Gewalt und Propaganda der SA in der Spätphase der Weimarer (1929-1933)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

28 Seiten, Note: 1,7 (gut teilweise besser)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Propaganda der SA
2.1. Propaganda und Werbemärsche
2.2. Die SA-Agitation im agrarischen Umland der Städte
2.3. Propagandaveranstaltungen in geschlossenen Räumen
2.4. Weitere Aktionsformen der SA-Propaganda

3. Gewalt und Terror
3.1. Gewalt als Demonstration von Stärke
3.2 Gewaltaktionen in der SA-Straßenagitation
3.3 Antisemitische Gewalt durch Angehörige der SA vor 1933

4. Schlussbemerkung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der politische Durchbruch der NSDAP in den Jahren 1929 und 1930, bestätigt durch den überwältigenden Wahlerfolg bei den Reichstagswahlen 1930[1], machte aus der bisher als unbedeutende Splitterpartei geltenden NSDAP, mit einem Mal die zweitstärkste Partei des Reichs und somit eine ernstzunehmende politische Kraft.[2]

Dieser Erfolg der NSDAP bedeutete auch für die SA eine Phase schnellen Wachstums und organisatorischen Ausbaus, verbunden mit einem verstärkten Auftreten in der Öffentlichkeit.

Nach Hitlers Auffassung sollte die SA eine „demagogische Provokations- und Einschüchterungsgarde“[3] repräsentieren. Goebbels definiert die Funktion der SA durch Begriffe wie „Repräsentantin des jungen Deutschland“ und „aktivste Propagandatruppe“ der NS-Bewegung, auf ähnliche Weise.[4] Der SA, in ihrer Funktion als Terror- und Propagandainstrument der Partei, fielen nach Merkl zwei Hauptfunktionen zu: zum einen sollte sie die nationalsozialistische Weltanschauung verbreiten und zum anderen die Straße „erobern“.[5] Die Straße, als Kommunikationsort und Propagandaforum hatte auch für Goebbels einen entscheidenden Stellenwert:„Der Machtstaat beginnt auf der Straße. Wer die Straße erobern kann, kann auch einmal den Staat erobern. Das ist der Sinn der Demonstration in der Öffentlichkeit, draußen zu zeigen, daß man den Staat will.“[6]

Ursprünglich als Schutztruppe bei Parteiversammlungen und Demonstrationen der NSDAP ins Leben gerufen, entwickelte sich die SA in Folge steigender Mitgliedszahlen im Laufe der Jahre von einer Parteitruppe zur Parteiarmee, deren Hauptaufgabe in der wirksamen Verbreitung der nationalsozialistischen Propaganda lag. Hierzu entwickelte die SA eine Reihe unterschiedlicher Aktionsformen.

Die bei nationalsozialistischen Demonstrationen in der Öffentlichkeit in Reih und Glied marschierenden, uniformierten SA-Männer, übten auf viele Zuschauer eine gewisse Faszination aus, die von vorne herein kalkuliert war. Die Straßenpropaganda erlaubte es den Nazis ihre Inhalte mobiler und offensiver verbreiten zu können, als dies bei Veranstaltungen in geschlossenen Sälen der Fall war. Formal-ästhetische Wirkungsmittel spielten bei der massenwirksam inszenierten „Eroberung“ der Straße eine wichtige Rolle. Durch Identifikation des Zuschauers am Straßenrand mit der vorbeiziehenden Parteitruppe, sollte der öffentliche Raum okkupiert werden.

„Eroberung“ der Straße schließt aber auch einen anderen Aspekt ein, nämlich die gezielte Provokation des politischen Gegners. Im Falle der SA waren die politischen Gegner vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten. Häufig mündeten SA-Aufmärsche in gewalttätigen Auseinandersetzungen, ja regelrechten Straßenschlachten mit der politischen Linken. Aber nicht nur bei Aufmärschen kam es zu Zusammenstößen. Auch bei öffentlichen Versammlungen oder Kundgebungen, sei es in geschlossenen Räumen oder im Freien, waren gewalttätige Auseinandersetzungen an der Tagesordnung. Die Opfer dieser Zusammenstöße wurden im Nachhinein häufig von der Partei zu propagandistischen Zwecken missbraucht.

