Praxis zu verschwinden.“[269]

Die grundsätzliche These der Theorien Lefebvres zur Produktion des Raums, dass jede Gesellschaft raumproduzierend wirke und somit den ihr entsprechenden Raumentwurf konstruiere, lässt sich dementsprechend auf den Konflikt um Stuttgart 21 anwenden. Hinzuweisen ist darauf, dass der bestehende Raum dabei nicht verworfen, sondern lediglich überlagert wird und dadurch weiter besteht. Darüber hinaus können die konzipierten Repräsentationen der Räume vom Raum der Repräsentation differieren, der den Vorstellungen und der sozialen Praxis der Bewohner entspricht.[270] Demzufolge liegt genau in diesen Schichtungen und Bruchlinien das immaterielle Konfliktpotential, welches unter anderem am Städtebauprojekt Stuttgart 21 deutlich geworden ist.

Der öffentliche Raum hat sowohl in seiner Materialität als auch in seiner Immaterialität kultureller Bedeutungssysteme Einfluss auf die Konstruktion urbaner Identitätsstrukturen. Die Interaktivität der Raumwahrnehmung und –produktion befähigt kollektive Gedächtnisstrukturen zur Selbstvergewisserung und Kommunikation von Vorstellungen. Detlef Ipsen beschreibt in diesem Zusammenhang ein Dreieck zwischen gesellschaftlichen Entwicklungskonzepten, Raumgestaltung und Raumnutzung sowie der Raumwahrnehmung[271], welches zur Konstitution eines Raumbildes beiträgt. Dieses Raumbild wird nicht nur auf die persönliche Identität übertragen, sondern strukturiert gleichsam kollektive Prozesse der Konstruktion urbaner Identität.

10.2. „Stadt des Protests“

„Der Raum der Benutzer ist erlebt, nicht repräsentiert oder konzipiert. Im Vergleich zum abstrakten Raum der Architekten ist der Raum der Benutzer, der Raum ihrer täglich erbrachten Leistungen, ein konkreter Raum, und damit auch ein „subjektiver“ Raum. Er ist ein Raum der „Subjekte“, nicht des Kalküls, er ist ein Raum der Repräsentation.“[272]

Globale, ökonomische Prozesse führen insbesondere in Bezug auf Städte und identitätsstiftende Orte zu Konfliktpotential aufgrund der tendenziellen Überlagerung lokaler Spezifika bzw. der funktionellen Eingliederung der Stadt fern aktueller lokaler Bedürfnisse. So wird der Städtebau zum Austragungsort sozialer Gegensätze. Stuttgart erscheint in diesem Sinne als Paradebeispiel der symbolischen Aufladung von Stadtimages – vom Häuslebauer-Image zum Kristallisationspunkt einer bürgerlichen Protestkultur.

„Dieser Name Stuttgart ist wirklich zu Recht, glaube ich, um die Welt gegangen. Das liegt daran, dass wir hier in Stuttgart die eigentliche Fortschrittskraft der europäischen Stadt wiederentdeckt haben: Das sind die Bürgerinnen und Bürger.“[273]

In einem Artikel der Stuttgarter Zeitung wurde die Literaturwissenschaftlerin Hannelore Schlaffer hinsichtlich der Bedeutung des Konfliktes um das Projekt Stuttgart 21 zitiert: „Deutschland hat demnächst mit Stuttgart wieder eine geteilte Stadt.“[274] Die viel beschworene historische Chance der Wiedervereinigung des Stuttgarter Stadtraums, der durch die Gleisanlagen zerschnitten ist, wird somit in eine Spaltung der Stuttgarter Bürgerschaft umgedeutet. Die Befürworter und Gegner von S 21 als auf Jahre hinweg polarisierte Bürgerschaft? Im selben Artikel der Stuttgarter Zeitung wird der Stuttgarter Oberbürgermeister Schuster angeführt mit den Worten:

„All das, worauf Stuttgart heute stolz ist, wurde gegen massiven Widerstand durchgesetzt“ - zum Beispiel die Weißenhofsiedlung; aber selbst der Bonatz-Bahnhof, an dem heute alle so hängen, und dies auch erst ganz neuerdings, sei damals nicht auf Begeisterung gestoßen.“[275]

Lässt sich der Protest um Stuttgart als Ursprung moderner Stadtentwicklungspolitik historisieren oder ist er lediglich ein zu ignorierender Stolperstein zukunftsfähiger Stadtplanung? Welche nachhaltige Rolle spielen die Proteste für die Zukunft der Stuttgarter Stadtpolitik und die Identifikation mit dem Stadtraum und dem Bild der Stadt? Das Städtebauprojekt Stuttgart 21 macht deutlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Stadtraum in seiner Materialität, Historizität sowie in seiner kollektivierenden identitätsstiftenden Wirkung in die Problematik von Wertungen und Wahrnehmungskonflikten führt.

