Interkulturelles Konfliktpotenzial im Amateurfußball. Die Rolle des Schiedsrichters

Das Schiedsrichterwesen im deutschen Amateurfußball


Magisterarbeit, 2011

152 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Interkulturelles Konfliktpotenzial: Grundlegende Begriffsbestimmungen
2.1 Kultur
2.2 Interkulturelle Kommunikation
2.3 Stereotyp, Vorurteil und Image
2.4 Interkulturelle Konflikte

3 Das Fußballspiel
3.1 Spielregeln im Sport
3.2 Fairness und Fairplay
3.3 Ethnische und multiethnische Fußballvereine
3.4 Integrationspotenzial im Fußball
3.5 Stereotype im Fußballmilieu
3.6 Kritische Würdigung

4 Der Schiedsrichter
4.1 Aufgaben und Kompetenzen
4.2 Die Rolle des Schiedsrichters
4.3 Physische und psychische Anforderungen
4.3.1 Der Schiedsrichter als Leistungssportler
4.3.2 Psychische Anforderungen an den Schiedsrichter
4.4 Die Persönlichkeit des Schiedsrichters
4.5 Die Struktur des Schiedsrichterwesens
4.6 Die Komplexität der Entscheidungsfindung
4.6.1 Der Prozess der Wahrnehmung
4.6.2 Kategorisierung
4.6.3 Der Urteils- und Entscheidungsprozess
4.7 Empfehlungen des DFB für den Umgang mit unterschiedlichen ethnischen Gruppen
4.8 Kritische Würdigung des Forschungstandes

5 Methodische Vorgehensweise
5.1 Das episodische Interview
5.1.1 Aufbau des Interviews
5.1.2 Vignetten und Praxisbeispiele
5.2 Untersuchungsgruppe
5.3 Datenerhebung
5.4 Datenauswertung
5.5 Gütekriterien qualitativer Forschung

6 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
6.1 Ethnische Vereine
6.2 Vermeintliches Vorwissen und seine Folgen
6.3 Kulturbedingte Verhaltensmuster der Spieler
6.4 Der Schiedsrichter als Konfliktlöser und -auslöser

7 Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Anhang A: Abbildungsverzeichnis

Anhang B: Schriftlicher Fragebogen an die Schiedsrichter

Anhang C: Interviewleitfaden

Anhang D: Vorgelegter Zeitungsartikel in den Interviews (1)

Anhang E: Vorgelegter Zeitungsartikel in den Interviews (2)

Anhang F: Transkriptionsregeln

Anhang Transkripte (ausgelagert auf beigefügter CD-ROM)

Anhang Interviews (ausgelagert auf beigefügter CD-ROM)

Anhang Video (ausgelagert auf beigefügter CD-ROM)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Pulsfrequenzprofil eines Schiedsrichter während eines Bundesligaspiels ..

Abbildung 2: Die „Big Six“ zur Persönlichkeit des Schiedsrichters

Abbildung 3: Das Sandersche Parallelogramm

Abbildung 4: Anzahl der geleiteten Spiele der Schiedsrichter

Abbildung 5: Übersicht der befragten Schiedsrichter

Abbildung 6: Inhaltsanalytisches Ablaufmodell der vorliegenden Untersuchung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Fußball fungiert als eine universale Sprache: Er braucht Schiedsrichter, aber keine Dolmetscher.“ (Gleich, 2005)

An keine andere Sportart sind derart hohe völkerverständigende Erwartungen gerichtet, wie an den Fußball. „Dem Ball ist egal wer ihn tritt“ (DFB, 2010b), ist eine gern gesendete Botschaft gegen Rassismus. Es vergeht keine Woche, ohne dass der DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger nicht an die ‚integrative Kraft des Fußballs’ erinnert und die Nationalmannschaft wird als Vorbild für gelungene Integration gepriesen. Doch spiegelt sich in diesen Kopfideen hochrangiger Offizieller, die Wirklichkeit an der Basis wieder? Gute Sportler integriert man leicht und gerne, doch wie ist es um Vereine wie Yesilyurt Berlin oder Türk Gücü Hildesheim[1] bestellt. Gehören sie für den DFB auch zum Gesicht des deutschen Fußballs? Sind sie wirklich gleichgestellt?

Fast jedes Wochenende kommt es zu rassistischen Vorfällen auf deutschen Sportplätzen. Besonders oft stehen dabei die sogenannten ‚Migrantenvereine’ im Fokus. Sie sind oftmals Zielscheibe für Ausländerhass und werden in der Öffentlichkeit meist nur mit negativen Schlagzeilen bedacht. Dies gipfelt sich in der Idee, in Hamburg eine so genannte Stressliga einzuführen, in der all diese ‚Problemklubs’ vereint wären (vgl. Fritsch, 2011). Sieht so eine Lösung aus? Im Amateurfußball redet niemand von ‚ethnischen Vereinen’[2], sondern man spielt gegen ‚die Türken’, ‚die Griechen’ oder die Italiener. Hierdurch entsteht eine Atmosphäre des Misstrauens und der Befremdlichkeit. Statistiken haben jüngst belegt, dass zwei Drittel der Spielabbrüche von nicht-deutschen Spielern, meist türkischer oder kurdischer Abstammung, verursacht werden (vgl. Pilz, 2002: 2). Günther A. Pilz untersuchte bei Jugendspielern die Gründe für Platzverweise und spätere Sportgerichtsurteile anhand von knapp 4.000 Fällen und kam hierbei zu signifikanten Ergebnissen. Die Schwere des Straftatbestands steigt prozentual mit der Beteiligung nicht-deutscher Spieler. Besonders bei Tätlichkeiten mit und ohne Verletzungen, rohem Spiel und Bedrohungen, dominieren diese Spieler im Vergleich zu ihren deutschen Sportskameraden. Dies erstreckt sich auch auf das Strafmaß, bei dem 50 Prozent der nicht-deutschen Spieler für mehr als sechs Wochen gesperrt werden, während dies bei den deutschen Spielern nur 12,9 Prozent betrifft (vgl. Pilz, 2002: 3ff).

Nun erhebt sich natürlich die Frage, warum in der vorliegenden Arbeit die Rolle des Schiedsrichters[3] bei interkulturellen Konflikten untersucht wird. Hierzu soll noch einmal auf die Studie von Pilz (2002: 5ff) eingegangen werden, bei der er auch nach den tatauslösenden Vorfällen - also jene Ereignisse die zu der strafbaren Tat des Spielers führen - fragte und hier gaben 44,5 Prozent der nicht-deutschen Spieler eine Schiedsrichterentscheidung als ausschlaggebenden Grund an. Weiterhin fällt auf, dass ab der B-Jugend[4] verbale Provokationen von beiden Seiten auf dem Platz signifikant steigen und 16,2 Prozent der türkischen Spieler gaben an, sich immer zumindest durch harten Körpereinsatz zu revanchieren. Welche Rolle spielt der Schiedsrichter bei all dem? Kann er solche Konflikte unterbinden oder ist er ihnen machtlos ausgesetzt? Wo hören seine Kompetenzen auf? Inwieweit kann sein eigener kultureller Background einen Einfluss auf das Spiel haben? Der Schiedsrichter scheint auf jeden Fall einen Einfluss auf das informelle Fairplay zu haben. Wenn die Spieler bei ihm Gerechtigkeit und absolute Unparteilichkeit ‚spüren’, steigt auch bei ihnen die Bereitschaft zu einem fairen Spiel. Ist dies jedoch nicht der Fall, steigt das Provokations- und Eskalationspotenzial erheblich (vgl. Herrmann et al., 2008: 22f).

Das langfristige Ziel dieser Magisterarbeit ist es, den Grundstein für die Konzeption interkultureller Trainingseinheiten für Schiedsrichter zu legen. Zwar war das schon der Ursprungsgedanke dieser Arbeit, jedoch fehlte es hierfür an relevanten Erhebungen, um die notwendigen Bedürfnisse und konkrete Interaktionssituationen festzustellen. Deshalb liegt der Fokus auf der Rolle des Schiedsrichters. Wie bereits erwähnt standen bis jetzt meist die Spieler oder Vereine im Vordergrund der Forschung und hier soll versucht werden, eine andere Sichtweise der Geschehnisse auf den Fußballplätzen dieses Landes zu bekommen, nämlich die des - per definitionem - Unbefangenen.

Um die genannten Ziele zu erreichen, wird folgende Vorgehensweise angewendet:

Diese Arbeit beschäftigt sich mit interkulturellen Interaktionen und hierfür müssen zuerst einmal die wichtigsten Grundbegriffe der interkulturellen Forschung definiert werden. Dies geschieht im Anschluss an diese Einleitung.

Das Phänomen Fußball ist Thema des dritten Kapitels. Hierbei wird auf die soziale Bedeutung des Fußballs hingewiesen sowie seine Regeln und Werte erläutert. Außerdem werden die Bereiche behandelt, in denen Interkulturalität und Fußball zusammenhängen. Hierbei werden ethnische Vereine und Fußballstereotype genauer definiert.

Kapitel 4 widmet sich dem Schiedsrichter. Nach der Beschreibung seiner Funktion, Rolle und Persönlichkeit, wird das Schiedsrichterwesen in Deutschland skizziert. Anschließend wird versucht die Komplexität der Entscheidungsfindung zu erklären. Am Ende dieses Kapitels wird ein Arbeitspapier des DFB für den Umgang von Schiedsrichtern mit unterschiedlichen ethnischen Gruppen vorgestellt und analysiert.

In Kapitel 5 wird die methodische Vorgehensweise bei der Konzeption und Durchführung der Untersuchung sowie die Datenauswertung mittels der qualitativen Inhaltsanalyse vorgestellt.

Die Darstellung der Ergebnisse steht im Zentrum des Kapitel 6. Vier Kategorien interkultureller Konfliktpotenziale werden anhand ausgewählter, beispielhafter Transkriptausschnitte vorgestellt sowie erläutert. Zudem werden diese Textfragmente auf ihre formalen Merkmale hin untersucht.

Abschließend werden im Schlusskapitel die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst, die eingesetzte Methode reflektiert sowie Handlungsempfehlungen ausgesprochen und ein Ausblick gewagt.

In dieser Arbeit ist häufig von ‚Migranten’ die Rede. Hiermit werden vereinfachend alle Spieler bezeichnet, die einen anderen kulturellen Hintergrund als den deutschen haben und bezieht sich nicht nur auf neu hinzugezogene Menschen fremder Herkunft.

2 Interkulturelles Konfliktpotenzial: Grundlegende Begriffsbestimmungen

2.1 Kultur

Um überhaupt interkulturelle Prozesse verstehen zu können, muss zunächst das sehr umfangreiche Konzept ‚Kultur’ definiert werden. Kultur ist vielfältig und eine einheitliche, alles umfassende Definition gibt es nicht. Vielmehr bestehen unterschiedliche Ansätze, welche allesamt verschiedene Aspekte von Kultur in den Vordergrund stellen. Für unseren Kontext ist Kultur im Sinne von Kunst, Theater und Musik irrelevant. Alltagssprachlich werden nationenspezifische Besonderheiten gerne als nationale Kultur (die italienische/ die deutsche Kultur) bezeichnet. Für diese Arbeit soll der kognitiv anthropologische Kulturbegriff nach Lüsebrink (2008: 10) herangezogen werden. Lüsebrink geht von einem, durch die Sozialisation in der jeweiligen Gesellschaft erlernten Fundus an Denk- und Handlungs- mustern aus, welche unser Verhalten bestimmen. Dieser umfasst Überzeugungen, Wertorientierungen, Einstellungen sowie Handlungskonzepte. Kultur ist somit ein durch das soziale Umfeld geprägtes Gruppenphänomen. Hofstede spricht von einer „software of the mind“ (Hofstede, 2005: 3), also einer mentalen Programmierung des Geistes, welche auf drei Ebenen stattfindet. Neben der bereits erwähnten Gruppenprägung, spielt die eigene Persönlichkeit eine bedeutende Rolle. Diese entsteht wiederum durch die eigenen individuellen Erfahrungen. Die dritte Ebene ist die ererbte Natur des Menschen, also das was allen Personen universell gemeinsam ist. Die Schwierigkeit besteht darin, die drei Ebenen getrennt zu betrachten und nicht in der Überzeugung zu verharren, das menschliche Verhalten sei durch die mentale Programmierung zweifelsfrei vorhersehbar (vgl. ebd.: 3f).

