Die Verknüpfung der IG Farben AG mit dem Nationalsozialismus


Studienarbeit, 2003

30 Seiten, Note: 1-2


Leseprobe


Inhalt:

Einleitung

1. Zur Einführung – ein kurzer Einblick in die Geschichte der IG Farben AG

2. Die Vorgeschichte einer Zusammenarbeit: Das Projekt Kohle-hydrierung

3. Einschub: Der „Kalle-Kreis“ – Unterstützung politischer Parteien durch die I.G. Farben vor 1933

4. „Dann ist der Mann vernünftiger, als ich gedacht habe.“ – Die Verknüpfung der I.G. Farben AG mit dem Nationalsozialismus
4.1 Das Verhältnis der I.G. Farben AG zur NSDAP vor 1933
4.2 Das erste Treffen mit Hitler
4.3 Hitlers Reden vor den Spitzen der deutschen Industrie am 20. Februar 1933
4.4 „Adolf-Hitler-Spende“ – Ausweitung der finanziellen Unterstützung seitens der I.G.

5. Benzinvertrag und Projekt Buna – der Vierjahresplan und die Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen I.G. und NSDAP
5.1 Der Benzinvertrag
5.2 Das Projekt Buna
5.3 Der Vierjahresplan und Carl Krauch – Katalysatoren des Projekts Buna

6. I.G. Auschwitz – Zwangsarbeit und Vernichtung unter der Führung der I.G. Farben AG
6.1 Standortsuche, Frage der Finanzierung, Beginn der Bauarbeiten
6.2 Monowitz – das KZ der I.G. Farben

7. Zyklon B – die I.G. Farben liefern den Tod für Millionen

8. Der verlorene Krieg und der Nürnberger I.G.-Farben-Prozess

Bibliographie

Einleitung:

Diese Studienarbeit beschäftigt sich mit der Verknüpfung der I.G. Farben AG mit dem Nationalsozialismus.

Die Geschichte der I.G. Farben wird zunächst – so kurz wie möglich, so ausführlich wie nötig – zusammengefasst.

Anschließend werden die für die Zusammenarbeit mit der national- sozialistischen Regierung entscheidenden Erzeugnisse der I.G. – synthetisches Mineralöl und Buna, künstlicher Kautschuk – näher betrachtet; eingeschoben ist eine kurze Abhandlung der politischen Aktivitäten der I.G. vor 1933 mit Konzentration auf die Spendenpolitik.

Ausführlich wird auf die Anfänge der Zusammenarbeit mit dem National- sozialismus eingegangen, der Bogen spannt sich über erste Kontakte mit Hitler, Unterstützungen der NSDAP in ihrer Anfangsphase seitens der I.G. Farben durch großzügige Spenden und die erste schriftliche Fixierung der Zusammenarbeit, dem Benzin-Vertrag.

Thematisiert wird anschließend die Planung und der Aufbau der I.G. Auschwitz incl. des von der I.G. unterhaltenen KZ Monowitz; kurz wird die Lieferung von Zyklon B durch die Degesch, eine Tochterfirma der I.G., geschildert.

Den Abschluss der Studienarbeit bildet ein Kapitel über den Nürnberger I.G.-Farben-Prozess, weiterhin wird ein kurzer Einblick in die Entwicklung der I.G. nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben.

1. Zur Einführung – ein kurzer Einblick in die Geschichte der IG Farben AG

Um die Ursprünge der IG Farben AG zu klären, bedarf es eines kurzen Exkurses in die Geschichte der Chemie: Zunächst, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, war die chemische Forschung, die seinerzeit etwa durch die Entdeckung synthetischer Farbstoffe und Entwicklung neuer Arzneimittel für Aufsehen sorgte, noch von finanziellen Zuwendungen der chemischen Industrie oder privaten Mäzen abhängig[1].