„Für dieses Fossil (Stuttgart 21) soll jetzt mitten im Herzen der Stadt offen operiert werden. Da geschieht es dann plötzlich: Der Bürger geht auf die Straße und wehrt sich dagegen, weil er seine Heimat schützen will, weil er seinen Bahnhof verteidigen will, der nach der grandiosen Einfahrt in diese schöne Stadt die Menschen mit seinen Flügeln empfängt und dann so intelligent durch die unterschiedlichen städtebaulichen Einbindungen in die Stadt entlässt und verteilt.“[276]

Es kommt zu einer indirekten Konstruktion von Urbanität und Identität durch den sozialen Konflikt. Das durch Adelheid von Saldern bezeichnete „urbane Fluidum[277] als Grundlage von Urbanität lässt sich nicht künstlich erzeugen, sondern ist Produkt von Vergesellschaftungsprozessen des Raumgefüges. Die Diskussion um Stuttgart 21 hat das diskursive Potential in der Rekonstitution einer lokalen Partizipationskultur infolge der Auseinandersetzungen mit dem Stadtraum neben und durch die Identifikationsangebote urbane Qualitäten zu erzeugen. So verweist auch Walter Siebeldarauf, dass Urbanität gleichzusetzen sei mit der Präsenz von Geschichtsbewusstsein im Alltag des Städters.[278] Urbane Identität beruft sich dementsprechend auf einen spezifischen Habitus, der sich durch die gleichzeitige Inszenierung des Lokalcholorits prozessual restrukturiert und reflexiv wirkt. Integral für urbane Identitäten sind dabei medialisierte Schlüsselmomente der Stadtentwicklung, die Sigel sowohl in „euphorisierenden oder traumatisierenden Erfahrungen“ als auch in „existierenden oder erinnerten architektonischen Bildern“[279] erkennt. Dementsprechend fungieren die Bilder der Protestbewegung, die Abrissarbeiten an den Seitenflügeln des Bonatz-Baus, die Aneignung und Politisierung des öffentlichen Raums sowie die Institutionalisierung des Protests am Bauzaun nachhaltig identitätsstiftend.

Stuttgart 21 bewirkt in seiner Diskursivität eine kommunikative Konstruktion lokaler Identität auf Basis des Stadtraums und seiner Architekturtypen als symbolische Bedeutungsträger. Wichtig hierbei ist, dass die stadtpolitischen Kommunikationsprozesse nicht mehr als top-down-Vorgänge betrachtet werden können, sondern vielmehr „als solche, die in ein gesellschaftlich verankertes Dispositiv eingebunden sind, zu dem Akteure, Einrichtungen und Medien sowie Bauten und Raumformungen gehören.[280] In dieser Deutung von von Saldern treten der Stadtraum und seine Bauten aktiv in den Diskurs bezüglich der Funktion und Wertung des öffentlichen Raums ein. Der spatial turn und der damit verbundene Bedeutungswandel des Raums für die Öffentlichkeit bewirken ebenso eine neue Wahrnehmung des Stadtraums durch die Bewohner und Besucher und eine Rekonstitution informeller Öffentlichkeiten als Basis einer Stadtgemeinschaft.

Darüber hinaus steht Stuttgart 21 für eine Entwicklung in der Stadtplanung, bei der Stadtpolitik als Aushandlungsprozess, der durch verschiedene Interessengruppen nicht nur konzipiert, sondern vor allem dynamisiert wird. Der Wunsch nach mehr Partizipation basiert zu nicht unwesentlichen Teilen auf der technischen und medialen Möglichkeit zur Einflussnahme und Konstruktion von Gegenöffentlichkeiten. Insbesondere durch die Instrumentalisierung medialer Aufmerksamkeit sind gegenwärtige Protestkulturen in der Lage, nachhaltig auf die Prozesse der Stadtpolitik Einfluss zu nehmen, da sie verstärkt als öffentlicher Akteur wahrgenommen werden. Zur Erregung öffentlichen Interesses dienen vor allem Konzepte, Strategien und Ideen, welche durch Kreativität neue Perspektiven auf stadtpolitische Themen werfen sollen. Beispielhaft soll daher kurz auf die Stuttgarter Protestkultur in ihren imaginativen Dimensionen Bezug genommen werden.

Die Protestkultur gegen Stuttgart 21 zeichnet sich durch die Verwendung lokaler und politischer Codes aus, die den Widerstand gegen das Bauprojekt als öffentliches Interesse positionieren, historisch legitimieren und in die Mitte der Gesellschaft rückten. Die Kombination aus materiellen und immateriellen Objektivierungen des Protests bewirkt ein öffentlichkeitswirksames Auftreten der Gegenbewegung. Neben den institutionalisierten Protesträumen des Bauzauns vor dem ehemaligen Nordflügel und dem Protestcamp im Schlossgarten sind vor allem die Montagsdemonstrationen, der Schwabenstreich und die Verwendung identitätsstiftender Codes wie „Oben bleiben“ zu nennen.

Die Montagsdemonstration lässt sich als institutionalisierte Protestform einer deutschen Konfliktkultur lesen und dient somit im Stuttgarter Fall der Verortung des Protests als nicht nur für die Stuttgarter Stadtpolitik relevant, sondern hinsichtlich des Wunsches nach mehr Partizipation als gesamtgesellschaftliches Bedürfnis. Folglich findet durch die Proteste gegen Stuttgart 21 eine (Re-)Inszenierung politischer Codes nationaler Ebene statt. Weitere Protestformen waren der gewaltlose Widerstand in Form von Sitzblockaden als auch direkte Aktionen, wie die Besetzung des Bahnhofsgebäudes durch die Projektgegner als symbolischer Widerspruch gegen den Abriss des Nordflügels des Bonatz-Baus. Dieses Protestverhalten ist mit dem städtischen Raum verwoben und symbolisiert ein Gefühl, welches durch eine Aussage von Sonja Brünzels, Vertreterin der Bewegung Reclaim the streets, beschrieben werden kann:

„Es geht um Selbstbestimmung, Lebensqualität, darum, die Straßen der zielorientierten Nutzung zu Konsum und Transport zum Zweck des Profits zu entziehen und die Gestaltung des öffentlichen Raums in den Städten temporär in die eigene Hand zu nehmen.“[281]