Von besonderer Relevanz ist zudem das Verständnis von Kultur als Orientierungssystem des Menschen nach Alexander Thomas:

„Das Orientierungssystem definiert für alle Mitglieder ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft oder Gruppe und ermöglicht ihnen ihre ganz eigene Umweltbewältigung. Kultur beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Mitglieder der jeweiligen Gesellschaft.“ (Thomas, 2003: 22)

Jedes Individuum ordnet demnach alle Ereignisse, Handlungen und Personen in sein persönliches Orientierungssystem - welches unter anderem aus Sprache, nonverbalen Aspekten und Ritualen besteht - ein, um in seiner Umwelt zurechtzukommen. Folglich ist Kultur ein Teil des Menschen selbst, wessen Wertvorstellungen, Überzeugungen und Einstellungen sich durch Interaktionen mit anderen Individuen und Gruppen stetig weiterentwickeln. Dementsprechend ist dieses Kulturprodukt nicht starr, sondern ein fortlaufender Prozess (vgl. Schugk, 2004: 31).

2.2 Interkulturelle Kommunikation

Da im Sport Interaktion und somit auch Kommunikation unausweichlich und selbstverständlich ist, gilt es im Folgenden die spezifische Form der interkulturellen Kommunikation näher zu erläutern. Der Begriff wurde erstmals 1959 vom Anthropologen Edward T. Hall (1973) in The Silent Language verwendet.

Interkulturelle Kommunikation wird in der Forschung oftmals sehr weit gefasst. Lüsebrink (vgl. 2005: 7f) differenziert zwischen der interpersonalen und der mediatisierten Kommunikation. Mit Letzterer ist die fiktionale oder nicht-fiktionale Darstellung interkultureller Kommunikation durch Radio, Printmedien, Fernsehen oder Internet gemeint, also den „nicht lebensweltlichen Kommunikationsformen“ (Lüsebrink, 2007: 121). Die typische Face-to- Face-Kommunikation[5] zwischen Angehörigen verschiedener Kulturkreise, wird im engeren Sinne als interpersonale Kommunikation bezeichnet, wobei zu beachten ist, dass die Ebene der unmittelbaren Interaktion sich nicht auf das Mittel der verbalen Äußerung beschränkt, sondern auch kommunikative Formen wie Gestik, Mimik oder Tonfall berücksichtigt. Ein weiterer Aspekt, welcher auch im Fußball zum Tragen kommen kann, ist das ‚Sichtbarkeitsmaß’ der verschiedenen Kulturen in der Interaktion. In der interkulturellen Kommunikation kann dieses Maß in zwei Ebenen unterteilt werden, nämlich in Perceptas und Conceptas. Mit Perceptas sind die unmittelbar wahrnehmbaren, greifbaren und sichtbaren Dinge, wie z.B. Objekte, Rituale und Verhaltensweisen gemeint. Ihnen zugrunde liegen die Conceptas, welche das Nicht-Beobachtbare, die verhaltensursächlichen Denk- und Handlungskonzepte wie Werte und Normen bilden (vgl. Köppel, 2007: 20). Dass diese beiden Kulturelemente auch auf das Spielgeschehen im Fußball übertragen werden können, erläutert Pierluigi Collina in seiner Autobiographie, wenn er das Konzept des Eisbergmodells auf das Handlungsfeld im Mannschaftssport überträgt (vgl. Collina, 2003: 15). Beim sogenannten Eisbergmodell, wird zwischen der kleinen sichtbaren Spitze und der großen unsichtbaren Masse des Eisbergs unterschieden, welche hier jeweils Perceptas oder Conceptas symbolisieren würden.

Ein weiterer Aspekt der interkulturellen Kommunikation könnte im Fußball wichtig sein, nämlich der der Fremdwahrnehmung:

„Von interkultureller Interaktion und Kommunikation sprechen wir, wenn die Begegnungspartner verschiedenen Kulturen angehören und wenn sich die Partner der Tatsache bewusst sind, dass der jeweils andere ‚anders’ ist, wenn man sich also wechselseitig als ‚fremd’ erlebt.“ (Maletzke, 1996: 37)

Diese Definition ist insofern relevant, als dass Andersartigkeit, Fremdheit oder Bedrohung im Fußball zwischen deutschen Spielern und solchen mit Migrationshintergrund regelmäßig erfahren wird.

2.3 Stereotyp, Vorurteil und Image

Eine spezifische Form möglicher interkultureller Konflikte sind Stereotype, Vorurteile und das Image. Für ein besseres Verständnis der späteren Analyse ist es wichtig, diese drei Termini genauer zu definieren. Der aus dem Griechischen stammende, zusammengesetzte Begriff ‚Stereotyp’, bedeutet wortwörtlich übersetzt ‚starres Muster’, aus stereos (fest, starr) und typos (Muster, Modell, Eindruck). Stereotype wurden im 18. Jahrhundert in der Arbeit des Setzers verwendet. Sie waren starr verbundene Druckzeilen, welche die Arbeit erleichterten, da man die Buchstaben nicht mehr einzeln aneinanderreihen musste. Hieraus lassen sich bereits einige Charakteristika der heutigen wissenschaftlichen Verwendung des Wortes ableiten. Neben der relativen Starrheit und Festlegung, vereinfachen Stereotypen durch die bloße Wiederholung vorgefertigter Muster, nicht nur den Arbeits-, sondern ersetzen zum großen Teil auch den Wahrnehmungs- und Denkprozess (vgl. Manz, 1968: 12). Das dtv Wörterbuch Psychologie definiert Stereotyp wie folgt:

„Allgemeine Bezeichnung für relativ überdauernde und starre, festgelegte Sichtweisen bzw. ihnen zugrunde liegende Überzeugungen in Bezug auf Klassen von Individuen, bestimmte Gruppen oder Dinge, die von vornherein festgelegt sind und nicht einer aktuellen Bewertung entstammen).“ (dtv Wörterbuch Psychologie, 1994: 388)

Den Einzug in die Wissenschaft erlangte der Begriff durch den Soziologen Walter Lippmann 1922 in dem Buch Public Opinion[6]. Er sprach bereits von „Bilder[n] in den Köpfen“ (Lippmann, 1964: 28) der Menschen, also Konzepten, Meinungen und Einstellungen, die ihm beim Bewältigen der Umwelt hilfreich sind. Stereotype haben laut Lippmann grundsätzlich sowohl positive als auch negative Aspekte. Sie dienen der Orientierung des Einzelnen in seiner Umwelt und haben eine ökonomische Funktion. Außerdem bestimmen sie den Standpunkt oder die Position eines Menschen in der Gesellschaft und dienen daher der Verteidigung. Ein mögliches Problem liegt darin, dass diese vorgeprägte Denkweise dazu führen kann, seine Umwelt nur noch typisiert wahrzunehmen und eine neuartige Sichtweise erschwert. Dieser Simplifizierungsprozess ist Teil der menschlichen Natur und basiert auf dem Verlangen nach Bequemlichkeit. (vgl. ebd.: 28f)

Die Sprachwissenschaftlerin Uta Quasthoff betont, dass in der Umgangssprache der Begriff Stereotyp meist zur Darlegung einförmiger Wiederholung verwendet wird. Außerdem ist er ein verbaler Ausspruch (vgl. Quasthoff, 1973: 17). Nach Quasthoff ist es durch die Komplexität der Umwelt überhaupt nicht möglich „in alle Bereiche des Lebens aufgrund gesicherter Informationen den Einblick zu haben, der es [dem Menschen] erlaubt, rationale Urteile zu fällen“ (ebd.: 125). Allport sieht eine gewisse Notwendigkeit des Menschen in Kategorien zu denken, da neue Erfahrungen nur aufgrund alter Kategorien bewältigt werden können. Ihre funktionale Rolle beschreibt er folgendermaßen: „[...] ein Stereotyp ist eine überstarke Überzeugung, die mit einer Kategorie verbunden ist. Sie dient zur Rechtfertigung unseres die Kategorie betreffenden Verhaltens“ (Allport, 1971: 200). In der Rechtfertigung des eigenen Verhaltens einer anderen Gruppe gegenüber zeigt sich wiederum auch das Element der Starrheit von Stereotypen. Neue Informationen dienen entweder der Bestätigung des eigenen Denkmusters oder werden aus ökonomischen Gründen als Ausnahme dargestellt.

Quasthoff verweist noch auf die ordnende Funktion von Stereotypen in (informellen) Kleingruppen, was auf Fußballmannschaften zutreffen kann und deshalb in der vorliegenden Arbeit erwähnt werden muss. Demnach „kann die Gemeinsamkeit stereotyper Überzeugung die gruppeninterne Kommunikation an einigen Punkten stark verkürzen und auf diese Weise zur Stärkung des Wir-Gefühls innerhalb der Gruppe beitragen, ohne notwendigerweise Aggressivität gegen outgroups[7] zu implizieren“ (Quasthoff, 1973: 125). Der letzte Punkt darf aufgrund des Wettkampfcharakters im Sport und der teilweise notwendigen Differenzierung zwischen Mannschaften, für den vorliegenden Kontext zumindest angezweifelt werden. Somit zeichnen sich Stereotype dadurch aus, dass sie vom Einzelnen unüberlegt übernommen werden und nicht der persönlichen Wahrnehmung entstammen. In diesem Gruppenurteil liegt bereits eine mögliche Quelle für ihre Falschheit.

Während im allgemeinen Sprachgebrauch der Stereotyp und das Vorurteil häufig synonym gebraucht werden, grenzen die meisten Autoren die Begriffe aufgrund der emotionalen Note des Vorurteils voneinander ab. Demnach ist es eine „negativ getönte, feindliche Einstellung gegenüber Gruppen oder einzelnen Mitmenschen, die sich als stereotype Überzeugung äußert oder auf solche zurückführbar ist“ (dtv Wörterbuch Psychologie, 1994: 437). Die negative Einstellung gegenüber einer anderen Gruppe korreliert meistens mit einer äußerst positiven Meinung gegenüber der eigenen. In der Sozialpsychologie wird zumeist von ‚sozialem Vorurteil’ gesprochen, das auf spezifische Personengruppen oder einzelne Individuen als deren Mitglieder gerichtet ist. Allport hebt die etymologische Bedeutung des Begriffs hervor und bezeichnet ein Vorurteil als ein „zustimmendes oder ablehnendes Gefühl gegenüber einer Person oder einer Sache, das der tatsächlichen Erfahrung vorausgeht, nicht auf ihr gründet“ (Allport, 1971: 20). Des Weiteren handele es sich um fehlerhafte und unflexible Verallgemeinerungen (vgl. ebd.: 20). Um die Differenz der beiden Termini noch deutlicher zu begründen und gleichzeitig ihre wechselseitige Abhängigkeit zu untermauern - der Wahrig bezeichnet ein Stereotyp als „ein eingewurzeltes Vorurteil“ (Wahrig, 2007: 952) - sollen zwei Beispielsätze angeführt werden (angelehnt an Quasthoff, 1973: 22; eigene Beispiele):

- Ich hasse es gegen Italiener zu spielen. (Ausdruck einer Einstellung)
- Italiener lassen sich jedes Mal im Strafraum fallen. (Ausdruck einer Überzeugung)

Unabhängig vom Einstellungs- oder Überzeugungsfaktor sind beide Urteile von wertender Natur und richten sich gegen eine ganze Gruppe. Quasthoff gibt als grundlegendes Unterscheidungsmerkmal die Tatsache an, dass Einstellungen nicht als Stereotype ausgesprochen werden, sie jedoch oft in Überzeugungen einfließen und in ihnen dementsprechend rationalisiert werden (vgl. ebd.: 26f). Durch ihren antizipatorischen Charakter können sowohl Vorurteile, als auch Stereotype die Erwartungshaltung beeinflussen. Dies kann zu impulsiven Beurteilungen von Personen oder Gruppen verleiten, welche eventuell voreilige Entscheidungen nach sich ziehen (vgl. ebd.:45).