In der vorliegenden Arbeit sollen die soeben angesprochenen Themenblöcke der Propaganda sowie der Gewalt der SA genauer untersucht werden. Welcher Formen von Propaganda bedienten sich die Nazis, um die Massen zu faszinieren und wie geht die ästhetische Okkupation des öffentlichen Raumes von statten? Auf welche Weise provozierte man den politischen Gegner und welche Formen von Gewalt bildeten sich heraus?

Der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit beschränkt sich auf die „Kampfzeit“ der NS-Bewegung in der Spätphase der Weimarer Republik, also auf die Jahre 1929 bis 1933, vom politischen Aufstieg der NSDAP im Frühjahr 1929, bis hin zur Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30.Januar 1933.

2. Die Propaganda der SA

2.1 Propaganda- und Werbemärsche

Wie bereits eingangs erwähnt, bildeten massenwirksam inszenierte Auftritte größerer, uniformierter SA-Einheiten in der Öffentlichkeit, ein Hauptmerkmal der von der NSDAP verfolgten Propagandastrategie: die Öffentlichkeit sollte auf die NS-Bewegung aufmerksam gemacht werden.[7] Die Hauptformen des öffentlichen Auftretens der SA waren daher Propaganda- beziehungsweise Werbemärsche. Bei diesen öffentlichen Auftritten, setzte die Führung der SA vor allem auf ein möglichst geschlossenes, militärisches Auftreten ihrer Mitglieder.[8] Um eine möglichst hohe Perfektion des Exerzierens zu erreichen, wurde sogar ein SA-eigenes Exerzierreglement erlassen, in welchem Kommandos und Bewegungsabläufe der SA-Formationen bis ins kleinste Detail festgelegt wurden.[9]

Entscheidendes propagandistisches Medium bei den SA-Aufmärschen war nach Paul der SA-Mann selbst.[10] In seiner Eigenschaft als Vertreter des „jungen Deutschland“, sei er, wie Goebbels es ausdrückt, dazu auserkoren, „die plastische Stärke und die volksverbundene Kraft der nationalsozialistischen Bewegung vor aller Welt und Öffentlichkeit zu zeigen“.[11] Die geschlossen marschierenden SA-Männer sollten mit Hilfe optischer sowie akustischer Ausdrucksmittel, Bedeutungsinhalte wie: Ordnung und Disziplin, Aktivismus und Opfersinn, Glaube und Hingabe, Treue und Einsatz, Kampf und Wehrhaftigkeit, Macht und Stärke, vermitteln und somit eine, wie Paul treffend formuliert: „sichtbare körperliche Alternative zur Republik von Weimar“[12] verkörpern. Balistier weist in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die wesentliche propagandistische Funktion des einzelnen SA-Mannes hin:

Erst im Zusammenwirken mit vielen anderen erfüllt er seine Aufgabe. Erst die marschierende Kolonne vermittelt ein „prächtiges Bild“, erst sie produziert diese Bilder von „Ordnung und Disziplin“, „Kraft und Geschlossenheit“, eiserner „Manneszucht und anmarschierendem nationalen Willen.“ Und diese Bilder wirken.[13]

In der marschierenden Formation trat das Einzelindividuum also völlig in den Hintergrund. Der einzelne SA-Mann verschwand in der Anonymität und Synchronität der Gruppe, damit diese die von den Propagandastrategen der NSDAP gewünschten, massenwirksamen Bilder entfalten konnte. Diese wurden wiederum von der, den vorbeimarschierenden Zug der SA beobachtenden Menschenmenge, sei es gewollt oder ungewollt, aufgenommen. Die propagandistische Hauptaufgabe des öffentlichen Auftretens der SA war somit:„[…]die ästhetische und akustische Okkupation des öffentlichen Raumes durch Vermittlung sinnenmobilisierender innerer Bilder.“[14] Damit die von den Nationalsozialisten entwickelten optischen und akustischen Ausdrucksmittel, mit denen man die eigene Propaganda in den Köpfen der zusehenden Massen „verankern“ wollte, auch die gewünschte Wirkung entfalten konnten, musste das Gesamtbild stimmig sein.