Insgesamt lässt sich festhalten, dass nicht nur der Protest aus der Mitte der Gesellschaft stammt, sondern über die Anwendung historischer Protestkonzepte hinaus eine Verbürgerlichung der Protestkultur in Stuttgart stattgefunden hat. So wurde die Kritik hauptsächlich durch Medien wie Ausstellungen und öffentliche Debatten getragen und somit öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Jene Institutionalisierung fungierte als Ankerpunkt einer breiten Gegenöffentlichkeit und gipfelte neben dem politischen Wechsel in Baden-Württemberg in der Durchsetzung eines Volksentscheides über das Projekt Stuttgart 21. Infolge der Entscheidung der Bevölkerung Baden-Württembergs gegen das Gesetz zum Ausstieg aus dem Projekt ebbte der breite Protest in der Bevölkerung deutlich ab. Lediglich die informellen Protestdimensionen der Aneignung und Besetzung des öffentlichen Raums fanden weiterhin Anwendung. Gleichsam wurde der Protest gegen Stuttgart 21 in diesem Zusammenhang aus der bürgerlichen Mitte verdrängt und somit politisch polarisiert. Nichtsdestotrotz lassen sich eben jene Formen der Protestinszenierung als identitätsstiftende Schlüsselmomente einer Stuttgarter Stadtgeschichte definieren. Die Diskussion um das Städtebauprojekt Stuttgart führte zu einer Auseinandersetzung mit und demzufolge zur Thematisierung von Elementen einer Stuttgarter Stadtkultur. Die Instrumentalisierung von historischen Bezügen und Inszenierung von Erinnerungsorten sowie die Institutionalisierung der Protestform im öffentlichen Raum können nachhaltig sowohl das Bild der Stadt als auch die Eigenlogik[282] und die Eigenwahrnehmung Stuttgarts transformieren.

Bürgerinitiativen wie sie sich rund um Stuttgart 21 konstituiert haben und den städtischen Alltag seitdem maßgeblich mitprägen, bewirken eine Revitalisierung stadträumlicher Identifikation und kommunaler Demokratie. Die städtebauliche Entwicklung Stuttgarts rund um das Kernstück des Bahnhofs führt im Umkehrschluss zur Stärkung von lokalen und partikularen Identitäten, welche den traditionellen Stadtraum in Konflikt mit den postmodernen Entwicklungsprozessen betrachten. Hieraus resultiert die Re-Inszenierung spezifischer Architektur als Identitätsanker, welche der globalisierten Metropolitanität entgegenstehen. Dieser Logik entsprechend konstituiert der Konflikt um den Stadtraum lokale Identifikationsorte, die entgegen der tendenziellen Reduktion städtischer Strukturen zugunsten Fassaden lokaler Globalisierung als Bastion lokaler Spezifik instrumentalisiert werden. Der Bonatz-Bau wird dementsprechend als Kristallisationspunkt einer Heterotopie urbaner Kultur und charakteristischer Stadtgestaltung inszeniert.

Die mediale Repräsentation des Protests konstituierte Ebenen der sozialen Polarisierung, welche abseits faktischer Sachthemen konstruiert werden. Ein zentraler Begriff hierfür ist der Wutbürger zur Darstellung von Irrationalität des Protests gegen das Großprojekt.

„Der Wutbürger denkt an sich, nicht an die Zukunft seiner Stadt. Deshalb beginnt sein Protest in dem Moment, als das Bauen beginnt, also die Unannehmlichkeit“. (…) der Bau des Bahnhofs vergällt ihm das Leben, von dem neuen Bahnhof selbst wird er nicht mehr viel haben. Er ist saturiert, er hat keine großen Ziele mehr, strebt nicht, sondern erhält, verteidigt den Status quo, ihm graut vor dem Wandel. (…) Wer alt ist, hat auch mehr Angst, Angst vor Neuem, Fremden. Das Bestehende soll bleiben ... Und der Angstbürger wird leicht ein Wutbürger.“[283]

Entgegen dieser Annahmen stehen die Ergebnisse des Wissenschaftszentrums Berlin, welches feststellt, dass die Altersstruktur als differenziert zu betrachten ist und zudem die Problematisierung des Städtebauprojekts Stuttgart 21 sehr komplex geführt wird.[284] Hier richten sich dementsprechend nicht alte Menschen gegen Lärm und Staub, sondern ein beträchtlicher Teil der Stuttgarter Bürgerschaft gegen die auf beiden Seiten der Medaille mit Stuttgart 21 verbundenen Effekte auf die Stadtentwicklung. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Projektbefürworter wie auch Projektgegner versuchen die bürgerschaftliche Mitte für sich in Anspruch zu nehmen. Folglich wird einerseits der Protest radikalisiert und andererseits das Projekt als Produkt eines investorenfreundlichen Lobbyismus abgetan.

Zusätzlich muss man auf die Komponente des Zeitgeistes verweisen, welche zumindest für die mediale Reproduktion der Protestkultur entscheidend ist. Die Rezeption des „Wutbürgers“ wie auch die des Protests aus der bürgerlichen Mitte verhilft der Protestkultur zu einer zeithistorisch spezifischen Legitimation. Lokale Partizipation wird in diesem Sinne als Widerstand gegen die Entfremdung der lokalen Lebenswelten verstanden. Resultierend daraus entsteht ein Raum von lokal verorteter Symbolhaftigkeit. Der Habitus konstituiert das Habitat. Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Dynamik städtischer Bewegungen auf dem Gebrauchswert von Stadtstrukturen beruht. Der Stadtraum ist daher die Basis für die Institutionalisierung von sozialen Bewegungen. Neben den Verortungsprozessen im Stadtraum war die Medialisierung des Protests und die damit verbundene Konstruktion von Raum- und Kommunikationsbildern ein zentrales Element der Diskussionen rund um das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21.