Um den Einfluss von Stereotypen und Vorurteilen auf die eigenen Handlungsvorgänge zu minimieren, ist grundsätzlich eine gewisse persönliche Bereitschaft und Motivation notwendig. Wie bereits erwähnt, vereinfachen und ökonomisieren Stereotype den Wahrnehmungsprozess. Dementsprechend verlockend können sie sein, wenn wenig Zeit für die persönliche Bildung einer Meinung da ist, wie dies im Fußball der Fall ist. Ein weiterer Ansatz zum Abbau stereotyper Sichtweisen, ist die Kontakthypothese. Gemeint ist hiermit, dass die Begegnung mit stereotypisierten Fremdgruppen unter günstigen Bedingungen zum Abbau von Vorurteilen beitragen kann. In diesem Zusammenhang betont Allport, dass beide Gruppen den gleichen Status und ein gemeinsames Ziel haben und, dass der Kontakt durch Normen unterstützt werden sollte (vgl. Allport, 1971: 485). Durch das Bestehen eines Regelwerks trifft Letzteres auf den Sport sicherlich vollständig zu. Innerhalb einer Mannschaft sollte ein gemeinsames Ziel definiert sein, was jedoch nicht zwangsläufig immer der Fall ist. Die beiden Opponenten haben selbstverständlich gegensätzliche Ziele, zumindest im Leistungssport (s. Kapitel 3). Ob alle Mannschaften im Fußball den gleichen Status haben oder, ob es dort auch individuelle Zuschreibungen gibt, wird in Kapitel 3.3 aufgegriffen.

Abschließend muss noch der Begriff ‚Image’ erläutert werden, da dieser im empirischen Teil der Arbeit von Bedeutung sein wird. In der Sozialpsychologie bezeichnet Image „das Vorstellungsbild von einem Gegenstand, das unabhängig vom Stellungsnehmenden existiert, ihm vorgegeben und seiner persönlichen Erfahrung gegenüber indifferent ist“ (Wolf 1969, 948f). Es unterscheidet sich vom Stereotyp bereits dahingehend, dass man ein gewisses Eigeninteresse des Imageträgers an der Imageschaffung voraussetzen kann, während ein Stereotyp von der Umwelt auferlegt und zugeschrieben wird. Ein Image kann aktiv gestaltet, geprägt und beeinflusst werden und gehört zum „belief system“ (Quasthoff, 1973: 21) dieser Gruppe, während sie der Bildung und Aufrechterhaltung von Stereotypen passiv ausgesetzt ist. Hieraus ergibt sich ein weiterer Unterschied, nämlich, dass das Image ein Produkt der Interaktion ist, also auf eigenen Erfahrungen beruht, während Stereotype meist nur übernommen werden. (vgl. ebd.: 21)

2.4 Interkulturelle Konflikte

Das Wesen des (Leistungs-)Sports provoziert per se das Auftreten von Konflikten. Die drei anwesenden Parteien, vornehmlich die beiden Mannschaften und der Schiedsrichter, haben grundsätzlich miteinander unvereinbare Zielvorstellungen. Das Erreichen eines Ziels bedeutet das parallele Scheitern eines anderen. Folglich liegt im Sport die komplexe Situation vor, dass die beiden leistungsorientierten Opponenten automatisch in einen Konflikt involviert sind, in dem nur einer - zumindest messbar - gewinnen und gleichzeitig nur durch die Anwesenheit eines Gegners ein Wettkampf überhaupt stattfinden kann. Diese manifeste Wahrnehmung des Konfliktes zeichnet den Wettkampf aus. Der Versuch einer neutralen Definition des Terminus Konflikt ist daher recht schwierig, weil Kontext, Ursächlichkeit und Bewertung fast immer in die wissenschaftliche Diskussion mit einfließen. Deshalb wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit auch davon abgesehen, mögliche Synonyme wie Streit oder Zusammenprall zu verwenden, da diese bereits auf die Austragungsform des schwelenden Konflikts hinweisen. Ein weiteres Problem ist die verbreitete negative Konnotation des Begriffs ‚Konflikt’, welche für den Sport nicht hilfreich ist, da die beiden Parteien hier den Konflikt nicht scheuen und den Aufeinanderprall der beiden Identitäten förmlich suchen, er also willentlich und wissentlich auftritt. Der Ansatz von Rüttinger ist noch am ehesten auf den spezifischen Kontext des Sports anwendbar:

„Konflikt ist eine Spannungssituation, in der zwei oder mehr Parteien, die voneinander abhängig sind, scheinbar oder tatsächlich unvereinbare Handlungspläne zu verwirklichen suchen und sich dabei ihrer Gegnerschaft bewusst sind.“ (Rüttinger, 1977: 20)

Durch das Bewusstsein einer Spannungssituation können sich die beiden Parteien in ihren Handlungsoptionen beeinträchtigt fühlen. Dies umfasst sowohl die körperliche Ebene, als auch das Denken oder Fühlen. Wird ein Konflikt offen von mindestens einer Partei kommuniziert, bezeichnet man ihn als manifest. Bei Wahrnehmung eines schwelenden Konflikts ausschließlich von unbeteiligten Außenstehenden, gilt er als latent. (vgl. Mattl, 2006: 27)

Wie bereits angedeutet, bietet der Fußball an sich ein hohes Maß an Konfliktpotenzial, welches durch weitere mögliche Konfliktgegenstände, wie Interessen-, Bedürfnis- und Identitätskonflikte zusätzlich angeheizt werden kann. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen die gesamte Konfliktforschung, welche außerdem in allen verschiedenen Disziplinen unterschiedliche Ansätze verfolgt, aufzuzeigen. Der Fokus liegt hierbei unmissverständlich auf den interkulturellen Konflikten. Die meisten Aspekte intrakultureller Konflikte, spielen auch in interkulturellen Konflikten eine Rolle, jedoch kann sich ihre Gewichtung ändern und weitere Faktoren hinzukommen. Die gegenwärtig verbreitete Annahme, dass interkulturelle Konflikte besonders komplex, eskalationsträchtig und schwerer lösbar seien, lässt sich vor allem durch den Mangel an Forschung und Vermittlung erklären. Diese vorschnelle Dramatisierung wird zunehmend auch in der Integrations- forschung kritisiert. Durch die prinzipielle Fokussierung bei interkulturellen Konflikten auf den kulturellen Hintergrund, könnte man dessen Bedeutung übertreiben und vom eigentlichen Problem ablenken (vgl. Mattl, 2006: 98). Vielmehr gilt es zu analysieren, ob die Kultur im jeweiligen Konflikt überhaupt eine Rolle spielt und wenn ja, welche.

Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob man automatisch von einem interkulturellen Konflikt sprechen kann, wenn die zwei Opponenten einen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund haben. Müssen Konfliktursache oder -gegenstand auch der interkulturellen Konstellation geschuldet sein? Wie bereits bei der interkulturellen Kommunikation gehen wir auch hier davon aus, dass die Anwesenheit von mindestens zwei Repräsentanten unterschiedlicher Kulturkreise nötig ist, um zumindest von interkulturellem Konfliktpotenzial reden zu können (vgl. Ramsauer, 2009: 9). Die Problematik der Identifizierung eines Konflikts als interkulturell zeigt sich in der Definition von Mattl, in der das Element Kultur wie ein Fremdkörper wirkt:

„Interkulturelle [...] Konflikte sind Konflikte im Sinne einer Interaktion zwischen Personen, die verschiedene kulturelle Systeme repräsentieren, wobei wenigstens eine Person Unvereinbarkeiten im Denken/Vorstellen/Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen, mit der anderen Person in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch die andere Person erfolgt und Kultur eine Rolle spielt.“ (Mattl, 2004: 12)

Die amerikanische Forscherin asiatischer Herkunft Ting-Toomey hat in der interkulturellen Konfliktforschung neue Ansätze hervorgebracht. Sie legt den Fokus auf die emotionale Frustration, die während eines Konflikts empfunden wird. Diese Frustration entsteht aus der gefühlten Unvereinbarkeit von Werten, Normen, Zielen, Ergebnissen und Ähnlichem zwischen mindestens zwei Parteien die zwei unterschiedlichen kulturellen Gruppen angehören:

„Intercultural conflict is defined [...] as the experience of emotional frustration in conjunction with perceived incompability of values, norms, face orientation, goals, scarce resources, processes, and/or outcomes between a minimum of two parties from two different cultural communities in an interactive situation.” (Ting-Toomey/Oetzel, 2001, zit. nach Mattl, 2006: 56)

Ting-Toomey hat fünf Hauptmerkmale herauskristallisiert, die nach ihr einen interkulturellen Konflikt charakterisieren (vgl. Ting-Toomey, 1999, zit. nach Mattl, 2006: 57):

- Der Konflikt beinhaltet interkulturelle Wahrnehmungen. Diese Wahrnehmungen werden durch eine Brille aus Ethnozentrismus und Stereotypen gefiltert, welche wiederum den Konfliktattribuierungsprozess färben.
- Der Konflikt beinhaltet Interaktion - sowohl das Aufrechterhalten als auch der Umgang mit dem Konflikt erfolgt durch verbales und nonverbales Verhalten, beide sind kulturgebundenen Konzepte.
- Es liegt ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis vor - [...] das Verhalten von einer oder beiden Parteien hat Konsequenzen für die andere [...]. Sonst könnten die Konfliktparteien einfach auseinander gehen.
- Ein Konflikt beinhaltet sowohl Ziele im eigenen Interesse als auch solche von gegenseitigem Interesse.
- Ein Konflikt beinhaltet den Schutz von Bildern und Werten der eigenen Gruppe. In einer interkulturellen Situation zwischen zwei oder mehreren Gruppen, müssen die Konfliktparteien darauf bedacht sein, sowohl ihre individuelle als auch ihre gruppenbasierte Identität zu erhalten.

In dieser Aufzählung fällt auf, dass bei den verschiedenen Merkmalen, Kultur nicht immer das entscheidende Kriterium ist. Konflikte hängen sowohl im intra-, als auch im interkulturellen Bereich von zahlreichen inneren und äußeren Faktoren ab, von denen die kulturelle Identität nur ein mögliches Konfliktpotenzial darstellt.

Kulturelle Unterschiede als mögliche Konfliktursache wurden zum ersten Mal von Ting- Toomey 1985 erwähnt. Hierbei ist entscheidend, dass von Missverständnissen die Rede ist, also möglichen Konfliktpotentialen, die zu Spannungen führen, welche in der Konfliktaustragung gipfeln können:

„Conflict [...] is defined [...] as a form of intense interpersonal and/or intrapersonal dissonance (tension or antagonism) between two or more interdependent parties based on incompatible goals, needs, desires, values, beliefs, and/or attitudes. [...] Intercultural misunderstanding and potential conflict arise when two individuals, coming from two distinctive cultures, have two different ways of expressing and interpreting the same symbolic action. The symbolic action in turn is governed by a specific set of normative rules and movements of culture.” (Ting-Toomey, 1985, zit. nach Mattl, 2006: 93)

Demnach können sowohl monokulturelle Gründe - z.B. unvereinbare Ziele, Wünsche, Einstellungen, Ressourcen -, als auch mögliche kulturelle Missverständnisse die Ursache für potentielle interkulturelle Konflikte sein. Kulturell begründete Missverständnisse entstehen nach Ting-Toomey, wenn zwei Menschen unterschiedlicher Herkunft dieselbe Situation anders wahrnehmen und interpretieren. Da dies, wie in Kapitel 2.1 beschrieben, aufgrund der kulturellen Identität geschieht, könnte dies eine interkulturelle Konfliktursache sein.

Wann kann Kultur nun ein Auslöser für Konflikte werden?