Diese Abhängigkeit der Forschung von diversen Gönnern änderte sich am 23. Oktober 1912, mit der Gründung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie, in dessen Verwaltungsrat, -ausschuss und wissenschaftlichen Beirat bereits die „Grundstoffe für die kommende Vereinigung“[2] versammelt waren, im Einzelnen: Heinrich von Brunck und Carl Möller (Badische Anilin- und Soda-Fabrik), Henry von Böttinger und Carl Duisberg (Farbwerke vorm. Friedr. Bayer & Co.), Gustav von Brüning und Walther von Rat (Höchster Farbwerke vorm. Meister, Lucius & Brüning) sowie Franz Oppenheim (AG für Anilinfabrikation), Edmund ter Meer (Chemische Fabriken vorm. Weiler-ter Meer) und Arthur von Weinberg (Cassella & Co.).

Die chemische Forschung war also von diesem Zeitpunkt an an die finanzielle Unterstützung des Staates gebunden, sie wurde verbeamtet - was innerhalb der Chemie einen „massiven Nationalismus“ entstehen ließ, der im Ersten Weltkrieg zutage treten sollte[3]. Während des Ersten Weltkriegs wurde nämlich ein Problem offenbar, das der deutsche Generalstab zunächst nicht als solches gesehen hatte – das Deutsche Reich war in hohem Maße von Rohstoffen aus Übersee abhängig. Ohne Salpeter, die Basis aller damals bekannten Sprengstoffe, drohte der Krieg vorzeitig zu Ende zu gehen – auf Salpeter besaß Chile das Monopol, es musste folglich aus Übersee importiert werden, was die englische Marine durch Blockaden zu verhindern wusste[4].

Doch es „entstand unserem Krieg ein Retter“[5] namens Carl Bosch. Dieser, Ingenieur der BASF, wurde damit beauftragt, die bereits im Labor erprobte Umwandlung synthetisch gewonnenen Ammoniaks im industriellen Maßstab zu verwirklichen[6] ; die Gegenleistung für Boschs „Salpeterversprechen“ bestand in Abnahmegarantien sowie einem Staatsdarlehen von 35 Millionen Reichsmark, welches zum Bau einer Großanlage zur Herstellung von Salpetersäure verwendet wurde[7] /[8].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Carl Bosch (1874-1940) Fritz Haber (1868-1934)

Ein weiterer „Retter“ des Ersten Weltkriegs trägt den Namen Fritz Haber. Habers Forschungen, ebenfalls unterstützt von der BASF, bildeten die Grundlage für Boschs industrielle Herstellung von Salpetersäure[9] ; diese ging unter der Bezeichnung „Haber- Bosch-Verfahren“ in die Geschichte der Chemie ein.

Haber, promovierter Philosoph und Soldat im Rang eines Hauptmanns, hatte aber noch eine weitere „zündende Idee“[10] – er erkannte, dass die Abfallprodukte der Farbindustrie, vornehmlich Chlor, auch zur Vernichtung des Feindes verwendet werden können. Dem ersten deutschen Gasangriff am 22. April 1915 fielen etwa 5000 französische Soldaten zum Opfer, Tausende blieben ihr Leben lang gezeichnet[11].

Habers Stellenwert innerhalb der Giftgasforschung ist auch durch die nach ihm benannte Formel, das „Haber-Produkt“, ersichtlich: In Habers „Tödlichkeitsformel“[12] wird das Produkt aus der Multiplikation der Konzentration einer Substanz in der Luft mit der bis zum Eintritt des Todes benötigten Zeit errechnet.

Mit Forschungen an Substanzen, die zum Tod des Feindes führen, beschäftigte sich auch Carl Duisberg[13]. Dieser war seit 1883 bei den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. angestellt; Duisbergs „Auftrag lautete schlicht: Erfindungen machen“[14]. Diesen Auftrag erfüllte Carl Duisberg, die Firma konnte vom Zeitpunkt seiner Anstellung an eine Vielzahl von Patent-Neuanmeldungen vermelden – Duisberg stieg auf, wurde 1900 zum Direktor und 1912 zum Generaldirektor der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. ernannt[15].