11. Fazit: Stuttgart 21 - (Un-)Sichtbarkeit und Repräsentativität städtischer Bedeutungszusammenhänge

Prozesse der Globalisierung, orientiert an den Erfordernissen der Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft, bewirken die Fokussierung auf repräsentative urbane Ikonographien und drohen die Stadtpolitik als Imaginationskonstrukteur nachhaltig zu transformieren. Gleichsam steht die Stadt als verräumlichte Struktur von Identität und Repräsentationsprozessen am Scheideweg zwischen den Konzepten der globalen Urbanitätsproduktion und der Reproduktion lokaler Spezifika. Die Struktur von Stadträumen fungiert somit nicht nur als Repräsentationsraum lokaler Qualitäten, sondern wird als Akteur der Stadtpolitik inszeniert und in dieser Weise instrumentalisiert. Raumnutzungskonflikte stehen nicht nur im Kontext des stadtpolitischen Zeitgeistes, sondern sind darüber hinaus Spiegelbild der symbolischen Zuschreibungen des Stadtraums bezüglich ihrer Qualität identitätsstiftender immanenter Strukturen. Anhand dieser werden Prozesse der Stadtentwicklung politisiert und instrumentalisiert als Mechanismen der Präsentation urbaner Visionen sowie der Rückbettung lokaler Identitätsstrukturen.

Das Städtebauprojekt Stuttgart 21 stieß dabei auf Dynamiken der Inszenierung des Gebrauchswertes und der symbolischen Aufladungen von Stadtstrukturen. Hierbei wurden immaterielle Qualitäten des Stadtraums und seiner architektonischen Gestaltung als Kristallisationspunkte einer spezifischen Stadtkultur herausgehoben und nachhaltig als Symbole einer Stuttgarter Identität institutionalisiert. Jene symbolische Neucodierung infolge des kommunikativen Aushandlungsprozesses und der Visualisierung stadträumlicher Qualitäten konturiert eine transformierte urbane Identität. Die Performanzen der Aneignung und Inszenierung im Stadtraum wurden somit als nachhaltig wirkender Faktor der Stadtentwicklung konzeptionalisiert. Resultierend daraus kann es zu einer Rekonstruktion urbaner Identität durch die Berufung auf Erinnerungsorte als Träger eines kollektiven Gedächtnisses kommen. So fässt auch Ostertag zusammen:

„Wir haben die Chance durch die Gefahr des Verlöschens des Städtischen, durch das Erkennen der Verluste, der Verarmung, die vermissten Qualitäten, die „überflüssigen Dinge“, die Stadt in ihrer Ganzheit als eine „hochkomplexe, vernetzte Struktur, als Ergebnis und Abbild von Geschichte, wirtschaftlichem Tätigsein, menschlichem Leben und Leiden, auch des Zerstörens“ (Neef) mit all ihrem Zauber wieder zu entdecken. Wenn dies gelänge, hätte Stuttgart doch noch einen (nachgelieferten) Sinn.“[285]

Sharon Zukin beschreibt Städte als Produkte einer populären Mythologie[286], welche für die Entwicklung und Transformation von lokaler Identität maßgeblich ist. Sie konstruiert gleichsam ein Idealbild

„der Konstitution einer Synergie zwischen materiellen Gegebenheiten, kulturellen Bedeutungen, neuen Stätten des Kulturkonsums und einem urbanen Gemisch aus politischem Widerstand, Künstlertum und Halbwelt sowie der kommerziellen Vermarktung städtischen Raums.“[287]

Stuttgart 21 symbolisiert sowohl in seiner Konzeption als auch in der Konstitution einer Gegenöffentlichkeit in Verbindung mit der geschaffenen Öffentlichkeit genau jenes Idealbild. Ein Städtebauprojekt, welches Stuttgart verändert hat und der Konstruktion städtischer Identitäten gedient hat. So dient Stuttgart einerseits als Repräsentationsfeld moderner Architekturprojekte und Stadtentwicklung und andererseits als Raum gemeinschaftlicher Partizipation und urbaner Bedeutungszusammenhänge. „Stuttgart hat jetzt mehr Flair.“[288]

Der Protest gegen Stuttgart 21 richtete sich gegen zwei zentrale Tendenzen der glokalen Stadtpolitik. Zum einen gegen die Wahrnehmung einer stärkeren Uniformität urbaner Strukturen durch die Reduktion der Ortsspezifik und zum anderen die touristische Modellierung der Innenstädte, welche lokale Spezifik im Zuge der Standortkonkurrenz höchstens noch als Fassade aufrecht erhält. Neben den Partizipationsbestrebungen sind es daher vor allem symbolische Codierungen und Wertzuschreibungen an die Erinnerungsorte der Stadtstruktur, welche den Protest getragen haben. Konzepte wie Kopfbahnhof 21 stellen sich entgegen der wahrgenommenen Entlokalisierung durch Prozesse der Globalisierung. Insofern richtet sich der Protest gegen Stuttgart 21 gegen die Maskierung städtischer Identitätsmuster zugunsten symbolgerechter Vermarktungsmechanismen städtischer Strukturen. Die Revitalisierung lokaler Identitäten, wie sie Siebel, Häußermann und Läpple beschreiben, kann insbesondere bei großen Projekten des Städtebaus abgelesen werden, da der Aushandlungsprozess über die Gestaltung des Stadtraums nicht nur das urbane Erbe thematisiert, sondern darüber hinaus lokale Visionen entwirft. Partizipation und Positionierung der Interessen bezüglich der Qualitäten des Stadtraums erscheint demzufolge als Teil einer urbanen Logik.