- Kulturbedingte Werteunterschiede, Interpretation von Symbolen oder kulturspezifische Wahrnehmung. (Besonders die persönliche Wahrnehmung ist hier von Bedeutung, vgl. Kapitel 4.6.1)
- Unterschiedliche Verhaltensweisen können Konflikte entstehen und eskalieren (unterschiedliche Konfliktstile) lassen - z.B. verbale und nonverbale Kommunikation (verschiedene Ausdrucksweisen, unterschiedliche Emotionalität).
- Positive Zuschreibungen bei Kognitionsprozessen zugunsten der eigenen Gruppe können zu vermehrten Konflikten mit anderen Gruppen führen. (vgl. Mattl, 2006: 59)

Nicht nur kulturelle Unterschiede können einen Konflikt auslösen, sondern auch die Kultur selbst kann ein potentieller Streitgegenstand sein. So ist die kulturelle Identität, welche Teil der sozialen Identität ist, ein mögliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Ingroup[8] und Outgroup[9] und kann aktiv zur Differenzierung genutzt werden. Des Weiteren zeigt sich Kultur in Form von Regeln, Normen und Werten. Führen diese zu einer Verwirrung oder Unvereinbarkeit, ist auch hier die Kultur der potentielle Streitgegenstand eines Konfliktes. (vgl. ebd.: 60)

Kulturelle Unterscheide zeigen sich ferner in der Konfliktaustragung, also den Konfliktstilen. Diese können dazu beitragen, dass ein Konflikt eskaliert oder er verhindert wird. Wird die Frage nach einer Konfliktauseinandersetzung mit ‚Ja’ beantwortet, kann diese direkt oder indirekt geschehen. Ob ein Konflikt offen, formgebunden oder formlos ausgetragen wird, hängt auch von den kulturellen Konfliktstilen ab. Demnach können sich Konflikterscheinungsformen, -taktiken und -austragungsformen stark voneinander differenzieren und den Konfliktprozess entscheidend beeinflussen. (vgl. ebd.: 112f)

Noch ein letzter Aspekt soll hier angeführt werden, nämlich die kulturell bedingte Wahrnehmung des Konfliktes per se. Wie und ob ein Konflikt überhaupt ausgetragen wird, hängt oft mit der allgemeinen Assoziation von Konflikten zusammen. Werden sie als fruchtbarer Prozess empfunden oder sollen sie vermieden werden? Die einen sehen sie als notwendig, natürlich und erwünscht an, für die anderen sind sie bedrohlich und gefährlich. Der Konfliktverlauf wird in interkulturellen Konflikten oft von beiden Parteien unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. (vgl. ebd.: 60)

Wenngleich hier der Schwerpunkt auf kulturelle Unterschiede gelegt wurde, sind diese nie die alleinigen Auslöser oder Einflussfaktoren für einen Konflikt und dessen Verlauf oder Erscheinungsform. Neben den personalen, situativen und strukturellen Einflussfaktoren, spielt die eigene Kultur in Konflikten mit Parteien unterschiedlicher kultureller Gruppen eine potentiell wichtige Rolle. Abschließend gilt es zu beachten, dass bei Konflikten, wie in allen anderen Lebenssituationen auch, das Individuum mitentscheidend für den Umgang mit ebensolchen ist.

3 Das Fußballspiel

„Der Gegensatz zu Spiel ist nicht Ernst, sondern - Wirklichkeit.“ (Freud, 1908: 214)

Bis auf wenige Ausnahmen ist der Fußball in allen Ländern der Welt die beliebteste Sportart. Dabei ist seine soziale Gewichtung von enormer Bedeutung. Wenn „die Welt zu Gast bei Freunden“[10] ist, und deshalb für einen Monat das innere Sicherheitskonzept und das Arbeitsrecht gelockert werden (vgl. Plessner et al., 2006: 59), wenn über 700 Millionen Menschen (vgl. Sport1, 2010) zur gleichen Zeit fiebernd vorm Fernseher sitzen und sich das WM-Finale ansehen, dann zeigt dies, dass Fußball manchmal mehr ist als nur eine schöne Nebensache. Nach der letzten statistischen Erhebung des Weltfußballverbands sind etwa 4% der Weltbevölkerung direkt in das Geschehen involviert, also 270 Millionen (vgl. FIFA, 2007). Alleine in Deutschland zählt der DFB als größter nationaler Sportverband 6,7 Millionen Mitglieder (vgl. DFB, 2010a). Somit ist der Fußballsport Teil der nationalen Kultur, vor allem dann, wenn wir davon ausgehen, dass die Kultur ein Produkt des Menschen selbst ist und aus der Wechselwirkung zwischen der Umwelt, den Erfahrungen, der Interaktion und einer menschengeschaffenen Bedeutung entsteht (vgl. Schugk, 2004: 31).

Durch die wachsende Professionalisierung des Sports verlässt dieser die Spielsphäre zunehmend. Huizinga (1956) spricht vom Menschen als Homo Ludens, also als einem spielenden Wesen. Dem Spiel liegt zugrunde, dass es zweckfrei und eigenständig ist, sich demzufolge von der Realität abhebt. Das moderne Sportspiel hat damit jedoch nur noch wenig gemein. Das in der Sportwelt vorherrschende Wettkampfskonzept sowie die Erfolgs- und Überbietungsorientierung haben den reinen Spaßfaktor und die damit einhergehende Lust am gelungenen Spiel verdrängt (vgl. Kolb, 2005: 27ff). Beobachten kann man diese Tatsache im modernen Sprachgebrauch, besonders dann, wenn die Leistungen bei Wettkämpfen beschrieben werden. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Kriegsmetaphorik in der Fußballsprache. Der Torwart wird als ‚Elfmeterkiller’ bezeichnet, der Stürmer gibt einen ‚Bombenschuss’ ab und das Spiel wird zur ‚Schlacht’. Ein Zweikampf wird zum ‚Duell’, der Gegner zum ‚Feind’ und der eigene Spieler zum ‚Helden’. (vgl. Stuckenberg, 2004: 68)

Durch die „Leere im Lebensgefühl“ (Vierkandt, 1997: 35) und der Routine des Alltags, kommt dem Sport eine immer bedeutendere gesellschaftliche Rolle zu. Der Fußball wird zur Projektionsfläche menschlicher Sehnsüchte und Hoffnungen. Ideale Wertvorstellungen sollen hier erfüllt werden (vgl. Vierkandt, 1997: 35f). Dies zeigt sich zum Beispiel, wenn Fußball-Profis nach langjähriger Vereinszugehörigkeit eben selben wechseln wollen, besonders wenn dies der Erzrivale ist. Man spricht vom geldgeilen Söldner[11], da die Hoffnung der treuen Identifikationsfigur nicht erfüllt wurde.[12] Dieses Phänomen charakterisierte Nick Hornby (1992) in seinem Bestseller „Fever Pitch“, der von den Leiden und Stimmungsschwankungen eines Fußballfans während der jahrzehntelangen Erfolglosigkeit seiner Mannschaft erzählt. Längst gibt es Fachzeitschriften, nicht nur über den Sport selbst, sondern auch über die Fußballkultur. Darüber hinaus bedient jedes Nachrichtenmedium das Informationsbedürfnis der Sportfans mit täglichen, teilweise nur bedingt relevanten Neuigkeiten und Gerüchten. Durch die Fußballweltmeisterschaft 2006 hat der Fußball in Deutschland eine soziale und gesellschaftliche Relevanz bekommen, die ihm ein Alleinstellungsmerkmal verleiht. In seiner integrativen Kraft werden politische und soziale Hoffnungen geweckt, er gilt als generationenübergreifend, überwindet soziale Barrieren und mobilisiert die Mitglieder verschiedenster Kulturen gleichermaßen. Zeitgleich wird uns vor Augen geführt, dass er mehr denn je, ein Medium der nationalen Identifikation ist. Somit befindet sich der moderne Sport in einem Spannungsfeld ambivalenter Emotionen: auf der einen Seite der Erfolgsgedanke und die Gewinnorientierung, auf der anderen Seite die Freude am gemeinschaftlichen Erlebnis, dem Spiel um etwas. (vgl. Huizinga, 1956: 20f)

Fußball ist heute mehr als nur eine Massensportart: Das Spiel transportiert politische Aussagen. Zum Beispiel haben das Baskenland und Katalonien vom Weltverband FIFA offiziell nichtanerkannte ‚Nationalmannschaften’ gegründet und bestreiten gelegentlich öffentlichkeitswirksame Testländerspiele, um ihre Unabhängigkeitsbestrebungen zu unterstreichen (vgl. Gaisberger, 2008). In Japan galt der Fußball lange Zeit als rebellischer Ausdruck der Außenseiter und Unangepassten, während in Brasilien Fußballnationalspieler vergöttert werden. In Südamerika, besonders jedoch in Afrika, werden mit dem Fußball soziale Aufstiegsmöglichkeiten verknüpft. Er ist ein „Aufstiegskanal“, oft die einzige berufliche Hoffnung (vgl. Göttlich, 2004). Warum Fußball die am meisten praktizierte Freizeitbeschäftigung ist, liegt sicherlich an der Einfachheit der Spielidee. Grundsätzlich benötigt man nur einen Ball und einen bespielbaren Untergrund. Die infrastrukturellen Voraussetzungen anderer Sportarten verhindern oft ihre Massentauglichkeit. Außerdem ist er ein Mannschaftssport, fördert somit das Kollektivdenken und wird mit Freunden ausgeübt. Den institutionellen Rahmen geben die festgelegten Normen und Regeln, die bis auf wenige Details, auf der ganzen Welt identisch sind und deren Grundverständnis im Bewusstsein der Spieler fest verankert ist.

„Die Straßen sind leer. Man könnte jetzt Fußball dort spielen.“ (Astel, 1984)

3.1 Spielregeln im Sport

Der Begriff Regel stammt vom lateinischen regere ab, was „gerade richten, lenken“ (Duden, 1997: 580) bedeutet. Das Herkunftswörterbuch spricht außerdem von „Richtlinie, Norm, Vorschrift“ (ebd.: 580). Regeln sind ein Teil des kollektiven Wissens. Sie haben eine gesellschaftliche Funktion und sind Grundlage für die Ordnung des menschlichen Zusammenlebens (vgl. Lexikon der Ethik im Sport, 1998: 430). Für Digel sind sie die „strukturierenden Merkmale des Sports“ (Digel, 1982, 39). Sie ermöglichen einen störungsfreien Wettkampf und geben diesem einen regulativen Rahmen zur Entfaltung. Skeptik gegenüber den Regeln schadet dem Spiel, welches nur durch sie seinen Zweck erfüllt (vgl. Huizinga, 1956: 20).

Man kann zwischen verschiedenen Regeltypisierungen differenzieren, welche alle im Sport vorkommen: konstitutive, regulative und moralische Regeln (vgl. Lexikon der Ethik im Sport, 1998: 431f). Die konstitutiven Regeln schaffen die Möglichkeit neuer Verhaltensformen. Erst durch sie wird die Wahrnehmung von Raum und Zeit während des Spiels neu geordnet. So wird aus einem Platz ein ‚Spielfeld’, aus einem Gestänge mit Netz ein ‚Tor’ und aus einem mit Farbe gekennzeichneten Rechteck ein ‚Strafraum’. Der Kontext in dem wir uns befinden, wird erst durch die Existenz eben dieser konstitutiven Regeln definiert (vgl. Martínez, 2002: 12f). Traditionell bestimmen im Fußball 17 Regeln die Welt auf dem Sportplatz (vgl. FIFA, 2010: 5). Sie werden ergänzt durch Anweisungen, Richtlinien und Ausführungs- bestimmungen. Die FIFA erlaubt ihren Mitgliedern wenige spezifische Anpassungen (vgl. ebd.: 3), ansonsten sind die Regeln auf der ganzen Welt identisch und anerkannt. Sie bleiben seit über 100 Jahren fast unangetastet. Änderungen wurden nur bei den regulativen Regeln durchgeführt. Sie „regeln bereits bestehende oder unabhängig von ihnen existierende Verhaltensformen“ (Lexikon der Ethik im Sport, 1998: 432). Während konstitutive Regeln den Rahmen bilden, geben die regulativen Verhaltensanweisungen. Durch ihre oftmals imperative Form - „mach den Einwurf mit beiden Händen“ - sind sie auch Grundlage des Bewertungsmaßstabs im Sport.

Seit der ersten Publikation 1904, wurde das offizielle Fußballregelwerk immer wieder leicht verändert und angepasst. Für den Spielverlauf können diese Änderungen jedoch von großer Bedeutung sein. Als Beispiel kann hier das Spiel des Torwarts mit dem Ball angeführt werden. Durch Zeitlimits und der neuen Rückpassregelung entfiel eine taktische Komponente der verteidigenden Mannschaft und der Ball muss infolgedessen schneller nach vorne gespielt werden, was zur Attraktivität des Spiels beiträgt. Kennzeichnend für den Fußball ist sicherlich, dass nur ein begrenztes Verständnis der Regeln ausreicht um den Sport ausüben zu können. Das Verständnis der Komplexität der Abseitsregel, mit aktivem und passivem Abseits, ist nicht entscheidend um Spaß am Spiel zu haben. Hier kommt der Schiedsrichter ins Spiel, welcher auf die Einhaltung der Regeln achtet (vgl. Martínez, 2002: 12ff).