Wichtigstes optisches Ausdrucksmittel der vorbeimarschierenden SA-Kolonne war die Körpersprache der SA-Männer, ihre zum Körperpanzer erstarrte „stramme Haltung“.[15] Diese „tadellose“, „eiserne Haltung“, sollte bewusst an militärische Ideale erinnern:

Die SA-Kolonne als Körperformation soldatischer Männer soll das verbotene Heer vertreten und symbolisieren. Dazu muss sie militärisch wirken, ohne selbst Militär zu sein. Sie tut dies über die „prächtige soldatische Haltung“.[16]

Die Nationalsozialisten knüpften damit an das zentrale Massensymbol der deutschen Nation, nämlich das seit 1918 verbotene Heer an. Den marschierenden SA-Kolonnen kam demnach eine zweifache Propagandafunktion zu. Zum einen evozierten sie bei der Bevölkerung durch ihr Auftreten einen optischen Erinnerungsrest an den vergangenen Glanz der alten Armee und zum anderen verkörperten sie die Vision eines Aufbruchs in eine neue Zeit, die Entstehung eines kommenden nationalsozialistischen Reiches und somit eine Alternative zum System der Weimarer Republik.[17]

Weitere optische Ausdrucksmittel, sind die energische Entschlossenheit verbreitenden, martialischen Gesichtszüge, die leuchtenden Augen und die zum Hitlergruß ausgestreckten Arme, welche Hoffnung und Zuversicht, beziehungsweise Macht und Standhaftigkeit vermitteln sollten.[18]

Die Bewegungsform der SA-Männer war das Marschieren. Damit ein in optischer Hinsicht massenwirksames Bild einer in geordneter Formation marschierenden SA-Kolonne erreicht werden konnte, mussten die Bewegungen der Marschierenden möglichst synchron sein. Die Gleichzeitigkeit des Bewegungsablaufes wurde durch die meistens dem Zug vorangehenden SA-Führer erreicht. Ihre Kommandos bestimmten Anfang und Ende des geordneten Marschierens. Der Rhythmus des Marschierens war ein eingängiger Viervierteltakt, durch welchen verhindert wurde, dass jemand aus dem Tritt kam.[19] Die ornamentale Bewegung der in Reih und Glied marschierenden Kolonne, erzeugte bei dem Betrachter am Straßenrand den Eindruck von Ordnung und Zielgerichtetheit und sollte ihn dazu ermuntern, „[…] sich dem vitalen, offenbar in eine glücklichere Zukunft schreitenden Zug anzuschließen.“[20]

Um die marschierenden SA-Männer von der Pluralität der übrigen Menschen abgrenzen zu können, trugen sie einen hellbraunen Dienstanzug. Man wählte die hellbraune Farbe für die Uniformen zum einen, da es sich um die Lieblingsfarbe des „Führers“ handelte aber wohl primär aus dem Grund, dass eine in einheitliche Uniformen gekleidete, marschierende Formation ein besonders massenwirksames Bild abgab.[21] Das „Braunhemd“ hob sich gegenüber der zivilen Bekleidung der Weimarer Republik und der Bekleidung gegnerischer Formationen eindeutig ab und wurde so zum Markenzeichen für die SA und die damit verbundene politische Bewegung. Balistier bezeichnet die Uniform in seiner Darstellung als „Instrument der Entpersönlichung“.[22] Durch das Tragen der Uniform legte ihr Träger seinen zivilen Status ab und ordnete sich dem Gefüge des Nationalsozialismus unter:

Die SA als uniformierende Organisation löste das zivile Individuum aus einem Bezugssystem des als ungerecht empfundenen Weimarer Ordnungsrahmen heraus und stellte den uniformierten Körper in einen neuen Ordnungsrahmen, die Welt des Nationalsozialismus.[23]