Die städtebaulichen und soziostrukturellen Prozesse der Konstitution und Kommunikation urbaner Heterotopien (re)produzieren städtische Räume und einhergehend Kristallisationspunkte lokaler Identität durch die nachhaltige Inszenierung urbaner Spezifika. Die Produktion des städtischen Raums erfolgt neben der baulichen Anordnung vor allem durch die symbolische Bedeutungsaufladung durch Atmosphären, Eigenlogiken und Repräsentationen. Das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21 führte infolge der umfassenden Verräumlichung und Medialisierung der stadträumlichen Argumentationsmuster zu einer (re)produzierten symbolischen Aufladung des Stadtraums. Insbesondere der Bonatz-Bau als Kristallisationspunkt der Protestbewegung gegen Stuttgart 21 wird als Identitätsanker repräsentiert und symbolisiert den Aushandlungsprozess des kollektiven Gedächtnisses.

Die metropolitane Symbolik lässt sich als Element moderner Stadtentwicklung lesen und wird dabei über akteursspezifisch differente Bedeutungsmuster definiert. Metropolitanität im Sinne von Smith als Konstrukt eines transnationalen Urbanismus konstituiert die Wertschöpfung von Images und metropolitaner Symbolik als Standortpolitik. Die Fokussierung auf Raumbilder der Metropolitanität beschwört jedoch einen Konflikt zwischen der Ökonomie der Symbole und der Wahrnehmung der Stadt als Text herauf. Die stadtpolitische Hoffnung auf den sogenannten Bilbao-Effekt institutionalisiert ikonographische Architekturprojekte als Kristallisationspunkte neuer Raumkategorien. Damit in Verbindung stehen stadtpolitische Vorstellungen urbaner Atmosphären und nachhaltige, ganzheitliche Stadtentwicklungsprozesse. Die angestrebten metropolitanisierenden Schritte der Stadtentwicklung treffen dabei jedoch auf eine stärkere Inszenierungsgewalt der lokalisierenden Rückbettungseffekte. Die intendierte Konstruktion medialer Bildwelten zur Institutionalisierung eines nachhaltigen Stadtimages führt zu einer gesteigerten Thematisierung städtischer Strukturen sowohl als Ankerpunkte eines kollektiven Gedächtnisses als auch als repräsentative Kristallisationspunkte des Stadtbildes. Demgegenüber werden Erinnerungsorte spezifischer Stadtkulturen als Gegenbilder zur empfundenen konzeptionellen Austauschbarkeit städtischer Gestaltung inszeniert. Durch den umfassenden Standortwettbewerb, Prozesse der Medialisierung und den stärkeren Einfluss globaler Architekturtypen wird die Stadtentwicklung auf eine metaphysische Ebene gehoben und führt zu Aushandlungsprozessen über städtische Imaginationspolitiken, die rückwirkend lokale Identität begünstigt. Somit führen Prozesse der Festivalisierung, Historisierung und Kulturalisierung des öffentlichen Raums zwar zu einer wirtschaftlichen Funktionalisierung der Stadtstruktur, jedoch im Umkehrschluss auch zu einer stärkeren Auseinandersetzung und Bewusstmachung lokaler Sinnstrukturen.

[...]


[1] Häußermann/ Läpple/ Siebel, Stadtpolitik, 2008: 167

[2] LEIPZIG CHARTA zur nachhaltigen europäischen Stadt, Informelles Ministertreffen zur Stadtentwicklung und zum territorialen Zusammenhalt am 24./25. Mai 2007 in Leipzig, http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/34480/publicationFile/518/leipzig-charta-zur-nachhaltigen-europaeischen-stadt-angenommen-am-24-mai-2007.pdf

[3] vgl. ebd.

[4] Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Finanzierungsvereinbarung zum Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Drucksache 14/4382 vom 22. April 2009

[5] vgl. Stephan, 1996: 14

[6] Sigel. Konstruktionen urbaner Identität. 2006: 28

[7] Löw 2001: 224ff

[8] Vgl. Blotevogel 2007: 8

[9] Ebd.: 9

[10] Holl, 2010: 4

[11] Becker 1998 zitiert in Naegler, 2003: 71

[12] vgl. Healey, Planning through debate: The communicative turn in planning theory (1996) in Naegler, 2003

[13] Ebd.

[14] Naegler 2003: 72

[15] Wüst, Urbanität. Ein Mythos und sein Potential, 2004: 43

[16] Wefing, 1998 zitiert in Wüst, 2004: 44

[17] vgl. Häußermann/ Siebel, Stadt und Urbanität, 1997

[18] Wefing, 1998 zitiert in Wüst, 2004: 44

[19] vgl. Häußermann/ Siebel, 1993

[20] vgl. Wüst 2004: 132

[21] Gebauer (2000) zitiert in Wüst, 2004: 31

[22] Meyer (1993) zitiert in Wüst, 2004: 31

[23] vgl. Gröschel/ Kirchberg, 1998

[24] Ebd.: 8

[25] Vgl. Bourdieu, 1998

[26] Löw, Vortrag „Immer einzig und überall gleich. Chancen und Risiken moderner Städte.“ (21.01.2006) (S.10)

[27] Vgl. Zukin, 1998

[28] Ebd.: 27

[29] vgl. Zukin, 1998: 33

[30] vgl. Bourdieu, Sozialer Raum und Klassen, 1985

[31] vgl. Wofrum/Nerdinger, 2009 S. 132

[32] vgl. Lefebvre, Die Produktion des Raums

[33] Lynch, 1960: 140

[34] vgl. Wucherpfennig, 2006: 111

[35] vgl. Herzog/ Leis, 2010: 7f.