Der Geist des Spiels entsteht jedoch erst durch Normen und moralische Regeln. Obwohl sie nicht offiziell festgelegt oder dokumentiert sind, werden sie als selbstverständlich akzeptiert. Sie basieren auf ethisch-moralischen Grundsätzen und stellen eine auf „Gegenseitigkeit beruhende soziale Vereinbarung“ (Lexikon der Ethik im Sport, 1998: 434) dar. Interessanterweise wird die Übertretung dieser ungeschriebenen Gesetze oft als schwerwiegender empfunden als ein Fehlverhalten im Rahmen des bestehenden Regelwerks. So ging im Jahr 2010 ein 54:1-Sieg in einem Spiel in der Kölner Kreisklasse als Skandalspiel in die Geschichte ein. Nach einem Pausenstand von 13:0, wurden die weiteren 42 Tore in 45 Spielminuten erzielt. Wenngleich die unterlegene Mannschaft nicht gegen die Spielregeln im eigentlichen Sinne verstoßen hatte - extreme Passivität ist kein fehlbares Verhalten - so agierte sie doch nicht im Sinne des Spiels. Im Fußballmilieu wird von beiden Mannschaften ein aktives Spiel und bei Unterlegenheit zumindest Gegenwehr erwartet. Der Verdacht der Absprache mit anderen Vereinen kam auf und bestätigte sich. Schlussendlich wurden alle elf Spieler wegen grob unsportlichen Verhaltens mit einjährigem Spielverbot und der Verein zu Punktabzug, Rückstufung und Geldstrafen verurteilt (vgl. Moeck, 2008). Dieses Beispiel zeigt, wie sensibel die Einhaltung der Normen im Fußball ist. Da diese moralischen Regeln jedoch stillschweigende Vereinbarungen sind, welche von den Beteiligten dennoch als verbindlich und vorausgesetzt wahrgenommen werden, drängt sich die Frage auf, ob sie auch universell identisch und anwendbar sind. Folglich könnte hier schon ein mögliches interkulturelles Konfliktpotenzial bestehen. Notwendigerweise erfordert die Verifikation dieser Vermutung die nähere Betrachtung der Begriffe Fairplay und Fairness.

3.2 Fairness und Fairplay

„Serious sport has nothing to do with fair play. It is bound up with hatred, jealousy, boastfulness, disregard of all rules and sadistic pleasure in witnessing violence.”[13] (Orwell, 1945)

„Fair ist mehr“ (DFB, 2011a), lautet eine aktuelle Kampagne des DFB zu mehr Fairplay[14] im Fußball. Gleichzeitig hört man auf Sportplätzen oft Aussagen wie „nice guys finish last“, „lieber unfair gewinnen, als fair verlieren“, sowie die Aufforderung zum brutalen Foulspiel, welche sich in dem Ausdruck ‚Blutgrätsche’ gipfelt. Zum guten Ton gehört außerdem die Erkenntnis, dass das Spiel „hart aber fair“ war.

Fairness und Fairplay gehören zur Alltagssprache des Fußballs und wurden unübersetzt in die deutsche, sowie in alle weiteren Sprachen übernommen. Während Fairplay, also „faires Spiel“ (Wahrig, 2007: 300), nur im Sportkontext verwendet wird und inzwischen sogar die bloße Spielhandlung verlässt, siehe hierzu Financial Fairplay[15], findet der Begriff Fairness, im Sinne von „Ehrlichkeit, Anständigkeit“ (ebd.: 300) seinen Gebrauch auch in weiteren Lebensbereichen. Beide Begriffe werden öfters gemeinsam verwendet, was auch nicht grundsätzlich verwerflich ist, da sie auf lange Sicht das gleiche Ziel haben, wobei Fairness eher eine Grundeinstellung ist und sich das Fairplay meistens auf Spielsituationen und Geschehnisse auf dem Platz bezieht. Der Wortstamm, also ‚fair’, kann sehr vieldeutig übersetzt werden. Hieraus resultiert die Schwierigkeit einer genauen Definition aller damit verbundenen Begriffe. Das Wort ‚fair’ wird mit ‚unparteilich’, ‚gerecht’, ‚höflich’, ‚gewaltlos’, ‚edel’, ‚zivilisiert’ oder ‚mit gleichen Chancen’ umschrieben (vgl. Lenk/Pilz, 1989: 23); die Liste könnte um weitere Beispiele ergänzt werden. Die Idee der Fairness als Fairplay, gilt als eines der höchsten moralischen Werte des Sports. Bis heute gipfelt sie im olympischen Gedanken „dabei sein ist alles“, hat ihren Grundgedanken jedoch eigentlich aus dem Gentleman-Kodex des 19. Jahrhunderts in Großbritannien. Bei Wettkämpfen zwischen den Privatschulen der privilegierten Gesellschaft stand der Genuss des schönen Spiels im Vordergrund. Aus dieser Zeit stammt auch die Idee der Punktvorgaben für schwächere Gegner, welche heute noch im Handball zu finden ist.[16]

Wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, steht heute sowohl bei den Profis, als auch bei den Amateuren der Wettkampf im Vordergrund. Dabei gilt durch die klassische Sieg- Niederlage-Kodierung mit der dazugehörigen Erfolgsorientierung sowie der parallel verlaufenden Wertevermittlung - z.B. Toleranz und Fairness -, der Sport als Prototyp für widersprüchliche Erwartungen. Das Verständnis von Fairness hat sich mit der zunehmenden Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports gewandelt. Der Erfolg kommt zuerst und heiligt bekanntlich die Mittel. Lenk und Pilz (1989) sehen auch ein Problem in der medialen Berichterstattung: Durch sie greifen Phänomene wie das ‚taktische Foul’, ‚die Notbremse’ und das ‚notwendige Foul’ auch auf den Freizeitsport über. Besonders hinterlistige Aktionen wie ‚Schwalben’ werden zunehmend als ‚Schlitzohrigkeit’ oder ‚Kavaliersdelikt’ abgetan. Aus jedem Spiel scheint Ernst zu werden. Im Sinne des sportlichen Erfolgs werden Regelverletzungen immer häufiger als gerechtfertigt empfunden. „Fairness wird heute eingeschränkt auf die Absicht ernsthafte Verletzungen zu vermeiden“ (Lenk/Pilz, 1989: 62f).

Pilz beklagt seit geraumer Zeit die Fehlentwicklungen im Sport und die Verrohung der Sitten auf dem Fußballplatz. Er ist Initiator zahlreicher Fairplay-Projekte und Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Für Toleranz und Anerkennung, gegen Rassismus und Diskriminierung" des DFB. Aufsehen erregte seine Studie (1989: 105ff) über das Fairplay-Verständnis von jugendlichen Fußballern. Er kam zum Ergebnis, dass die Prioritäten immer klar geregelt sind: „Fairplay wird zur Frage, ob es mir die Spielsituation erlaubt, ob ich es mir leisten kann ‚fair’ zu spielen, oder ob der Schiedsrichter es zulässt“ (ebd.: 63). Faires Spiel verkommt hier zum Luxus. Paul Breitner[17] stellte bereits 1980 klar: „Ich kann keine Rücksicht auf Fairplay- Bemühungen nehmen. Da zeigt sich sicherlich eine gewisse Unsportlichkeit aber eben auch Cleverness“ (Breitner, 1980). In einer weiteren Studie wurde der Einfluss externer Faktoren, wie dem Trainer, den Zuschauern, dem Schiedsrichter auf Normkonflikte im Jugendfußball untersucht. Auffällig ist, dass die Präsenz der Eltern, den Druck gewinnen zu müssen, enorm steigert. In diesem Fall steigt die Wertigkeit von Fouls an und man spricht von ‚Einsatz’ und ‚gesunder Härte’. Situative Faktoren wie der Abstiegskampf steigern ebenfalls die Toleranz von unfairen Aktionen. Der Trainer spielt hierbei insbesondere im Jugendfußball eine herausragende Rolle (vgl. Hoffmann, 2007: 100ff). Sowohl aus der Studie von Hoffmann, als auch von Pilz ging hervor, dass der Fairplay-Gedanke in den Hintergrund gerät, wenn die Trainer harte Aktionen fordern und die Spieler dazu anstacheln, alles für den Erfolg zu geben. Pilz zitiert einen C-Jugend-Auswahltrainer mit den Worten: „Fairplay wird viel zu hoch gehängt. Ich werde dafür bezahlt, erfolgreich zu sein und da kann ich keine Rücksichten auf Fairplay-Bemühungen nehmen“ (Westerhoff, 2008).

Lenk und Pilz (1989, 37f) unterscheiden außerdem zwischen formellem und informellem Fairplay als sogenannten Muss- und Sollregeln. Die in Kapitel 3.1 beschriebenen regulativen und konstitutiven Regeln, bilden demnach das formelle und die moralischen Regeln das informelle Fairplay. Zwar ist das Einhalten der Fußball-Regeln nur ein Teil des Fairplay- Gedankens, jedoch wird nur das Nicht-Einhalten ebendieser Regeln unmittelbar durch Sanktionen bestraft. Somit ist das Befolgen des informellen Fairplay freiwillig. Es ist nicht erzwingbar und ihm zugrunde liegen keine niedergeschriebenen Regeln, sondern es drückt sich in einer sozial-menschenwürdigen Haltung aus. Mit dem Paradoxon des ‚fairen’ oder ‚humanen’ Fouls, also einer illegalen Aktion bei der jedoch kein Gegner verletzt wird, zeigt sich am besten das moderne Verständnis der Fairness als formelles Einhalten der Regeln. Lenk und Pilz sprechen von einer technokratischen Moral, bei der sportlicher Erfolg nur rational bewertet wird (vgl. Lenk/Pilz, 1989: 52).

Der DFB wirbt gerne mit Fairplay-Preisen und -Wettbewerben. Im Jugendfußball gibt es jeweils einen separaten Fairplay-Bericht, den beide Trainer sowie der Schiedsrichter ausfüllen müssen. Ferner gibt es die Möglichkeit durch einen Separatbericht besonders auffälliges faires Verhalten zu signalisieren. Pilz weist jedoch darauf hin, dass hier etwas hervorgehoben wird, was im Sport eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, nämlich der gegenseitige Respekt (vgl. DFB, 2010c). Des Weiteren wird im Internet neben der Punkte- eine Fairplay-Tabelle publiziert, welche jedoch nur gelbe, gelb-rote und rote Karten sowie Spielabbrüche auflistet und durch ein Punktesystem klassiert. Somit basiert diese Wertung auf Verletzungen des formellen Regelwerks. Informelles Fairplay zeichnet sich allerdings dadurch aus, dass es schwer gemessen werden kann, da es sich erstens größtenteils in der inneren Gesinnung eines jeden Beteiligten abspielt und zweitens in den Spielregeln nicht vorgesehen ist, es infolgedessen nicht an formale Bedingungen geknüpft ist. Folgendes Beispiel aus der Bundesliga in diesem Jahr veranschaulicht ausdrücklich die „züngige Doppelmoral“ (Lenk/Pilz, 1989: 99) des Fairplay-Verständnisses im Fußball: Nachdem der Schiedsrichter in der 88. Minute bereits auf Ecke entschieden hatte, lief der Spieler Asamoah zu ihm und gestand, dass er als Letzter den Ball berührt hatte. Der Schiedsrichter fragte noch einmal beim Spieler nach und entschied dann auf Abstoß. Durch den folgenden Angriff gelang der gegnerischen Mannschaft das einzige Tor des Tages. Während der Spieler von der Presse und den neutralen Verantwortlichen für sein Verhalten gefeiert wurde und zu Protokoll gab: „Man kann nicht nur von Fairplay reden, man muss auch was machen" (Schröder, 2011), wollte sich sein Trainer nicht äußern (vgl. ebd.). Hier wird deutlich, dass wenngleich Fairplay ein hohes Gut der Moral im Sport ist, das Credo jedoch lautet, lieber unfair zu gewinnen als fair zu verlieren.

Insbesondere das informelle Fairplay ist für die vorliegende Arbeit interessant, da es an moralische und ethische Wertvorstellungen gebunden ist. Der DFB äußert sich in einer Broschüre hierzu wie folgt:

„Fairness bedeutet nicht nur den Erfolg als Maßstab des eigenen Verhaltens zu sehen, sondern auch, auf einen - durchaus regelkonformen - Vorteil zu verzichten und dabei sogar einen Nachteil in Kauf zunehmen. Fair spielen heißt, sich auch dann sportlich korrekt zu verhalten, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Fairness beinhaltet Chancengleichheit, Achtung vor der Person und der Gesundheit des Spielpartners.“ (DFB, 2011b) Für diese erwünschte Rückbesinnung auf die Ideologie Pierre de Coubertins - Fairplay als das höchste Gut im Sport, Sportler handeln nach dem Geist der Regeln und nicht nach deren Buchstaben - müsste sich allerdings jeder einzelne Beteiligte in Frage stellen (vgl. Lenk/Pilz, 1998: 9). Fairness ist ein sehr fragiles Gerüst, das nur durch eine gemeinsame menschliche Haltung stabilisiert werden kann.