Neben den bisher besprochenen, direkt mit den Körpern der SA-Männer in Verbindung stehenden optischen Ausdrucksmitteln, setzte die SA bei Ihren Demonstrationen auch auf andere optische Symbole wie Fahnen, Standarten und Transparente.[24] Vor allem Fahnen und Standarten waren unerlässliche Ausdrucksmittel einer jeden SA-Demonstration. Die Nationalsozialisten betrieben um die Fahne einen regelrechten Kult. Als zentrales Kampf- und Machtsymbol der marschierenden Kolonne, war sie geradezu „heilig“ und wurde bei entsprechenden Gelegenheiten sogar „geweiht“.[25] In Anlehnung an militärische Traditionen, diente die Hakenkreuzfahne den SA-Leuten auch als Orientierungspunkt im Gefecht, zum Beispiel bei Straßenkämpfen mit dem politischen Gegner:„Die Straßen, über denen das Hakenkreuz wehte, waren von den Kolonnen besetzt, dort hatten sie zeitweilig die Macht.“[26]

[...]


[1] Die NSDAP konnte mit 18,3 % einen sensationellen Wahlerfolg verbuchen und konnte ihre

Mandate von 12 auf 107 erhöhen.

[2] Vgl. Peter Longerich, Die braunen Bataillone, Geschichte der SA, München 1989, S. 80.

[3] Wolfgang Sauer, Die Mobilmachung der Gewalt, Köln-Opladen 1974, S. 201.

[4] Vgl. Gerhard Paul, Aufstand der Bilder, Die NS Propaganda vor 1933, Bonn 1990, S. 134.

[5] Vgl. Peter H.Merkl, Formen der nationalsozialistischen Gewaltanwendung: Die SA der Jahre 1925-

1933, in: Wolfgang J. Mommsen/Gerhard Hirschfeld (Hgg.), Sozialprotest, Gewalt, Terror:

Gewaltanwendung durch politische und gesellschaftliche Randgruppen im 19. und 20. Jahrhundert,

Stuttgart 1982, S. 428.

[6] Zit. n. Paul, 1990, S. 133.

[7] Vgl. Longerich, 1989, S. 116.

[8] Um dies zu erreichen, nahmen Exerzierübungen im Tagesablauf der SA Männer viel Zeit in

Anspruch.

[9] Vgl. Longerich, 1989, S. 116.

[10] Vgl. Paul, 1990, S. 135.

[11] Zit. n. Paul, 1990, S. 135.

[12] Ebd. S.135.

[13] Thomas Balistier, Gewalt und Ordnung: Kalkül und Faszination der SA, Münster 1989, S.56.

[14] Paul, 1990, S. 135.

[15] Vgl. Paul, 1990, S. 136.

[16] Balistier, 1989, S.85.

[17] Vgl. Paul, 1990, S.136.

[18] Vgl. ebd. S.136.

[19] Vgl. Balistier, 1989, S. 95 f..

[20] Paul, 1990, S. 136.

[21] Vgl. Balistier, 1989, S. 96f..

[22] Ebd. S.100.

[23] Ebd. S.101.

[24] Transparente wurden jedoch seit einem Verbot Röhms vom Juli 1932 nicht mehr eingesetzt, da man

sie als Ablenkung und Störung vom Wesentlichen betrachtete.

[25] Vgl. Balistier, 1989, S.102-104.

[26] Ebd., S.105.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Gewalt und Propaganda der SA in der Spätphase der Weimarer (1929-1933)
Hochschule
Universität Trier  (Fachbereich III: Neueste Geschichte)
Veranstaltung
Seminar: Radikalismus und politische Gewalt im Europa der Zwischenkriegszeit (1918-1939); Leitung: Prof. Dr. Lutz Raphael
Note
1,7 (gut teilweise besser)
Autor
Jahr
2003
Seiten
28
Katalognummer
V20532
ISBN (eBook)
9783638243841
Dateigröße
548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewalt, Propaganda, Spätphase, Weimarer, Seminar, Radikalismus, Gewalt, Europa, Zwischenkriegszeit, Leitung, Prof, Lutz, Raphael
Arbeit zitieren
Volker Joachim Wallerang (Autor:in), 2003, Gewalt und Propaganda der SA in der Spätphase der Weimarer (1929-1933), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20532

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