[36] Ebd. 7

[37] Hardy, zitiert in Herzog/ Leis, 2010: 8

[38] vgl. Herzog/ Leis, 2010

[39] Thomsen, 2010: 23f.

[40] Stephan, 1996: 10

[41] http://www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_geschichte.html (Stand: Januar 2012)

[42] Thomson, 2010: 25

[43] vgl. Wucherpfennig, 2006: 111

[44] Bonatz, zitiert in Roser, 2008: 81

[45] vgl. http://www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_geschichte_03.html (Januar 2012)

[46] vgl. Homepage „Der Stuttgarter Hauptbahnhof – Ein Meisterwerk der Architektur“

[47] vgl. Roser, 2008: 84f.

[48] vgl. http://www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_geschichte_04.html

[49] vgl. Roser, 2008: 85

[50] Siehe Bild 1 im Anhang

[51] Wolfgang Schorlau (Schriftsteller) im Interview Tagesspiegel 30.09.2010

[52] Trüby, 2011: 155

[53] Ebd.: 155

[54] Streck, 2008: 155

[55] Siehe Bild 2 im Anhang

[56] vgl. Roser, 2008: 120

[57] vgl. u.a. Roser, 2008: 115

[58] vgl. http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=306

[59] Horst von Basswitz, Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, zitiert von: http://www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_zitate.html(Stand Januar 2012)

[60] vgl. http://www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_geschichte_07.html

[61] vgl. http://www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_geschichte_07.html

[62] Roser, 2008: 101

[63] Hengartner, 2010: 66

[64] Sigel, 2006: 13

[65] vgl. Sigel 2006: 15

[66] Ebd.: 15 f.

[67] vgl. Stadtentwicklungskonzept Stuttgart – Strategie 2006. 58ff.

[68] Ebd.: 57

[69] Ebd.: 61

[70] vgl.http://www.stuttgart.de/item/show/145886#headline4f4cafe7e6712

[71] Ebd.

[72] Ebd.

[73] vgl. STEK – Strategie 2006. Impulsprojekt 7. 2006: 65

[74] vgl. http://www.stuttgart.de/item/show/145886#headline4f4cafe7e6712

[75] vgl. www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/ueberblick/21gruende/default.aspx

[76] Faltblatt „Es stimmt, dass Stuttgart 21 umstritten ist. Es stimmt aber auch, dass viele Bürger die großen Entwicklungschancen für ihr Land sehen. – Gute Argumente.“ (Hg.: Bahnprojekt Stuttgart-Ulm e.V.)

[77] Landeshauptstadt Stuttgart http://www.stuttgart.de/item/show/145886#headline4ee619230cc87

[78] Ebd.

[79] vgl. Barometer der Meinungsumfragen ARCH+ features Okt. 2011 (S. 163 – 167)

[80] vgl. Reuber, 1999

[81] Ebd.: 7f.

[82] Ronneberger. 2002: 5

[83] vgl. von Gerkan, 1996 - (Titel der Entwicklungsstrategie der Bahn AG - Architekturbiennale in Venedig 1996)

[84] Leittext der Bahn – zitiert in Wucherpfennig, 2006: 143

[85] Thomsen, 2010: 43

[86] FAZ, 22.08.1997: 38 zitiert in Herzog/ Leis, 2010: 12

[87] vgl. Stephan 1996: 17

[88] Stephan, 1996: 16

[89] vgl. Chancen für die Stadtentwicklung. www.rathaus-stuttgart.de/staedtebauprojekt-stuttgart21

[90] Gerhard/Schmid, 2009: 314

[91] Ebd.: 314ff.

[92] Ronneberger. 2002: 7

[93] vgl. Roost, Die Disneyfizierung der Städte, 2000

[94] Wucherpfennig, 2006: 146

[95] vgl. Heinz, 2006: 147

[96] Ebd.

[97] Ebd.: 151

[98] vgl. Dieterle, 1998: 614

[99] Thomson, 2010: 59

[100] http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=318

[101] Martin Kaul „Täglich ein Schwabenstreich“ TAZ-online, http://www.taz.de/!56664/

[102] ARCH+ features 2011: 167

[103] Wucherpfennig, 2006: 63

[104] Ebd.: 65

[105] Sigel, 2006: 29

[106] vgl. Sassen, 1996

[107] Sigel. Konstruktionen urbaner Identität. 2006: 29

[108] Zukin, 1998

[109] Wolfrum/ Nerdinger, 2009: 252

[110] Wolfrum/ Nerdinger, 2009: 252

[111] Gerhard/ Schmid. 2009: 313

[112] Wucherpfennig, 2006: 214

[113] von Gerkan, 1996: 19

[114] Wucherpfennig, 2006: 142

[115] vgl. von Gerkan, 1996: 18

[116] Ronneberger 2002: 6

[117] von Gerkan, 1996: 19

[118] Ebd.

[119] vgl. Lindner. 2006: 209

[120] Ebd.: 210

[121] vgl. Smith. Transnational Urbanism: Locating Globalization. zitiert in Lenz/ Ulfers/ Dallmann 2006: 17

[122] vgl. Bender, 2006

[123] Bernward Joerges, Metropolen: Ordnung und Unordnung, Berlin 1995

[124] Dokumentation der Tagung vom an der Zeitgenössischen Technischen Hochschule Zürich, 11.03.2003 (S. 6)

[125] Interview mit Foucault „Questions on geography“ (Journal Hérodote) zitiert in Löw, 2001: 147

[126] Foucault, 1966: 19f.

[127] Ebd.: 11

[128] Foucault, 1966: 16

[129] Petrin/ Knieling, 2009: 302

[130] Ebd.: 307

[131] Ebd.