Als Zeichen des sportlich fairen Spiels im Amateurfußball gilt der nach dem Schlusspfiff durchgeführte Sportgruß. Er kann als deutsche Tradition angesehen werden und wird nicht durch die Regeln abgedeckt, sondern ist eine Durchführungsbestimmung jedes einzelnen Verbandes. Hierbei gibt es Unterschiede in der Handhabung und einzelne Verbände verzichten darauf. In Niedersachsen regt §8 der Schiedsrichterordnung an: „Nach dem Spiel verkündet der Schiedsrichter den Mannschaften in der Spielfeldmitte das Spielergebnis. Dann soll er sie zum Sportgruß auffordern“ (NFV, 2009: 6). Wie dieser auszusehen hat, ist jedem Schiedsrichter selbst überlassen. In der Praxis bittet er meistens den Kapitän der Heimmannschaft den Sportgruß auszuführen, welcher dann lautet: „Wir bedanken uns beim Gegner und bei dem Schiedsrichter für das faire Spiel mit einem (alle Spieler rufen zusammen) Gut Sport!“ Kürzlich schlug ein Bundesligatrainer vor, auch im Profibereich wieder eine Art Sportgruß einzuführen: Gemeinsames Aufstellen und Händeschütteln nach Spielende könnte als Geste des Fairplay fungieren. (vgl. DFB, 2010c).

3.3 Ethnische und multiethnische Fußballvereine

Die deutsche Vereinslandschaft im Fußball ist sehr vielfältig. Neben den meist traditionsreichen Vereinen der Stadt oder des Dorfes, gibt es außerdem den organisierten Freizeitsport. Mit den ersten Gastarbeitern aus Italien, Griechenland, der Türkei und Spanien in den fünfziger und sechziger Jahren, fanden auch die ersten Sportler mit einem anderen kulturellen Hintergrund den Weg in die Vereine. Der Fußball entwickelte sich rasch auch unter ihnen zur beliebtesten Freizeitaktivität. Diese neue kulturelle Vielfalt erforderte von beiden Seiten eine gewisse Aufgeschlossenheit, damit es zu einem Mit- und nicht zu einem Gegeneinander auf dem Platz kommt. Eine Besonderheit stellen hierbei die ethnischen Vereine dar. Dieser wissenschaftliche Begriff - im Alltag und auch im empirischen Teil dieser Arbeit wird eher von ‚Migrantenvereinen’ gesprochen - geht auf Thomas Schwarz zurück, der die Bildung monoethnischer Vereine in Berlin in den achtziger Jahren, als sich abzeichnende ethnische Koloniebildung verstand (vgl. Tödt/Vosgerau, 2007: 116). Diese bestehen mehrheitlich oder gänzlich aus ausländischen Mitbürgern, dabei bilden monoethnische Vereine, also solche deren Mitglieder ohne Ausnahme aus einem einzigen Kulturkreis kommen, die Ausnahme. Selbstverständlich können monoethnische Mannschaften auch ausschließlich aus deutschen Spielern bestehen.

In Deutschland ist der Begriff der ethnischen Vereine eng mit der türkischstämmigen Bevölkerung verbunden. Die ersten Mannschaften entstanden bereits in den siebziger Jahren und gingen oft aus Freizeitmannschaften hervor. Für die jungen Migranten bildeten sie oft eine Art Heimat in der Ferne. Kennzeichnend für diese Vereine ist bis heute der Verweis auf ihre Ethnizität in der Namensgebung, so z.B. bei Türk Gücü Hildesheim, Türkiyemspor Berlin oder Mozaik Spor Hannover. Ein weiteres Merkmal ist ihre enge Verbindung zur ethnischen Gemeinschaft oder Community. Die Vereine sind meistens sehr breit aufgestellt, also haben nicht nur eine Fußballabteilung, sondern sind sogenannte Mehrsportvereine und spielen eine wichtige Rolle im sozialen Leben dieser Menschen. Außerdem haben sie oft einen verhältnismäßig hohen Zuschauerschnitt in ihren Spielklassen. Die Betonung auf ihre Herkunft sagt mittlerweile jedoch wenig über die Zusammenstellung der Mannschaften aus - Bei Türkiyemspor Berlin spielen Fußballer aus 25 Ländern.

Der DFB ließ diese Vereine zwar rasch am regulären Spielbetrieb teilnehmen, jedoch haben viele von ihnen organisatorische und infrastrukturelle Probleme. Nur wenige verfügen über eigene Sportanlagen. Aus einer Statistik des Verbandes ging hervor, dass 60 Prozent der ethnischen Vereine existentielle Schwierigkeiten haben (vgl. DFBb). Durch die sogenannte ‚Lex Türkiyem’ des DFB wurde der rechtliche Begriff des ‚Fußballdeutschen’[18] eingeführt. Diese Regelung hätte es theoretisch einem ethnischen Verein erlaubt im deutschen Profifußball zu spielen, in dem sie aufgrund der dort geltenden Ausländerregelung sonst nicht hätten antreten können (vgl. Türkiyemspor, 2011). Auch wenn der Begriff des ‚multiethnischen Vereins’ nicht wissenschaftlich fundiert ist, und eine Definition schwierig ist, so sollte doch festgehalten werden, dass sich diese anfangs monoethnischen Vereine mittlerweile für Menschen anderer Kulturen weitestgehend geöffnet haben. Dies gilt sowohl für deutsche, als auch für türkische oder russische Mannschaften.

‚Migrantenvereine’ werden oft von der Presse in Zusammenhang mit Spielabbrüchen Gewalteskalationen und Rassismus erwähnt. Sie stehen regelmäßig in der öffentlichen Kritik, da ihnen Abgrenzungstendenzen vorgeworfen werden. Leider gibt es keine eindeutigen statistischen Daten zu ihrer Anzahl in Deutschland. Der DFB schätzt die Gruppe der Mitglieder mit Migrationshintergrund auf 1,3 Millionen, was knapp einem Fünftel der Gesamtzahl entsprechen würde. Auf jeden Fall ist dieses Thema für die vorliegende Untersuchung von großer Relevanz, da diese Vereine durch ihre Zusammenstellung einen Grund für mögliche Konfliktpotenziale bilden und sie auch durch ihre mediale Präsenz zu einem gesellschaftlichen Thema geworden sind. Im nationalen Integrationsplan, welcher im nächsten Kapitel behandelt wird, werden die monoethnischen oder wie dort beschrieben, eigenethnischen Vereine ausdrücklich dazu aufgefordert, sich „entsprechend dem deutschen Vereinsrecht für alle Bevölkerungsgruppen [zu] öffnen“ (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2007: 141).

3.4 Integrationspotenzial im Fußball

Obwohl ‚Integration im Fußball’ nicht explizit Teil des Arbeitsthemas ist, sollte doch kurz hierauf eingegangen werden, zumal sie in Bezug auf die Gewaltproblematik im Fußball - vor allem in den letzten Jahren - eine immer dominantere Rolle eingenommen hat.

Insbesondere im Kontext der monoethnischen Vereine fallen regelmäßig zwei kontroverse Schlüsselwörter: Integration und Abgrenzung. Abgeleitet vom lateinischen integrare - eingliedern, zu einem Ganzen zusammenfügen - bezeichnet Integration den „Zusammenhalt von Teilen in einem systemischen Ganzen und die dadurch erzeugte Abgrenzung von einer unstrukturierten Umgebung“ (Esser, 2002: 261). Die von Esser definierten vier Dimensionen sozialer Integration, welche alle erforderlich und voneinander abhängig sind, können wie folgt auf unseren Bezugsrahmen übertragen werden:

- Kulturation: Lernen der deutschen Sprache, Kennenlernen der moralischen Normen und Regeln.
- Platzierung: Erhalt der Lizenz, Aufnahme in einen Verein, Übernahme eines Amtes.
- Interaktion: Aufnahme sozialer Beziehungen während des Trainings, Orientierung anhand der Erfahrungen im Spiel.
- Identifikation: Zusammenhalt der Mannschaft, Wir-Gefühl, emotionale Zuwendung zum Verein. (vgl. Esser, 2002: 272ff; ergänzt durch eigene Beispiele)

Integration vollzieht sich in einem andauernden Prozess, ist also ein dynamischer Vorgang, der nie abgeschlossen ist, welcher jedoch vor allem dazu dient, Abgrenzung zu vermeiden. Hiermit ist die Bildung eigenständiger Sub-Systeme - die bewusste Abschottung von Teilen der Gesellschaft - oder die beabsichtigte Segregation - demnach räumliche Trennung - gemeint. Abgrenzung muss jedoch nicht de facto sichtbar sein. Tendenzen zur Desintegration können nicht nur auf sozialer, kultureller oder räumlicher, sondern auch auf emotionaler Ebene stattfinden.

Im Fußballmilieu wird das Phänomen der ethnischen Selbstorganisation schnell mit dem Prozess einer drohenden Re-Ethnisierung gleichgesetzt. Die Aussage „monoethnische Vereine führen zur Isolierung“ (DFB, 2009), verdeutlicht diese Angst. Hierbei wird jedoch vernachlässigt, welche Anreize diese Vereine für Fußballer mit Migrationshintergrund haben und, ob hiermit wirklich eine bewusste Segregation gewählt wird, denn diese Annahme ist in der Wissenschaft äußerst umstritten. Sowieso erscheint eine totale Abgrenzung im Fußball unmöglich, da diese Vereine auch in den deutschen Spielbetrieb integriert sind und somit zwangsläufig der Kontakt zur ‚Aufnahmegesellschaft’ hergestellt wird. Klein (2001) macht vor allem emotionale Anreize für die Attraktivität dieser Mannschaften aus:

„Den ausländischen Fußballvereinen gelingt es offenbar, ihren Mitgliedern ein soziales Klima zu bieten, das dem Einzelnen emotionale Anerkennung und Bestätigung verschafft und binnenintegrative Wirkungen durch Stärkung der kollektiven Identität entfaltet. Den Angehörigen ausländischer Fußballmannschaften und -vereinen von vornherein fehlende Integrationsbereitschaft zu unterstellen, verkennt den hohen Assimilationsdruck und die sozialen Selektionsmechanismen in deutschen Vereinen. Freizeitaktivitäten unter den entlasteten Bedingungen eines vertrauten Milieus [...] durchführen zu können, erscheinen offensichtlich attraktiver.“ (Klein, 2001: 33)

Für eine gelungene Integration werden sowohl von den Migranten, als auch von der Aufnahmegesellschaft Offenheit und Interaktionsbereitschaft verlangt. Am Beispiel von Türkiyemspor Berlin wurde bereits aufgezeigt, dass ethnische Vereine teilweise sehr offensiv um Spieler anderer Nationalitäten werben. Schon vor über zehn Jahren bemerkte Kothy (1999: 94) die Bereitschaft zur Aufnahme deutscher Spieler auf Seiten der ‚Migrantenvereine’, welche jedoch nur bedingt angenommen wurde. Man darf jedoch nicht vergessen, dass besonders im Amateurbereich, Mannschaften nach räumlichen Gegebenheiten entstehen. Diese geben oft die urbane ethnische Segregation wieder. Wie oben erwähnt, findet man mit zunehmender Ligenhöhe nur noch vereinzelte ethnische Vereine. Sie sind demnach ein Phänomen der unteren Amateurligen. Des Weiteren entstehen sie nur selten auf dem Land, sondern vorwiegend in Ballungszentren. Demzufolge stehen Segregationstendenzen und Leistungsniveau in wechselseitiger Beziehung zueinander.

In diesem Zusammenhang soll kurz auf die Mannheimer Fußballstudie von Frank Kalter (2003) eingegangen werden, in welcher umfassend die Situation der Migranten im Fußballalltag analysiert wurde. Eine zentrale Theorie hierbei ist, dass explizite Segregationstendenzen im Sportalltag vorhanden sind, die Motive jedoch sehr unterschiedlich sind und nur begrenzt Rückschlüsse auf die Zugehörigkeitswahl zu einem ethnischen oder multiethnischen Verein ermöglichen. Neben der emotionalen Zuneigung kommen oft die persönlichen sportlichen Ziele und die Mobilitätskomponente hinzu. Außerdem wurde festgestellt, dass im Jugendbereich die Segregation deutlich geringer ist, die Anfangsbedingungen jedoch unterschiedlich sind. So würden soziales - z.B. der Trainer ist Bekannter der Familie - oder kulturelles Kapital - z.B. Sprachprobleme - deutschen Spielern grundsätzlich bessere Startbedingungen verschaffen. Außerdem gibt es enorme Defizite in der Jugendarbeit ethnischer Vereine, vor allem was die Qualifizierung der Trainer betrifft. Nichtsdestotrotz schaffen sehr viele ausländische Spieler den Sprung in höhere Ligen. Laut der Studie ist dies mit einer höheren Motivation (z.B. der Suche nach Anerkennung), sportlichem Ehrgeiz (z.B. Körperkult) sowie einer besseren Veranlagung, respektive Talent zu erklären (vgl. Kalter, 2003: 226ff). Kalter schlussfolgert, dass Mannschaftszusammenstellungen aufgrund ethnischer Präferenzen für die Leistungsfähigkeit kontraproduktiv sind. Dies belegt, warum monoethnische Vereine nur in den unteren Ligen anzutreffen sind.