Carl Duisberg wurde aber auch zum Vater der I.G. Farbenindustrie AG. Bereits im Jahr 1903, sich auf die Erfahrungen seiner zweiten USA-Reise beziehend, stellte Duisberg in einer Denkschrift die Frage, ‚ob die Verhältnisse der chemischen Industrie und speziell in der Farbenindustrie nicht auch derartig sind, daß eine Vereinigung der verschiedenen Farbenfabriken nicht nur zweckmäßig ist, sondern im Laufe der Zeit erfolgen muss’[16].

Diese Denkschrift wurde im Januar 1904 an die „Herren von der Konkurrenz“[17] geschickt; im gleichen Jahr entstand der Dreibund, der Zusammenschluss zwischen BASF, Bayer und Agfa zu einer Interessengemeinschaft[18] sowie der Zweibund zwischen Meister Lucius & Brüning und Casella, der sich 1907 durch den Beitritt von Kalle & Co. zum Dreierverband erweiterte[19].

Am 18. August 1916 schlossen sich Dreibund, Dreierverbund, die chemische Fabrik Griesheim-Elektron und die chemischen Fabriken Weiler-ter Meer nach dem in einer neuen, 1915 erschienen Denkschrift veröffentlichten Plänen Duisbergs zusammen[20]. Dieser Zusammenschluss basierte vornehmlich auf zwei Motiven: Die amerikanische Regierung hatte während des Krieges erkannt, welcher Nutzen, welcher strategische Vorteil aus Abfallprodukten der Farbstoffproduktion gezogen werden konnte – um das deutsche Farb-monopol zu zerstören, erklärte die US-Regierung die Farbstoffproduktion zur „nationalen Aufgabe“, deren Erfüllung sie mit Schutzzöllen unterstützte[21]. Um einen Preiskampf untereinander zu verhindern, war die deutsche Farbenindustrie folglich auf Absprachen und Zusammenarbeit angewiesen.

Durch den Ersten Weltkrieg, „den vom Staat aus nationalen Gründen subventionierten Aufbau großtechnischer Anlagen“[22], hatte die deutsche chemische Industrie aber auch einen großen Vorsprung im internationalen Vergleich, vornehmlich durch die Umsetzung des bereits erläuterten Haber-Bosch-Verfahrens – es war folglich voraussehbar, dass zu der Realisierung des theoretisch Machbaren auf diesem Gebiet große finanzielle Kapazitäten vonnöten sein würden, die nur durch einen Zusammenschluss aufgebracht werden konnten, Kapital sollte gesammelt werden, um in die „Zukunftstechnologien“ der Hochdruck-Chemie zu investieren[23].

In 1926 erfolgte dann der Zusammenschluss des Kartells „Interessen- gemeinschaft der deutschen Teerfarbenindustrie“ zur „I.G. Farbenindustrie AG“. Den Anstoß zu dieser Fusion, in deren Rahmen auch die Dynamit AG und die Westfälische Sprengstoff AG und damit die deutsche Munitionsindustrie „geschluckt“ wurde, gab die Forderung nach einem neuerlichen Rationalisierungsprozess; unrentable Produktionszweige wurden geschlossen oder zusammengelegt[24], um Kapital für weitere Investitionen in die Hochdruck-Technologie zu akkumulieren.

Neben der Hochdruck-Chemie sollte zudem die Umsetzung einer weiteren „Zukunftstechnologie“ finanziert werden, die Benzin-Synthese durch Kohlehydrierung[25].

2. Die Vorgeschichte einer Zusammenarbeit: Das Projekt Kohlehydrierung

Unter der Führung Carl Boschs beschloss die I.G. Farbenindustrie AG, die bereits 1924 begonnenen Versuche zur Mineralölsynthese zu verstärken, dabei wurden zunächst große Fortschritte erzielt, so dass man bereits in 1926 das Wagnis einging, im Rahmen der Leunawerke eine „technische Großversuchsanlage“, mit der etwa 100.000 Tonnen Benzin produziert werden konnten, zu errichten[26].

Die Errichtung dieser Anlage schien eine Investition für die Zukunft zu sein: Aufgrund einer immer weiter zunehmenden Motorisierung der Bevölkerung stieg der Treibstoffbedarf[27] ; zugleich gab es „vielversprechende(n) Meldungen, daß die Ölquellen der Erde in absehbaren Jahren zu Ende gehen“[28].