[132] vgl. Petrin/Knieling, 2009: 300

[133] Ebd.: 301

[134] Ebd.

[135] Ebd.: 302

[136] Ebd.: 309

[137] Ebd.: 317

[138] vgl. Löw, 2001: 165 verweisend auf die Theorie Foucaults zur Heterotopie

[139] vgl. Löw, 2006: 2

[140] vgl. Petrin/Knieling, Das Bildversprechen der Metropolregion. In: Knieling, 2009: 311

[141] Noller 1999: 108

[142] vgl. Noller 1999: 113

[143] Hetherington 1996 zitiert in Noller. 1999: 152

[144] vgl. Noller. 1999: 115ff.

[145] Weichhart. 1990: 39

[146] Ipsen. 1994: 232

[147] Ebd. 239

[148] Huber, 2002: 35

[149] vgl. Lefebvre, Production of space, 1974

[150] vgl. Christmann, 2004: 3455

[151] Christmann, 2004: 1

[152] Kaschuba, 2005: 25

[153] Ebd.: 27

[154] Ebd.: 16

[155] vgl. Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis, 1991

[156] vgl. Nora, 2005

[157] Bachtin, 1986, vgl. Sierek, 1996

[158] Ebd.: 24

[159] Reuber 1999: 299

[160] Reuber, 1999: 299

[161] Ebd.: 299f.

[162] Ebd.: 300

[163] Illies, Christian „Die Aufregung ist wichtig“ Süddeutsche.de vom 02.09.2010 vgl. www.sueddeutsche.de/kultur/stuttgart-die-aufregung-ist-wichtig-1.995075

[164] Löw, 2001: 159f.

[165] Ebd.: 158ff.

[166] Ebd. 159

[167] Ebd. 166

[168] Ebd. 273

[169] Ostertag, 2008: 133

[170] Homepage des Regierungspräsidiums Stuttgart zitiert auf Homepage „Der Stuttgarter Hauptbahnhof - Meisterwerk der Architektur“ http://www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_zitate.html

[171] Ebd. S. 134

[172] Frank Werner. Paul Bonatz 1877-1956, Architekt ohne Avantgarde?, in: Stuttgarter Beiträge, 13, 1977 zitiert von www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_zitate.html

[173] Horst von Basswitz, Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zitiert von www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_zitate.html

[174] Dieter Laube. Verkehrsclub Deutschland – Landesverband Baden-Württemberg zitiert von www.vcd-bw.de/themen/s21/kopfbahnhof21/denkmalschutz/index.html

[175] Dieter Laube. zitiert von www.vcd-bw.de/themen/s21/kopfbahnhof21/denkmalschutz/index.html

[176] Ostertag - Schlichtungsprotokoll (19.11.2010), S. 154

[177] Ostertag – ebd. (S. 154)

[178] Stuttgarter Zeitung 25.11.2009 zitiert von www.diskussion21.de/html/bonatz-bau.html

[179] Siehe Bild 3 im Anhang

[180] Siehe Bild 5 im Anhang

[181] Blasswitz zitiert von www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_zitate.html

[182] vgl. www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=318

[183] Ebd.

[184] Ebd.

[185] vgl. Ostertag zitiert von www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=266

[186] vgl. Ostertag zitiert von www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=266

[187] Reuter, 2001: 34

[188] vgl. K 21 – Reisende im Mittelpunkt www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=309

[189] Siehe Bild 4 im Anhang

[190] vgl. Geißler Schlichtungsprotokoll (12.11.2010), S. 47

[191] Arnoldi - Schlichtungsprotokoll (12.11.2010), S. 24

[192] Rockenbauch - Schlichtungsprotokoll (12.11.2010), S. 48

[193] Walliser – Schlichtungsprotokoll (19.11. 2010), S. 167

[194] K21 – ja zum Kopfbahnhof. Bahnhof mit Vernunft. Zitiert von www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=306

[195] vgl. www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=318

[196] vgl. www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=318

[197] Geißler - Schlichtungsprotokoll (12. 11.2010), S. 47

[198] Ostertag - Schlichtungsprotokoll (19. 11.2010), S. 154f.

[199] Will, 2004: 62

[200] Ostertag - Schlichtungsprotokoll (19.11.2010) S. 149

[201] Helbrecht, 2006: 430

[202] Ebd.

[203] Conradi - Schlichtungsprotokoll (19.11.2010), S. 122

[204] Conradi, Ebd.: S. 121

[205] Rockenbauch, Ebd.: S. 147

[206] Rockenbauch, Ebd. S. 162

[207] Sembach, Stadtattraktion Bahnhof, www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/stuttgarter_hauptbahnhof_zitate.html

[208] Schmid, 2005: 228f.

[209] vgl. Internetpräsentation Bahnprojekt Stuttgart-Ulm: Der Hauptbahnhof Stuttgart. www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/architektur/der_hauptbahnhof/default.aspx

[210] Dieterle, 1998: 616

[211] vgl. Reuter, 2001: 30

[212] Arnoldi – Schlichtungsprotokoll (12.11.2010), S. 28

[213] Walter, 2009: 4

[214] Hahn - Schlichtungsprotokoll (19.11.2010), S. 107

[215] Bopp - Schlichtungsprotokoll (30.11.2010), S. 10

[216] Ingenhoven – Schlichtungsprotokoll (19.11.2010), S. 125f.

[217] Ebd. S. 126

[218] Ebd. S. 134

[219] vgl. u.a. Reuter, 2001: 30

[220] Bopp - Schlichtungsprotokoll (30.11.2010), S. 10

[221] Mappus 30.11.2010 (S. 18)

[222] Schuster Schlichtungsprotokoll (30.11.2010), S. 12

[223] DER SPIEGEL, 41/ 2010

[224] Reuber 1999: 26

[225] Augé, 2000: 179f.