"Der Fußball ist wie geschaffen für Integration: Egal wo man herkommt, welche Sprache man spricht oder welcher Religion man angehört - auf dem Platz ziehen alle an einem Strang und wollen gewinnen“ (DFBc), behauptete Oliver Bierhoff[19] anlässlich der Verleihung des DFB- Integrationspreises. An keine andere Sportart sind in punkto Integration derartig hohe Erwartungen gerichtet, wie an den Fußball. Als ‚Integrationsmotor’ soll er eine Begegnungsstätte für Angehörige verschiedener Kulturen sein. Nichts sei für eine schnelle kulturelle Assimilierung - hiermit gemeint ist die Übernahme von Sprache, Bräuchen und Sitten - so gut geeignet wie der sportliche Wettkampf. Der aktuelle DFB-Präsident, Dr. Theo Zwanziger, sieht in der Integrationsproblematik eine der Hauptaufgaben seiner Amtszeit.[20] Der jährlich ausgelobte Integrationspreis, der an Schulen, Vereine und Projekte vergeben wird, die mit Hilfe des Fußballs zum gemeinschaftlichen Zusammenleben beitragen, ist der in Deutschland höchstdotierte Sozialpreis. Die Nationalspieler Serdar Tasci und Cacau wurden medienwirksam zu Integrationsbotschaftern ernannt. Zudem wurde 2006 die türkisch- stämmige CDU-Politikerin Gül Keskinler zur DFB-Integrationsbeauftragten berufen. Was folgte, sind unzählige Informationsbroschüren und Hochglanzprospekte wie „Integration von A-Z“, oder „Integration fängt bei mir an“. In Zusammenarbeit mit der Bundesregierung wird die Aktionswoche „Mitspielen kickt“ veranstaltet und auf dem Internetauftritt steht zahlreiches Info- und Videomaterial zum Download bereit.[21] Bleibt jedoch fraglich, wie viel von alledem tatsächlich bei denen ankommt für die es bestimmt ist. „Von oben herab kann man keine Integration leisten“ (Fritsch, 2011), lautet eine gern geäußerte Kritik, wenn von der „Ankündigungs- und Feigenblattpolitik“ (ebd.) und den „Kopfgeburten“ die Rede ist (ebd.).

Bei der Erarbeitung solcher Konzepte spielen auch die Integrationsvorstellungen der Trägerorganisation eine zentrale Rolle. Hier könnte ein mögliches Kernproblem liegen. Soeffner und Zifonun kritisieren unter anderem die paternalistische Duldung der ethnischen Vereine sowie die Überzeugung der Verantwortlichen, dass „die individuelle Assimilation[22] in Regelvereine der Königsweg der Integration“ (Soeffner/Zifonun, 2008: 157) sei. Des Weiteren erwarte man bei interethnischen Aufeinandertreffen ein unverhältnismäßig hohes Harmoniebestreben. Soeffner/Zifonun sehen ferner ein Problem darin, dass Integrationsinitiativen oft nur punktuell und zeitlich begrenzt sowie nach den Vorstellungen der Organisation durchgeführt werden. Die lokalen und situativen Integrationsbedürfnisse der Vereine oder Schulen werden vernachlässigt und nicht mit einbezogen. Die beiden Soziologen sehen das meiste Potenzial im Vereins- und Schulsport. Sie reden von ‚stillschweigender Integrationsarbeit’ bei Lehrern, Trainern und Betreuern, die ohne explizit gekennzeichnete integrative Maßnahmen, durch ihre langjährige Erfahrung eine interkulturelle Kompetenz entwickelt haben, die es ihnen ermöglicht wertvolle Arbeit in multi- ethnischen Gruppen zu leisten (vgl. 2008: 158). Der Vorteil liegt darin, dass hier nicht mit dem Zeigefinger auf das Zauberwort ‚Integration’ hingewiesen werden muss. Die gewohnte, natürliche Umgebung und die Anwesenheit einer vertrauten Autoritätsperson nehmen den Beteiligten die ‚Angst vor Kontrolle’ und versetzen die Integrationsthematik in einen lockereren Rahmen. Deswegen werden die Maßnahmen zur Förderung der Integration in ihrer Selbstverständlichkeit kaum wahrgenommen (vgl. 2008: 158f).

Im Juli 2008 präsentierte der DFB sein eigenes Integrationskonzept (DFB, 2008), welches sich in seinen Kernaussagen vom bereits erwähnten ‚Nationalen Integrationsplan’ erheblich distanziert. Der nationale Fußballverband bekennt sich zu einem „Integrationsverständnis auf der Basis kultureller Vielfalt bei Anerkennung der Verfassung und der Gesetze des Aufnahmelandes“ (DFB, 2008: 3). Der DFB nimmt deutlich Abstand von der Sichtweise, dass Integration ein Assimilierungsprozess ist, der im Kern „in der zumindest weitgehenden oder sogar gänzlichen Übernahme der Kultur, der Lebensformen und Lebensweise der Aufnahmegesellschaft besteht“ (ebd.:3). Diese ‚neue’ Philosophie zeigt sich ebenfalls bei den Preisträgern des Integrationspreises der letzten Jahre. Unter anderem wurde die ‚Türkische Jugend Dormagen’ ausgezeichnet, die sich von einem ethnischen zu einem multi- ethnischen Verein entwickelt hat. Der bereits öfters erwähnte Verein Türkiyemspor Berlin war 2007 einer der ersten Preisträger und gilt seitdem als Vorbild für Integrationsarbeit, welche von den Mitgliedern selbst ausgeht. Er steht sinnbildlich für die gewünschte Balance zwischen geförderten Integrationsmaßnahmen und eigenen Integrationspotenzialen.[23]

Aus aktuellem Anlass, nämlich der Frauenweltmeisterschaft im eigenen Land, soll noch ein Projekt vorgestellt werden, welches seinen Fokus auf den Mädchen- und Frauenfußball legt. „Fußball ohne Abseits - Soziale Integration von Mädchen durch Fußball“[24] ist ein Forschungsprojekt der Universität Osnabrück, bei welchem Mädchenfußball-AGs an Grundschulen in sozialen Brennpunkten gegründet werden. Ältere Schülerinnen, oft selbst mit Migrationshintergrund, werden zu Assistentinnen ausgebildet und leiten dann den Unterricht anderer Mädchen. Neben der integrativen, wird hier die emanzipatorische Kraft des Mädchenfußballs gefördert - z.B. in muslimischen Familien. Dieses Projekt gilt als Paradebeispiel für gelungene Integrationsbemühungen. Infolgedessen wurde 2010 an der Uni Oldenburg ein Institut für Integration eingerichtet. Bei der Gründung von neuen Mädchenmannschaften werden inzwischen bewusst ethnische Vereine angesprochen. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass ein gewisses Umdenken in der Integrationspolitik des DFB stattgefunden hat. (vgl. DFB, 2010e)

Der Fußball hat sicherlich große integrative Potenziale, jedoch bestehen auch Risiken. Es wurde aufgezeigt, dass ethnische Vereine nicht automatisch Segregation oder Abgrenzung bedeuten, sondern im Gegenteil eine mögliche ‚Brücke’ zur erfolgreichen Integration sein können. Beim Sport liegt ein großer Vorteil in dem Miteinander durch soziale Aktivität, insbesondere durch gemeinschaftliche Trainingsaktivitäten und Spiele. Das nächste Kapitel veranschaulicht die Abgrenzung und Differenzierung durch Sprache. Ein italienischer Vater erläutert dieses Phänomen in einem Gespräch mit einem türkischen Jugendlichen wie folgt: „Erst dann, wenn ich dich sehe und sage, das ist ein Sportskamerad und nicht Türke, Italiener usw., werden wir weniger Konflikte haben (Pilz, 2002: 21f).“

3.5 Stereotype im Fußballmilieu

Interkulturelle Kontakte sind im Fußball auf allen Ebenen unvermeidlich. Sowohl der professionelle als auch der amateurbetriebene Sport lebt von der aktiven Beteiligung der Migranten.

Die im Sport klassische Sieg-Niederlage-Konstellation setzt die Ungleichheit zweier Parteien voraus. Im Fußball wird allerdings nicht nur nach sportlicher Leistung hierarchisiert, in ihm kreuzen sich auch unterschiedliche moralische, ethnische, rechtliche und materielle Ordnungen. Beim Aufeinandertreffen verschiedener ethnischer Gruppen im Klassifizierungsprozess der Fußballleistungsgesellschaft, „gesellen sich zum sportlichen Wettstreit kommunikative Zuschreibungskämpfe, die das Handeln auf und neben dem Platz in ethnischen Kategorien interpretieren und eine Ordnung symbolischer Ungleichheit etablieren“ (Zifonun, 2008: 163).

Dies führt dazu, dass selbst wenn alle Beteiligten die gleiche Beschäftigung ausführen, nämlich Fußballspielen im Rahmen der Regeln, es doch zu Selbst- und Fremdverortungen kommt. Ein typisches Beispiel ist sicherlich der Begriff der ‚deutschen Tugenden’. Seit dem ‚Wunder von Bern’ 1954, als die spielerisch unterlegene deutsche Mannschaft die Ballkünstler um Ferenc Puskás aus Ungarn in die Knie zwang, steht dieser Ausdruck sinnbildlich für die deutsche Art Fußball zu spielen. Sie verkörpert „Kampf, Kondition, nimmermüde Einsatzbereitschaft, Durchsetzungsvermögen und Siegeswille“ (DFBa). Besonders Sportkommentatoren und selbsternannte Experten werden - umso mehr bei negativem Spielverlauf für die eigene Mannschaft - nicht müde zu betonen, dass eine Rückbesinnung auf die ‚traditionellen deutschen Tugenden’ von Nöten sei. In diesem Zusammenhang kann auch die durch die hiesige Presse initiierte Selbsternennung zum ‚Weltmeister der Herzen’ 2006 gesehen werden, als man mit begeisterndem Offensiv- Fußball sich selbst genauso überraschte wie die ganze Fußballwelt. Passenderweise wurde das Selbstbild dementsprechend modifiziert und das Zeitalter der „neuen deutschen Tugenden“ (Netzer, 2008) deklariert. Das Assoziieren bestimmter Spielstile mit Nationalkulturen ist ein weltweites Phänomen. In der spanischen Sportpresse werden mit dem Ausdruck ‚alemán’ Eigenschaften wie Härte, Arbeit, Ordnung und Disziplin verbunden. Im Wortkonstrukt ‚teutonische Disziplin’ gipfelt sich die Wahrnehmung der deutschen Spielweise als unkreativ, berechenbar und zerstörerisch (vgl. Stuckenberg, 2004: 56f).

Die Differenzierung von Verhaltensweisen auf Basis der Ethnizität, ist ein ubiquitäres Phänomen, welches meist anhand nationenspezifischer Zugehörigkeit geschieht.

Verallgemeinerungen, wie die Deutschen’ oder ‚die Türken’, finden sich auf dem Fußballfeld genauso wieder wie in anderen alltäglichen Lebensbereichen. Zifonun (2008: 163) konzentriert sich auf das Stereotyp des ‚heißblütigen Südländers’, ein Ausdruck welcher häufig im Zusammenhang mit türkischen Spielern gebraucht wird, jedoch auch Spanier, Portugiesen, Italiener und Griechen einbezieht. Wenn es in Spielen mit Migranten vermehrt zu Platzverweisen, Auseinandersetzungen oder zu Eskalationen kommt, ist die Erklärung hierfür öfters das ‚südländische Temperament’ und die einhergehende Feststellung sie seien ‚heißblütiger’ - man beachte die Komparativform. Diese emotionale Differenziertheit kann jedoch sowohl als Fremdbild zur Feststellung der Ungleichheit, als auch als Selbstbild zur Rechtfertigung der eigenen Identität genutzt werden. Eine Begleiterscheinung dieser Verteidigungsstrategie ist oft eine Gegenstigmatisierung der anderen Seite als voreingenommen oder rassistisch. Dies rührt in diesem Fall aus dem Wissen um das eigene Image - schneller reizbar, heißspornig und aggressiver - und der Angst, dass dieses Bild des ‚heißblütigen Südländers’ schädigende Wirkungen, z.B. im Hinblick auf Schiedsrichterentscheidungen, haben könnte.