Kurz nachdem am 1. April 1927 mit der Produktion künstlichen Benzins[29] begonnen wurde, erkannte man, dass das erforschte Verfahren keineswegs ausgereift war; es ergaben sich unvorhergesehene Probleme, die weitere Forschungen nötig machten[30].

[...]


[1] Vgl. Ruschig, Ulrich: Chemiker an der Heimatfront. Die I.G. Farben, die deutsche Chemie und der Nationalsozialismus. 2. Aufl. Oldenburg: 1987. S. 2.

[2] Köhler, Otto: …und heute die ganze Welt. Die Geschichte der IG Farben. Bayer, BASF und Hoechst. Köln: Papyrossa 1990. S. 42.

[3] Vgl. Ruschig, S. 2

[4] Vgl. Ruschig, S. 3

[5] Köhler, S. 18.

[6] Vgl. Ruschig, S. 4

[7] Vgl. Köhler, S. 29 f.

[8] Es muss allerdings angemerkt werden, dass Salpeter auch ein Grundstoff für Düngemittel war, es also durchaus auch edlere Verwendungszwecke und Forschungsgründe gab.

[9] Vgl. Köhler, S. 41.

[10] Köhler, S. 46.

[11] Vgl. Köhler, S. 47 f.

[12] Köhler, S. 53.

[13] Vgl. Köhler, S. 56.

[14] Köhler, S. 59.

[15] Vgl. Köhler, S. 68.

[16] Zitiert nach: Heine, Jens Ulrich: Verstand und Schicksal. Die Männer der I.G. Farbenindustrie A.G. in 161 Kurzbiographien. Weinheim: VCH Verlagsgesellschaft mbH 1990. S. 14.

[17] Köhler, S. 81.

[18] Vgl. Heine, S. 14 f.

[19] Vgl. Köhler, S. 91.

[20] Vgl. Henning, Friedrich-Wilhelm: Das industrialisierte Deutschland 1914 bis 1992. 8. Aufl. München: UTB 1993 (UTB-Taschenbücher 337). S. 109 f.

[21] Vgl. Ruschig, S. 6.

[22] Ruschig, S. 7.

[23] Ebd.

[24] Vgl. Ruschig, S. 9.

[25] Vgl. Ruschig, S. 9.

[26] Vgl.: Plumpe, Gottfried: Die I.G. Farbenindustrie AG. Wirtschaft, Technik und Politik 1904-1945. Berlin: Duncker & Humblot GmbH 1990 (= Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 37). S. 255-257

[27] Vgl. Plumpe, S. 255.

[28] Köhler, S. 201.

[29] Eine genaue Darstellung dieses Verfahrens würde den Rahmen dieser Studienarbeit sprengen. Einen Überblick verschaffen die Artikel Kohlehydrierung (S. 2144) und Kohleverflüssigung (S. 2162) in: Neumüller, Otto-Albrecht: Römpps Chemie-Lexikon. 8. Aufl. Stuttgart: Franckh’sche Verlagshandlung 1983 (= Band 3).

[30] Vgl. Plumpe, S. 257.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Die Verknüpfung der IG Farben AG mit dem Nationalsozialismus
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar: Die kalte Amnestie - Verfolgung von NS-Tätern in der BRD
Note
1-2
Autor
Jahr
2003
Seiten
30
Katalognummer
V20521
ISBN (eBook)
9783638243759
ISBN (Buch)
9783656074052
Dateigröße
669 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verknüpfung, Farben, Nationalsozialismus, Proseminar, Amnestie, Verfolgung, NS-Tätern
Arbeit zitieren
Torben Wengenroth (Autor:in), 2003, Die Verknüpfung der IG Farben AG mit dem Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20521

Kommentare

  • Gast am 4.4.2006

    Tolle Arbeit.

    Torben Wengenroth hat hier eine super Arbeit vorgelegt, das Herunterladen lohnt sich auf jeden Fall!

    Bjoern

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Titel: Die Verknüpfung der IG Farben AG mit dem Nationalsozialismus



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