[226] Vgl. Sassen, 2000: 46f.

[227] Ebd.: 47f.

[228] Kaschuba, 2005: 17

[229] vgl. Helbrecht, 2006: 435

[230] Lindner (2003) vgl. Helbrecht, 2006: 438

[231] vgl. Castells, Space flow - der Raum der Ströme, 1999

[232] vgl. Kirchberg/ Gröschel, 1998: 8f.

[233] Reuter, 2001: 35

[234] Cernek, 1997: 25

[235] von Saldern, 2006: 40f.

[236] Schlögel, 2009: 244

[237] Cernek, 1997: 25

[238] vgl. Koolhaas „The generic city of exacerbated difference” (1996)

[239] Park zitiert in Christmann, 2004: 10

[240] Kaschuba, 2005: 17

[241] François/ Schulz, 2001: 18

[242] Christmann, 2004: 3455

[243] Rockenbauch, Schlichtungsprotokoll (19.11.2010), S. 148

[244] Noller, 1999: 152

[245] „Das Schöne daran ist: Jeder und Jede kann mitmachen, egal wo er oder sie gerade sitzt, steht, fährt oder geht, egal ob jung oder alt. Und täglich können neue Protestierer dazukommen.“ (Walter Sittler, Rede zum ersten Schwabenstreich, http://www.kopfbahnhof21.de/fileadmin/bilder/unterstuetzer/MoDemo-Reden/rede_schwabenstreich_loeschsittler.pdf)

[246] Kastanien, welche als Wurfgeschosse durch die Demonstranten bei der Eskalation der Proteste am 30. September 2010 eingesetzt wurden und durch die Stuttgarter Polizei als auch die Politik als Pflastersteine dargestellt wurden, die somit den Einsatz der Einsatzkräfte gegen die Demonstranten rechtfertigen sollten.

[247] vgl. Gerhard/ Schmid, 2009: 320f.

[248] Ebd.

[249] Stadtrat Adler am 26.09.2010 während einer Montagsdemonstration, zitiert in Ohme-Reinicke, 2011: 39

[250] Wofrum/ Nerdinger, 2009 S. 132

[251] Giddens 1988 zitiert in Reuber 1999:11

[252] vgl. von Saldern 2006

[253] von Saldern 2006: 11

[254] von Saldern 2006: 11

[255] vgl. Christmann, 2008: 4

[256] von Saldern 2006: 12

[257] Giorgio Paffetta, Vortrag „Einführung in die Geschichte rationalistischer Architektur, Tagung „Die Idee der Stadt – Konzepte einer rationalistischen Architektur“, Dokumentation Schröder 2008: 77

[258] Kaschuba, 2005: 19f.

[259] Ebd.

[260] Ebd.

[261] vgl. Weichhart, 1990: 23

[262] Kaschuba, 2005: 20

[263] vgl. Meyer 2007: 314

[264] Lefebvre zitiert in Schmid, 2005: 210

[265] Lefebvre 2006: 336

[266] Ebd.: 339

[267] Ebd.: 336

[268] Lefebvre zitiert in Schmid, 2005: 222

[269] Schmid, 2005: 220

[270] Ebd.: 229

[271] vgl. Ipsen, 1994: 238

[272] Schmid, 2005: 229

[273] Rockenbauch – Schlichtungsprotokoll (30.11.2010), S. 26f.

[274] Lena Bopp, Edo Reents, Stuttgarter Nachrichten, Artikel „Eine Stadt sucht Anschluss“ 01.08.2010 http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/protest-gegen-stuttgart-21-eine-stadt-sucht-anschluss-1582850.html

[275] Ebd.

[276] Rockenbauch – Schlichtungsprotokoll (30.11.2010), S. 27

[277] von Saldern, 2006: 19

[278] Siebel, Was macht eine Stadt urban?, 2004: 7)

[279] Sigel, 2008: 42

[280] von Saldern, 2006: 25

[281] Brünzels zitiert in: Pfeiffer/ Schneider, 2011: 137

[282] vgl. Löw, 2008

[283] Dirk Kurbjuweit (Journalist/ Spiegel 41/2010) zitiert in: Stürmer. Soziale Repräsentationen von Bürgerprotesten: Der Wutbürger – soziale Realität, Feuilleton-Chimäre oder politischer Kampfbegriff?

[284] Wissenschaftszentrum Berlin - Institution für Sozialforschung. Bürgerbefragung bei einer Demonstration im Oktober 2010.

[285] Ostertag, 2008: 54

[286] vgl. Zukin 1998: 30

[287] Ebd.

[288] Stuttgarter Bürger im Gespräch vor dem Bauzaun

Ende der Leseprobe aus 85 Seiten

Details

Titel
Metropolitanes Symbol und stadtbaupolitische Identität
Untertitel
(Un-)Sichtbarkeit und Repräsentativität des Städtebauprojekts Stuttgart 21
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Center for Metropolitan Studies)
Note
1,1
Autor
Jahr
2012
Seiten
85
Katalognummer
V205631
ISBN (eBook)
9783656326588
ISBN (Buch)
9783656327707
Dateigröße
1964 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stuttgart 21, Stadtgeschichte, K 21, Identität, Urbanität, Protest, Metropolitanität, Stadtbild, Bahnhof, Stadtkultur, Partizipation, Stadtraum, lokale Identität, Infrastrukturprojekt
Arbeit zitieren
Axel Diehlmann (Autor:in), 2012, Metropolitanes Symbol und stadtbaupolitische Identität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205631

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