Dieses ‚Stereotyp’[25], mit dem auch die Wertung als moralisches Defizit einhergeht, wird im Fußballmilieu zunehmend als Faktum angesehen. Das vermeintliche Wissen um diese Verhaltensweise birgt die Gefahr, dass deutsche Spieler ihre ausländischen Gegner gezielt reizen und provozieren, um sie zu einer impulsiven Reaktion zu verleiten. Hier wird Wissen instrumentell eingesetzt. Zifonun (2008) erklärt dieses Phänomen mit der ambivalenten Situation der Vereine. Auf der einen Seite kann keine Mannschaft mehr auf ihre spielstarken Migranten verzichten, auf der anderen Seite fürchten die Einheimischen durch die aufkommende Gruppenstärke ebendieser um ihre Vormachtsstellung innerhalb der Vereinsstrukturen. Dies führt zu einem latenten hierarchischen Machtkampf im Fußball, welcher in den hart umkämpften Spielen gegen besagte ethnische Vereine kulminiert. In diesen Begegnungen wird oftmals die türkische Solidarität kritisiert, was sich dann in Sprachwendungen wie ‚die ziehen sich gerne zurück’, oder ‚die halten immer zusammen’ äußert (vgl. Zifonun, 2008: 166ff).

Zusammenfassend sollte angeführt werden, dass Stereotype im Fußball eine sehr dominante Rolle einzunehmen scheinen. Als potentielles Konfliktursache sind sie von hoher Relevanz für die vorliegende Arbeit. Fußballstereotype zeichnen sich jedoch auch durch eine gewisse spielerische und ironische Verwendung aus. Dem Wissen um die gelegentliche Persistenz der Zuschreibungen muss nicht immer mit Vorwürfen oder Zurückweisungen begegnet werden, sondern ihnen kann auch mit einer gewissen Selbstironie die negative oder moralische Konnotation entzogen werden: „Wir sind von unserer Mentalität und unserem Temperament her nun mal nicht die Südamerikaner. Wenn der Brasilianer tanzt, stehen wir daneben wie Kühlschränke." (Berti Vogts[26] in DFBa)

3.6 Kritische Würdigung

In diesem Kapitel wurde die Rolle des Fußballs in der deutschen Gesellschaft auf allen Ebenen anschaulich dargestellt. Ebenso wurde die Präsenz interkultureller Beziehungen erläutert sowie verdeutlicht, dass gesamtgesellschaftliche Tendenzen teilweise auf das Fußballmilieu übertragen werden können, man jedoch auch kontextspezifische Aspekte berücksichtigen muss. Hierbei wurde die Rolle der (mono)ethnischen Vereine in ihrer Kontroverse hervorgehoben und die Integrationspotenziale und auch -grenzen des Fußballs verdeutlicht. Ferner wurden die ersten interkulturellen Konfliktpotenziale aufgezeigt, nämlich das informelle Fairplay mit seinen moralischen Regeln, die monoethnischen Mannschaften und ihr (negatives) Image sowie die milieuspezifische Fußballsprache samt ihren Stereotypisierungen.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es jedoch nicht, eine Liste potentieller Probleme in der sportlichen Interaktion von deutschen und ausländischen Spielern aufzustellen, sondern im Fokus steht explizit die Rolle einer Schlüsselposition des Fußballspiels, nämlich die des Schiedsrichters. Vereinzelt wurde bereits angedeutet, dass diverse Grundmerkmale dieses Sports, wie die Regeln oder das Fairplay, immer in Verbindung mit dem Schiedsrichter zu bringen sind. Das nun folgende Kapitel soll seine Funktion, sein formelles und informelles Wirken auf dem Feld, die Anforderungen an das Amt und die Konfliktpotenziale, die mit dieser Funktion einhergehen beleuchten.

4 Der Schiedsrichter

„Jedes Spiel wird von einem Schiedsrichter geleitet, der die unbeschränkte Befugnis hat, den Fußball-Regeln in dem Spiel, für das er aufgeboten wurde, Geltung zu verschaffen.“ (Fußball-Regeln 2010/2011: 28)

Dies ist die offizielle Anweisung zur Entscheidungsgewalt des Schiedsrichters des Deutschen Fußball-Bundes. Demnach hat der Schiedsrichter vor allen Dingen die Einhaltung der Regeln zu überwachen. Dieter Pauly, langjähriger internationaler Spitzenschiedsrichter behauptet sogar, ein Schiedsrichter müsse Polizist, Aufpasser, Richter, Staatsanwalt und Vollzugsbeamter sein (Pauly, 1990: 10). Doch ist er wirklich nur derjenige der eine Machtposition innehat, um Sanktionen zu verhängen oder ist er doch auch ein Spielleiter, Spielmacher oder „Game-Manager“ wie er von Brand und Neß (2004) bezeichnet wird? Dieses Kapitel soll den Leser mit der Persönlichkeit des Schiedsrichters und den Besonderheiten der Schiedsrichterrolle vertraut machen.

Zuerst jedoch soll der Begriff ‚Schiedsrichter’ genauer definiert werden. Ein altes Synonym für Schiedsrichter ist der Schiedsmann oder Schideman, also ein ehrenamtlich bestellter Vermittler in privaten Schwierigkeiten. Ebenso wird die Ableitung „schiedlich“ heutzutage noch in „schiedlich-friedlich“ benutzt, also „keinen Streit heraufbeschwörend“ oder „im Guten“ (Duden, 1997: 629f). In der Begriffserklärung in den Wörterbüchern werden zwei häufig verwendete Adjektive mit dem Schiedsrichter verbunden, nämlich unparteiisch und neutral, welche in den offiziellen Regelwerken des DFB nicht vorkommen. Besonders in den Medien wird vom Unparteiischen geredet, was ebenfalls die Wichtigkeit dieser Eigenschaft zeigt. So ist er gemäß dem Wahrig ein „Unparteiischer, der ein Wettspiel beaufsichtigt und die Entscheidung fällt“ (Wahrig, 2006: 1287). Hinsichtlich des Attributs der Neutralität meint Trosse, dass sie ein frommer Wunsch sei, da der Schiedsrichter durch seine Entscheidungen immer auch gegen die andere Mannschaft entscheidet und Stellung bezieht (vgl. Trosse, 2001: 38).

[...]


[1] Die namentliche Nennung verschiedener Fußballvereine dient ausdrücklich nicht dazu, Vorurteile und Meinungen über sie zu verbreiten oder zu untermauern. In begründeten Ausnahmefällen war es aus Sicht des Autors notwendig den Namen des Vereins zu erwähnen, da z.B. der Verweis auf die Ethnizität in der Namensgebung Thema ist oder die direkte Nennung des Klubs zum besseren Verständnis der Aussage beiträgt.

[2] Der DFB benutzt in seinem Internetauftritt beide Ausdrücke, also sowohl ethnische Vereine als auch ‚Migrantenvereine’, s. Kapitel 3.3.

[3] Der überwiegende Gebrauch der männlichen Schreibweise in der gesamten Arbeit für die Begriffe Schiedsrichter, Schiedsrichter-Assistent und Offizieller dient lediglich der Vereinfachung und bezieht sich selbstverständlich auch auf Frauen. Im Kapitel der Datenauswertung wird teilweise explizit der Terminus ‚Schiedsrichterin’ genutzt, um auf eine Differenzierung hinzuweisen.

[4] B-Junioren (U17/U16) einer Spielzeit sind Spieler, die im Kalenderjahr, in dem das Spieljahr beginnt, das 15. oder das 16. Lebensjahr vollenden oder vollendet haben. (vgl. Fußball-Regeln 2010/2011: 63)

[5] Face-to-Face-Kommunikation bezeichnet „eine Redesituation mit unmittelbarem Kontakt zwischen Sprecher und Hörer.“ (Lexikon der Sprachwissenschaft, 2008: 186)

[6] Die deutsche Übersetzung trägt den Titel Öffentliche Meinung.

[7] Synonyme für eine Outroup sind Fremdgruppe, Außengruppe. Einer Outgroup fühlt man sich nicht zugehörig und geht auf Distanz zu ihr. (vgl. Duden, 2007: 1246)

[8] Ingroup bezeichnet eine soziale Gruppe zu der man ein starkes Zugehörigkeitsempfinden entwickelt hat und zu der man gehört. (vgl. Duden, 2007: 880)

[9] S. Definition auf Seite 9.

[10] „Die Welt zu Gast bei Freunden“ war das offizielle Motto der WM 2006 in Deutschland.

[11] Ein Söldner ist ein gegen Bezahlung (Sold) angeworbener, zumeist zeitlich befristet dienender und durch einen Vertrag gebundener Soldat.

[12] Hierzu kann die aktuelle Debatte um Manuel Neuer angeführt werden, dem deutschen Nationaltorwart der nach 22 Jahren Vereinszugehörigkeit vom FC Schalke 04 zum FC Bayern München gewechselt ist. (vgl. Grove, 2011)

[13] Übersetzt: Ernsthafter Sport hat mit Fairplay nichts zu tun. Er ist fest verbunden mit Hass, Eifersucht, Prahlerei, dem ignorieren aller Regel und dem sadistischen Vergnügen, Zeuge von Gewalt zu sein.

[14] Es bestehen drei mögliche korrekte Schreibweisen: Fairplay, Fair Play und Fair play. Für diese Arbeit wurde einheitlich die Schreibweise Fairplay gewählt.

[15] Financial Fairplay ist ein Reglement der UEFA, um die steigende Verschuldung der europäischen Spitzenvereine aufzuhalten.

[16] Im Handball gibt es die Praxis, bei nicht so bedeutenden Turnieren im Sommer oder zur Vorbereitung, einem Gegner aus einer unteren Liga einen gewissen Torevorsprung zu gewähren.

[17] Paul Breitner ist ein ehemaliger Fußball-Nationalspieler.

[18] Nicht-deutsche Staatsangehörige, die mehrere Jahre ununterbrochen im deutschen Jugendfußball aktiv gemeldet waren, wurden so rechtlich zu gleichberechtigten Fußballdeutschen.

[19] Oliver Bierhoff ist ein ehemaliger Nationalspieler und jetziger Teamchef der Nationalmannschaft. Außerdem fungiert er als Schirmherr des DFB-Integrationspreises.

[20] Integration ist ein Teil des Nachhaltigkeitsprogramms des DFB.

[21] Weitere Informationen zu den Integrationsprojekten des DFB können unter http://www.dfb.de/index.php?id=508798 gefunden werden.

[22] In diesem Kontext ist mit Assimilation die Verschmelzung der Minderheit in die Mehrheit gemeint.

[23] Weitere Informationen zum Integrationspreis und sämtliche Preisträger können unter folgender Adresse aufgerufen werden: http://www.dfb.de/index.php?id=501909.

[24] Mehr Informationen unter http://www.fussball-ohne-abseits.de/

[25] Die Entscheidung ob ‚heißblütiger Südländer’ überhaupt als Stereotyp charakterisiert werden kann, bleibt fraglich.

[26] Berti Vogts war von 1990 bis 1998 Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft.

Ende der Leseprobe aus 152 Seiten

Details

Titel
Interkulturelles Konfliktpotenzial im Amateurfußball. Die Rolle des Schiedsrichters
Untertitel
Das Schiedsrichterwesen im deutschen Amateurfußball
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)  (Institut für Interkulturelle Kommunikation)
Note
2.0
Autor
Jahr
2011
Seiten
152
Katalognummer
V205446
ISBN (eBook)
9783656559849
ISBN (Buch)
9783656559832
Dateigröße
1339 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In der Arbeit wird auf eine CD-ROM verwiesen. Diese ist nicht im Lieferumfang enthalten.
Schlagworte
Schiedsrichter, Fußball, Interkulturelle Kommunikation, Stereotype, Referee, Konfliktpotenzial
Arbeit zitieren
Cédric Reichel (Autor:in), 2011, Interkulturelles Konfliktpotenzial im Amateurfußball. Die Rolle des Schiedsrichters, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205446

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